Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Az: 12 ME 183/08
Beschluss vom 14.08.2008
Vorinstanz: VG Stade, Az.: 1 B 631/08
Beschluss
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entziehung seiner Fahrerlaubnis.
Am 8. Februar 2008 geriet der Antragsteller anlässlich einer um 9.36 Uhr durchgeführten allgemeinen Verkehrskontrolle in den Verdacht, Betäubungsmittel konsumiert zu haben. Ausweislich des Einsatzberichtes der Polizeiinspektion D. zeigte ein mit Einverständnis des Antragstellers veranlasster Drogenschnelltest ein positives Ergebnis bezüglich THC an. Eine polizeilich angeordnete Blutprobenuntersuchung erbrachte gemäß dem Endbefund der Laborarztpraxis Dr. E. und Kollegen vom 15. Februar 2008 den Nachweis von 7,1 ng/ml THC und 180,0 ng/ml THC-Carbonsäure im Serum des Antragstellers. Mit Bescheid vom 27. März 2008 entzog der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis und führte zur Begründung dieser Maßnahme aus, dass der festgestellte THC-Carbonsäurewert auf einen regelmäßigen Cannabiskonsum des Antragstellers schließen lasse. Darüber hinaus stehe fest, dass der Antragsteller den Konsum von Cannabis und das Führen von Kraftfahrzeugen nicht trennen könne oder wolle. Aufgrund dieser Tatsachen stehe seine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen fest. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage des Antragstellers (1 A 630/08) abgelehnt und ist der Beurteilung des Antragsgegners gefolgt, dass der Antragsteller als regelmäßiger Konsument von Cannabis anzusehen und deshalb dessen Fahreignung nicht gegeben sei. Selbst wenn lediglich eine gelegentliche Einnahme von Cannabinoiden zu unterstellen wäre, hätte der Antragsteller durch sein Verhalten am 8. Februar 2008 belegt, dass er nicht im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trenne. Bei der gegebenen Sachlage begegne es keinen rechtlichen Bedenken, dass der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis unmittelbar entzogen und diesen nicht aufgefordert habe, zunächst ein Gutachten beizubringen.
II.
Die gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobene Beschwerde hat keinen Erfolg. Die zur Begründung des Rechtsmittels dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, geben keinen Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern.
Mit seinem Vortrag, in Bezug auf die am 8. Februar 2008 angeordnete Blutprobenuntersuchung bestehe ein Beweisverwertungsverbot, weil die Untersuchung seitens der Polizei unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt und Missachtung der Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft gemäß § 81a Abs. 2 StPO angeordnet worden sei, kann der Antragsteller der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Denn es bestehen erhebliche Zweifel, ob hier gegen die Kompetenzregelung in §§ 46 Abs. 1 OWiG, 81a Abs. 2 StPO verstoßen worden ist und, selbst wenn ein Verstoß unterstellt wird, dieser zu einem Beweisverwertungsverbot geführt hat. Nach § 46 Abs. 1 OWiG, § 81a Abs. 2 StPO steht die Anordnung der Blutentnahme im Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich dem Richter zu. Der Richtervorbehalt – auch der einfachgesetzliche – zielt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur: Beschl.v. 12.2.2007 – 2 BvR 273/06 –, NJW 2007, 1345) auf eine vorbeugende Kontrolle der Maßnahme in ihren konkreten gegenwärtigen Voraussetzungen durch eine unabhängige und neutrale Instanz. Nur bei einer Gefährdung des Untersuchungserfolgs durch die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung einher gehende Verzögerung besteht auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und – nachrangig – ihrer Ermittlungspersonen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen daher regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung unterliegt der vollständigen, eine Bindung an die von der exekutiven getroffenen Feststellungen und Wertungen ausschließenden gerichtlichen Überprüfung.
Hier lässt sich anhand der im Verwaltungsvorgang des Antragsgegners befindlichen polizeilichen Ermittlungsunterlagen nicht näher nachvollziehen, ob der die Blutentnahme anordnende Polizeibeamte am 8. Februar 2008 im Anschluss an die allgemeine Verkehrskontrolle und den bei dem Antragsteller durchgeführten Drogenschnelltest eine richterliche Anordnung der Blutprobenentnahme hätte veranlassen können, oder ein derartiges Vorgehen den Untersuchungserfolg, nämlich die Aufklärung, ob der Antragsteller zeitnah Cannabis konsumiert und unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt hatte, gefährdet hätte. Die Frage lässt sich bei den im vorliegenden Verfahren nur beschränkt gegebenen Erkenntnismöglichkeiten nicht sicher beurteilen und bedarf gegebenenfalls noch einer Aufklärung im Verfahren zur Hauptsache. Für eine besondere Dringlichkeit spricht – auch ohne deren nähere Dokumentation in den Ermittlungsunterlagen – allerdings, dass zum Nachweis einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG eine Blutentnahme schnellstmöglich nach Beendigung der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr zu veranlassen war. Selbst wenn eine richterliche Anordnung ohne Gefährdung des Untersuchungserfolgs noch möglich und die polizeiliche Anordnung der Blutentnahme objektiv rechtswidrig gewesen sein sollte, wäre die Frage eines Beweisverwertungsverbots damit noch nicht (im Sinne des Antragstellers) beantwortet. Im ordnungsrechtlichen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren ist schon dem Grunde nach zweifelhaft, ob im Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren möglicherweise rechtswidrig gewonnene Erkenntnisse, sofern sie für die Beurteilung der Fahreignung des Betroffenen relevant und der Behörde gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 StVG zur Kenntnis gelangt sind, einem Verwertungsverbot unterliegen können (vgl. ablehnend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl.v. 20.3.2008 – 1 M 12/08 –, juris) oder aber – wofür Erhebliches spricht – im Interesse der Verkehrssicherheit von der Fahrerlaubnisbehörde ebenso zu berücksichtigen sind wie etwa Erkenntnisse aus einem rechtswidrig angeordneten Eignungsgutachten (vgl. dazu BVerwG, st. Rspr., z.B. Beschl.v. 19.3.1996 – 11 B 14/96 –, DAR 1996, 329). Der Senat hat sich zu dieser Frage im Zusammenhang mit einem geltend gemachten Verstoß gegen den Richtervorbehalt gemäß § 81a Abs. 2 StPO noch nicht abschließend geäußert (vgl. demgegenüber Beschl.d. Sen.v. 27.10.2000 – 12 M 3738/00 –, NJW 2001, 459 zur Unbeachtlichkeit eines Verwertungsverbotes nach § 136a Abs. 3 Satz 2 StPO im Entziehungsverfahren) und muss es auch im vorliegenden Verfahren nicht. Denn bei Verstößen gegen den Richtervorbehalt nach § 81a Abs. 2 StPO wird, soweit ersichtlich, ein – gesetzlich nicht geregeltes – Beweisverwertungsverbot jedenfalls nicht allgemein, sondern nach den Umständen des Einzelfalles unter Abwägung der Schwere des Eingriffs einerseits sowie des (strafrechtlichen) Verfolgungsinteresses und des gefährdeten Rechtsguts andererseits nur dann angenommen, wenn die angegriffene Maßnahme auf einer objektiv willkürlichen oder grob (bewusst) fehlerhaften Einschätzung des anordnenden Polizeibeamten beruht (vgl. BGH, Urt.v. 18.4.2007 – 5 StR 546/06 –, NJW 2007, 2269; OLG Stuttgart, Beschl.v. 26.11.2007 – 1 Ss 532/07 –, NStZ 2008, 238). Durchgreifende Anhaltspunkte für ein derart evidentes Fehlverhalten bestehen hier nicht. Nachdem der Antragsteller anlässlich der von der Polizeiinspektion D. durchgeführten Verkehrskontrolle körperliche Anzeichen für einen Drogenkonsum (kleine Pupillen, die nicht auf Lichtreize reagierten; hohe Blendempfindlichkeit) und der daraufhin nach Befragung des Antragstellers mit dessen Einverständnis durchgeführte Mahsan-Test ein positives Ergebnis in Bezug auf THC gezeigt hatte, lag der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 2 StVG nahe und die Voraussetzung für die Anordnung einer Blutprobenuntersuchung entgegen der Auffassung des Antragstellers aller Voraussicht nach vor. Da für die Beurteilung, ob und gegebenenfalls in welchem Maße der Antragsteller unter dem Einfluss von THC ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt hatte, eine zeitnahe Blutentnahme erforderlich war, erscheint es nicht fernliegend und bedarf gegebenenfalls noch einer weiteren Vertiefung im Hauptsacheverfahren, dass die Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft und – worauf hier abzustellen ist – ihrer Ermittlungspersonen wegen Gefahr in Verzug im Sinne des § 81a Abs. 2 StPO – unterstellt, sie lag objektiv nicht vor – jedenfalls aufgrund einer nur irrtümlichen, nicht aber grob fehlerhaften bzw. willkürlichen (Fehl-) Einschätzung des anordnenden Polizeibeamten angenommen worden ist. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung des Umstands, dass die streitige Blutentnahme als Maßnahme einer körperlichen Untersuchung einen lediglich geringfügigen Grundrechtseingriff darstellt (vgl. OLG Stuttgart, Beschl.v. 26.11.2007, a.a.O.) vermag sich der Senat dem vom Antragsteller geltend gemachten Einwand eines Verwertungsverbotes deshalb jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht anzuschließen.
Dass der Antragsteller mit Blick auf den durch den laborärztlichen Endbefund vom 15. Februar 2008 nachgewiesenen hohen THC-COOH-Wert von 180,0 ng/ml im Sinne der Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV – regelmäßiger Konsum von Cannabis – als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist und im Übrigen aufgrund der Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr unter dem Einfluss von Cannabis Gleiches nach Nr. 9.2.2 der genannten Anlage auch bei Annahme eines nur gelegentlichen Konsums gelten würde, haben der Antragsgegner und ihm folgend das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt. Die Beschwerde ist dieser Bewertung – abgesehen von dem Verweis auf ein Beweisverwertungsverbot – nicht entgegengetreten.