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Fahrzeugverschlechterung nach Rücktrittserklärung (Wandlungserklärung)

OLG Hamm, Az.: 20 U 252/75

Urteil vom 03.12.1976

Tatbestand

Die Beklagte ist Vertragshändlerin der Firma X. Gemäß mündlich abgeschlossenem Vertrag kaufte der Kläger bei ihr einen fabrikneuen Pkw … zum Preise von 15.525,– DM. Das Fahrzeug wurde dem Beklagten am 27. November 1973 übergeben. Mit Schreiben vom 6. Mai 1974 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Wandelung des Kaufvertrages und forderte sie zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges auf. Neben weiteren Mängeln rügte der Kläger in dem Schreiben ein von ihm als „Treckern“ bezeichnetes Geräusch. Der Abhilfeversuch der Beklagten durch Ausbau des Getriebes sei gescheitert. Auch der Werksingenieur habe keine Besserung bewirken können. Der Wagen rüttele und schüttele, laufe unrund und gebe beängstigende Geräusche von sich. Mit Schreiben vom 6. Juni 1974 wies die Beklagte das Wandelungsbegehren des Klägers zurück. Sie führte in dem Schreiben ua aus, das vom Kläger gerügte Getriebegeräusch übersteige das übliche Ausmaß nicht. Die insoweit früher einmal aufgetretenen Mängel seien von ihr endgültig behoben worden.

Mit der Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges.

Fahrzeugverschlechterung nach Rücktrittserklärung
Symbolfoto: Barcelona_dreams/Bigstock

Der Kläger hat behauptet: Motor oder Getriebe des Fahrzeuges gäben Geräusche von sich, die in ihrer Lautstärke unerträglich seien. Sie seien vergleichbar mit dem „treckern“ eines Dieselmotors, jedoch ungleich lauter. Die Geräusche träten insbesondere auf, wenn der Motor warmgelaufen sei und im Leerlauf laufe. Der Mangel habe sich in letzter Zeit verstärkt. Der Wagen rüttele und schüttele sich regelrecht im Leerlauf; der Motor laufe irgendwie unrund. Die Beklagte habe diesen Mangel anerkannt. Bei einer Gelegenheit habe sie nach ihren Angaben das Getriebe ausgebaut, zerlegt und wieder eingebaut, jedoch ohne Erfolg. Auf neuerliche Reklamationen hin sei ein Werksingenieur hinzugezogen worden. Dessen Bemühungen zur Mängelbeseitigung seien aber ebenfalls gescheitert. Das Fahrzeug habe zudem einen abnorm hohen Benzinverbrauch von 20 l auf 100 km. Normal sei ein Verbrauch um die 13 l pro 100 km. Auch insoweit seien die Bemühungen der Beklagten, den Mangel zu beseitigen, vergeblich gewesen. Eine Einstellung des Motors durch den Werksingenieur habe dazu geführt, daß der Wagen erst nach einer Fahrt im Vollgas von 10 Minuten mehr als 140 km/h erreicht habe, und zwar bis zu 158 km/h höchstens, während die nach dem Tachometer mögliche Geschwindigkeit sonst bei 190 km/h liege. Schließlich habe die Beklagte eine neue Vergaseranlage eingebaut. Das habe an dem hohen Benzinverbrauch aber ebenfalls nichts geändert. Beim Anlassen und Warmlaufen gehe von dem Fahrzeug ein unausstehlicher Gestank aus, was zu Beschwerden von Nachbarn geführt habe. Die Polsterung des Fahrzeuges sei schlecht verarbeitet und selbst von dem Werksingenieur als „einmalig miserabel“ bezeichnet worden. Der Werksingenieur habe zwar eine Aufpolsterung angeboten, jedoch mit dem Bemerken, dadurch würde im Ergebnis nichts besser. Unterhalb der Kofferraumhaube, auf der Motorhaube und an den Türfenstern platze außerdem der Lack ab.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.525,– DM nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe eines … , Fahrgestell-Nr … , außen ockerfarbig, innen schwarz.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Die Getriebegeräusche überstiegen das übliche Ausmaß nicht. Die insoweit früher einmal aufgetretenen Mängel seien im übrigen endgültig behoben worden. Es sei nicht richtig, daß das Fahrzeug einen Benzinverbrauch von 20 l auf 100 km habe. Lackschäden und Polsterschäden, die einen Fehler bedeuten könnten, für den sie einzustehen hätte, lägen nicht vor.

Das Landgericht hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen A eingeholt. Die Kammer hat eine Probefahrt mit dem Fahrzeug unternommen und den Sachverständigen A ergänzend gehört. Sodann hat das Landgericht der Klage durch Urteil vom 23. Mai 1975 unter Abweisung im übrigen in Höhe von 13.525,– DM Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges stattgegeben. Es hat ausgeführt: Das Wandelungsbegehren des Klägers sei gerechtfertigt, weil das Fahrzeug einen Mangel aufweise. Seine Gebrauchstauglichkeit sei durch erhebliche Schwingungen und Geräusche in den unteren Drehzahlbereichen herabgesetzt. Der Sachverständige habe sie als erhebliche Belästigung empfunden. Zwar hätten sich diese Erscheinungen bei der Probefahrt durch die Kammer in geringerem Umfang bemerkbar gemacht. Dabei handele es sich aber um keine dauerhafte Besserung. Die auf die Getriebequalität zurückzuführende Geräuschbildung sei nach dem heutigen Stand der Technik vermeidbar. Bei einem Kaufpreis von 15.500,– DM im Jahre 1973 habe der Kläger erwarten dürfen, daß er ein Fahrzeug bekomme, daß auch hinsichtlich der Fertigungsqualität des Getriebes durchschnittliche Anforderungen erfülle. Rückzahlung des vollen Kaufpreises könne der Kläger jedoch nicht verlangen. Er habe sich vielmehr die aus dem Fahrzeug gezogenen Nutzungen wertmäßig anrechnen zu lassen, die bei einem Kilometerstand von ca 20.000 km mit 2.000,– DM zu bemessen seien. Auf den Inhalt des Urteils im übrigen wird auch zur weiteren Darstellung des Sachverhalts gemäß § 543 ZPO Bezug genommen.

Gegen das Urteil hat die Beklagte in rechter Form und Frist Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.

Sie trägt vor: Für die Frage, ob das Fahrzeug mangelhaft sei, komme es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Bei ihrer Probefahrt am 23. Mai 1975 habe die Kammer aber keine Geräusche festgestellt, die eine verantwortliche Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit dargestellt hätten. Der Rückgriff der Kammer auf etwaige frühere Feststellungen des Sachverständigen zur Begründung der Fehlerhaftigkeit noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung sei unzulässig, solange nicht feststehe, daß tatsächlich Schwankungen im Erscheinungsbild der Geräusche und Schwingungen aufträten, die es als sicher erscheinen ließen, daß sich die starken Geräusche und Schwingungen wiederholten. Den Aussagen des Sachverständigen lasse sich aber allenfalls die Möglichkeit solcher Schwankungen entnehmen. Selbst wenn man dem Gutachten des Sachverständigen folge, lasse sich daraus nicht eine erhebliche Minderung der Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeuges entnehmen. Durch die von dem Sachverständigen festgestellten Schwingungen werde die Gebrauchstauglichkeit nicht tangiert, was umso mehr deshalb gelte, als die Schwingungen überhaupt nur in einem bestimmten Drehzahlbereich und damit allenfalls vorübergehend aufträten. Drehzahlen zwischen 750 und 850 Umdrehungen pro Minute seien zudem bei dem fraglichen Motortyp zu vermeiden, die reguläre Leerlaufdrehzahl betrage bei ihm 900 bis 950 Umdrehungen pro Minute. Bei niedrigeren Drehzahlen sei nicht nur mit Schwingungen, sondern auch mit Motorschäden zu rechnen. Die Feststellungen des Sachverständigen seien auch schon deshalb unrichtig, weil es unmöglich sei, daß die Schwingungen bei der Probefahrt durch die Kammer geringer gewesen seien als bei der früheren Besichtigung durch den Sachverständigen. Mit zunehmendem Fahrzeugalter steigerten sich nämlich die Schwingungen; eine Verringerung sei ausgeschlossen. Wenn das Fahrzeug zu einer gewissen Geräuschentwicklung neige, so handele es sich dabei um eine typische Eigenschaft, mit der der Käufer eines solchen Wagens von vornherein rechne. Das Fahrzeug habe nämlich einen sportlichen Charakter und sei deshalb den „härteren“ Wagentypen zuzurechnen. Sollte dagegen beim Fahrzeug des Klägers die Geräuschentwicklung tatsächlich über das übliche Maß erheblich hinausgehen, so läge das allein an einem falschen Fahrstil des Klägers. Wagen des fraglichen Typs seien recht hochtourig und für Kaltstarts besonders anfällig. Dadurch seien Motorschäden und Getriebeschäden hervorzurufen, die mit Geräuschentwicklungen verbunden seien. Ein Wandelungsrecht stehe dem Kläger auch deswegen nicht zu, weil er das Fahrzeug nach der Wandelungserklärung noch weiter benutzt und damit noch ca 12.000 km zurückgelegt habe. Dadurch habe er den Zustand des Fahrzeugs erheblich verschlechtert.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für richtig und trägt ergänzend vor: Es könne auf sich beruhen, ob das Fahrzeug mit Mängeln behaftet sei, weil die Wandelung inzwischen dadurch vollzogen sei, daß die Beklagte das Fahrzeug nach Verkündung des angefochtenen Urteils an sich genommen, in ihren Verkaufsräumen ausgestellt und verschiedenen Interessenten zum Kauf angeboten habe. Die Schwingungen des Fahrzeugs seien erheblich belästigend gewesen, weil es insbesondere im Stadtverkehr immer wieder vorkomme, daß der Wagen angehalten werden müsse, und der Motor auf Leerlauf geschaltet sei. Bei der Fahrt in dem Fahrzeug sei es seiner Ehefrau wegen der Schwingungen und treckerartigen Geräusche wiederholt schlecht geworden, so daß sie habe aussteigen müssen. Bei diesem Fahrverhalten des Wagens handele es sich keineswegs um eine typenbezogene Erscheinung. Dagegen spräche, daß er vor und nach dem fraglichen Fahrzeug Fahrzeuge von … gefahren habe, bei denen derartige Erscheinungen nicht aufgetreten seien. Handele es sich dennoch um eine typische Eigenschaft, so ändere das nichts an der bestehenden Mangelhaftigkeit des Einzelfahrzeugs, weil dann offenbar eine Fehlkonstruktion des Herstellers vorliege. Eine falsche Fahrweise seinerseits habe keinesfalls vorgelegen. Die Wandelung sei auch wegen der anderen am Fahrzeug vorhandenen Mängel wie hoher Benzinverbrauch, schlechte Polsterung und Lackschäden berechtigt und deswegen, weil das Fahrzeug nach Einbau der anderen Vergaseranlage nicht mehr seine ursprüngliche Höchstgeschwindigkeit erreicht habe. Die Geltendmachung der Wandelung sei nicht dadurch ausgeschlossen, daß er das Fahrzeug weiterbenutzt habe. Dazu sei er gezwungen gewesen, weil ihm die finanzielle Möglichkeit zur Anschaffung eines weiteren Fahrzeuges gefehlt habe. Ein solcher Schritt sei, davon abgesehen, nicht zumutbar gewesen. Es habe nicht an ihm gelegen, daß sich die Auseinandersetzung mit der Beklagten so lange hingezogen habe. Durch die Weiterbenutzung sei der Zustand des Fahrzeuges nicht wesentlich verschlechtert worden. Er habe den Wagen schonend behandelt; zu einem Unfall sei es damit nicht gekommen. Die Beklagte habe das von ihm zurückgegebene Fahrzeug nicht nur benutzt, sondern auch die Kupplung erneuert und dabei Veränderungen am Getriebe vorgenommen, so daß es zweifelhaft sei, ob der Sachverständige jetzt noch zuverlässige Feststellungen bezüglich der Mängel treffen könne.

Die Beklagte erwidert: Sie habe das Fahrzeug einer im Rahmen der vom Kläger betriebenen Zwangsvollstreckung wieder an sich genommen. Weder benutze sie das Fahrzeug regelmäßig weiter, noch habe sie Manipulationen daran vorgenommen. Falls sich ein Kaufinteressent finde, werde sie diesen an den Kläger verweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Sachverständigen A zur Erläuterung seines in erster Instanz erstellten schriftlichen Gutachtens gehört und das Fahrzeug durch den Sachverständigen B überprüfen lassen.

Der Sachverständige A hat erklärt: Er habe die fraglichen Geräusche bei seiner ersten Probefahrt nach etwa 20 km festgestellt. Daran angeschlossen habe sich eine weitere Fahrt von 47 km zur Überprüfung des Benzinverbrauchs. Höchstgeschwindigkeiten seien dabei nicht gefahren worden. Vom Gehör her sei die Leerlaufdrehzahl nicht falsch eingestellt gewesen. Bei Überprüfung der Geräusche bei Leerlauf im Stand sei die Leerlaufeinstellung nicht verändert worden. Die Steigerung der Leerlaufdrehzahl sei vielmehr nur durch Gasgeben erzielt worden. Das Fahrzeug habe im Leerlauf gerüttelt. Bei Steigerung der Umdrehungszahl sei es zu Nachschwingungen des ganzen Fahrzeuges gekommen; die Geräusche hätten dabei aufgehört. Der Knüppelschalter habe aber weiter vibriert. Während der Fahrt seien die Geräusche hörbar geworden, wenn die Drehzahl stark gesenkt worden sei. Als der Kläger nach Abschluß der beiden Probefahrten zurückgekehrt sei und erklärt habe, die Geräusche seien inzwischen lauter geworden, habe er feststellen können, daß das Fahrzeug bei Umdrehungen unter 750 pro Minute so stark gerüttelt habe, daß er den Eindruck gehabt habe, die Motoraufhängung könne dadurch beeinträchtigt werden. Es habe sich um eine Erscheinung gehandelt, wie sie auch beim „Nachdieseln“ auftrete. Bei leichter Steigerung der Drehzahl sei eine Besserung eingetreten. Die Einstellung sei vielleicht etwas mager gewesen. Der Motor sei aber auf allen vier Zylindern gelaufen; Zündstörungen habe er nicht festgestellt. Vermutlich sei das Getriebe Ausgangspunkt der Geräusche, wobei eine Vermischung mit den Eigenschwingungen des Fahrzeuges auftrete. Stoßdämpfer und Reifendruck seien von ihm nicht überprüft worden. Der Zustand des Fahrzeuges sei dem Kilometerstand von 12.000 entsprechend gewesen. Als erfahrener Autofahrer würde man das Fahrzeug wegen der Geräusche und Schwingungserscheinungen als „besonders schlechtes Montagsauto“ bezeichnen. Bei der späteren Probefahrt der Kammer seien die Erscheinungen insgesamt in geringerem Umfang aufgetreten. Es seien dabei aber auch bei höheren Drehzahlen Geräusche hörbar geworden, die nicht zu lokalisieren gewesen seien.

Der Geschäftsführer der Beklagten hat erklärt: Das Fahrzeug sei zuletzt am 19. April 1974 bei der Beklagten zur Inspektion vorgeführt worden. Erst im Mai 1974 habe die Beklagte von den angeblichen Geräuschen erfahren. Nach Rückgabe des Fahrzeuges an die Beklagte sei die defekte Kupplung ausgewechselt worden. Dabei sei auch das Getriebe ausgebaut, jedoch nicht zerlegt worden. Der Sachverständige B hat sein Gutachten mündlich erstattet und erklärt: Die Durchschnittseinstellung für den Leerlauf liege bei 750 bis 900 Umdrehungen pro Minute und variiere von Maschine zu Maschine. Das sei fertigungsbedingt. Mit zunehmendem Alter des Motors könne sich die Einstellung verändern. Er habe das Fahrzeug bei einem Tachometerstand von 20.388 km untersucht. Der eingebaute Vergaser sei für den Fahrzeugtyp bei richtiger Einstellung verwendungsfähig. Der Motor sei richtig eingestellt gewesen; der Leerlauf sei auf 860 Umdrehungen pro Minute reguliert gewesen. Der Motor sei gut gelaufen. Bei steigender Temperatur habe sich die Leerlaufdrehzahl auf 750 Umdrehungen pro Minute senken lassen. Bei niedriger Umdrehungszahl ergebe sich immer ein etwas unruhiger Lauf. Die Leistungsfähigkeit des Motors sei überdurchschnittlich gewesen. Der Benzinverbrauch habe auf dem Prüfstand und bei einer Probefahrt im normalen Bereich gelegen. Die Geräuschentwicklung sei unter verschiedenen Bedingungen (Grube, Prüfstand, Fahrt) geprüft und als normal befunden worden. Das schließe aber nicht aus, daß früher stärkere Geräusche vorhanden gewesen seien, wie sie der Sachverständige A festgestellt habe. Er habe an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen A keine Zweifel. Es sei zu berücksichtigen, daß das Fahrzeug inzwischen ein Jahr lang gestanden habe und von ihm, … nicht auf Höchstgeschwindigkeit gebracht worden sei. Bei der vorliegenden Art der Getriebekonstruktion seien starke Geräusche bei warmen Getriebe und niedriger Drehzahl durchaus möglich. Auch aus dem von der Beklagten überreichten Gutachten der … ergebe sich bei dem fraglichen Fahrzeug eine gewisse Geräuschentwicklung. Die kritische Drehzahl könne bei dem Fahrzeug früher ungünstig gelegen haben. Durch Höherstellung der Drehzahl oder Einbau eines anderen Getriebes (Kosten 1.400 bis 1.500,– DM) lasse sich das Geräusch beseitigen. Was bleibe, sei das Wackeln des Schalthebels, weil dieser am Motor befestigt sei. Durch Erhöhung der Leerlaufdrehzahl steigere sich der Spritverbrauch nur unwesentlich. Möglicherweise habe seinerzeit einmal der Motor innen gereinigt werden müssen. Ursache sei immer der Lauf der Maschine, der sich bei gewissen Drehzahlen auf das Getriebe auswirke. Dabei komme es auf die Empfindlichkeit des jeweiligen Getriebes an. Diese könne bei den einzelnen Getrieben je nach den vorhandenen Toleranzen unterschiedlich sein. Bei den Untersuchungen des Sachverständigen A könne der Druck der Reifen oder der Zustand des Stoßdämpfers anders gewesen sein, was Einfluß auf das Untersuchungsergebnis gehabt haben könne. Durch den nach Rückgabe des Fahrzeuges bei der Beklagten erfolgten Ausbau und Einbau des Getriebes könne sich an sich nichts geändert haben; der jeweilige Zustand der Mitnehmerscheibe sei allerdings bedeutsam.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil zu Recht festgestellt, daß der vom Kläger bei der Beklagten gekaufte Neuwagen mit einem Mangel behaftet und dadurch in seiner Gebrauchstauglichkeit gemindert gewesen ist. Die in dem Schreiben des Klägers vom 6. Mai 1974 gegenüber der Beklagten erklärte Wandelung ist daher gerechtfertigt und führt zur Rückabwicklung des Kaufes (§§ 459, 462 BGB).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Instanzen hat das Fahrzeug noch am 15. Oktober 1974, als es von dem Sachverständigen A überprüft wurde, bei warmen Motor in der Leerlaufdrehzahl stärkere mechanische Geräusche von sich gegeben, die mit Ausschlägen des Schalthebels und einem Rütteln des genannten Wagens verbunden gewesen sind. Der Sachverständige A hat dabei festgestellt, daß das metallische Geräusch bei einer Steigerung der Drehzahl auf etwa 900 Umdrehungen pro Minute abklang, während es zu Nachschwingungen des genannten Fahrzeuges, insbesondere beim Schalthebel kam. Zwar sind diese Erscheinungen bei der späteren Probefahrt der Kammer, die im Beisein des Sachverständigen A stattgefunden hat, nicht mehr im gleichen Umfang aufgetreten und waren bei der Begutachtung des Fahrzeuges durch den Sachverständigen B überhaupt nicht mehr feststellbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht das aber nicht gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen A. Der Sachverständige B hat nach eingehender Befragung des Sachverständigen A über dessen Feststellungen bei seiner Überprüfung des Fahrzeuges vom 15. Oktober 1974 erklärt, bei der gegebenen Konstruktion des Getriebes halte er es durchaus für möglich, daß das Fahrzeug früher die beschriebenen und jetzt von ihm nicht mehr feststellbaren Geräusche und Schwingungserscheinungen aufgewiesen habe, wenn es warmgefahren gewesen sei. Er hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch der Gutachter der … in dem von der Beklagten überreichten schriftlichen Gutachten vom 26. März 1976 ein metallisches Geräusch aus dem Getriebe bei Regulierung der Leerlaufdrehzahl unter 800 Umdrehungen pro Minute vermerkt habe, das bei den beiden Vergleichsfahrzeugen jedenfalls schwächer ausgeprägt gewesen sei. Wenn auch die Geräuschentwicklung vom Gutachter der … noch nicht als besonders störend empfunden worden ist, so ist dabei zu berücksichtigen, daß das Fahrzeug inzwischen gewisse Einwirkungen erfahren hatte, die sich auf die Intensität der Geräusche ausgewirkt haben können. Abgesehen davon, daß das Fahrzeug seit der Untersuchung durch den Sachverständigen A weitere 8.000 km gefahren worden war, war das Getriebe bei einem Austausch der defekten Kupplung ausgebaut und wieder eingebaut worden. Außerdem war das Fahrzeug vor der Probefahrt durch den Sachverständigen der … vom 17. März 1976 auf dessen Veranlassung hin neu bereift worden.

Die von dem Sachverständigen A am 15. Oktober 1974 festgestellte starke Geräuschentwicklung im Drehzahlbereich unter oder um 800 Umdrehungen pro Minute war so ausgeprägt, daß sie nicht mehr allein als typbezogene Erscheinung eingestuft werden kann, wie sie auch bei anderen Fahrzeugen der gleichen Bauart auftritt, weil die Zahnflanken der Getriebezahnräder nicht geläppt werden. Die Neigung solcher Getriebe zu metallischen Geräuschen in niederen Drehzahlbereichen ist im vorliegenden Fall verstärkt vorhanden und beruht auf Abweichungen in der fabrikationsmäßigen Fertigung (zB zu große Toleranzen). So ist es zu verstehen, wenn der Sachverständige A das Fahrzeug als „besonders schlechtes Montagsauto“ bezeichnet hat.

Der damit auch schon im maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich bei Übergabe des Fahrzeuges vorhandene Mangel (§ 459 BGB) ist zwar auf niedrige Drehzahlbereiche beschränkt, die nur erreicht werden, wenn die Leerlaufdüse eng eingestellt ist. Daß eine Drehzahl von 750 Umdrehungen pro Minute aber der Bedienungsanleitung widersprochen hätte, ist von der Beklagten nicht behauptet worden. Nach den Angaben des Sachverständigen B liegt die Durchschnittseinstellung für den Leerlauf bei 750 bis 900 Umdrehungen pro Minute und ist von Maschine zu Maschine unterschiedlich. 750 Umdrehungen liegen damit allerdings am unteren Bereich, sind aber noch nicht als außerordentlich einzustufen. Im übrigen hat der Sachverständige A die fraglichen Geräusche festgestellt, ohne als erfahrener Fachmann akustisch den Eindruck gehabt zu haben, die Drehzahleinstellung liege für den Motor zu niedrig. Der bei der Überprüfung anwesende Werksingenieur … der Firma … hat, soweit ersichtlich, ebenfalls keine Veranlassung gesehen, eine zu niedrige Einstellung der Drehzahl zu beanstanden.

Die treckerähnlichen Geräusche und Rüttelerscheinungen setzen das Fahrzeug in der Wertschätzung des Klägers herab, der als Laie die Ursachen oder Auswirkungen nicht überblicken kann. Zudem ist der Fahrkomfort des Klägers und seiner Mitfahrer erheblich beeinträchtigt worden, weil insbesondere im Stadtverkehr und unabhängig von dem Fahrstil des einzelnen Fahrers immer wieder Verkehrssituationen eintreten, die eine starke Drosselung der Drehzahlen des Motors erforderlich machen, so daß bei enger Einstellung der Leerlaufdüse der zu der Geräuschbildung und dem Rütteln führende kritische Drehzahlbereich erreicht wird. Wie der Kläger vorgetragen hat, ist es vorgekommen, daß seine Ehefrau das Fahrzeug wegen eintretender Übelkeit verlassen mußte, wenn es im Leerlauf vor einer Verkehrssignalanlage hielt und dabei die treckerähnlichen Erscheinungen auftraten. Der Kläger hat vor und nach dem fraglichen Fahrzeug ebenfalls Wagen von … gefahren. Wenn sich ihm trotzdem der Mangel an dem fraglichen Fahrzeug derart aufgedrängt hat, so ergibt sich schon daraus eine ungünstige Abweichung von anderen Fahrzeugen des gleichen Typs. Den ihr obliegenden Beweis dafür, daß die Abweichung unwesentlich war, hat die Beklagte demgegenüber nicht zu erbringen vermocht. Es steht vielmehr nach dem Beweisergebnis fest, daß das Fahrzeug seinerzeit im kritischen Drehzahlbereich tatsächlich in starkem Maße mechanische Geräusche aufwies und rüttelte.

Der Kläger hat der Beklagten vor der Wandelungserklärung Gelegenheit zur Beseitigung des Mangels gegeben, die Bemühungen der Beklagten in dieser Richtung sind jedoch erfolglos geblieben. Die Behauptung der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung, erst im Mai 1974 habe sie überhaupt von den angeblichen Geräuschen erfahren, ist widerlegt durch den Inhalt der beiden vorprozessual gewechselten Schreiben und den insoweit übereinstimmenden Vortrag beider Parteien in der ersten Instanz, wonach der Kläger das Getriebegeräusch gerügt und die Beklagte sich bemüht hat, es zu beseitigen.

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Wenn die Beklagte seinerzeit letztlich keine Möglichkeit gesehen hat, den Mangel zu beheben, so kann sie den Kläger jetzt nicht nachträglich darauf verweisen, eine einfache Drehung an der Leerlaufdüse genüge, weil Geräusche und Schwingungen bei höherer Leerlaufdrehzahl nicht mehr in störender Weise aufträten. Darauf, ob der Mangel leicht oder nur schwer zu beseitigen ist, kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, daß die Mängelbeseitigung der Beklagten und nicht dem Kläger oblag, der hierzu als Laie nicht in der Lage gewesen ist.

Entgegen der von der Beklagten in der Berufungsinstanz vertretenen Auffassung ist die Wandelung nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger das Fahrzeug nach der mit Schreiben vom 6. Mai 1974 ausgesprochenen Wandelung bis Mai 1975 weiter benutzt und damit noch ca 13.000 km zurückgelegt hat. § 351 BGB steht der Wandelung nicht entgegen, weil der Kläger eine etwa in der bloßen Weiterbenutzung liegende wesentliche Verschlechterung des Fahrzeugs jedenfalls nicht verschuldet hätte. Wie der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, war er angesichts dessen, daß die Beklagte sich weigerte, den Kaufpreis in Höhe von 15.525,– DM an ihn zurückzuzahlen, finanziell nicht in der Lage, sich ein anderes Fahrzeug zu kaufen. Da der Kläger aber ein Fahrzeug benötigte, war er gezwungen, den von der Beklagten gekauften Pkw weiterzubenutzen, solange er keine Möglichkeit hatte, über sein bei der Beklagten zu Unrecht gebundenes Kapital zu verfügen. Ebensowenig kann in der Weiterbenutzung des Fahrzeuges durch den Kläger bei objektiver Würdigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ein Verzicht auf das Wandelungsrecht gesehen werden. Denn der Kläger hat sich folgerichtig verhalten, indem er alsbald nach Erklärung der Wandelung Klage erhoben und das Fahrzeug sofort zurückgegeben hat, nachdem der zu seinen Gunsten ergangene vorläufig vollstreckbare Titel des Landgerichts vorlag und er damit die Zwangsvollstreckung betreiben konnte.

Nach allem greift die Wandelung durch mit der Folge, daß die Beklagte den Kaufpreis abzüglich der von dem Landgericht bereits in angemessener Höhe berücksichtigten Nutzungsentschädigung zurückzuzahlen hat. Die Berufung der Beklagten war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 708 Ziffer 7 ZPO.

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