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Fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Landesarbeitsgericht Berlin

Az.: 13 Sa 1492/06

Urteil vom 03.11.2006

Vorinstanz: Arbeitsgericht Berlin, Az.: 78 Ca 4112/06


In dem Rechtsstreit hat das Landesarbeitsgericht Berlin, 13. Kammer, auf die mündliche Verhandlung vom 03.11.2006 für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.05.2006 – 78 Ca 4112/06 – abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15.02.2006 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Redakteur in der Politikredaktion der Tageszeitung „Der T.“ wie bis zum 06.02.2006 zu beschäftigen.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen fristgemäßen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen, die Weiterbeschäftigung des Klägers und um die von der beklagten Arbeitgeberin begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 9, 10 KSchG.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die die Tageszeitung „Der T.“ verlegt und ungefähr 120 Redakteure sowie 200 sonstige Verlagsmitarbeiter beschäftigt, seit 1. November 2000 als Redakteur in der Redaktion Politik für ein Monatseinkommen für ein Vollzeitarbeitsverhältnis von 3.000,00 EUR aufgrund des Arbeitsvertrages vom 31. August 2000 angestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages verpflichtet sich der Kläger zur Einhaltung der Richtlinie „Grundsätzliche Haltung der Zeitung“ gemäß der Anlage 1 zum Anstellungsvertrag. In der Anlage 1 zum Anstellungsvertrag hat die Beklagte unter anderem folgende Grundsätze niedergelegt:

„Die Chefredaktion bestimmt den geistigen Produktionsprozess der Zeitung. Sie handelt im Auftrag der Herausgeber und ist diesen verantwortlich.

Zur grundsätzlichen Haltung der Zeitung gehört auch, dass der T. jede Form von Redaktionsstatut, die eine personelle Mitbestimmung des einzelnen Redaktionsmitgliedes oder der Sachentscheidungen aufgrund von Mehrheitsbeschlüssen der Gesamtredaktion vorsieht aus publizistischen und verfassungsrechtlichen Gründen ablehnt.

Die Unabhängigkeit der Zeitung ist von jedem einzelnen Redaktionsmitglied auch nach außen zu wahren. Bei politischer oder gesellschaftlicher Betätigung außerhalb des Dienstes und Unternehmens (innerhalb von Redaktion und Verlag ist sie ausgeschlossen) muss auf die erklärte Unabhängigkeit des T.s Rücksicht genommen werden, insbesondere darf keine Verbindung mit der Zeitung hergestellt werden. Mit der grundsätzlichen Haltung der Zeitung ist auch die aktive Mitgliedschaft in Organisationen nicht zu vereinbaren, sofern dadurch eine dogmatische Einschränkung der Unvoreingenommenheit des Redaktionsmitgliedes nicht auszuschließen ist.“

Wegen des weiteren Inhalts des Anstellungsvertrages vom 1. November 2000 und dessen Anlage 1 wird auf die zu den Akten gereichte Kopie Bl. 36 bis 41 d.A. verwiesen.

Der Kläger schlug privat, ohne auf seine Beziehung zum „T.“ hinzuweisen, die vormalige Geisel S. O. wegen ihrer Interviewauftritte in den Fernsehsendungen „heute-journal“ und „Beckmann“ für den Grimme-Preis 2006 vor. Er benachrichtigte mit einer E-Mail vom 12. Januar 2006 (vgl. die E-Mail in Kopie Bl. 4 d.A.) die drei Mitarbeiter der Medien-Redaktion einschließlich des Ressortleiters Herrn Dr. H., dass Frau O. für den Grimme-Preis 2006 vorgeschlagen worden sei, setzte die darauf folgende Begründung in Anführungszeichen und schloss mit den Worten:

„Wenn Sie Lust haben, daraus eine Meldung zu machen: Viel Spaß“.

Einen Hinweis darauf, dass er Frau O. vorgeschlagen hatte, enthielt die E-Mail nicht. Nach Erhalt dieser E-Mail fragte Herr Dr. H. sowohl beim G.-Institut als auch beim Kläger nach, ob der Vorschlag für den Grimme-Preis 2006 von ihm sei, was der Kläger bestätigte. Danach verfasste Herr Dr. H. am 13. Januar 2006 einen Artikel mit der Überschrift „Grimme-Preis für S. O.?“ im T. vom 13. Januar 2006 (vgl. den Artikel in Kopie Bl. 43 d.A.), ohne darauf hinzuweisen, dass der Vorschlag vom Kläger stammte und ohne dies mit der Chefredaktion abzustimmen. Am selben Tag wurde bereits von der Nachrichtenagentur ddp gemeldet, dass ein Mitarbeiter des Berliner „T.“ den Vorschlag für den Grimme-Preis unterbreitet und detailliert begründet habe (vgl. die ddp-Meldung in der „L.-Zeitung“ in Kopie Bl. 102 d.A.). Am selben Tag wurde auch auf der Website des „T.“ gemeldet, dass „ein Kollege des T.“ Frau O. für den Grimme-Preis vorgeschlagen habe (vgl. die Kopie der Website Bl. 103 d.A.).

Mehrere Tage später wurde die von der Beklagten herausgegebene Tageszeitung in den Medien kritisiert. Gegenstand des Vorwurfs war der Umstand, dass die Zeitung über ein selbst geschaffenes Ereignis berichtet habe. Mit E-Mail vom 24. Januar 2006 warf ein Chefredakteur der Beklagten dem Kläger vor, dass er die Zeitung für seine privaten Interessen missbraucht und der Medienredaktion absichtlich verheimlicht habe, dass er den Vorschlag unterbreitet hatte (vgl. die E-Mail in Kopie Bl. 59 d.A.).

Der Kläger antwortete mit E-Mail vom selben Tag, dass er bewusst als Privatmann den Vorschlag gemacht habe, ohne die T.-Chefredaktion zu informieren, damit diese nicht zu Mitwissern werden sollten (vgl. die E-Mail des Klägers in Kopie Bl. 58 d.A.).

Nach mehreren Gesprächen zwischen dem Kläger und dem Personalleiter sowie der Chefredaktion der Beklagten, in dem dem Kläger nach der Behauptung der Beklagten in Aussicht gestellt wurde, „es gegebenenfalls bei einer Abmahnung bewenden zu lassen, sollte er umfassende Einsicht für sein Fehlverhalten zeigen und diese Einsicht in einer Art und Weise dokumentieren, die geeignet sei, dass aufgrund der oben genannten und vom Kläger bestrittenen Vorfälle zerstörte Vertrauensverhältnis nach insoweit freiem Ermessen der Chefredaktion wiederherzustellen“ (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 17.03.2006, S. 7, Bl. 27 d.A.), entschuldigte sich der Kläger in einer weiteren E-Mail vom 31. Januar 2006 an den Personalleiter der Beklagten und die Chefredaktion. Dort heißt es unter dem „Betreff: Abmahnung“:

„Sehr geehrter Herr C., sehr geehrter Herr M.,

Die Berichterstattung über die Grimme-Preisverleihung 2006 hat sich zuletzt massiv gegen den T. gewendet. Ich habe S. O. für den Preis vorgeschlagen und die Medienredaktion des T.s ohne ausdrücklichen Hinweis auf den Urheber von dieser Tatsache unterrichtet. Das war ein verhängnisvoller Fehler. Ich habe nicht geahnt, was daraus werden könnte. Aber ich hätte wissen müssen, dass diese Nachricht samt meiner Unterlassung, in meiner Benachrichtigungsmail sogleich den Urheber des Vorschlags zu nennen, zu derart für uns katastrophalen Medienberichten führen könnte.

Ich bedauere den Schaden, den ich dadurch für unser Haus, unseren Verlag und unsere Mitarbeiter angerichtet habe. Ich bedauere insbesondere die Folgen für J. H., der durch mein Verhalten schwerste Nachteile für seine berufliche Karriere erleiden muss. Ich habe das nicht gewollt. Gleichwohl weiß ich, dass meine Nachricht auch einen erfahrenen Redakteur verstören musste, ihn aber auch reizen würde, sie zu veröffentlichen. Ich hätte mich im Bewusstsein darum sorgfältiger um Aufklärung und Absprachen kümmern müssen.

Ich entschuldige mich bei Ihnen für den Rechtfertigungsdruck, in den Sie durch die Veröffentlichung von meiner Person als Urheber des Vorschlags hineingeraten sind. Ich habe Sie in eine Situation gebracht, in der ich Sie in Ihrer Handlungsfreiheit beschnitten habe, da sie meinen Vorschlag aufgrund seiner inhärenten harten Medienkritik nicht verteidigen konnten.

Es tut mir alles furchtbar leid.

Mit freundlichen Grüßen

J. M. N.“

Die Beklagte akzeptierte trotz einer bereits für den 31. Januar 2006 vorgesehenen Abmahnung (vgl. das vorgesehene Abmahnungsschreiben Bl. 106 bis 108 d.A.) das Entschuldigungsschreiben des Klägers nicht und kündigte nach der Anhörung des bei ihr bestehenden Betriebsrates das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 15. Februar 2006, welches dem Kläger am selben Tag zuging, zum 30. Juni 2006. Am selben Tag widerrief der Kläger sein Entschuldigungsschreiben.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Berlin am 27. Februar 2006 eingegangenen und der Beklagten am 8. März 2006 zugestellten Klage hat der Kläger zuletzt die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Februar 2006 nicht aufgelöst worden ist und hat seine Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen begehrt.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15. Februar 2006 zum 30. Juni 2006 beendet worden sei, da die Kündigung wegen des Verhaltens des Klägers sozial gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG sei. Eine Pflichtverletzung des Klägers liege darin, dass er zum Zeitpunkt der Mitteilung des Grimme-Preis-Vorschlags an die Medienredaktion dieser verschwieg, dass er den Vorschlag gemacht habe. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, da der Kläger während des gesamten Prozesses und davor seine Uneinsichtigkeit hinsichtlich der vorgeworfenen Pflichtverletzungen offenbart habe. Dies bestätige die Annahme der Beklagten, dass eine Abmahnung ihren Zweck, dem Kläger zu vertragsgemäßem Verhalten anzuhalten, nicht erreichen würde. Sie wäre ein ungeeignetes Mittel und der Beklagten daher nicht zumutbar. Endlich habe die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergeben, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger schwerer wiege als das Interesse des Klägers.

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Wegen der konkreten weiteren Begründung des Arbeitsgerichts und des Parteivortrags erster Instanz wird auf das Urteil vom 24. Mai 2006 (Bl. 161 bis 174 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihm am 19. Juli 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am Montag, dem 21. August 2006, per Fax eingegangene und am 12. September 2006 begründete Berufung des Klägers.

Er meint, dass jedenfalls die Ablehnung der beiderseitigen Interessen ergebe, dass das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger nicht schwerer wiege als das Bestandsinteresse des Klägers, da der Ansehensverlust des T.s bzw. der Beklagten nicht auf seiner, sondern auf der Urheberschaft des Ressort leitenden Redakteurs Herrn Dr. H. beruhe, da dieser in Kenntnis seines Vorschlags die Meldung veröffentlicht habe, ohne die Chefredaktion zu beteiligen und ohne den Namen des Klägers zu nennen. Jedenfalls aber seine Abmahnung das geeignete Mittel gewesen, um auf eine Pflichtwidrigkeit des Klägers zu reagieren. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses halte er für grundlos.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Mai 2006 – 78 Ca 4112/06 – und unter Zurückweisung des Auflösungsantrages der Beklagten,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Februar 2006 aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreites zu unveränderten Bedingungen als Redakteur in der Politikredaktion der Tageszeitung „Der T.“ wie bis zum 6. Februar 2006 zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und

hilfsweise, das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30. Juni 2006 gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aber 9.000,00 EUR brutto nicht übersteigen sollte, aufzulösen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und hält den hilfsweisen Auflösungsantrag für gerechtfertigt, da die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht nur gefährdet, sondern schlichtweg ausgeschlossen sei. Das Verhalten des Klägers stelle sowohl eine schwere Verletzung der Loyalitätsobliegenheiten gegenüber der Beklagten im Vertrauensbereich als auch eine schwerwiegende Verletzung journalistischer und damit tendenzbezogener Pflichten dar. Von dieser unstreitig vorliegenden Pflichtverletzung und dem hierin liegenden Vertrauensmissbrauch habe der Kläger sich mit seinen nachfolgenden Schreiben vom 24. Januar und 31. Januar 2006 nicht ernstlich und insbesondere nicht nachhaltig distanziert. Vielmehr habe er mit dem Widerruf seiner Entschuldigung am 15. Februar 2006 und den Ausführungen in den Schriftsätzen vom 27. Februar 2006 und 6. April 2006 deutlich gemacht, dass er weder eigenes Fehlverhalten anerkenne noch sich in Zukunft anders verhalten würde und demnach die „Entschuldigung“ ganz offensichtlich aus rein taktischen Gründen gegeben worden sei.

Ferner seien die unentschuldbaren Ausfälle des Klägervertreters („Narreteien“, „regelrecht abwegige Ausführungen“ und ähnliches) – die dem Kläger ohne weiteres zuzurechnen seien – gegenüber dem vernünftig judizierenden und abgewogen argumentierenden Vorsitzenden erster Instanz derartig uneinsichtig, dass sich auch darin eine Unzumutbarkeit für die Beklagte ergebe, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weiter fortzusetzen.

Wegen des weiteren konkreten Vortrags der Parteien in der zweiten Instanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 11. September 2006 (Bl. 195 ff. d.A.) und 27. Oktober 2006 (Bl. 242 ff. d.A.) sowie der Beklagten vom 18. Oktober 2006 (Bl. 231 ff. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 b, Abs. 6; 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG; §§ 222 Abs. 2; 519; 520 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO zulässige Berufung ist insbesondere formgerecht und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin war abzuändern, da die Kündigung vom 15. Februar 2006 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war auch nicht vom Gericht gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, da keine Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten ließen. Der Kläger ist daher zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten weiterzubeschäftigen.

1.

Die vom Kläger rechtzeitig gemäß § 4 KSchG, welches vorliegend gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, erhobene Kündigungsschutzklage ist auch begründet. Denn die Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG, da zwar Gründe im Verhalten des Klägers vorliegen, die grundsätzlich eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen könnten, im konkreten Fall aber mit einer Abmahnung hätten sanktioniert werden müssen.

a) Das Landesarbeitsgericht folgt dem Arbeitsgericht darin, dass ein Verstoß des Klägers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag darin lag, dass er der Medienredaktion zunächst verschwieg, dass er Frau O. für den Grimme-Preis 2006 vorgeschlagen hatte. Dies war der Versuch, seinen eigenen gesellschaftlichen und mediengerechten Vorstellungen über das Vehikel Medienredaktion seiner eigenen Zeitung zur Geltung zu verhelfen. Es stellt hingegen keinen Pflichtenverstoß gegen § 2 des Arbeitsvertrages „Haltung der Zeitung“ in Verbindung mit der Anlage 1 zum Arbeitsvertrag letzter Absatz dar. Denn der Kläger hat gerade dadurch, dass er als Privatmann Frau O. für den Grimme-Preis 2006 vorschlug, keine Verbindung zwischen seiner privaten gesellschaftlichen Betätigung außerhalb des Unternehmens und dem „T.“ hergestellt.

b) Diese Pflichtverletzung hätte von der Beklagten abgemahnt und nicht mit einer Kündigung sanktioniert werden dürfen.

aa) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sogenannte Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der Prognose. Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um eine zukünftige Vertragsstörung zu beseitigen und zu vermeiden. Dieser Aspekt hat durch die gesetzliche Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren. Eine Abmahnung ist auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft – trotz Abmahnung – nicht erwartet werden kann oder es sich um eine solche schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei der eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen werden kann (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des BAG 12.01.2006 – 2 AZR 21/05 – EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67; LAG Berlin 07.04.2005 – 13 Sa 131/05 – n.v., zu II 1 a der Gründe mit weiteren Nachweisen).

bb) Vorliegend ist ein derartig schwerer Vertragsverstoß des Klägers nicht zu erkennen, die Kammer hält das Verhalten des Klägers für eine eher leichte Pflichtverletzung. Der Versuch, seine eigenen gesellschaftlichen Vorstellungen im Hinblick auf die Nominierung von Frau O. für den Grimme-Preis anonym über den „T.“ durchzusetzen, war in dem Zeitpunkt beendet, in dem sein Kollege Dr. H. seinen Namen vom G.-Institut erfuhr und danach auf Nachfrage auch vom Kläger. In diesem Moment hätte der verantwortliche Ressortleiter Medien, Herr Dr. H., entweder die Chefredaktion einschalten müssen, da bei einer Veröffentlichung die Gefahr bestand, dass der „T.“ in den Ruf geriet, die Tatsachen für eine Meldung selbst zu produzieren, oder den Namen des ihm nunmehr bekannten Kollegen erwähnen müssen. Da auch letzteres den Vorwurf eines Selbstproduzierens von Meldungen provoziert hätte, wäre das Einschalten der Chefredaktion die richtige Entscheidung gewesen.

Zwar war der Kläger damit kausal an der Meldung über den Grimme-Preis-Vorschlag beteiligt, der wesentliche Beitrag aber kam von dem Ressortleiter Dr. H., der dafür abgemahnt worden ist. Da ein kollusives Zusammenwirken vom Kläger mit Herrn Dr. H. nicht existent ist und Herr Dr. H. wegen der Kenntnis vom Vorschlag des Klägers auch kein „undoloses Werkzeug“ des Klägers war, verbleibt ein nur kleiner Pflichtenverstoß des Klägers.

cc) Hätte die Beklagte den Kläger abgemahnt, hätte sie in Zukunft auch mit einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch den Kläger rechnen können. Dies ergibt sich aus dem Gesamtverhalten des Klägers vor und nach Erhalt der Kündigung. Der Kläger hat sich vor der Kündigung durch das Schreiben vom 31. Januar 2006 entschuldigt. Er hat Einsicht darin gezeigt, dass durch sein Verhalten es letztendlich zu den „für uns katastrophalen Medienberichten“ kam. Er hat nicht nur den Schaden für das Haus, den Verlag und für die Mitarbeiter bedauert, sondern insbesondere für den Redakteur J. H.. Insbesondere der letzte Satz „Ich habe Sie in eine Situation gebracht, in der ich sie in Ihrer Handlungsfreiheit beschnitten habe, da Sie meinen Vorschlag aufgrund seiner inhärenten harten Medienkritik nicht verteidigen konnten“, zeigt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht, dass der Kläger keine Einsicht hatte. Die Beklagte übersieht, dass der Kläger nicht schrieb „aufgrund der inhärenten harten Medienkritik“, sondern „aufgrund seiner inhärenten Medienkritik“, der Teil des Satzes bezog sich also auf seinen eigenen Vorschlag. Dass er dabei annahm, dass die Beklagte bzw. „Der T.“ ihn verteidigen würde, ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht besonders uneinsichtig, sondern zeigt die wohl berechtigte Hoffnung eines Redakteurs, dass sein Verlag normalerweise hinter ihm stehen würde.

Aus all dem ergibt sich, dass der Kläger in Zukunft sehr vorsichtig mit eigenen Vorschlägen zu gesellschaftlichen Ereignissen außerhalb des „T.“ umgehen wird. Dies hat auch das Verhalten im Prozess gezeigt, in dem der Kläger im Berufungsverfahren nochmals sich für den entstandenen Schaden bei allen Beteiligten entschuldigt hat (vgl. den Schriftsatz vom 11.09.2006, S. 1 bis 2, Bl. 195 bis 196 d.A.). Die Berufungskammer nimmt ihm dies ab.

Dagegen spricht auch nicht, dass der Kläger sein Entschuldigungsschreiben vom 31. Januar 2006 am 15. Februar 2006 widerrufen hat, als ihm statt der versprochenen Abmahnung, auf die sich das Entschuldigungsschreiben eindeutig bezog („Betreff: abmahnung“), eine Kündigung ausgesprochen wurde und er in seinem Vertrauen in das Verhalten seiner Kollegen und Vorgesetzten enttäuscht wurde.

2.

Entgegen der Auffassung der Beklagten war das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.

a) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen allerdings nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. aus der ständigen BAG-Rechtsprechung nur BAG 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 – EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 52, zu II. 2 c der Gründe mit weiteren Nachweisen).

Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt auch für von ihm nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (vgl. nur BAG 23.06.2005 – 2 AZR 256/04 – EzA § 9 KSchG n.F. Nr. 52, zu II 2 c der Gründe).

b) Danach liegt hier bereits kein Grund vor, der an sich zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses geeignet wäre: Der Kläger hat seinen Arbeitgeber oder seine Kollegen weder vor noch nach der Kündigung im Prozess beleidigt, sich ehrverletzend geäußert oder seinen Arbeitgeber oder seine Kollegen angegriffen.

Dies geschah auch nicht mittelbar durch seinen Prozessbevollmächtigten. Zwar hat dieser etwa im Berufungsrechtszug sich „über die Narreteien des Vorderrichters“ ausgelassen und die Ausführungen des Arbeitsgerichts als „regelrecht abwegig“ angesehen. Dies ist eine nicht hinzunehmende Entgleisung eines Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht, die als Anlass für eine Beschwerde bei der Rechtsanwaltskammer Berlin genommen werden kann. Sie ist dem Kläger als typische Äußerung von Herrn Rechtsanwalt E. jedoch nicht als Auflösungsgrund zuzurechnen.

Zum einen folgt dies schon daraus, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Gericht und nicht den Arbeitgeber anging. Zum anderen hat sich der Kläger – wie dies der Prozessbevollmächtigte in seinem Berufungsschriftsatz anfangs extra darlegte – von dem entsprechenden Vortrag des Rechtsanwalts distanziert. Endlich erschien der Kläger dem Gericht auch in der mündlichen Verhandlung als ruhiger, besonnener und eher introvertierter Mensch, der sich die Entgleisungen des Rechtsanwalts gerade nicht zu eigen machte.

3.

Da das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist, hat der Kläger nach den Grundsätzen, die der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts im Beschluss vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 ff.) aufgestellt hat, einen Weiterbeschäftigungsanspruch gegen die Beklagte als Redakteur zu den bisherigen Bedingungen bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreites. Dies bedeutet, dass der Kläger in Zukunft wieder volltags arbeiten wird, da die Teilzeitbeschäftigung befristet war.

III.

Da die Beklagte unterliegt, trägt sie die Kosten des Rechtsstreites gemäß § 91 Abs. 1 ZPO.

IV.

Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass, auch nicht im Hinblick auf die Zurechnung der Entgleisungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers, da diese aus den erwähnten Gründen dem Kläger nicht zuzurechnen waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel der Parteien daher nicht gegeben.

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