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Fußgängerüberweg – Wann beginnt die Anhaltepflicht?

Oberlandesgericht Jena

Az: 1 SsBs 30/11

Beschluss vom 27.06.2011


In der Bußgeldsache g e g e n…., w e g e n hat auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts …. vom 20.12.2010 der Senat für Bußgeldsachen des Thüringer Oberlandesgerichts durch am 27. Juni 2011 beschlossen:

Das Urteil des Amtsgerichts G vom 20.12.2010 wird im Schuldspruch dahin ergänzt, dass der Betroffene wegen fahrlässigen Nichtermöglichens des Überquerens der Fahrbahn, obwohl ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen wollte, verurteilt wird, und im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Prüfung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht G zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Thüringer Polizei – Zentrale Bußgeldstelle – setzte gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 14.05.2010 wegen einer am 25.03.2010 in Gera begangenen Ordnungswidrigkeit des Nichtermöglichens des Überquerens der Fahrbahn, obwohl der Bevorrechtigte den Fußgängerüberweg erkennbar benutzen wollte, eine Geldbuße von 160 EUR fest. Gegen diesen ihm am 19.05.2010 zugestellten Bußgeldbescheid legte der Betroffene durch seinen Verteidiger am 27.05.2010 Einspruch ein.

Daraufhin verurteilte ihn das Amtsgericht G in der Hauptverhandlung vom 20.12.2010 wegen Nichtermöglichens des Überquerens der Fahrbahn, obwohl ein Fußgänger den Überweg erkennbar benutzen wollte, zu einer Geldbuße von 320 EUR. Am 22.12.2010 legte der Betroffene durch seinen Verteidiger Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil ein und begründete diese, nachdem das Urteil am 20. bzw. 21.01.2011 zugestellt worden war, am 21.02.2011 mit den näher ausgeführten Rügen der Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft beantragt in ihrer Stellungnahme vom 22.06.2011, das Urteil des Amtsgerichts Gera vom 20.12.2010 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Gera zurückzuverweisen.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat – vorläufig -Erfolg.

1.

Hinsichtlich des Schuldspruchs hält das angefochtene Urteil einer Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht stand. Es war allerdings im Tenor klarzustellen, dass die Ordnungswidrigkeit fahrlässig begangen wurde.

Die tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflichten eines Fahrzeugführers an Fußgängerüberwegen nach § 26 Abs. 1 StVO. Nach dieser Vorschrift haben Fahrzeugführer an Fußgängerüberwegen Fußgängern, die den Überweg erkennbar benutzen wollen, das Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen und dürfen nur mit mäßiger Geschwindigkeit heranfahren und müssen, wenn nötig, warten.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass sich die Fußgängerin bereits deutlich auf dem Zebrastreifen befunden habe, als der Betroffene diesen mit seinem Kraftfahrzeug überquerte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Fahrbahn hätten bereits zwei Autos angehalten. Grundsätzlich muss der Kraftfahrer sofort anhalten, wenn er sieht, dass Fußgänger den Überweg betreten oder sonst durch ihr Gesamtverhalten Benutzungsabsicht anzeigen (siehe nur König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 26 StVO Rn. 21). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn ein vorsichtiges Weiterfahren den Fußgänger bei normalem Weitergehen überhaupt nicht beeinflusst, d.h. ihn in keiner Weise beeinträchtigen kann (siehe König a.a.O.). Dieser Ausnahmefall ist entweder bei einem außergewöhnlich langen oder in der Mitte geteilten Überweg oder sonst nach Verständigung zwischen Fahrzeugführer und Fußgänger denkbar (König a.a.O.). Mit dem Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls hat sich das Amtsgericht ausdrücklich befasst und ihn als hier nicht gegeben betrachtet (UA S. 3).

2.

Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben, weil Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen fehlen. Diese können gem. § 17 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz OWiG nur bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel unberücksichtigt bleiben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats und der meisten anderen Oberlandesgerichte handelt es sich um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit, wenn die festgesetzte Geldbuße 250 EUR nicht übersteigt. In Ausnahmefällen beträgt die Grenze 500 EUR. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch schon deshalb nicht vor, weil es sich bei der festgesetzten Geldbuße nicht um die sogenannte Regelgeldbuße handelt.

Das Urteil war deshalb im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Prüfung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht G zurückzuverweisen.

 

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