Bundesgerichtshof
Az: 3 StR 246/07
Beschluss vom 03.06.2008
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Juni 2008 beschlossen:
Ein Taschenmesser ist grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB; dies gilt unabhängig davon, ob der Dieb es allgemein für den Einsatz gegen Menschen vorgesehen hat.
Gründe:
Die Vorlegungssache betrifft die Frage, ob der Täter die Voraussetzungen des Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) erfüllt, wenn er bei der Begehung der Tat ein Taschenmesser bei sich führt.
I.
Das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB) sowie wegen Diebstahls (§§ 242, 243 StGB) in drei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Der für die Vorlegung maßgeblichen Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Angeklagte begab sich in einen Lebensmittelmarkt. An seinem Gürtel führte er ein klappbares Taschenmesser mit einer längeren Klinge bei sich, um von Whiskeyflaschen, die er stehlen wollte, die Sicherungsetiketten abzuschneiden. Der Angeklagte nahm drei Flaschen Whiskey aus einem Regal, ging einen Gang weiter, entfernte dort mit dem Messer die Sicherungsetiketten und verließ das Geschäft, ohne zu bezahlen. Das Amtsgericht ist der Einlassung des Angeklagten gefolgt, er habe das Messer keinesfalls gegen Menschen einsetzen wollen.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Sprungrevision zum Oberlandesgericht Celle eingelegt und diese mit der allgemeinen Sachrüge begründet.
1. Das Oberlandesgericht beabsichtigt, den Schuldspruch des Amtsgerichts wegen Diebstahls mit Waffen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO in eine Verurteilung wegen einfachen Diebstahls zu ändern. Es vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB seien nicht gegeben; denn der Angeklagte habe kein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne dieser Vorschrift bei sich geführt. Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals müsse die vom Täter mit dem Werkzeug verbundene Gebrauchsabsicht Berücksichtigung finden. Ein Werkzeug, das konstruktionsbedingt nur der Bearbeitung von Gegenständen diene und das der Täter allein in dieser Funktion nutzen wolle, erfülle das Qualifizierungsmerkmal der Gefährlichkeit nicht; es müsse vielmehr hinzukommen, dass der Täter allgemein bereit sei, den Gegenstand unabhängig von dessen konstruktionsbedingten Eigenschaften gegen Menschen einzusetzen, ohne dass festgestellt werden müsse, diese Bereitschaft des Täters habe auch bei dem konkreten Diebstahl vorgelegen.
An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht Celle durch die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 12. April 2000 – 5 St RR 206/99 – (NStZ-RR 2001, 202), des Oberlandesgerichts München vom 16. Mai 2006 – 5 St RR 169/05 – (NStZ-RR 2006, 342) und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 16. Juni 2003 – 1 Ss 41/03 – (NStZ 2004, 212) gehindert. Nach deren Auffassung kommt es für die Verwirklichung des Qualifikationstatbestandes des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB nur darauf an, dass der Täter bei der Begehung des Diebstahls ein Werkzeug vorsätzlich mit sich führt, das nach „seiner objektiven Beschaffenheit und nach der konkreten Art seiner Benutzung“ geeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen; eine auch nur generelle Absicht oder „Widmung“, das Werkzeug auch gegen Menschen einzusetzen, sei demgegenüber nicht erforderlich.
Das Oberlandesgericht Celle hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
„Ist ein ?anderes gefährliches Werkzeug? gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1. a) StGB ein Tatmittel, das allein nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen, oder muss bei Werkzeugen, die als Gebrauchsgegenstand nicht zur Verletzung von Personen bestimmt sind, sondern jederzeit sozialadäquat von jedermann bei sich geführt werden können – wie etwa ein Taschenmesser – als subjektives Element seitens des Täters hinzutreten eine generelle, vom konkreten Lebenssachverhalt losgelöste Bestimmung des Werkzeuges zur Verwendung gegen Menschen, wobei die in § 244 Abs. 1 Nr. 1. b) StGB vorausgesetzte konkrete Verwendungsabsicht nicht vorliegen muss?“
2. Der Generalbundesanwalt hält eine Einschränkung des den Diebstahl qualifizierenden Tatbestandsmerkmals durch das vom vorlegenden Oberlandesgericht geforderte subjektive Element für nicht geboten. Er beantragt zu beschließen:
„‚Andere gefährliche Werkzeuge? im Sinne von § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB sind Gegenstände, die nicht als Angriffs- oder Verteidigungsmittel konstruiert, die jedoch aufgrund ihrer objektiven Zweckbestimmung oder Beschaffenheit zur Verursachung erheblicher Verletzungen von Personen generell geeignet sind.“
II.
Die Vorlegungsvoraussetzungen gemäß § 121 Abs. 2 GVG sind erfüllt.
Das Oberlandesgericht Celle kann über die Revision des Angeklagten nicht wie von ihm beabsichtigt entscheiden, ohne von den tragenden Erwägungen der genannten Entscheidungen des Oberlandesgerichts München und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sowie von der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschl. vom 7. September 2000 – 2 Ss 638/00, NJW 2000, 3510) abzuweichen. Ob auch die Divergenz zu der Rechtsmeinung des aufgelösten Bayerischen Obersten Landesgerichts die Vorlegungspflicht noch begründet (vgl. Hannich in KK 5. Aufl. § 121 GVG Rdn. 17), bedarf daher keiner Entscheidung.
Die Vorlegungsfrage ist jedoch zu weit gefasst, weil sie den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht in genügendem Maße Rechnung trägt und über die für das Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Gesichtspunkte hinausgeht (vgl. BGHSt 25, 281, 283; 43, 285, 288; 45, 140, 142). Das Oberlandesgericht hat zunächst der Tatsache keine hinreichende Beachtung geschenkt, dass es sich bei dem Taschenmesser des Angeklagten um ein solches mit einer relativ langen Klinge handelte (vgl. das amtsgerichtliche Urteil UA S. 6). Entscheidungserheblich ist daher allein, ob derartige größere Taschenmesser unabhängig von einer allgemeinen Zweckbestimmung des Täters zu deren potentiellem Einsatz gegen Menschen als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB einzustufen sind; darauf, ob dies für alle auf dem Markt vertriebenen Taschenmesser gilt, also auch solche mit sehr kurzer Klinge, kommt es demnach nicht an. Ebenso wenig stellt sich die Frage, ob eine Einschränkung des Tatbestandsmerkmals „anderes gefährliches Werkzeug“ in den Fällen vorzunehmen ist, in denen der Täter den in Rede stehenden Gegenstand ohne jede Gebrauchsabsicht in „sozialadäquater“ Weise bei der Tatbegehung mit sich führt; denn der Angeklagte hat das Taschenmesser hier zielgerichtet zur Entfernung der Sicherungsetiketten und damit zur Verwirklichung des Diebstahls mitgeführt und auch verwendet, so dass er es gerade nicht in „sozialadäquater“ Form bei sich getragen hat. Der Senat präzisiert deshalb die Rechtsfrage wie folgt:
„Ist ein Taschenmesser grundsätzlich ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB, oder nur dann, wenn der Dieb es allgemein auch für den Einsatz gegen Menschen vorgesehen hat?“
III.
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus der Beschlussformel ersichtlich.
1. § 244 StGB hat seine heutige Fassung durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164 ff.) erhalten. Dieses hat mit der Formulierung „Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug“ das gefährliche Werkzeug in § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB als Oberbegriff des Qualifikationstatbestandes eingeführt. § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB aF bedrohte demgegenüber nur für Waffen das reine Mitsichführen mit erhöhter Strafe und setzte für alle sonstigen Werkzeuge und Mittel voraus, dass der Täter sie beim Diebstahl bei sich hatte, um den Widerstand eines anderen durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden (so jetzt auch § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB nF). Unter den somit nach neuem Recht von dem Begriff des gefährlichen Werkzeugs mit umfassten Waffen sind nach einhelliger Meinung solche im technischen Sinne zu verstehen, das heißt Gegenstände, die nach ihrer Art für Angriffs- oder Verteidigungszwecke bestimmt und zur Verursachung erheblicher Verletzungen generell geeignet sind (vgl. BGHSt 45, 92, 93; Fischer, StGB 55. Aufl. § 244 Rdn. 3 a; Eser in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 244 Rdn. 3). Sie unterscheiden sich von anderen gefährlichen Werkzeugen bezüglich der ihnen innewohnenden generellen Bestimmung. Während Waffen zum Einsatz als Angriffs- oder Verteidigungsmittel bestimmt sind, ist dies bei anderen gefährlichen Werkzeugen nicht der Fall.
Der Gesetzgeber hat den Begriff des gefährlichen Werkzeugs dem Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung (§ 223 a Abs. 1 StGB aF bzw. § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF) entnommen. Er war der Ansicht, auf die zu dieser Vorschrift entwickelten Auslegungskriterien könne auch bei der Interpretation des wortlautgleichen Tatbestandsmerkmals des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zurückgegriffen werden (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9064 S. 18). Zu § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist allgemein anerkannt, dass ein Werkzeug dann als gefährlich anzusehen ist, wenn es aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Verwendung im konkreten Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2007, 95).
Die Rechtsprechung hat diese vom Gesetzgeber vorgegebene Definition auf die Fälle des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, in denen das gefährliche Werkzeug verwendet werden muss, übertragen (vgl. BGHSt 45, 249, 250; BGH NStZ 1999, 135, 136; 1999, 301, 302; BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 a Waffe 2; Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 1). In einigen Entscheidungen hat sie zunächst das Tatbestandsmerkmal des anderen gefährlichen Werkzeugs auch in den Fällen des Beisichführens gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB entsprechend interpretiert (vgl. BGH NJW 1998, 2915; 1998, 2916; 1998, 3130; NStZ 1999, 135, 136, jew. zu § 250 StGB; BayObLG NStZ-RR 2001, 202; OLG Hamm NJW 2000, 3510).
In Rechtsprechung und Literatur besteht mittlerweile allerdings weitestgehend Einigkeit darüber, dass für die Auslegung des Begriffs „anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB die vom Gesetzgeber angeregte Orientierung an der genannten Definition dogmatisch verfehlt bzw. systemwidrig ist (vgl. BGH NStZ 1999, 301, 302; NJW 2002, 2889, 2890; Eser aaO Rdn. 5; Hoyer in SK-StGB § 244 Rdn. 10; Fischer aaO Rdn. 7; Lackner/Kühl, StGB 26. Aufl. § 244 Rdn. 3; Kindhäuser, Strafrecht BT II 4. Aufl. § 4 Rdn. 11; Fischer NStZ 2003, 569; Kindhäuser/Wallau StV 2001, 18; 2001, 352; Küper in FS für Hanack S. 569, 577, 581; ders. JZ 1999, 187, 189; Otto, GK Strafrecht BT 7. Aufl. § 41 Rdn. 52; Lesch GA 1999, 365, 366; Maatsch GA 2001, 75, 76; Streng GA 2001, 359, 360; Jäger JuS 2000, 651, 653; jeweils m. w. N.; aA noch OLG München NStZ-RR 2006, 342). Denn anders als bei der gefährlichen Körperverletzung, die „mittels“ des gefährlichen Werkzeugs begangen wird, stellt das andere gefährliche Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB – wie im Falle von § 177 Abs. 3 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB – gerade kein Tatmittel dar. Für die Verwirklichung des Tatbestandes reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes vielmehr das bloße Beisichführen aus, so dass es – im Gegensatz zu § 177 Abs. 4 Nr. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB – zu einer Verwendung im konkreten Einzelfall, an deren Art die Gefährlichkeit gemessen werden könnte, nicht kommt (so schon BGH NStZ 1999, 301, 302; vgl. auch BGH NStZ 2002, 594, 595).
Der Auslegungshinweis des Gesetzgebers ist deshalb für die Beantwortung der Vorlegungsfrage nicht tauglich.
2. Vor diesem Hintergrund sind in Rechtsprechung und Literatur zahlreiche unterschiedliche Ansätze zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals des anderen gefährlichen Werkzeugs für diejenigen Tatbestände entwickelt worden, die lediglich voraussetzen, dass der Täter das Werkzeug bei der Begehung der Tat bei sich führt. Soweit ersichtlich herrscht dabei noch insofern Einigkeit, dass unter einem Werkzeug als solchem jeder körperliche Gegenstand zu verstehen ist, der nach seiner konkreten Beschaffenheit die Eigenschaft aufweist, als Mittel zur Gewaltanwendung oder -drohung eingesetzt werden zu können (vgl. BGHSt 24, 339, 341; 38, 116, 117; NJW 1996, 2663 zu §§ 244, 250 StGB aF; Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 16). Zu der Frage, welche zusätzlichen Kriterien erfüllt sein müssen, damit ein solcher Gegenstand als anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB anzusehen ist, werden in Rechtsprechung und Literatur jedoch unterschiedliche Auffassungen vertreten:
a) Unter Bezugnahme auf einen – die Entscheidung allerdings nicht tragenden – Hinweis des Senats (NStZ 1999, 301, 302) ist ein Teil der Rechtsprechung (vgl. OLG Frankfurt StV 2002, 145; StraFo 2006, 467; OLG Braunschweig NJW 2002, 1735, 1736) ebenso wie das vorlegende Oberlandesgericht Celle der Meinung, bei Werkzeugen, die als Gebrauchsgegenstand nicht allgemein zur Verletzung von Personen bestimmt seien, sondern jederzeit sozialadäquat von jedermann bei sich geführt werden könnten, sei erforderlich, dass als subjektives Element eine generelle, vom konkreten Lebenssachverhalt losgelöste Bestimmung des Werkzeuges zur Verwendung gegen Menschen seitens des Täters hinzutrete, ohne dass indes die in § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB vorausgesetzte konkrete Verwendungsabsicht gegeben sein müsse. Andere Obergerichte sind der Ansicht, ein Werkzeug sei bereits dann im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB gefährlich, wenn es objektiv geeignet sei, erhebliche Verletzungen zu verursachen, und damit dem Täter bei Begehung des Diebstahls die Möglichkeit biete, es – etwa in einer bedrängten Situation – als Gewalt- oder Drohungsmittel einzusetzen. Der Tatbestand enthalte jedoch eine einschränkende subjektive Komponente durch das Merkmal des Beisichführens, die insbesondere zum Tragen komme, wenn der Täter einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens in sozialadäquater Weise bei sich führe (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG NStZ 2004, 212; OLG Celle StV 2005, 336; ähnlich OLG München NStZ-RR 2006, 342).
b) Die in der Literatur vertretenen Meinungen lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
aa) Ein Teil des Schrifttums ist der Auffassung, eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals sei allein anhand objektiver Kriterien nicht möglich. Da nahezu jeder Gegenstand so eingesetzt werden könne, dass er erhebliche Verletzungen hervorzurufen geeignet sei, müsse für die Annahme eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB auf subjektiver Ebene ein begrenzendes Element hinzutreten. Dieses wird teilweise – der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts entsprechend oder zumindest nahe kommend – darin gesehen, dass der Täter zumindest generell den Willen haben müsse, das Werkzeug auch zu Verletzungs- oder Bedrohungszwecken einzusetzen (vgl. Erb JR 2001, 206, 207; Geppert Jura 1999, 599, 602; Küper in FS für Hanack S. 569, 585 ff.; ders. JZ 1999, 187, 192 ff.). Andere Vertreter dieses Ansatzes fordern, der Täter müsse das Werkzeug einer gegebenenfalls gefährlichen Verwendung „gewidmet“ (vgl. Rengier, Strafrecht BT I 9. Aufl. § 4 Rdn. 25; Hilgendorf ZStW 112 (2000), 811, 812 f.; Maatsch GA 2001, 75, 83) oder einen „inneren Verwendungsvorbehalt“ gefasst haben, bei dessen Umsetzung sich das Werkzeug als gefährlich erweise (vgl. Wessels/Hillenkamp, Strafrecht BT/2 30. Aufl. § 4 Rdn. 262 b).
bb) Der – wohl überwiegende – Teil der Literatur befürwortet hingegen eine Interpretation des Tatbestandsmerkmals allein anhand objektiver Kriterien. Nach diesen Auffassungen ist die Gefährlichkeit eines Werkzeuges nur nach seiner objektiven Zweckbestimmung oder Beschaffenheit zu bestimmen (vgl. Fischer aaO Rdn. 9 b; Laufhütte/Kuschel in LK 11. Aufl. Nachtrag zu § 250 Rdn. 6; Eser aaO; Schmitz in MünchKomm-StGB § 244 Rdn. 14 ff.; Hoyer aaO; Kindhäuser aaO Rdn. 7 ff.; Otto aaO Rdn. 53; Dencker JR 1999, 33, 36; Fischer NStZ 2003, 569, 572; Hörnle Jura 1998, 169, 172; Jäger aaO, 654; Kindhäuser/Wallau StV 2001, 18 f.; dies. StV 2001, 352, 353; Lesch aaO 376; Mitsch ZStW 111 (1999), 65, 79; Schlothauer/Sättele StV 1998, 505, 507; Schroth NJW 1998, 2861, 2864; Streng GA 2001, 359, 365 ff.; alle m. w. N.).
Innerhalb dieses Ansatzes wird mit einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen die Anwendbarkeit des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB vorrangig mit dem Ziel begrenzt, das bloße Beisichführen von Alltagsgegenständen wie Kugelschreibern, Gürteln, Krawatten, Miniaturschraubenziehern oder Schlüsseln nicht unter den Qualifikationstatbestand zu fassen. Es wird insbesondere vertreten, als andere gefährliche Werkzeuge im Sinne der Norm seien nur solche Gegenstände anzusehen, die zu potentiellen Verletzungszwecken eingesetzt werden könnten (Hörnle aaO), von einer zumindest annähernden abstrakten Gefährlichkeit seien wie Waffen (Dencker aaO), in der konkreten Tatsituation keine andere Funktion erfüllen könnten, als zu Verletzungszwecken eingesetzt zu werden (Eser aaO Rdn. 7; Schlothauer/Sättele StV 1998, 505, 508), nach ihrer objektiven Beschaffenheit Waffen ähnelten und bei missbräuchlicher Verwendung das selbe Verletzungspotential aufwiesen wie „echte“ Waffen (Fischer NStZ 2003, 569, 572), eine objektive Waffenähnlichkeit besäßen (Mitsch aaO), aufgrund ihres immanenten Eskalationspotentials und den damit verbundenen Risiken für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach dem Gesetz nicht für jedermann frei verfügbar seien (Lesch aaO 376), denen eine Waffenersatzfunktion zukomme (Streng aaO) oder vor deren Benutzung generell gewarnt bzw. bezüglich derer üblicherweise auf Vorsicht im Umgang mit ihnen hingewirkt werde (Hohmann/Sander, Strafrecht BT Teilbd. 1, 2. Aufl. § 2 Rdn. 5; Sander in MünchKomm-StGB § 250 Rdn. 29). Schließlich wird gefordert, die konkreten Tatumstände müssten einen objektiven Beobachter zu der Annahme veranlassen, der Täter wolle den Gegenstand zweckentfremdet in gefährlicher Weise verwenden (vgl. Kindhäuser aaO Rdn. 9).
3. Bereits die Anzahl der geschilderten Lösungsansätze weist darauf hin, dass die Fassung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB missglückt ist. Diese lässt von vornherein keine Auslegung des Begriffs des „anderen gefährlichen Werkzeugs“ zu, die unter Anwendung allgemeiner und für jeden Einzelfall gleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung gewährleisten könnte. So ist es etwa schwer verständlich, dass es innerhalb des Strafgesetzbuches und sogar einzelner Normen (§ 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Abs. 2 Nr. 1 StGB oder § 177 Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 StGB) zu einer unterschiedlichen Auslegung dieses wortgleichen Tatbestandsmerkmals kommen kann (vgl. hierzu schon BGH NStZ 1999, 301; NStZ-RR 2002, 265; aA noch BGH NStZ 2002, 594, 595). Beachtet man zudem die Untauglichkeit des vom Gesetzgeber erteilten Auslegungshinweises, so wird deutlich, dass mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechnik eine umfassende, sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle nicht zu erreichen ist. Der Senat sieht deshalb davon ab, im vorliegenden Fall über die Beantwortung der präzisierten, dem konkreten Sachverhalt angepassten Rechtsfrage hinaus den Versuch zu unternehmen, das Tatbestandsmerkmal „anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB allgemeingültig zu definieren.
4. Dies vorausgesetzt gilt:
a) Den in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassungen, die bei der Bestimmung des Begriffs des anderen gefährlichen Werkzeugs auf eingrenzende subjektive Kriterien wie eine – gegebenenfalls generelle – Verwendungsabsicht, einen „Verwendungsvorbehalt“ oder einen „Widmungsakt“ des Täters abstellen, vermag der Senat nicht zu folgen; an seinem Hinweis in der Entscheidung NStZ 1999, 301, 302 hält er nicht fest.
aa) Die genannten Ansichten lassen sich bereits nicht mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang bringen. § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB enthält nach seiner insoweit sprachlich klaren und eindeutigen Fassung – im Gegensatz zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB – gerade kein über den Vorsatz bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale hinausgehendes, wie auch immer im Einzelnen zu definierendes subjektives Element. Insbesondere das Erfordernis einer auf den Einsatz des gefährlichen Werkzeugs als Nötigungsmittel gegen Personen gerichtete Absicht, sei sie generell gefasst oder auf den konkreten Diebstahl bezogen, lässt sich der Norm nicht entnehmen.
Eine derartige Gebrauchsabsicht kann auch nicht in die Tathandlung des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB hineininterpretiert werden; denn der Täter führt ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich, wenn er es bewusst in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein darüber hinausgehender Wille, den Gegenstand gegebenenfalls gegen Personen einzusetzen, ist nicht notwendig (vgl. BGHSt 43, 8, 10; BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 2 jeweils für Fälle des Mitsichführens im Sinne des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG).
bb) Dieses aus dem Wortlaut der Norm folgende Ergebnis wird durch systematische und teleologische Gesichtspunkte bestätigt: Die Absicht, das Werkzeug gegen Personen einzusetzen, wird nur von § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB gefordert, dessen Tatbestand verlangt, dass der Täter ein sonstiges Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um es zu Nötigungszwecken zu verwenden. Diese Vorschrift ist vom Gesetzgeber als Auffangtatbestand konzipiert worden, unter den das Beisichführen von Gegenständen zu subsumieren ist, von denen zwar objektiv an sich keine Leibesgefahr ausgeht, die aber zur Verhinderung oder Überwindung des Widerstands einer anderen Person durch Gewalt oder der Drohung mit Gewalt eingesetzt werden sollen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9064 S. 18). Tatmittel sind deshalb bei dieser Tatbestandsalternative grundsätzlich beliebige Gegenstände, ohne dass es auf deren objektive Gefährlichkeit ankommt; denn durch die beschriebene Verwendungsabsicht wird die Gefahr des Einsatzes auch solcher Gegenstände zu Zwecken der Gewaltanwendung oder Drohung konkretisiert (vgl. Fischer aaO Rdn. 7, 10) und damit die im Vergleich zum Grundtatbestand des Diebstahls (§ 242 StGB) höhere Strafdrohung gerechtfertigt.
Demgegenüber will der Gesetzgeber mit § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB Fallgestaltungen mit einer während der Begehung der Tat erhöhten, abstrakt-objektiven Gefährlichkeit erfassen, die sich bereits daraus ableitet, dass der Täter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, weil in diesen Fällen die latente Gefahr des Einsatzes als Nötigungsmittel besteht (vgl. Fischer aaO Rdn. 7; Geppert Jura 1999, 599, 600). Dieser Gedanke galt bereits zu § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF für den Dieb, der bei der Tat eine Schusswaffe mit sich führte (vgl. Ruß in LK 12. Aufl. § 244 Rdn. 3), und ist vom Gesetzgeber durch die Neuregelung im Sechsten Gesetz zur Reform des Strafrechts nicht aufgegeben worden; vielmehr ist die tatbestandliche Erweiterung auf andere gefährliche Werkzeuge nach der Intention des Gesetzgebers im Hinblick auf Ungereimtheiten vorgenommen worden, die auftreten könnten, wenn Schusswaffen und andere, ebenso bzw. ähnlich gefährliche Gegenstände nicht gleich behandelt würden (vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BTDrucks. 13/9064 S. 18).
Der Differenzierung bezüglich der subjektiven Voraussetzungen der jeweiligen Tatbestandsalternative des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt somit die gesetzgeberische Absicht zu Grunde, das Beisichführen von Werkzeugen, die im Falle ihres Einsatzes gegen Personen aufgrund ihrer Beschaffenheit objektiv die Eignung besitzen, schwere Verletzungen herbeizuführen, wegen der latenten Gefahr des Gebrauchs durch den Täter selbst ohne dessen Verwendungsabsicht oder -vorbehalt mit erhöhter Strafe zu bedrohen. Dieser Konzeption des Gesetzes liefe es zuwider, wollte man in den Fällen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zur Bestimmung des anderen gefährlichen Werkzeugs auf ein zusätzliches subjektives Element abstellen (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 265, 266; NStZ 2002, 594, 595).
b) Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals „anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB muss somit allein auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden. Dabei ist indes nicht zu verkennen, dass gegen diesen Ansatz und die in seinem Rahmen vertretenen einzelnen Auffassungen durchaus gewichtige Argumente vorgebracht werden können. So kann etwa die Bestimmung eines anderen gefährlichen Werkzeugs nach rein objektiven Kriterien in Anbetracht der zahlreichen in Betracht kommenden Gegenstände zu einer schwer kalkulierbaren Einzelfallkasuistik führen, bei der zudem die Gefahr von widersprüchlichen Entscheidungen offenkundig ist. Hinzu kommt, dass im Einzelfall schwierige Abgrenzungsfragen vor allem zu sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB, aber auch etwa zum Diebstahl in einem besonders schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB) oder zum Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) im Hinblick auf die hierzu regelmäßig verwendeten Einbruchswerkzeuge aufgeworfen werden können. Jedoch lassen aus den dargelegten Gründen sowohl der Wortlaut als auch Sinn und Zweck des Gesetzes keinen Raum für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung des Tatbestandsmerkmals „anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB. Die sich hieraus ergebenden Misslichkeiten sind gegebenenfalls durch eine adäquate Neufassung des Gesetzes zu beseitigen. Bis zu einer derartigen gesetzlichen Neuregelung wird es indes für besondere Sachverhaltsvarianten – soweit nach den anerkannten Auslegungskriterien möglich – weiterer Präzisierungen des Tatbestandes durch die Rechtsprechung bedürfen.
Für die hiesige Sachverhaltsgestaltung sind die Voraussetzungen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB jedenfalls zu bejahen. Hierfür sind folgende Überlegungen maßgebend:
Messer, die nicht ohnehin als Angriffs- oder Verteidigungsmittel konstruiert sind und wie etwa Spring-, Fall-, Faust- oder Faltmesser zu den Waffen im technischen Sinne gehören, erfüllen nach ständiger Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlass besteht, regelmäßig die Voraussetzungen eines anderen gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (vgl. BGH NStZ 1999, 136; NStZ-RR 2001, 41; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 1; BGH NStZ-RR 2006, 12, 13 für den Fall eines Klappmessers). Die von ihnen ausgehende hohe abstrakte Gefahr, die Grund für die Strafschärfung durch den Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB ist, ist evident und kommt derjenigen von Waffen im technischen Sinne zumindest nahe.
Dies gilt in vergleichbarer Weise für Taschenmesser mit einer längeren Klinge (zuletzt jeweils offen gelassen, weil nicht entscheidungserheblich in BGH StV 2002, 191 für § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB; NStZ-RR 2003, 12; 2005, 340). Auch diese sind objektiv zum Schneiden und Stechen bestimmt und nach ihrer Beschaffenheit hierzu geeignet. Von einem sonstigen Messer unterscheiden sie sich im Wesentlichen lediglich dadurch, dass die Klinge von Hand ausgeklappt werden muss. Dieser Umstand nimmt, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, einem Taschenmesser aber nicht seine objektive Gefährlichkeit. Ein solches Messer kann wie jedes andere jederzeit gegen Personen gebraucht werden und im Falle seines Einsatzes dem Opfer erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen zufügen. Die latente Gefahr, die von einem derartigen, von dem Dieb bei der Tat bei sich geführten Taschenmesser ausgeht, ist deshalb nicht in einem Umfang geringer als diejenige von sonstigen Messern mit einer vergleichbar langen feststehenden Klinge, dass nach dem Zweck der Norm eine unterschiedliche Bewertung gerechtfertigt wäre.