AG Ehingen – Az.: BHG 79/13 – Beschluss vom 08.02.2014
1. Auf die Erinnerung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin vom 28.10.2013 wird der Beschluß des Amtsgerichts Ehingen vom 17.10.2013 aufgehoben und die den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf 255,85 € festgesetzt.
2. Die Beschwerde der Staatskasse wird zugelassen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Der Gegenstandswert wird auf 155,89 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin begehren die Festsetzung einer Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 255,85 €, die eine Einigungs- und Erledigungsgebühr nach Nr. 2508 des VV zum RVG beinhaltet. Letztere ist bei der Festsetzung der Vergütung durch die zuständige Rechtspflegerin unberücksichtigt geblieben, weshalb lediglich auf der Grundlage der Geschäftsgebühr (zuzüglich der – entsprechend reduzierten – Pauschale für Post- und Telekommunikationskosten sowie der Umsatzsteuer) eine Festsetzung in Höhe von 99,96 € vorgenommen und der weitergehende Antrag mit Beschluß vom 17.10.2013 zurückgewiesen worden ist.
Hiergegen wendet sich die Erinnerung, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hat.
Der Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im Beratungshilfeverfahren liegt eine Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben der seinerzeit bevollmächtigten Rechtsanwälte … der Rechteinhaberin (Firma … KG) vom 18.3.2013 zugrunde, mit dem zur Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung eines pauschalen Betrages von 750,- € aufgefordert worden ist.
Hierauf haben die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 28.3.2013 „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich“ eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben und zugleich jeden weitergehenden (Zahlungs-) Anspruch zurückgewiesen.
Im Schreiben der Gegenseite vom 10.4.2013 hat diese „den Eingang der Unterlassungserklärung bestätigt“, Ausführungen zur Rechtslage gemacht und (ausschließlich) auf Ausgleich der Forderung in Höhe von 750,- € unter Fristsetzung bis 24.4.2013 bestanden.
Hinsichtlich des weiteren Verlaufs der außergerichtlichen Auseinandersetzung sind vom Erinnerungsführer nunmehr Schreiben der Rechtsanwälte … (die das Mandat der Gegenseite offensichtlich übernommen haben) vom 5.9.2013, 10.10.2013, 7.11.2013 und 2.1.2014 vorgelegt worden, mit denen Vergleichsbeträge verlangt worden sind, die zwischen 1.362,40 € und 883,82 € variieren. Im zeitlich letzten Schreiben (in dem der Vergleichsbetrag mit 889,94 € beziffert wird) wird unter Fristsetzung bis 1.2.2014 erklärt, daß bei fristgerechtem Zahlungseingang der „Verzicht auf die Restforderung unmittelbar wirksam“ werde, anderenfalls der „Vergleich hinfällig“ und das Verfahren über die Gesamtforderung fortgesetzt werde.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Rechtspflegerin die Ablehnung der Erstattung einer Vergleichsgebühr im Wesentlichen damit begründet, daß die modifizierte Unterlassungserklärung als Teilanerkenntnis zu werten sei und eine Einigung oder teilweise Einigung zwischen den Parteien aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich sei, da die Gegenseite in schriftlicher Form lediglich den Eingang der modifizierten Unterlassungserklärung bestätigt, nicht aber ausdrücklich die Annahme derselben erklärt habe.
Der Bezirksrevisor hat sich der Auffassung der Rechtspflegerin angeschlossen und ergänzend ausgeführt, es bestehen Zweifel an einer fernmündlichen Einigung über die teilweise Erledigung, zumal wesentlicher Inhalt der modifizierten Unterlassungserklärung gewesen sei, daß die Rechtssuchende nicht zur Erstattung der Kosten an den Anspruchsteller verpflichtet sei, eine diesbezügliche Annahme durch die Gegenseite jedoch nicht nachgewiesen sei.
II.
Die gemäß § 6 Abs. 2 BerHG zulässige Erinnerung ist begründet, da davon auszugehen ist, daß eine teilweise vergleichsweise außergerichtliche Einigung stattgefunden hat, die die Einigungsgebühr ausgelöst hat
1. Festzuhalten ist zunächst, daß ursprünglich von der Gegenseite mehrere Ansprüche gegenüber der Antragstellerin erhoben worden sind, nämlich ein Unterlassungsanspruch und ein Schadensersatzanspruch. Zur Erfüllung des erstgenannten wurde von der Antragstellerin die Unterzeichnung einer von der Gegenseite vorformulierten Unterlassungserklärung gefordert, hinsichtlich des letztgenannten (angeblichen) Anspruchs die Zahlung eines Betrages von 750,- €.
2. Mit Schreiben der gegnerischen Anwälte vom 10.4.2013 ist dem Wortlaut nach zwar lediglich der Eingang der modifizierten Unterlassungserklärung bestätigt worden, nicht auch die (ausdrückliche) Annahme dieser Erklärung. Als Indiz dafür, daß bereits zu diesem Zeitpunkt die Gegenseite die modifizierte Unterlassungserklärung als Angebot zur vergleichsweisen Teilerledigung akzeptiert hat oder zumindest akzeptiert haben kann, ist nach Auffassung des Gerichts der Umstand zu werten, daß am Ende dieses Schreibens ausschließlich die Erwartung des Ausgleichs der Zahlungsforderung ausgesprochen worden ist und nicht auch der uneingeschränkten und unmodifizierten Annahme der von der Gegenseite geforderten Unterlassungserklärung.
Dies spricht für die Darstellung der Erinnerungsführer, daß die Bestätigung des Eingangs auch als Annahme zu werten sei.
3. Bestätigt wird diese Auffassung auch dadurch, daß im weiteren Fortgang der außergerichtlichen Auseinandersetzung (und nach Einschaltung einer anderen Kanzlei auf der Gegenseite) die Schreiben der Gegenseite ausschließlich auf die Zahlung einer (der Höhe nach variierenden) Abstandssumme gerichtet sind, ohne weiter auf die Unterlassung einzugehen.
4. Diese Erwägungen im Zusammenspiel mit der nunmehr vorliegenden eidesstattlichen Versicherung der Erinnerungsführer lassen glaubhaft erscheinen, daß eine Einigung über den Unterlassungsanspruch stattgefunden hat.
5. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Übersendung einer Unterlassungserklärung Anerkenntnischarakter hat. Abgesehen davon, daß ein Vergleich stets ein Nachgeben und damit auch ein teilweises Anerkenntnis beinhaltet (wobei es auch für ein Anerkenntnis -entgegen der Rechtsansicht der Erinnerungsführer- nicht darauf an kommen würde, ob materiell-rechtlich der Anspruch überhaupt besteht), ist vorliegend zu berücksichtigen, daß die Unterlassungserklärung in modifizierter und damit eingeschränkter Form abgegeben worden ist.
Im Ergebnis hält es das Gericht daher für hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, daß trotz fortbestehenden Streits über eine Abstandszahlung eine vergleichsweise Teilerledigung hinsichtlich des (möglichen) Anspruchs der Gegenseite auf Abgabe einer Unterlassungserklärung erfolgt ist, so daß die vorliegend streitige Einigungsgebühr insoweit angefallen ist.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der (soweit bekannt) für den hiesigen Landgerichtsbezirk noch nicht entschiedenen Streitfrage hat das Gericht gemäß §§ 33Abs. 3 S. 2, 56 Abs. 2 RVG die Beschwerde der Staatskasse zugelassen.