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Gemeinden können per Polizeiverordnung gegen Lärm vorgehen

Lärmproblematik und Polizeiverordnungen: Wie Gemeinden ihre Bürger schützen können

Die Frage, wie Gemeinden gegen Lärm vorgehen können, ist ein immer wiederkehrendes Thema, das nicht nur Anwohner, sondern auch die lokale Politik beschäftigt. Im Fokus des Urteils des VGH Baden-Württemberg (Az.: 1 S 1718/22) vom 03.08.2023 steht die Möglichkeit für Gemeinden, per Polizeiverordnung gegen Lärm vorzugehen. Der Fall dreht sich um die Klage von Anwohnern, die sich durch nächtlichen Lärm gestört fühlen. Das Hauptproblem liegt in der Frage, ob die Gemeinde verpflichtet ist, gegen die Lärmverursacher einzuschreiten, insbesondere wenn bestimmte Lärmpegel regelmäßig überschritten werden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: XXXX    >>>

Ermessensspielraum der Gemeinde

Das Urteil stellt klar, dass der Ermessensspielraum der Gemeinde, gegen Lärmverursacher vorzugehen, sich zu einer Pflicht verdichtet, wenn bestimmte Immissionsrichtwerte überschritten werden. In dem Fall war es ein Beurteilungspegel von 62 dB(A) zwischen Mitternacht und 6 Uhr morgens. Die Gemeinde kann sich nicht darauf berufen, dass sie andere Maßnahmen zur Lärmminderung ergriffen hat, wenn diese nicht ausreichend sind.

Verwaltungshandeln und Lärmproblematik

Ein weiterer wichtiger Punkt des Urteils ist die Notwendigkeit eines stetigen, nachhaltigen Verwaltungshandelns gegenüber den Lärmverursachern. Die Gemeinde konnte in diesem Fall nicht nachweisen, dass sie in der Vergangenheit ausreichende Maßnahmen ergriffen hat. Das Urteil betont, dass der Erfolg eines Einschreitens gegen Ruhestörungen von den Umständen des Einzelfalls abhängt und ein kontinuierliches Vorgehen erfordert.

Gefahrenlage und Verantwortung der Gemeinde

Das Urteil geht auch darauf ein, dass die Gemeinde für das Verhalten der Nutzer des betroffenen Platzes verantwortlich ist. Durch die Untätigkeit der Gemeinde hat sich eine besondere Gefahrenlage realisiert. Die Gemeinde kann sich nicht darauf berufen, dass der Lärm durch die reine Menschenansammlung und nicht durch exzessive, rechtswidrige Platznutzer verursacht wird.

Rechtliche Grundlagen und Anspruch auf polizeiliches Einschreiten

Das Urteil klärt auch die rechtlichen Grundlagen für ein polizeiliches Einschreiten. Es stellt fest, dass die Kläger einen Anspruch darauf haben, dass die Gemeinde ermessensfehlerfrei über ihren Antrag auf polizeiliches Einschreiten entscheidet. Dabei sind die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage, der Klagebefugnis und des vorherigen Antrags bei der Gemeinde erfüllt.

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Das vorliegende Urteil

VGH Baden-Württemberg – Az.: 1 S 1718/22 – Urteil vom 03.08.2023

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 10. Oktober 2018 – 4 K 805/16 – teilweise geändert. Die Beklagte wird verurteilt, über den Antrag der Kläger, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 an den Wohnungen der Kläger in der Zeit zwischen 24:00 und 06:00 Uhr zu ergreifen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger ein Drittel und die Beklagte zwei Drittel.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger begehren ein Einschreiten der Beklagten gegen vom Augustinerplatz in Freiburg ausgehende nächtliche Lärmimmissionen. Sie machen einen Anspruch auf Ergreifen geeigneter polizeilicher Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote der Polizeiverordnung der Stadt Freiburg vom 29.09.2009 geltend.

Der Augustinerplatz liegt in der verkehrsberuhigten Freiburger Altstadt. Für den Augustinerplatz und seine Umgebung setzt der Bebauungsplan „Fischerau-Gerberau“ vom 18.07.1984 der Beklagten ein besonderes Wohngebiet fest. Die Klägerin ist Eigentümerin einer im 4. und 5. Obergeschoss gelegenen Wohnung am nördlichen Ende des Platzes. Der Kläger wohnt im 1. Obergeschoss eines Hauses, das im Süden an den Platz grenzt.

Die „Polizeiverordnung zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten in der Stadt Freiburg i. Br.“ (im Folgenden: PolVO ÖffO) vom 29.09.2009 bestimmt u.a.:

„§ 1 Benutzung von Rundfunkgeräten, Musikinstrumenten und dergleichen

(1) Rundfunk- und Fernsehgeräte, Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte und Musikinstrumente dürfen nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt oder gestört werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Geräte oder Musikinstrumente bei offenen Fenstern oder Türen, auf offenen Balkonen, in Park- oder Freizeitanlagen oder in Kraftfahrzeugen betrieben oder gespielt werden.

(2) Abs. 1 gilt nicht für amtliche Durchsagen sowie bei Umzügen, Kundgebungen, Volksfesten, Märkten, Ausstellungen und bei Veranstaltungen, die einem herkömmlichen Brauch entsprechen.

§ 3 Schutz der Nachtruhe

Die Nachtruhe in der Stadt Freiburg i. Br. dauert von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr. In dieser Zeit sind alle Betätigungen verboten, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören.

§ 16 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig im Sinne von § 18 Abs. 1 Polizeigesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig

1. entgegen § 1 Abs. 1 Rundfunk- und Fernsehgeräte, Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte oder Musikinstrumente in solcher Lautstärke betreibt oder spielt, dass andere erheblich belästigt oder gestört werden;

3. entgegen § 3 durch Lärm die Nachtruhe stört; …“

Die Verordnung zur Änderung der Polizeiverordnung vom 27.07.2021 änderte die Vorschriften der § 1 und § 3 nicht und ersetzte in 16 Abs. 1 den Verweis auf „§ 18 Abs. 1 Polizeigesetz“ in § 16 Abs. 1 durch einen Verweis auf „§ 26 Abs. 1 Polizeigesetz“.

Die Beklagte beschloss am 16.05.2023 die „Satzung über öffentliche Park-, Spiel- und Sportanlagen der Stadt Freiburg (Parkanlagensatzung)“. Diese ist auf §§ 4, 10, 142 GemO gestützt. Sie gilt nach ihrem § 1 Abs. 1 Buchst. a für im Einzelnen aufgeführte öffentliche Parkanlagen, bei denen der Augustinerplatz nicht aufgeführt ist, und nach ihrem § 1 Abs. 1 Buchst. b für öffentliche Spiel- und Sportanlagen. § 7 der Parkanlagensatzung bestimmt:

„§ 7 Lärm und andere Emissionen

(1) Die Ruhe und Erholung anderer Nutzer_innen sowie der Anwohnerschaft darf nicht erheblich belästigt oder gestört werden. Dies gilt insbesondere für die Belästigung und Störung durch Lärm und Rauch bzw. Grillgeruch. Die Nachtruhe in der Stadt Freiburg i. Br. dauert von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr. In dieser Zeit sind alle Betätigungen verboten, die geeignet sind, die Nachtruhe zu stören.

(2) Der Betrieb von jeglichen Tonwiedergabegeräten (insbesondere Bluetooth- und Handyboxen sowie Musikboxen) und Musikinstrumenten in der Zeit von 23:00 bis 6:00 Uhr ist in den öffentlichen Park-, Spiel- und Sportanlagen verboten.“

Die Kläger haben 2016 beim Verwaltungsgericht Klagen auf polizeiliches Einschreiten der Beklagten erhoben. Sie haben vorgetragen, nach einer von der Beklagten veranlassten orientierenden Schallpegelmessung im August 2010 werde an regenfreien Sommerwochenenden von 21:00 bis 02:00 Uhr ein Beurteilungspegel von über 70 dB(A) erreicht. Im Jahr 2013 habe der Polizeivollzugsdienst über 200 Einsätze auf dem Augustinerplatz gehabt, 83-mal wegen Ruhestörung, zehnmal wegen betrunkener Personen, siebenmal wegen Streitigkeiten, zweimal wegen Körperverletzung. Die von der Beklagten ergriffenen präventiven und pädagogischen Maßnahmen seien wirkungslos geblieben. Zuletzt habe der Polizeivollzugsdienst den Augustinerplatz nur noch bei Anzeigen wegen schwerwiegender Straftaten angefahren; die Anwohner hätten es aufgegeben, Lärmbelästigungen dem Polizeivollzugsdienst zu melden. Auch nach Eröffnung des Platzes der Alten Synagoge habe sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Die Beklagte unterbinde weder den störenden mobilen Bierverkauf noch den Gassenausschank in den Gaststätten der Umgebung. Die Kläger hätten einen Anspruch auf Durchsetzung der Bestimmungen der Polizeiverordnung der Beklagten über die Nachtzeit, weil bei Beurteilungspegeln von bis zu 70 dB(A) die Zumutbarkeitsschwelle bei Weitem überschritten sei. Eine Sperrung des Platzes zur Nachtzeit begehrten sie nicht. Es treffe nicht zu, dass die Beklagte auf den Polizeivollzugsdienst des Landes angewiesen sei. Die Beklagte habe einen Gemeindevollzugsdienst, dem sie polizeiliche Vollzugsaufgaben auch im Bereich ihrer Polizeiverordnung übertragen habe. Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erstinstanzlich vorgetragen, Freiburg übe als Oberzentrum eine besondere Anziehungskraft auch auf Bewohner des Umlands aus. Das Ausgehverhalten habe sich in den letzten Jahren zunehmend in die späten Nacht- bzw. frühen Morgenstunden verschoben. Die Verwaltung habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Lärmsituation zu verbessern. Bereits im Jahr 2009 sei das Konzept „Toleranz und Kommunikation“ mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Situation auf dem Augustinerplatz beschlossen worden. Eine erste Bilanz für die Jahre 2009 und 2010 habe gezeigt, dass sich die Konzeption bewährt und die Situation auf dem Augustinerplatz deutlich entspannt habe. Jedoch sei die Konzeption hinsichtlich der Lärmproblematik an ihre Grenzen gestoßen; eine nachhaltige bzw. deutliche Verbesserung habe hier nicht erzielt werden können. Die Beklagte habe im Jahr 2011 die umliegenden Gaststätten gebeten, ihre Gäste durch Hinweisschilder zur Ruhe beim Verlassen der Gaststätte anzuhalten, Glas-Abfall nicht in der Nachtzeit zu entsorgen und überhaupt auf den Verkauf von alkoholischen Getränken außer Haus zu verzichten. Im Jahr 2012 habe sie Gespräche mit der DEHOGA, dem Lokalverein Innenstadt, dem Polizeirevier Freiburg Nord und zahlreichen Gaststättenbetrieben geführt und regelmäßigen Kontakt zur Polizeidirektion Freiburg unterhalten, ferner Gaststätten kontrolliert. Auch habe im Jahr 2013 der Polizeivollzugsdienst des Landes in Abstimmung mit dem Amt für öffentliche Ordnung der Beklagten drei Schwerpunktaktionen auf dem Augustinerplatz durchgeführt. Das Polizeipräsidium habe im Anschluss deutlich gemacht, dass für eine weitere verdichtete Kontrolle des Augustinerplatzes kein Personal zur Verfügung stehe. Nachdem sich für die Einrichtung eines kommunalen Ordnungsdienstes und eine zonierte Gaststätten-Sperrzeitenregelung im Gemeinderat keine Mehrheit gefunden habe, habe sie ein Gaststättenkonzept entwickelt, das u. a. vorsehe, eine Verlängerung der Gaststätten-Sperrzeit im Einzelfall zu prüfen. Sie versuche auch, den mobilen Bierverkauf auf dem Augustinerplatz zu unterbinden. Sie habe dem Verkäufer den Verkauf untersagt und auch schon sein Fahrrad und mitgeführte Waren beschlagnahmt. Primäre Aufgabe ihres gemeindlichen Vollzugsdienstes sei es nach wie vor nicht, nächtliche Ruhestörungen zu unterbinden. Die Lärmproblematik habe im Übrigen abgenommen. Im Jahr 2018 hätten sich nachts deutlich weniger Personen auf dem Augustinerplatz aufgehalten. Der nächtliche Betrieb habe sich jetzt teilweise auf den im August 2017 neu eröffneten Platz der Alten Synagoge verlagert. Seither seien dem Polizeivollzugsdienst deutlich weniger Lärmbeschwerden vom Augustinerplatz gemeldet worden. Die Klagen seien nicht zulässig. Die Kläger hätten zuvor ein Einschreiten bei ihr beantragen müssen. Sofern Maßnahmen mit Verwaltungsaktcharakter in Betracht kämen, fehle es an dem erforderlichen Vorverfahren. Der Klageantrag sei unbestimmt und damit nicht vollstreckbar. Jedenfalls sei die Klage unbegründet. Als Anspruchsgrundlage kämen zwar §§ 1, 3 PolG in Betracht. Ihr Ermessen, ob sie über die getroffenen Maßnahmen hinaus einschreiten wolle, sei aber nicht auf Null reduziert. Es handele sich um eine historisch gewachsene Gemengelage, bei der die gegenseitige Rücksichtnahme ein gewisses Abweichen von den üblichen Immissionsrichtwerten rechtfertige. Die Kläger könnten nicht verlangen, dass bei ihnen bestimmte Lärmimmissionswerte nicht mehr überschritten würden. Es sei auch fraglich, ob existentielle Rechtsgüter der Kläger bedroht seien. Jedenfalls hätten die Maßnahmen der Beklagten zumindest teilweise zu einer Verbesserung geführt. Für Aufenthaltsverbote und ein generelles Glasflaschenverbot fehlten die tatbestandlichen Voraussetzungen.

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Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), die im Schlafzimmer des Klägers im 1. Obergeschoss und der ihm gehörenden Ferienwohnung im 3. Obergeschoss Einzelmessungen und eine zweimonatige Dauermessung durchführte. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2018 sein schriftliches Gutachten vom 23.02.2018 erläutert.

Mit Urteil vom 10.10.2018 (- 4 K 805/16 -) hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verurteilt, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klagen seien als allgemeine Leistungsklagen statthaft und die Kläger klagebefugt. Ein Anspruch der Kläger auf polizeiliches Einschreiten gegen die Verursacher von unzumutbarem Lärm erscheine angesichts der unstreitigen Lärmbelastung der Anwohner zur Nachtzeit mit bis zu deutlich über 70 dB(A) nicht von vornherein als ausgeschlossen. §§ 1, 3 PolG eröffneten das Ermessen zum polizeilichen Einschreiten auch zum Schutz der von Störungen der öffentlichen Sicherheit in eigenen Rechten betroffenen Personen. Den Klägern könne auch ein Anspruch unmittelbar aus dem Grundrecht auf Schutz der Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) zustehen. Eines vorherigen Antrags an den zuständigen Träger der Verwaltung bedürfe es für die Zulässigkeit der Leistungsklage nicht. Zudem wäre ein solcher hier jedenfalls entbehrlich, da die Beklagte mit dem Sachverhalt bereits seit vielen Jahren befasst gewesen sei und sich auch inhaltlich zur Klage eingelassen habe.

Die Klagen seien hinreichend bestimmt. Wegen der immer wieder wechselnden Störer könne der Beklagten nicht ein Einschreiten gegen bestimmte Störer aufgegeben werden. In der gestellten Fassung seien die Klaganträge vollstreckbar. Ob der Beurteilungspegel von 62 dB(A) nach 24:00 Uhr nach Maßgabe der Freizeitlärmrichtlinie an den Wohnungen der Kläger regelmäßig überschritten werde, lasse sich mit Hilfe von weiteren Messungen, aber auch schon anhand der Ergebnisse der vom Sachverständigen getätigten Lärmmessungen und Einzellärmbeurteilungen in einem ggfs. erforderlich werdenden Vollstreckungsverfahren feststellen. Wegen der bislang erheblichen Überschreitung des genannten Beurteilungspegels während der getätigten Messungen dürfte für die Feststellung regelmäßiger Überschreitungen dieses Pegels genügen, dass die Kläger in einem Vollstreckungsverfahren allein das regelmäßige Vorkommen bestimmter lärmerzeugender Verhaltensweisen nach 24:00 Uhr nachwiesen. Eine Verurteilung gemäß dem Klagantrag überlasse es im Übrigen der Beklagten, das zu erreichende Ziel durch andere nicht-polizeiliche Maßnahmen zu erreichen.

Die Klagen seien auch begründet. Die Kläger hätten im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch darauf, dass die Beklagte geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 ergreife, soweit und solange an ihren Wohnungen zwischen 24:00 und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten würden. Rechtsgrundlage hierfür seien §§ 1, 3 PolG. Zwar obliege der Schutz privater Rechte der Polizei nur gemäß § 2 Abs. 2 PolG. Diese polizeirechtliche Subsidiaritätsklausel greife jedoch dann nicht ein, wenn neben den privaten Rechten zugleich die öffentliche Sicherheit gestört oder gefährdet sei; hierfür genüge ein Verstoß gegen einen Ordnungswidrigkeitentatbestand. Solche Verstöße lägen hier (gehäuft) vor. Denn ordnungswidrig handele, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO Rundfunk- und Fernsehgeräte, Lautsprecher, Tonwiedergabegeräte oder Musikinstrumente in solcher Lautstärke betreibe oder spiele, dass andere erheblich belästigt oder gestört würden, und wer entgegen § 3 PolVO ÖffO durch Lärm die Nachtruhe störe (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 und 3 PolVO ÖffO). Schon indem die Lärmverursacher gegen diese Bestimmungen verstießen, störten sie die öffentliche Sicherheit i.S.v. §§ 1, 3 PolG. Die öffentliche Sicherheit umfasse zudem auch die Rechtsgüter der Einzelnen, zu denen insbesondere der Schutz der Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) gehöre. Auch diese werde durch die Lärmverursacher gestört.

Das Ermessen der Beklagten, gegen die Personen einzuschreiten, welche gegen die dem nächtlichen Lärmschutz dienenden Vorschriften verstießen, verdichte sich angesichts der außerordentlichen Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte zu einer Pflicht zum Einschreiten, solange und soweit an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten würden. Die faktische Entscheidung der Beklagten, gegen die Verursacher dieses Lärms nicht mit eigenen Mitteln einzuschreiten, überschreite die Grenzen des Ermessens. Für die Messung und Beurteilung des von der nächtlichen Nutzung des Augustinerplatzes ausgehenden Lärms orientiere sich die Kammer an der Freizeitlärmrichtlinie des Länderausschusses für Immissionsschutzrecht vom 06.03.2015. Für besondere Wohngebiete (§ 4a BauNVO) – ein solches setze der einschlägige Bebauungsplan für die Wohnungen der Kläger fest – bestimme die Freizeitlärmrichtlinie keine eigenen Immissionsrichtwerte. Diese seien deshalb entsprechend der Schutzbedürftigkeit des jeweiligen konkreten Gebiets unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen. Hier falle neben der festgesetzten Wohnnutzung einerseits ins Gewicht, dass der Augustinerplatz sich wegen seiner Lage in der verkehrsberuhigten Freiburger Altstadt für ein Verweilen anbiete und dafür auch gestaltet worden sei. Ergäben sich nach der Freizeitlärmrichtlinie somit als Richtwerte nachts Beurteilungspegel für die lauteste Stunde von 45 dB(A) und ein Maximalpegel für Einzelgeräusche von 65 dB(A), seien diese Richtwerte im Hinblick darauf, dass es um eine Freizeitnutzung öffentlicher Straßenflächen gehe, die nicht von einem Veranstalter, sondern von den Nutzern einer öffentlichen Straßenfläche ausgingen, nochmals zu modifizieren. Eine äußere Grenze hierfür bildeten allerdings jedenfalls Richtwerte, bei deren Überschreitung gemeinhin von einer drohenden Gesundheitsgefährdung von Anwohnern ausgegangen werde (60 bis 62 dB(A)). Die allgemein für Freizeitnutzungen geltenden Beurteilungs- und Maximalpegel seien in der Vergangenheit und noch bei den von der Kammer veranlassten Messungen im Sommer 2017 von den nächtlichen Freizeitnutzern des Augustinerplatzes in ihrer Gesamtheit bei Weitem überschritten worden. Das in der mündlichen Verhandlung erläuterte und von den Beteiligten nicht in Frage gestellte Gutachten komme nachvollziehbar zum Ergebnis, dass sich in der Nacht vom 07.07.2017 zum 08.07.2017 zwischen 22:00 bis 02:00 Uhr stündliche Beurteilungspegel von 71, 73, 73 und 71 dB(A) und Maximalpegel zwischen 80,8 und 83,9 dB(A) ergeben hätten, und dies bei nur 113 Platzbesuchern in der lautesten Stunde. In der Nacht vom 26.08.2017 zum 27.08.2017 hätten sich zwischen 22:00 bis 02:00 Uhr stündliche Beurteilungspegel von 69, 73, 78 und 61 dB(A) und Maximalpegel zwischen 78,0 und 93,5 dB(A) ergeben, und dies bei nur ca. 60 Platzbesuchern in der lautesten Stunde. Die Zuordnung des Lärms zu einzelnen Lärmquellen zeige, dass es sich um jeweils für eine Freizeitnutzung typischen Lärm gehandelt habe. Die über zwei Monate währende Dauermessung bestätige diesen Befund. Denn bei dieser hätten sich fast durchgehend nächtliche Lärmwerte von mehr als 60 dB(A) ergeben. Zusammengefasst lasse sich sagen, dass die Lärmbelastung der Anwohner vor allem in den Nächten von Donnerstag auf Freitag, Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag die Schwelle von 62 dB(A) regelmäßig überschreite. Dies gelte nur dann nicht, wenn es regne oder wenn die Temperaturen unter 15 Grad fielen. In den sonstigen Nächten unter der Woche seien die Beurteilungspegel zwar regelmäßig niedriger als am Wochenende. Bei milden Temperaturen ergäben sich aber auch dann nächtliche Beurteilungspegel von über 60 dB(A); von den Werten an den Wochenenden unterschieden sie sich nur dadurch, dass sie nach Mitternacht rascher abfielen.

Aus den bei den Wohnungen des Klägers ermittelten Beurteilungs- und Maximalpegeln ließen sich – mit nur kleineren Abstrichen – die bei der Wohnung der Klägerin entstandenen Lärmimmissionen herleiten. Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung insoweit geäußert, dass – da bei doppelter Entfernung von der Lärmquelle die Immissionsbelastung um 3 dB(A) sinke – aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei der Klägerin während der Einzelmessungen ein Beurteilungspegel von 62 dB(A) überschritten worden sei. Die Ergebnisse des Gutachtens deckten sich im Wesentlichen mit den Angaben der Kläger sowie den Beschwerdestatistiken und den Erfahrungsberichten des Polizeivollzugsdienstes.

Die festgestellten Lärmwerte lägen weit über den aus der Freizeitlärmrichtlinie gewonnenen Richtwerten und überdies über einem Beurteilungspegel von 60 bis 62 dB(A), was – werde dieser Pegel regelmäßig und dauerhaft überschritten – zu Gesundheitsgefährdungen führen könne. Regelmäßige Außenpegel von 60/62 dB(A) zur Nachtzeit – wie hier – korrespondierten bei Normalfenstern in gekipptem Zustand Innenpegeln von ca. 45 dB(A) und in geschlossenem Zustand der Fenster von 36 dB(A) und erreichten damit die theoretische „Aufweck“-Grenze. Dabei seien Gesundheitsgefährdungen nicht bereits bei einzelnen Überschreitungen der Außenpegel von 62 dB(A) und/oder einzelnen Überschreitungen der zulässigen Maximalpegel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu besorgen. Dies sei vielmehr erst dann anzunehmen, wenn solche Überschreitungen mit einer gewissen Dauer und Häufigkeit, also regelmäßig aufträten. Dies sei hier (wie dargelegt) der Fall.

Die Gefahr einer jedenfalls in der wärmeren Jahreszeit gegebenen gesundheitsgefährdenden Lärmbeeinträchtigung der Kläger sei nicht durch neuere Entwicklungen entfallen. Es dürfte zwar zutreffen, dass der neu gestaltete Platz der Alten Synagoge einen Teil des Publikums, welches sich in den Nachtstunden bislang auf dem Augustinerplatz versammelt habe, anziehe. Allerdings rühre die Lärmbelastung auf dem Augustinerplatz nicht allein von der hohen Zahl von nächtlichen Besuchern her. Als Lärmquellen träten vielmehr einzelne Gruppen oder Personen hervor. Schon bei den erfolgten Messungen sei die Zahl der nächtlichen Besucher im Vergleich zu früheren Jahren erheblich kleiner gewesen und würden die einschlägigen Beurteilungspegel dennoch weit übertroffen. Eine regelmäßige Lärmbelastung von mehr als 62 dB(A) sei den Klägern auch nicht unter dem Gesichtspunkt sozialer Adäquanz zuzumuten. Dieser Gesichtspunkt sei bereits bei der Festlegung des zumutbaren Beurteilungspegels berücksichtigt.

Die Kammer könne nicht feststellen, dass die Beklagte von vornherein nicht in der Lage wäre, gegen nächtliche Ruhestörungen auf dem Augustinerplatz einzuschreiten. Insbesondere könne die Beklagte insoweit nicht ausschließlich auf den Polizeivollzugsdienst des Landes verweisen. Denn die Beklagte habe selbst die polizeiliche Aufgabe, ihre Polizeiverordnung durchzusetzen. Für ein präventives Vorgehen könnte sie ihren Gemeindevollzugsdienst beauftragen. Dabei habe die Beklagte schon jetzt ihrem Gemeindevollzugsdienst den Vollzug der Polizeiverordnung, den Vollzug der Vorschriften über die Sperrzeit und den Ladenschluss sowie den Vollzug des Gaststättenrechts übertragen und hätten die Bediensteten des Gemeindevollzugsdienstes bei der Erledigung ihrer polizeilichen Vollzugsaufgaben die Stellung von Polizeibeamten im Sinne des Polizeigesetzes.

Die Kammer könne auch nicht feststellen, dass eine Durchsetzung der dem Schutz der Nachtruhe dienenden Verbote der Polizeiverordnung der Beklagten ungeeignet wäre, den von der nächtlichen Freizeitnutzung des Augustinerplatzes ausgehenden unzumutbaren Lärm nachhaltig zu verringern. Der Gutachter habe in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2018 zwar keine konkreten Angaben dazu machen können, welche Lärmwerte erreicht würden, wenn die Platznutzer friedlich und ohne übermäßige Geräusche (also insbesondere ohne Musik, Singen, Schreien) sich nur auf dem Platz versammelten. Er habe aber nachvollziehbar dargelegt, dass Überschreitungen der Lärmwerte maßgeblich von der Dauer lauter Geräusche (etwa Musik oder Grölen) und von der Lärmintensität abhingen, und ausgeführt, es sei plausibel, dass sog. Lärmexzesse erheblich zur Erhöhung des Lärmpegels beitrügen.

Es möge zwar sein, dass es, insbesondere bei einer sehr großen Zahl von nächtlichen Besuchern des Augustinerplatzes, nicht gelingen könne, Ruhestörungen nachhaltig zu beenden. Auch werde Vergleichbares aus anderen Städten berichtet. Letztlich hänge der Erfolg eines Einschreitens gegen Ruhestörungen aber stets von den Umständen des Einzelfalls ab und setze insbesondere ein stetiges, nachhaltiges Verwaltungshandeln gegenüber den Störern voraus, auf das die Beklagte bislang gerade nicht verweisen könne.

Angesichts der gegebenen enormen Richtwertüberschreitungen könne die Beklagte auch nicht darauf verweisen, dass sie sonstige Maßnahmen zur Lärmminderung ergriffen habe. Die Beklagte sei bislang allenfalls punktuell und in den letzten Jahren praktisch, jedenfalls weitgehend, überhaupt nicht mehr gegen nächtliche Lärmstörungen eingeschritten, weder präventiv noch repressiv. Vielmehr habe die Beklagte zunächst vor allem darauf gesetzt, die Lärmverursacher zur Einsicht zu bringen, dann aber selbst erkannt, dass sie damit allein die Lärmproblematik nicht habe lösen können. Auch weitere niederschwellige Maßnahmen hätten keine erkennbare Verbesserung ergeben.

Die Entscheidung der Beklagten, gegen nächtliche Lärmstörungen nicht mit eigenen Mitteln weiter vorzugehen, erweise sich damit als ein strukturelles Vollzugsdefizit. Hieraus sowie aus dem Umstand, dass der Augustinerplatz zwar keine öffentliche Einrichtung, wohl aber ein zum Verweilen in besonderer Weise gestalteter öffentlicher Straßenraum sei, erwachse den Klägern, nachdem die Beklagte nach eigenem Bekunden ihre sonst in Betracht kommenden geringer eingreifenden Maßnahmen ausgeschöpft habe, ein Anspruch auf Durchsetzung der dem nächtlichen Lärmschutz dienenden Verbote der Polizeiverordnung.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 06.12.2018 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 21.12.2018, am selben Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 05.02.2019, am selben Tag beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen, begründet.

Mit der Berufung bringt die Beklagte vor, der Sachverhalt ergebe sich im Wesentlichen aus dem Tatbestand des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie den vorgelegten Verwaltungsvorgängen der Beklagten. Ausweislich des von der LUBW erstatteten Gutachtens sei die unstreitig hohe Lärmbelastung für die Anwohner insgesamt auf lautes Unterhalten, Rufen, Singen, Schreien, Spielen von Musikinstrumenten, den ungenehmigten mobilen Straßenverkauf von Bier, die Tätigkeit von Flaschensammlern, leere Flaschen auf dem Pflaster u.a. zurückzuführen. Der Gutachter habe keine Angaben dazu machen können, welche Lärmwerte auf die friedliche Platznutzung und welche auf eine übermäßige Platznutzung zurückzuführen seien. Die Beklagte sei schon tatbestandlich nicht zum Einschreiten gegen die vom Augustinerplatz ausgehenden Ruhestörungen verpflichtet. Selbst bei einem bestehenden Anspruch dem Grunde nach sei die titulierte Verpflichtung der Beklagten rechtlich und tatsächlich auf etwas Unmögliches gerichtet. Zudem greife diese Verpflichtung unzulässig faktisch in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie der Beklagten ein.

An einem Anspruch der Kläger auf Einschreiten der Beklagten gegen die nächtlichen Nutzer des Augustinerplatzes fehle es bereits deswegen, weil den Verbotstatbeständen der § 1 Abs. 1, § 3 PolVO ÖffO keine nachbarschützende Wirkung zukomme. Entgegen der Auffassung der Kläger sei der Rechtsbegriff der nachbarschützenden Wirkung auf Regelungen in Polizeiverordnungen übertragbar, wie sich aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.04.2017 – 10 S 2264/16 – ergebe. Zudem seien die von den nächtlichen Platzbesuchern ausgehenden Lärmimmissionen der Beklagten nicht zurechenbar. Selbst die Betreiber öffentlicher Einrichtungen, zu denen der Augustinerplatz unstreitig nicht zähle, seien nach ständiger Rechtsprechung für durch nicht bestimmungsgemäße Nutzungen verursachte Immissionen nur verantwortlich, wenn sich in dem bestimmungswidrigen Verhalten eine mit der Einrichtung verbundene besondere Gefahrenlage realisiere und damit der Fehlgebrauch bei einer wertenden Betrachtungsweise als zurechenbare Folge des Betriebs der Einrichtung anzusehen sei. Allein aus der zentralen Lage des Platzes, seiner Befreiung vom ruhenden und fließenden Verkehr und aus der Treppenanlage auf dem Platz ergebe sich keine solche besondere Gefahrenlage. Bei sämtlichen öffentlichen Plätzen liege die Gefahr einer nicht bestimmungsgemäßen Nutzung nahe. Dass die Treppenanlage eine bestimmungswidrige Nutzung geradezu herausfordere, sei nicht erkennbar. Aus der Begründung des Bebauungsplans, dass die auf dem Augustinerplatz errichtete Treppenanlage zum Verweilen einladen solle, könne nicht hergeleitet werden, dass Störungshandlungen mit der bestimmungsgemäßen Nutzung des Augustinerplatzes als öffentliche Straße im Einklang stünden. Andernfalls müsse sich jede Gemeinde gezwungen sehen, derartige Formulierungen in Bebauungsplänen wie auch die Anlage entsprechender Verweilmöglichkeiten wie Sitzbänke und Sitzstufen tunlichst zu vermeiden. Das Verwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, wer letztlich im Sinne der unmittelbaren Gefahrenverursachung den Übertritt der Lärmpegelgrenze verursache, insbesondere ob dies ausschließlich auf exzessive rechtswidrige Platznutzer zurückzuführen sei oder allein schon die reine Menschenansammlung mit ihren üblichen sozialadäquaten, für sich nicht zu beanstandenden Geräuschen einen allgemeinen Geräuschteppich verursache. Der durch das reine Besucheraufkommen verursachte Lärmteppich stelle keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit i.S.v. §§ 1, 3 PolG dar, da dadurch keine Ordnungswidrigkeitentatbestände des Polizeirechts verwirklicht würden und sich diese Nutzung im Rahmen des widmungsgemäßen Gemeingebrauchs des Augustinerplatzes i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 1 StrG halte. Der Augustinerplatz sei dem öffentlichen Verkehr gewidmet und zwar mit der einschränkenden Festsetzung „Fußgänger und Fahrverkehr. Der straßenrechtliche Gemeingebrauch gestattete den Besuchern die Platznutzung als subjektives öffentliches Recht. Die Widmung erstrecke sich auch auf den kommunikativen Verkehr. Ein etwaiger Anspruch der Kläger auf Einschreiten der Beklagten könne überhaupt nur dann bestehen, wenn die von der Beklagten ergriffenen Maßnahmen erkennbar ungeeignet wären, um das von den Klägern begehrte Ziel der Unterbindung von Lärmbeeinträchtigungen zu erreichen. Im Hinblick auf den 2022 beschlossenen Einsatz von vier Nachtmediatoren ergingen sich die Kläger in Mutmaßungen darüber, dass die Maßnahme keinen Erfolg haben werde. Sie ließen dabei die weitergehenden Maßnahmen der Beklagten im Rahmen des Konzeptes „Öffentlicher Raum – Platzmanagement und Konfliktprävention“ unberücksichtigt. Die Mittel des kommunalen Vollzugsdienstes seien limitiert. Ein Bürger, der sich durch persönliche Ansprache nicht von einem störenden Verhalten abhalten lasse, werde sich auch von einem vom Vollzugsdienst verhängten Bußgeld oder einem von diesem ausgesprochenen Platzverweis nicht sonderlich beeindrucken lassen. Häufig bedürfe es also des Einsatzes der „normalen“ Polizei, um auch in solchen Situationen effektiv vorgehen zu können.

Der Beklagten sei die Erfüllung der vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung rechtlich und tatsächlich unmöglich. Auch wenn das Verwaltungsgericht keine Abgrenzung der Geräusche der „friedlichen“ Platznutzer (Lärmteppich) und derjenigen durch exzessive Handlungen vorgenommen habe, sei davon auszugehen, dass sich die Gesamtbelastung aus beiden Geräuschquellen zusammensetze. Ein Einschreiten gegen den von „friedlichen“ Platznutzern ausgehenden Lärmteppich sei der Beklagten rechtlich unmöglich. Ein Aufenthaltsverbot nach § 30 Abs. 2 PolG komme nur in Betracht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Betroffene dort eine Straftat begehen werde. Daran fehle es, da die begehrte Regelung der Vermeidung von Lärm dienen solle und damit keinen Straftatbestand als Anknüpfungspunkt habe. Ein Platzverweis nach § 30 Abs. 1 PolG ermächtige nur zu vorübergehenden Maßnahmen, sei also nicht geeignet, die „regelmäßige“ Unterschreitung der Lärmrichtwerte sicherzustellen. Zum anderen betreffe § 30 Abs. 1 PolG nur Verweise und Betretensverbote, nicht aber Aufenthaltsverbote, mit denen einer Person untersagt werde, ein größeres Gebiet innerhalb einer Gemeinde nicht nur vorübergehend zu betreten. Ein Einschreiten nach § 30 PolG führe zudem zu erheblichen Problemen bei der Störerauswahl. Eine Inanspruchnahme der jeweils einzelnen Platzbesucher als Verhaltensstörer scheitere schon daran, dass für den Ordnungsdienst praktisch nicht erkennbar sei, wer im Sinne der unmittelbaren Gefahrverursachung den Übertritt der Lärmpegelgrenze durch den Lärmteppich verursache. Zudem nähmen diese Platznutzer ihr Recht auf kommunikativen Verkehr aus Art. 2 Abs. 1 GG und auf Gemeingebrauch nach § 13 Abs. 1 Satz 1 StrG in Anspruch. Der Erlass einer Polizeiverordnung des Inhalts, dass Ansammlungen ab einer bestimmten Personenzahl nach 24:00 Uhr bis 06:00 Uhr auf dem Augustinerplatz untersagt seien, dürfte schon am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und am Bestimmtheitsgrundsatz scheitern. Auch eine straßenrechtliche Einziehung wäre nicht gerechtfertigt. Denn wegen der zentralen Lage des Augustinerplatzes und seiner Nutzung durch die Allgemeinheit wären die Voraussetzungen hierfür nach § 7 Abs. 1 StrG nicht erfüllt.

Eine Überschreitung der Lärmrichtwerte durch Lärmimissionen aufgrund exzessiver Platznutzungen zu verhindern, sei der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht unmöglich. Insofern sei das Urteil des Verwaltungsgerichts zu unbestimmt. Der kommunale Vollzugsdienst der Beklagten umfasse derzeit elf Vollzeitstellen. Diese seien in der Regel montags bis samstags von 09:00 bis 21:00 Uhr und an den Wochenenden und vor den Feiertagen bis 24:00 Uhr eingesetzt. Im Rahmen dieser Kapazitäten sehe sich die Beklagte verpflichtet, den berechtigten Interessen der Kläger und der übrigen Anwohner durch eine entsprechende Schwerpunktsetzung Rechnung zu tragen. Angesichts der hohen Personenzahl auf dem Augustinerplatz und des langen Zeitraums eines etwaigen Einsatzes, nämlich über die gesamte warme Jahreszeit werde der Beklagten durch das Urteil eine Aufgabe auferlegt, die sie mit ihren derzeitigen personellen und sachlichen Kapazitäten nicht leisten könne. Entgegen dem Vorbringen der Kläger zeige auch die Aufstockung des städtischen Vollzugsdiensts um sechs Vollzeitkräfte im Jahr 2019 nicht, dass die Beklagte in der Lage sei, das Urteil umzusetzen. Denn die Beklagte wäre verpflichtet sicherzustellen, dass in der Zeit zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr bestimmte Beurteilungspegel regelmäßig nicht überschritten würden. Auch durch Personalaufstockung könne die Beklagte diese Verpflichtung (alleine) nicht umsetzen. Es sei zwar vorgesehen, die Einsatzzeiten des Vollzugsdiensts der Beklagten zukünftig an einzelnen Wochentagen bis 05:00 Uhr bzw. 06:00 Uhr auszudehnen. Einsatzbereiche des Vollzugsdienstes seien jedoch auch der Platz der Alten Synagoge, die Dreisam, das Wasserschlössle oberhalb des Stadtteils Wiehre, der Seepark, der Dietenbachpark und einzelne Gebiete anhand von aktuellen Bedarfen und Lagebildern, z.B. im Ortsteil Landwasser. Hinzu komme die Tätigkeit des Vollzugsdienstes bei Traditionsveranstaltungen wie den zahlreichen Hocks und Festen im Stadtgebiet. Zudem werde der Beklagten eine grundsätzlich dem Polizeivollzugsdienst des Landes obliegende Aufgabe „zugeschoben“. Sofern hinter dem erstgerichtlichen Urteil die Erwartung stehen sollte, dass den Vollzugsschwierigkeiten durch eine Aufstockung des kommunalen Vollzugsdienstes der Beklagten zu begegnen sei, greife das Verwaltungsgericht de facto in die verfassungsrechtlich geschützte Personal- und Organisationshoheit der Beklagten als Teil ihrer Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 71 LV und Art. 28 Abs. 2 GG ein. Es bleibe der Beklagten als kommunale Gebietskörperschaft vorbehalten zu entscheiden, ob und in welchem personell-sachlichen Maße sie von der ihr eingeräumten Kompetenz zur Einrichtung eines Gemeindevollzugsdienstes Gebrauch mache. Die Beklagte gehe zur Durchsetzung ihrer Polizeiverordnung durchaus gegen einzelne Ruhestörungen im zumutbaren Rechtsrahmen vor. Aus §§ 1, 3 PolG könne sich jedoch allenfalls eine Verpflichtung zum ermessensfehlerfreien Entscheiden zum Einschreiten im Einzelfall ergeben, aber nicht die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Sicherstellung eines Lärmschutzniveaus an 365 Tagen im Jahr. Hiermit statuiere das Verwaltungsgericht einen vom Polizeigesetz und der Polizeiverordnung der Beklagten nicht abgedeckten und im Immissionsschutzrecht – aufgrund des bewussten Absehens des Landesgesetzgebers von einem Landesimmissionsschutzgesetz – nicht vorhandenen verhaltensbezogenen Immissionsschutz. Das Bundesimmissionsschutzgesetz erfasse unstreitig nur anlagenbezogenen Lärmschutz. Für die vom Verwaltungsgericht gezogenen Schlüsse fehle es daher an einer Rechtsgrundlage im baden-württembergischen Landesrecht. Soweit die Kläger ausführten, ihr Klageziel richte sich nicht auf die nächtliche Sperrung des Platzes oder auf von der Beklagten auszusprechende Aufenthalts- oder Betretensverbote, verkennten sie, dass die Beklagte gerade solche Mittel ergreifen müsste, um das Urteil umzusetzen.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletze das Bestimmtheitsgebot. Das Verwaltungsgericht habe versäumt aufzuklären, welche Lärmimmissionsanteile von friedlichen Platznutzern und welche von exzessiven Platznutzungen ausgingen. Damit habe das Verwaltungsgericht unzulässig die Sachaufklärung in das Vollstreckungsverfahren verschoben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts sei auch nicht vollstreckungsfähig. Die Verurteilung stelle auf regelmäßige Überschreitungen der bezeichneten Beurteilungspegel ab. In den Urteilsgründen finde sich kein Anhaltspunkt dazu, wann von einer regelmäßigen Überschreitung auszugehen sei. Diese Frage werde somit vollständig und unzulässig einem möglichen Vollstreckungsverfahren überlassen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 10.10.2018 – 4 K 805/16 – zu ändern und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie bringen vor, die zulässige Berufung sei unbegründet. Es treffe nicht zu, dass die Beklagte aufgrund mangelnder Kapazitäten nicht in der Lage sei, die Lärmproblematik auf dem Augustinerplatz zu lösen. Der Vollzugsdienst der Beklagten, der u.a. die Aufgabe habe, die Einhaltung der eigenen Polizeiverordnung der Beklagten zu überwachen, sei im Oktober 2017 mit zwölf neuen Stellen gestartet. Im Jahr 2019 seien sechs weitere Stellen hinzugekommen, die im April 2021 jedoch wieder weggefallen seien. Die Beklagte habe durch ihren Gemeinderat in der Sitzung vom 12.07.2022 das „Konzept: Öffentlicher Raum – Platzmanagement und Konfliktprävention“ (Drucksache G-22/126) beschlossen. Danach sollten u.a. vier Nachtmediatoren eingesetzt werden, die mit jeweils einer halben Stelle (0,5 VZÄ) ausgestattet würden und während sieben bis acht Monaten pro Jahr im öffentlichen Raum tätig sein sollten. Diesen stünden keinerlei Vollzugs- oder andere Befugnisse zur Verfügung, um etwa durch Platzverweise, Einzug von Musikinstrumenten oder anderen ordnungsrechtlichen Maßnahmen die Lärmsituation zu vermindern. Dieser Ansatz sei völlig verfehlt. Alleine eine Erhöhung des kommunalen Vollzugsdienstes könne zu einer wirksamen Entlastung der Lärmsituation beitragen. Davon scheine jedenfalls auch das Bürgermeisteramt der Beklagten auszugehen. Dieses habe in einem an die CDU-Gemeinderatsfraktion gerichteten Schreiben vom 29.04.2022 ausgeführt, dass die durch den Gemeinderat der Beklagten im April 2021 beschlossene Reduzierung des kommunalen Vollzugsdienstes um sechs Stellen sich als „strukturelles Vollzugsdefizit“ bemerkbar gemacht habe, dass die Einhaltung der Nachtruhe am Augustinerplatz entsprechend der Vorgaben im Urteil des Verwaltungsgerichtes „nicht in ausreichendem Maße“ umgesetzt werden könne und dass das vormals beschlossene sog. „Einsatzkonzept Augustinerplatz“, das seit März 2019 vorsehe, den Augustinerplatz monatlich mindestens 48 Mal gesondert in den Abendstunden an den Wochenenden zu kontrollieren, nicht habe durchgesetzt werden können; diese Kontrollen seien seit Mai 2021 durchschnittlich nur 16 Mal im Monat möglich gewesen.

Unbegründet sei das Vorbringen der Beklagten, den Regelungen der Polizeiverordnung fehle es an drittschützender Wirkung; der Begriff des Nachbarschutzes aus dem Baurecht sei hier nicht anwendbar. Der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des 10. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.04.2017, wonach ein Unterlassungsanspruch gegen den Betreiber einer öffentlichen Einrichtung nur für diejenigen Immissionen bestehe, für die er verantwortlich sei, gehe fehl. Anders als im vom 10. Senat entschiedenen Fall seien die von der Beklagten in der Vergangenheit ergriffenen Maßnahmen am Augustinerplatz nicht geeignet gewesen, zukünftige Störungen der Nachtruhe zu verhindern, sodass von einem strukturellen Vollzugsdefizit auszugehen sei. Zudem habe auch der 10. Senat hervorgehoben, dass unter Umständen auch rechtswidrige Nutzungen wie etwa ein Überschreiten der Nutzungszeiten zurechenbar sein könnten. Die vom Sachverständigen dokumentierten Lärmquellen seien eindeutig Folge-, Begleit- und sonstige Erscheinungen der Widmung des Platzes auch zum kommunikativen Verkehr und stünden deshalb mit seiner Nutzung in unmittelbarem Zusammenhang. Daher realisierte sich eine mit der Einrichtung verbundene besondere Gefahrenlage. Das gesamte Verhalten der Nutzer des Augustinerplatzes sei der Beklagten zuzurechnen. Zutreffend habe das Verwaltungsgericht festgestellt, dass es an einem stetigen, nachhaltigen Verwaltungshandeln der Beklagten gegenüber den Störern fehle und dass diese in den letzten Jahren praktisch, jedenfalls weitgehend, überhaupt nicht mehr gegen nächtliche Lärmstörungen eingeschritten sei. Insoweit habe sich vor allem durch die Untätigkeit der Beklagten eine besondere Gefahrenlage realisiert. Dies gelte schon im Hinblick darauf, dass es sich bei dem Augustinerplatz um eine Anlage i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG handele. Es sei nicht unmöglich, das Urteil des Verwaltungsgerichts umzusetzen. Der Oberbürgermeister der Beklagten habe in einer persönlichen Unterredung mit den beiden Klägern und der Ehefrau des Klägers am 10.01.2019 konkret 13 Maßnahmen erörtert, die in Summe jedenfalls teilweise geeignet wären, die Verurteilung des Verwaltungsgerichts umzusetzen. Zu diesen Maßnahmen gehörten: der ersatzlose Abbau der Säule der Toleranz, die ohne Wirkung geblieben sei; die Abdeckung des Freiburger Bächle in der Gerberau in einer Breite von 3 m mit einem Gitter und die Aufstellung vom Pflanzkübeln, um dort ein Hinsetzen von Platzbesuchern und ein Anlehnen an die Hauswand zu verhindern; Aufstellen von mehr Hinweisschildern, um die Platzbesucher über die Inhalte der Polizeiverordnung aufzuklären; Maßnahmen gegen die Tätigkeit der Flaschenverkäufer auf dem Augustinerplatz; neue personelle Besetzung der kommunalen Toilettenanlage auf dem Augustinerplatz; Untersagung des Außer-Haus-Verkaufs von Alkoholika durch Gastronomiebetriebe; Verbot des Einsammelns von Flaschen; Beginn von Reinigungsarbeiten auf dem Augustinerplatz bereits um 24:00 Uhr; Prüfung einer Anmeldepflicht von Junggesellen-Abschieden und Erstsemesterpartys; Anweisung an den kommunalen Vollzugsdienst, konsequent nach 24:00 Uhr Musikverstärker und -geräte, die laute Geräusche verursachten, zu beschlagnahmen; Prüfung des Einsatzes nicht-uniformierter Mitarbeiter des Vollzugsdiensts zu Kontrollzwecken; Austausch der auf dem Platz befindlichen Altglascontainer gegen geräuschärmere Versionen. Der Urteilstenor sei nicht unbestimmt. Eine Sachaufklärung im Vollstreckungsverfahren sei nicht unzulässig. Der Urteilstenor sei vollstreckungsfähig. Die Regelmäßigkeit der Lärmüberschreitung könnten die Kläger ggfs. durch Lärmprotokolle, eidesstattliche Versicherungen oder andere Mittel der Glaubhaftmachung nachweisen.

Auf übereinstimmenden, im Hinblick auf Einigungsgespräche gestellten Antrag der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 08.01.2020 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 01.08.2022 das Verfahren wieder angerufen.

Die Beklagte hat beantragt, das Land Baden-Württemberg zum Verfahren beizuladen, da dieses Träger des Polizeivollzugsdienstes ist. Der Senat hat den Antrag durch Beschluss des Berichterstatters vom 06.06.2023 abgelehnt.

Der Senat hat am 03.07.2023 die Beteiligten auf Bedenken gegen die Bestimmtheit des erstinstanzlichen Klageantrags hingewiesen und durch Anordnung des Berichterstatters gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1, § 87 Abs. 3, § 98 VwGO, § 411 Abs. 3 Satz 2 ZPO dem erstinstanzlichen Sachverständigen zwei ergänzende Fragen zum Sachverständigengutachten vorgelegt. Dieser hat am 13.07.2023 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben.

Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, die überwiegende Anzahl der 13 Punkte aus dem Gespräch mit dem Oberbürgermeister sei nicht erledigt. Geräuschärmere Glascontainer seien aufgestellt und die Toilettenanlage saniert worden. Der mobile Bierverkäufer sei aus nicht bekannten Gründen nicht mehr auf dem Augustinerplatz unterwegs. In den anderen Punkten habe sich nichts getan.

Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, ihr Gemeindevollzugsdienst habe im Jahr 2022 633-mal den Augustinerplatz kontrolliert, im ersten Halbjahr 2023 318-mal. Die Kontrollen hätten überwiegend abends und nachts stattgefunden. Die Dienstzeiten des Gemeindevollzugsdiensts dauerten am Wochenende bis 03:00 Uhr, im Übrigen bis 01:00 Uhr. Dieser habe 2022 zwei Beschwerden wegen Lärms auf dem Augustinerplatz erhalten und einmal ein Bußgeld verhängt. Im ersten Halbjahr 2023 habe er eine Beschwerde wegen Lärms erhalten und fünf Bußgelder verhängt. Der Polizeivollzugsdienst habe wegen Ruhestörungen auf dem Augustinerplatz 2018 16 Beschwerden erhalten, 2019 11, 2020 11, 2021 16, 2022 3 und 2023 bisher eine.

Dem Senat liegen die Berufungsakten, die Akten des Verwaltungsgerichts sowie die Verwaltungsakte der Beklagten vor.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Verurteilung der Beklagten, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden. Insoweit sind die Klagen unzulässig (I). Jedoch haben die Kläger einen Anspruch, dass die Beklagte über den klägerischen Antrag, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr zu ergreifen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet. Die hierauf gerichteten Klagen sind zulässig und begründet (II). Daher ist auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise zu ändern. Die Beklagte ist zu verurteilen, über den genannten Antrag der Kläger auf Ergreifung polizeilicher Maßnahmen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen sind die Klagen abzuweisen. Die weitergehende, auf vollständige Abweisung der Klagen gerichtete Berufung der Beklagten ist zurückzuweisen.

I.

Die Klagen sind unzulässig, soweit die Kläger eine Verurteilung der Beklagten begehren, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden.

Dieser Antrag der Kläger ist nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die Klage zum Verwaltungsgericht einen bestimmten Antrag enthalten. Die Erhebung einer Klage ohne bestimmten Klageantrag ist, da § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur ein Soll-Erfordernis normiert, für die Zulässigkeit der Klage unschädlich. Es reicht aus, ist für die Zulässigkeit der Klage aber auch Voraussetzung, dass spätestens im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein derartiger Antrag gestellt wird (BVerwG, Urt. v. 16.12.1998 – 11 A 44/97 -; Urt. v. 05.09.2013 – 7 C 21/12 – BVerwGE 147, 312; Urt. v. 26.02.2015 – 5 C 5/14 D – NVwZ-RR 2015, 641, 642; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 82 Rn. 23 f. [Stand: August 2022]; Peters, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, § 82 Rn. 8 [Stand: 01.04.2023]).In einem bestimmten Antrag, der aus sich selbst heraus verständlich sein muss, sind Art und Umfang des begehrten Rechtsschutzes zu benennen. Damit wird der Streitgegenstand festgelegt und der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgesteckt sowie dem Beklagten eine präzise Verteidigung erlaubt. Schließlich soll aus einem dem Klageantrag stattgebenden Urteil eine Zwangsvollstreckung zu erwarten sein, die das Vollstreckungsverfahren nicht unter Fortsetzung des Streits mit Sachfragen überfrachtet. Welche Anforderungen sich hieraus ergeben, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen materiellen Rechts und von den Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.; OVG Bremen, Urt. v. 13.12.2022 – 1 LC 64/22 – BeckRS 2022, 44530, Rn. 33; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 82 Rn. 10).

In Fällen, in denen der Beklagte einen Erfolg schuldet, kann es für einen hinreichend bestimmten Antrag genügen, dass ein Kläger lediglich diesen Erfolg als Klageziel angibt, während die Wahl der geeigneten Maßnahmen Sache des Schuldners bleibt. Das im Klageantrag lediglich benannte Ziel spiegelt die planerische Gestaltungsfreiheit wider, die das Gesetz der Behörde einräumt. Hat der Antrag Erfolg, muss für die Beteiligten und die Vollstreckungsorgane zweifelsfrei erkennbar sein, wie das Gericht entschieden hat und welche Handlungspflichten sich für den Beklagten ergeben. Dabei können zum Verständnis einer nicht eindeutigen Urteilsformel die Entscheidungsgründe herangezogen werden. Der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen kann, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten sind (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 25.11.2020 – 6 C 7/19 – BVerwGE 170, 345; HambOVG, Urt. v. 18.09.2019 – 1 E 18/18 -; OVG Bremen, Urt. v. 13.12.2022, a.a.O.; vgl. auch BGH, Urt. v. 30.10.1998 – V ZR 64/98 – BGHZ 140, 1). Unter diesen Voraussetzungen können auch Anträge, die auf Einhaltung konkreter Grenzwerte – als geschuldeten Erfolg – gerichtet sind, dem Beklagten jedoch die Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ziels lassen, hinreichend bestimmt sein (BVerwG, Urt. v. 05.09.2013, a.a.O.; BGH, Urt. v. 05.02.1993 – V ZR 62/91 – BGHZ 121, 248; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2002 – 10 S 1559/01 – VBlBW 2002, 483; OVG Bln.-Bdbg., Urt. v. 11.06.2014 – OVG 6 A 18/14 -; BayVGH, Urt. v. 05.03.1996 – 20 B 92.1055 – NVwZ-RR 1997, 159; Urt. v. 17.07.2007 – 8 BV 06.1765 -). Dabei kann auch ein Verweis auf „geeignete“ Maßnahmen ausreichen, um die entsprechenden Handlungspflichten hinreichend klar erkennbar zu machen, insbesondere wenn sich diese Maßnahmen unter Berücksichtigung der Urteilsbegründung ermitteln lassen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.2020, a.a.O.; BGH, Urt. v. 05.02.1993, a.a.O.; OVG Bremen, Urt. v. 13.12.2022, a.a.O.).

Jedoch ist der Antrag der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden, unzulässig, da das von den Klägern zur Beschreibung des Klageziels verwendete Kriterium der „Regelmäßigkeit“ nicht hinreichend bestimmt ist. Denn der zu erreichende Erfolg bleibt unklar. Ein jedes Wochenende festgestelltes Überschreiten der genannten Beurteilungspegel wäre im Wortsinne ebenso „regelmäßig“ wie ein zweimal in der Woche oder täglich vorkommendes Überschreiten. Wie der Begriff der Regelmäßigkeit im Antrag zu verstehen ist, haben die Kläger bereits nicht dargelegt. Eine dem klägerischen Begehren entsprechende, dem Bestimmtheitserfordernis Rechnung tragende Auslegung des Antrags – und nachfolgend etwaiger Urteilsgründe – ist dem Senat nicht möglich. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, im Falle des Erfolgs der Klage anstelle der Kläger festzulegen, in welchem Umfang die genannten Beurteilungspegel durch polizeiliche Maßnahmen der Beklagten eingehalten werden sollen. Denn die mit einer solchen Festlegung verbundene Bestimmung des Streitgegenstands obliegt den Klägern. Hätte die Klage mit dem gestellten Antrag Erfolg, würde die Prüfung, wann eine „Regelmäßigkeit“ der Überschreitung der Beurteilungspegel gegeben ist, vollständig in das Vollstreckungsverfahren verlagert mit dem Ergebnis, dass dort erneut der Sachstreit ausgetragen werden müsste, ob ein Einschreiten der Beklagten in der dann konkret bestehenden Situation verpflichtend ist oder nicht (ebenso OVG Bremen, Urt. v. 13.12.2022, a.a.O., zum Unterbinden des „regelmäßigen“ Parkens auf Gehwegen).

II.

Die Kläger haben jedoch einen Anspruch, dass die Beklagte über den klägerischen Antrag, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr zu ergreifen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet. Insoweit sind ihre Klagen zulässig (1) und begründet (2).

1. In dem von den Klägern erstinstanzlich gestellten Antrag, die Beklagte zu verurteilen, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr Beurteilungspegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden, ist der Antrag, über den Antrag der Kläger, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 an den Wohnungen der Kläger in der Zeit zwischen 24:00 und 06:00 Uhr zu ergreifen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, enthalten (a). Die hierauf gerichteten Klagen sind zulässig (b).

a) Das Gesetz kennt die Möglichkeit, zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, in § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO ausdrücklich nur für die auf Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsakts gerichtete Verpflichtungsklage. Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben, da die Kläger das Ergreifen zahlreicher polizeilicher Maßnahmen unterschiedlicher Art, aber nicht (ausschließlich) den Erlass eines Verwaltungsakts begehren. Jedoch ist die Regelung des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auf die allgemeine Leistungsklage analog anzuwenden.Ohne die Möglichkeit eines derartigen Bescheidungsurteils wäre der Rechtsschutz bei der allgemeinen Leistungsklage lückenhaft. Der Zweck des § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, die Behörden auch bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln im Ermessensbereich einer richterlichen, rechtskraftfähigen Weisung zu unterwerfen, trifft auch für diese Fälle zu (allg.: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.02.1977 – IX 638/76 – BWVPr. 1977, 155, 156; ThürOVG, Urt. v. 10.07.2015 – 3 KO 565/13 -; OVG Bremen, Urt. v. 13.12.2022, a.a.O.; Riese, a.a.O., § 113 Rn. 196 [Stand: August 2022]; W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 113 Rn. 2; für die dienstliche Beurteilung: BVerwG, Beschl. v. 13.01.2021 – 2 B 21/20 m.w.N.; generell a.A. Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 8. Aufl., § 113 Rn. 98).

Der bloße Bescheidungsausspruch ist gegenüber dem Verpflichtungs- oder Verurteilungsausspruch ein Minus. Auf einen Verpflichtungs- oder Verurteilungsantrag hin kann mithin, auch ohne dass dies ausdrücklich beantragt ist, ein Bescheidungsausspruch bei Klagabweisung im Übrigen erfolgen. Der Bescheidungsantrag ist als Minus im Verurteilungsantrag enthalten (so zu § 113 Abs. 5 Satz 2 VWGO in direkter Anwendung: Stuhlfauth, a.a.O., § 113 Rn. 108; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 113 Rn. 51).

b) Mit diesem im ausdrücklich gestellten Antrag mitenthaltenen Neuentscheidungsantrag sind die Klagen zulässig. Der Neuentscheidungsantrag ist hinreichend bestimmt. Die Sachurteilsvoraussetzungen der Statthaftigkeit der allgemeinen Leistungsklage, der Klagebefugnis und des vorherigen Antrags bei der Beklagten hat das Verwaltungsgerichts zutreffend bejaht. Hierauf nimmt der Senat Bezug (§ 130b Satz 2 VwGO). Auch die Beklagte geht in der Berufungsinstanz ausdrücklich von zulässigen Klagen aus, stellt folglich auch mit ihrem Vorbringen, dass die Polizeiverordnung der Beklagten keinen Drittschutz vermittele, die Klagebefugnis der Kläger nicht infrage.

2. Die Klagen sind mit dem Neuentscheidungsantrag begründet. Denn die Kläger haben nach §§ 1, 3 PolG einen Anspruch gegen die Beklagte, dass diese über ihren Antrag, geeignete polizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 an den Wohnungen der Kläger zwischen 24:00 Uhr und 06:00 Uhr zu ergreifen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entscheidet.

Die Voraussetzungen für ein polizeirechtliches Einschreiten der Beklagten zum Schutz der Nachtruhe der Kläger liegen vor. Ohne ein solches polizeiliches Tätigwerden drohen Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nach § 1 PolG (a). Dieses Tätigwerden ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG im öffentlichen Interesse geboten. Auch der Tatbestand der Subsidiaritätsklausel nach § 2 Abs. 2 PolG ist gegeben (b). Die Polizei hat daher nach § 3 PolG innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen. Hier dienen diese Maßnahmen dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte Einzelner, nämlich der Kläger. Diese haben daher einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Ob und das Wie polizeilichen Tätigwerdens. Da die Beklagte über ihr Einschreiten nicht ermessensfehlerfrei entschieden hat, können die Kläger verlangen, dass die Beklagte über ihren Antrag auf polizeiliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu entscheidet (c).

a) aa) Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist gegeben, wenn bei bestimmten Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden für die polizeilichen Schutzgüter im Einzelfall, d.h. eine konkrete Gefahrenlage, einzutreten pflegt. Dabei hängt der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab (Senat, Normenkontrollurt. v. 15.11.2007 – 1 S 2720/06 – VBlBW 2008, 134; Normenkontrollurt. v. 28.07.2009 – 1 S 2200/08 – ESVGH 60, 65; Normenkontrollbeschl. v. 05.08.2021 – 1 S 1894/21 – VBlBW 2021, 501; BVerwG, Urt. v. 03.07.2002 – 6 CN 8/01 – BVerwGE 116, 347; jeweils m.w.N.). Ein Tätigwerden nach §§ 1, 3 PolG zum Zwecke der Gefahrenabwehr setzt eine konkrete Gefahr voraus. Eine solche liegt vor, wenn ein bestimmter einzelner Sachverhalt, d. h. eine konkrete Sachlage oder ein konkretes Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen würde (Senat, Urt. v. 12.07.2010 – 1 S 349/10 – VBlBW 2010, 468).

Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind die Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen, nämlich Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre und Vermögen, die Unverletzlichkeit des Staates, seiner Einrichtungen und Veranstaltungen sowie der objektiven Rechtsordnung allgemein (Senat, Normenkontrollurt. v. 11.10.2000 – 1 S 2964/99 – VBlBW 2001, 142; Urt. v. 08.05.2008 – 1 S 2914/07 – VBlBW 2008, 375; Urt. v. 12.07.2010, a.a.O.; Urt. v. 11.10.2012 – 1 S 36/12 – ESVGH 63, 189 [LS]).

Das Schutzgut der objektiven Rechtsordnung umfasst alle geschriebenen Normen der Rechtsordnung, auch untergesetzliche Rechtsnormen wie Rechtsverordnungen und Satzungen, mithin auch Polizeiverordnungen (Senat, Beschl. v. 12.11.1991 – 1 S 2836/91 – DÖV 1992, 267; Ruder/Pöltl, Polizeirecht BW, 9. Aufl., § 4 Rn. 59). Die öffentliche Sicherheit wird daher gefährdet, wenn ein Verstoß gegen Vorschriften einer Polizeiverordnung und die daraus erwachsenden öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten droht (Senat, Urt. v. 28.11.1995 – 1 S 3201/94 – NVwZ-RR 1996, 578; Urt. v. 27.09.2005 – 1 S 261/05 – VBlBW 2006, 103 m.w.N.), ohne dass es darauf ankommt, ob damit eine Ordnungswidrigkeit begangen wird.

bb) Nach diesem Maßstab besteht hier, wenn die Beklagte ein polizeiliches Einschreiten unterlässt, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Denn es ist hinreichend wahrscheinlich, dass bei einer Untätigkeit der Beklagten durch nächtlichen Lärm auf dem Augustinerplatz die Kläger an ihrer Gesundheit geschädigt werden und gegen Vorschriften der Polizeiverordnung der Beklagten verstoßen wird. Ausgehend von den Feststellungen des gerichtlichen Gutachters in der ersten Instanz (1), gegen deren Richtigkeit keine Bedenken bestehen (2) und die der Senat auch im Berufungsverfahren zugrunde legen kann (3), ist bei einer Untätigkeit der Beklagten zu erwarten, dass es wahrscheinlich zu Verletzungen der polizeilichen Schutzgüter der Gesundheit der Kläger und der objektiven Rechtsordnung kommen wird (4).

(1) Das vom Verwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten stellte an den Wohnungen der Kläger sehr erhebliche nächtliche Lärmpegel (a) und Musik als wichtige Lärmquelle fest (b).

(a) Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass sich an den Wohnungen des Klägers in der Nacht vom 07.07.2017 zum 08.07.2017 zwischen 22:00 und 02:00 Uhr stündliche Beurteilungspegel von 71, 73, 73 und 71 dB(A) und Maximalpegel zwischen 80,8 und 83,9 dB(A) ergaben (Gutachten, S. 25, Bl. 533 VG-Akte), bei nur 113 Platzbesuchern in der lautesten Stunde (Gutachten, S. 76, Bl. 583 VG-Akte). In der Nacht vom 26.08.2017 zum 27.08.2017 ergaben sich zwischen 22:00 und 02:00 Uhr stündliche Beurteilungspegel von 69, 73, 78 und 61 dB(A) und Maximalpegel zwischen 78,0 und 93,5 dB(A) (Gutachten, S. 26, Bl. 534 VG-Akte), bei nur ca. 60 Platzbesuchern in der lautesten Stunde (Gutachten, S. 110, Bl. 618 VG-Akte). Während der beobachteten Messungen wurden mithin die Immissionsrichtwerte der Freizeitlärmrichtlinie von 45 dB(A) für ein Kerngebiet deutlich überschritten. Die Überschreitung des Immissionsrichtwerts in der Nacht vom 07.07. auf den 08.07.2017 betrug 28 dB(A), in der Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 sogar 33 dB(A). Der zulässige Wert von 65 dB(A) für kurzzeitige Geräuschspitzen wurde in der Nacht vom 07.07. auf den 08.07.2017 bis zu 17,7 dB(A) und in der Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 bis zu 28,5 dB(A) überschritten. Während beider Messnächte war zunächst ein leichter Anstieg der Beurteilungs- sowie der Spitzenpegel bis etwa um Mitternacht festzustellen. Ab etwa 02:00 Uhr sanken während beider Nächte die Beurteilungspegel mit abnehmender Personenzahl auf dem Augustinerplatz. Diese Entwicklung der Geräuschsituation am Augustinerplatz ließ sich auch durch die Dauermessung vom 28.06. bis zum 27.08.2017 ableiten. Daher ist nach Feststellung des Gutachters davon auszugehen, dass die Intensität der Geräuscheinwirkungen vom Augustinerplatz auf die Wohngebäude der Kläger auch außerhalb der beobachteten Messungen in ähnlicher Relation vorhanden ist (Gutachten, S. 35, Bl. 543 VG-Akte).

Zu den Lärmimmissionen an der Wohnung der Klägerin, die vom Augustinerplatz etwas weiter entfernt ist als die Wohnungen des Klägers, hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt, dass sich aus den bei den Wohnungen des Klägers ermittelten Beurteilungs- und Maximalpegeln – mit nur kleineren Abstrichen – die bei der Wohnung der Klägerin entstandenen Lärmimmissionen herleiten ließen. Der Sachverständige habe in der mündlichen Verhandlung insoweit geäußert, dass – da bei doppelter Entfernung von der Lärmquelle die Immissionsbelastung um 3 dB(A) sinke – aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei der Klägerin während der Einzelmessungen ein Beurteilungspegel von 62 dB(A) überschritten worden sei (UA, S. 12). Die Beteiligten stellen dies nicht infrage. Einwendungen gegen die sachliche Richtigkeit dieser Ausführungen sind auch nicht ersichtlich.

(b) Nach den Feststellungen des Sachverständigen trat während der beobachteten Messungen Musik als der Nutzung des Augustinerplatzes zuzuordnende Geräuschquelle – neben den Geräuschquellen Sprechen im Fernbereich oder Nahbereich, Stimmengewirr, Rufen, Klatschen, fallende oder zerbrechende Flaschen, Pfiffe, Pfandsammler, Hundebellen, sofern der/die Hundehalter Nutzer des Platzes, Stadtreinigung – maßgeblich hervor (Gutachten, S. 16, Bl. 524 VG-Akte). In den Protokollen der beobachteten Messungen ist zwischen 24:00 und 06:00 Uhr Musik sehr häufig als Geräuschquelle vermerkt, in der Nacht vom 07.07. auf den 08.07.2017 praktisch durchgehend, nämlich u.a. um 00:42 Uhr, 00:50 Uhr, 01:47 Uhr, 01:51 Uhr, 02:21:52 Uhr, 02:53:05 Uhr, 02:55 Uhr, 03:03 Uhr, 03:18:13 Uhr, 03:19:40 Uhr, 03:21 Uhr, 03:22:21 Uhr, 03:30 Uhr, 03:30:26 Uhr, 03:32:50 Uhr, 03:38 Uhr, 03:49:14 Uhr, 03:55:35 Uhr, 04:08:10 Uhr, 04:11:43 Uhr, 04:45:40 Uhr, sowie in der Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 praktisch durchgehend bis etwa 02:00 Uhr, nämlich u.a. um 00:09:20 Uhr, 00:21 Uhr, 00:21:50 Uhr, 00:28 Uhr, 00:29 Uhr, 00:44:00 Uhr, 00:49 Uhr, 00:51:40 Uhr, 01:00:20 Uhr, 01:11:24 Uhr, 00:16:51 Uhr, 01:24:00 Uhr, 01:30 Uhr, 01:38:07 Uhr, 01:45 Uhr, 01:47:50 Uhr, 01:53:35 Uhr, 05:04:40 Uhr. Die Tatsache, dass in der Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 ab 01:53:35 Uhr kaum noch Musik vermerkt ist, mag darauf zurückzuführen sein, dass ab 01:58:50 Uhr immer wieder Polizei auf dem Platz anwesend war und um 03:40:25 Uhr Regen einsetzte (Gutachten, S. 155ff., Bl. 652ff. VG-Akte).

Diese Feststellungen des Gutachters decken sich mit der erstinstanzlichen Mitteilung der Beklagten über die Lärmquellen, die Grund für Beschwerden von Anwohnern über nächtlichen Lärm auf dem Augustinerplatz waren. Die Beklagte legte mit Schreiben vom 20.09.2018 dar, dass es nach der Auswertung der Vollzugspolizei im Zeitraum März 2016 bis Juli 2017 insgesamt 127 Beschwerden wegen Ruhestörungen gab und dass in 82 dieser Fälle Musik die Lärmquelle war; erfasst war dabei mit Instrumenten wie Trommeln und Gitarre gespielte als auch mit Geräten wie Verstärkern und Ghettoblastern erzeugte Musik.

(2) Gegen die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen ergeben sich keine Bedenken. Es ist nicht erkennbar, dass das Gutachten von unzutreffenden Voraussetzungen ausgeht, grobe Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist oder dass Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde, der angewandten Methodik oder der Unparteilichkeit des Gutachters bestehen (vgl. zu diesen Voraussetzungen: BVerwG, Urt. v. 02.04.1969 – VI C 76/65 – BeckRS 1969, 31303177, m.w.N.; Urt. v. 19.12.1968 – VIII C 29/67 – BVerwGE 31, 149; Urt. v. 06.02.1985 – 8 C 15/84 – BVerwGE 71, 38; Lang, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 98 Rn. 209; jeweils zur Pflicht, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen). Das Verfahren und die Ergebnisse des Gutachtens (a) stellen die Beteiligten nicht infrage (b). Insbesondere die Heranziehung der Freizeitlärmrichtlinie (c) und die Einstufung des Gebiets als tatsächliches Kerngebiet sind nicht zu beanstanden (d).

(a) Die Ermittlung der Geräuscheinwirkungen erfolgte nach Vorgaben der Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) in der Fassung vom 06.03.2015. Die Ermittlungs- und Beurteilungsverfahren, zu denen die Richtlinie keine konkreten Vorgaben macht, wurden der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 28.08.1998, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 01.06.2017, und der DIN 45.645-1 „Ermittlung von Beurteilungspegeln aus Messungen, Teil 1: Geräuschimmissionen in der Nachbarschaft“ vom Juli 1996 entnommen (Gutachten, S. 14, Bl. 522 VG-Akte).

Die Messungen wurden in Nächten mit warmer und trockener Witterung durchgeführt. Ein Fremdzugriff auf das im Wohnzimmer der Ferienwohnung des Klägers befindliche Messsystem der LUBW war ausgeschlossen (Gutachten, S. 15, Bl. 523 VG-Akte). In den zu ermittelnden Beurteilungspegel sollten lediglich Geräusche von Quellen eingehen, die mit der Freizeitnutzung des Augustinerplatzes im Zusammenhang standen. Um die Trennung verschiedener Geräuschanteile zu gewährleisten, waren bei den beobachteten Messungen jeweils drei Mitarbeiter der LUBW vor Ort. Die Aktivitäten auf dem Augustinerplatz sowie akustische Auffälligkeiten wurden durch das anwesende Personal kontinuierlich beobachtet und protokolliert. Die sich fortwährend verändernde Zahl von Personen auf dem Augustinerplatz wurde durch Zählungen und durch Fotos vom 3. Obergeschoss des Gebäudes des Klägers aus erfasst (Gutachten, S. 15/16, Bl. 523/524 VG-Akte). Die Messpunkte wurden in Absprache mit den Verfahrensbeteiligten einvernehmlich und im Einklang mit den Messvorschriften festgelegt. Eine Beeinträchtigung durch Windgeräusche konnte ausgeschlossen werden (Gutachten, S. 18, Bl. 526 VG-Akte).

Gemäß den geltenden Bebauungsplänen lägen – so das Gutachten – die Wohnungen der Kläger in besonderen Wohngebieten nach § 4a BauNVO. Die Gebiete entsprächen nach Angaben der Beklagten vom Charakter her am ehesten einem Kerngebiet nach § 7 BauNVO (Gutachten, S. 13; Bl. 521 VG-Akte). Die für ein Kerngebiet nach der Freizeitlärmrichtlinie geltenden Immissionsrichtwerte von 45 dB(A) nachts und 65 dB(A) nachts für kurzzeitige Geräuschspitzen würden deutlich überschritten (Gutachten, S. 35, 40; Bl. 543, 548 VG-Akte).

(b) Die Beteiligten haben das vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erläuterte Gutachten erstinstanzlich inhaltlich nicht infrage gestellt. Auch im Berufungsverfahren erheben die Beteiligten keine Einwendungen gegen die Richtigkeit der Ergebnisse des gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Auch der Senat hat keine Zweifel an der Validität der Ergebnisse des gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Das Ergebnis des Gutachtens ist nachvollziehbar und in sich schlüssig. Fehler in der Methodik des Gutachters und im von ihm angewandten Verfahren sind nicht erkennbar.

Die deutlichen Überschreitungen der Immissionsrichtwerte werden bestätigt durch die von der Beklagten Anfang und Ende Juli 2010 durchgeführten Schallpegelmessungen. Im Sommerhalbjahr wurde nach diesen Messungen auf dem Augustinerplatz an regenfreien Wochenenden von 21:00 bis 02:00 Uhr ein belastender Beurteilungspegel von über 70 dB(A) erreicht (Drucksache G-12/230 der Beklagten, S. 6; Bl. 52 VG-Akte).

(c) Die Heranziehung der Freizeitlärmrichtlinie, wie im Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 03.05.2017 vorgegeben (Bl. 441 f. VG-Akte), ist nicht zu beanstanden. Zwar erfasst diese den von Freizeiteinrichtungen ausgehenden Lärm und „durch menschliches Verhalten hervorgerufene, dem Anlagenbetrieb nicht zurechenbare Geräuschereignisse (Freizeitbetätigungen im Wohnbereich und in der freien Natur, zB Partys, Musikspielen)“ ausdrücklich nicht (Senat, Normenkontrollbeschl. v. 05.08.2021, a.a.O. m.w.N.). Diese kann jedoch als Orientierungshilfe herangezogen werden.

Die Schädlichkeit von Immissionen lässt sich nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab für jegliche Art von Geräuschen bestimmen und ist weitgehend der tatrichterlichen Wertung im Einzelfall vorbehalten. Insofern ist eine umfassende situationsbezogene Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und ein Ausgleich widerstrebender Interessen vorzunehmen (st. Rspr., BVwerG, Urt. v. 29.04.1988 – 7 C 33/87 – BVerwGE 79, 254; Senat, Urt. v. 11.04.1994 – 1 S 1081/93 – NVwZ 1994, 920; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.03.2012 – 10 S 2428/11 – NVwZ 2012, 677; Urt. v. 23.05.2014 – 10 S 249/14 – VBlBW 2015, 81). In diesem Zusammenhang können technische Regelwerke zur Beurteilung von Lärmimmissionen – auch wenn sie von ihrem Anwendungsbereich her nicht unmittelbar einschlägig sind – herangezogen werden, wenn sie für die Beurteilung der Erheblichkeit der Lärmbelästigung im konkreten Streitfall brauchbare Anhaltspunkte liefern. Dabei bleiben, sofern für die Ermittlung und Bewertung der auf die Nachbarschaft einwirkenden Geräusche keine bestimmten Mess- und Berechnungsverfahren oder Lärmwerte rechtlich verbindlich vorgegeben sind, die Umstände des konkreten Einzelfalls maßgeblich (st. Rspr., BVerwG, Urt. v. 27.08.1998 – 4 C 5/98 – NVwZ 1999, 523; Beschl. v. 21.10.2020 – 4 B 4/20 -; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.06.2002, a.a.O.; Urt. v. 23.05.2014, a.a.O.; NdsOVG, Normenkontrollurt. v. 30.11.2012 – 11 KN 187/12 -).

Nach diesem Maßstab ist die Orientierung an der Freizeitlärmrichtlinie – die die Beteiligten nicht angreifen – rechtsfehlerfrei. Die hier zu beurteilenden Geräuschimmissionen unterscheiden sich nach Art und Wirkung kaum von denjenigen der von der Freizeitlärmrichtlinie erfassten Freizeitanlagen. Sie erweisen sich damit als Freizeitlärm, zu dessen Beurteilung die Freizeitlärmrichtlinie entsprechend herangezogen werden kann.

(d) Ebenso ist die Orientierung an den Richtwerten für ein Kerngebiet nicht zu beanstanden. Die Freizeitlärmrichtlinie selbst geht in Nr. 2 Abs. 3 davon aus, dass bei der Zuordnung der für die Beurteilung maßgebenden Immissionsrichtwerte zu den Gebieten im Einwirkungsbereich der Anlage grundsätzlich vom Bebauungsplan auszugehen ist, dass aber, wenn die tatsächliche bauliche Nutzung im Einwirkungsbereich der Anlage erheblich von der im Bebauungsplan festgesetzten baulichen Nutzung abweicht, von der tatsächlichen baulichen Nutzung unter Berücksichtigung der vorgesehenen Entwicklung des Gebietes auszugehen ist (vgl. Abdruck in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Besonderer Teil (BImSchV, TA Luft, TA Lärm, TEHG u. a.), Nr. 4.1 [Stand: Januar 2023]). Dies entspricht der Rechtsprechung. Danach sind, wie soeben dargelegt, die jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit maßgeblich.

Die Beteiligten stellen weder diese Grundsätze noch den Umstand infrage, dass das streitige Gebiet in tatsächlicher Hinsicht dem Charakter eines Kerngebiets entspricht. Auch für den Senat bestehen insoweit keine Zweifel.

(3) Das Sachverständigengutachten ist auch eine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Berufungsverfahren. Auf die telefonische Anfrage des Berichterstatters vom 23.02.2023, ob die Beteiligten im Berufungsverfahren eine erneute Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens für erforderlich halten, haben die Kläger mit Schriftsatz vom 20.03.2023 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 03.04.2023 übereinstimmend erklärt, eine solche weitere Beweiserhebung für entbehrlich zu halten. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten dies auf Nachfrage bestätigt.

Auch der Senat vermag die Notwendigkeit einer weiteren Beweiserhebung nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof prüft gemäß § 128 Satz 1 VwGO den Streitfall innerhalb des Berufungsantrags im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Eine in der Vorinstanz durchgeführte Beweisaufnahme braucht vom Rechtsmittelgericht grundsätzlich nicht wiederholt zu werden. Ob es die Beweisaufnahme wiederholt oder ihre Resultate übernimmt, steht im Ermessen des Berufungsgerichts. Es kann die Beweisaufnahme der ersten Instanz grundsätzlich übernehmen. Auch für den Verwaltungsgerichtshof als Berufungsgericht gilt jedoch die Untersuchungsmaxime des § 86 Abs. 1 VwGO. Zur erneuten Beweisaufnahme verpflichtet ist das Berufungsgericht daher, wenn es an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der Vorinstanz zweifelt (BVerwG, Beschl. v. 07.09.2011 – 9 B 61/11 – NVwZ 2012, 379, zu § 130a VwGO; ebenso W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl., § 128 Rn. 2; Rudisile, in: Schoch/Schneider, VwGO, § 128 Rn. 4 f. [Stand: August 2022]; Roth, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, § 128 Rn. 10 [Stand: 01.04.2023]; Blanke, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 128 Rn. 8 f.; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 128 Rn. 3).

Solche Zweifel hat der Senat nicht, zu ihnen besteht kein Anlass. Wie bereits ausgeführt, ist das Gutachten in sich nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Bedenken gegen die Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen nicht, Fehler in der Methodik des Gutachters sind nicht erkennbar.

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die in dem Gutachten festgestellten Tatsachen aufgrund Zeitablaufs überholt sind und den derzeitigen tatsächlichen Verhältnissen grundsätzlich nicht mehr entsprechen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf eine etwaige Verlagerung des nächtlichen Ausgeh- und Aufenthaltsverhaltens in Freiburg vom Augustinerplatz weg hin zum Platz der Alten Synagoge. Der Platz der Alten Synagoge wurde am 02.08.2017 neu eröffnet und der Bürgerschaft übergeben. Nach der Pressemitteilung der Beklagten vom 30.08.2017 wurde er seit der Einweihung auch aufgrund des sommerlichen Wetters von allen gesellschaftlichen Gruppen und in vieler Weise sehr gut angenommen und wie gewünscht zu einem lebendigen Mittelpunkt der Stadt (Bl. 717, 741 VG-Akte). Mithin lag die beobachtete Messung vom 26.08. auf den 27.08.2017 bereits nach dem Zeitpunkt der Einweihung. Auch die Dauermessung vom 26.06. bis zum 27.08.2017 fiel zum Teil in die Zeit nach der Neueröffnung des Platzes der Alten Synagoge. Daher kam bereits das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die Gefahr einer gesundheitsgefährdenden Lärmbeeinträchtigung der Kläger nicht durch neuere Entwicklungen, insbesondere nicht durch den neu gestalteten Platz der Alten Synagoge entfallen sei. Denn die Lärmbelastung auf dem Augustinerplatz rühre nicht allein von der hohen Zahl von nächtlichen Besuchern her. Zudem dürfte der Augustinerplatz nach Abbau des seit mehreren Jahren stehenden, aus Anlass der Sanierung des Augustinermuseums errichteten Bauzauns wieder an Attraktivität für das nächtliche Publikum gewinnen (UA S. 13).

Die Beteiligten greifen diese Begründung des Verwaltungsgerichts nicht an. Auch der Senat ist überzeugt, dass die Neueröffnung des Platzes der Alten Synagoge die Aussagekraft der Ergebnisse des gerichtlichen Gutachtens nicht grundsätzlich infrage stellt. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, dass die Lärmbelastung auf dem Augustinerplatz nicht allein von der hohen Zahl nächtlicher Besucher herrührt, ist nach dem Sachverständigengutachten ersichtlich zutreffend und wird von den Beteiligten auch nicht angegriffen. Dies zeigen einzelne Feststellungen: So kam es in der Nacht vom 07.07. zum 08.07.2017 zu einem Beurteilungspegel von 65 dB(A) und einem Spitzenpegel von 78,6 dB(A) in der Stunde von 02:00 Uhr bis 03:00 Uhr (Gutachten, S. 25; Bl. 533 VG-Akte). In den Protokollen der beobachteten Messungen ist kurz vor Beginn dieser Stunde für 01:51 Uhr u.a. vermerkt: Musik aus Lautsprecher an der Säule der Toleranz (5-10 Personen); direkt vorm Haus keine Personen; vorm Nachbarhaus 10-15 Personen; am Bauzaun nur wenige Personen zu sehen; Platzmitte fast leer; auch Passanten; auf Treppe ca. 24-30 Personen. Für 02:55 Uhr ist u.a. vermerkt: Vor den Häusern keine Personen; Treppe: 2 Gruppen je 6-10 Personen; selten Passanten (Gutachten, S. 148, Bl. 656 VG-Akte). In dieser Nacht kam es in der Stunde von 03:00 Uhr bis 04:00 Uhr zu einem Beurteilungspegel von 58 dB(A) und zu einem Maximalpegel von 77,5 dB(A) (Gutachten, S. 25, Bl. 533 VG-Akte). Das Protokoll hielt für diese Stunde u.a. fest: Anwesenheit von ca. 20 Personen verteilt auf die Treppe (03:14 Uhr); Anwesenheit von ca. 14 Personen, verteilt auf die Treppe (03:16 Uhr); Anwesenheit von 14 Personen auf der Treppe, 3 Personen auf dem Platz, die gerade aufbrechen, 1 Flaschensammler (03:30 Uhr); Anwesenheit von 10-12 Personen auf der Treppe sowie Passanten (03:32:50 Uhr); Anwesenheit von 12 Personen auf der Treppe (03:45 Uhr); Anwesenheit von 19 Personen auf der Treppe, 3 Personen brechen kurz nach 04:00 Uhr auf (04:00 Uhr) (Gutachten, S. 148/149, Bl. 656/657 VG-Akte).

Erhebliche Überschreitungen des Beurteilungspegels und des Maximalpegels treten nach dem Sachverständigengutachten folglich auch bei einer Zahl von Platznutzern weit unter 100, selbst bei einer Anzahl von Platznutzern unter 20 auf. Da die Lärmbelastung auf dem Augustinerplatz nicht allein von der hohen Zahl nächtlicher Besucher herrührt, ist folglich – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht anzunehmen, dass eine gewisse Verlagerung des nächtlichen Ausgeh- und Aufenthaltsverhaltens vom Augustinerplatz weg hin zum Platz der Alten Synagoge zu einer im Hinblick auf die maßgeblichen Pegel erheblichen Reduzierung der Lärmbelastung auf dem Augustinerplatz führt.

Dies gilt auch angesichts des Vorbringens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Die Schilderung der Kläger, dass sich das Ausgehverhalten weiter auf den Platz der Alten Synagoge verlagert habe, jedoch weiterhin sehr erhebliche und häufige Störungen der Nachtruhe einträten, und der Vortrag der Beklagten, dass sich die Situation am Augustinerplatz deutlich entspannt habe, die Lärmgrundbelastung aufgrund der geringeren Nutzerzahl derzeit wahrscheinlich etwas geringer als im Jahr 2018 sei, es aber die belastenden Lärmspitzen auch bei deutlich weniger Personen auf dem Augustinerplatz gebe, zeigen ebenfalls auf, dass die Lärmbelastung der Anwohner des Augustinerplatzes nicht allein von der hohen Zahl von nächtlichen Besuchern herrührt.

(4) Ausgehend von diesen Tatsachen, ist bei einer Untätigkeit der Beklagten zu erwarten, dass es wahrscheinlich zu Verletzungen der polizeilichen Schutzgüter der Gesundheit der Kläger (a) und der objektiven Rechtsordnung, nämlich von § 3 PolVO ÖffO (b) und von § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO (c) kommen wird.

(a) Aufgrund der bei Untätigkeit der Beklagten zu erwartenden nächtlichen Dauerschallpegel von weit über 60 dB(A) außen drohen Gefahren für die Gesundheit der Kläger. Bei einer gemittelten Lärmbelastung von 60 dB(A) nachts kann – was bereits das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und die Beklagte nicht infrage stellt – die bloße Belästigung durch Lärm in eine Gefährdung der nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Gesundheit, die ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit ist, umschlagen. Bei Außenpegeln von 60 dB(A) nachts setzt die theoretische Aufweckgrenze ein und können langfristig Gesundheitsgefährdungen auftreten (VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurt. v. 06.03.2018 – 6 S 1168/17 – VBlBW 2018, 378; BVerwG, Urt. v. 10.11.2004 – 9 A 67/03 -; Urt. v. 23.02.2005 – 4 A 5/04 – BVerwGE 123, 23; BayVGH, Urt. v. 05.03.1996, a.a.O.; OVG NRW, Normenkontrollbeschl. v. 19.12.2011 – 7 D 34/10.NE; Beschl. v. 13.05.2015 – 7 B 352/15 -; BGH, Urt. v. 01.10.1981 – III ZR 109/80 – BGHZ 81, 374; je m.w.N.). Hiermit übereinstimmend wird die enteignungsrechtliche Zumutbarkeitsschwelle, bei deren Erreichen auch das sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Rücksichtnahmegebot verletzt ist, in allgemeinen Wohngebieten zur Nachtzeit bei Mittelungspegeln von 60 dB(A) und in Kern- und Mischgebieten zur Nachtzeit bei 62 dB(A) angesetzt (VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurt. v. 06.03.2018, a.a.O.).

Für den Gesundheitsschutz entscheidend sind Innenraumpegel (BVerwG, Urt. v. 23.04.1997 – 11 A 17/96 – NVwZ 1998, 846). Außenpegeln von 60 dB(A) zur Nachtzeit korrespondieren bei Normalfenstern in gekipptem Zustand Innenpegel von ca. 45 dB(A) und in geschlossenem Zustand der Fenster von 36 dB(A) (VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurt. v. 06.03.2018, a.a.O.). Unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen werden nach einschlägigen Forschungsberichten vermieden, wenn der Dauerschallpegel in Wohnräumen 40 dB(A) und in Schlafräumen 30 bis 35 dB(A) nicht übersteigt; bei – wie hier zu erwartenden – darüber liegenden Dauerschallpegeln sind Gesundheitsschäden erwartbar (ausf.: BVerwG, Urt. v. 23.04.1997, a.a.O.).

Keiner Entscheidung bedarf hier, ob mit einem Beurteilungspegel von 60 dB(A), dessen Einhaltung Betroffene im Planfeststellungsrecht gegenüber der Planung z.B. von Straßen, Schienenwegen, Flughäfen verlangen können (BVerwG, Urt. v. 10.11.2004, a.a.O.; Urt. v. 23.02.2005, a.a.O.; BayVGH, Urt. v. 05.03.1996, a.a.O.; OVG NRW, Normenkontrollbeschl. v. 19.12.2011, a.a.O.), auch die Gefahrenschwelle für ein polizeiliches Einschreiten bei überwiegend verhaltensbedingtem Lärm auf öffentlichen Plätzen definiert ist oder ob die polizeiliche Gefahrenschwelle insoweit höher oder niedriger anzusetzen ist. Denn die hier bei den Einzelmessungen festgestellten nächtlichen Beurteilungspegel vom 73 dB(A) und 78 dB(A) und kurzzeitigen Geräuschspitzen von 82,7 dB(A) und 93,5 dB(A) begründen eine so erheblich gesteigerte Gesundheitsgefahr, dass die polizeiliche Gefahrenschwelle in jedem Fall überschritten ist, da bei einer Untätigkeit der Beklagten Lärm im Bereich dieser Größenordnung wiederholt zu erwarten ist.

(b) Die voraussichtlich zu erwartenden nächtlichen Dauerschallpegel von weit über 60 dB(A) und kurzzeitigen Geräuschspitzen deutlich über 80 dB(A) führen auch zu einer Verletzung von § 3 PolVO ÖffO. Zwar ist nicht abschließend geklärt, was unter dem Begriff der Nachtruhe – den auch andere Polizeiverordnungen enthalten – genau zu verstehen ist. Jedoch begründen Dauerschallpegel, die wie hier weit über 60 dB(A) liegen, und kurzzeitige Geräuschspitzen deutlich über 80 dB(A) jedenfalls auch eine Verletzung der Nachtruhe.

(c) Ebenso droht eine Verletzung von § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO. Wie dargelegt, hat das Sachverständigengutachten ergeben, dass es in den Nächten vom 07.07. auf den 08.07.2017 und vom 26.08. auf den 27.08.2017, solange diese trocken und warm waren, durchgängig und häufig zum Spielen von Musik kam und dass Musik als Geräuschquelle maßgeblich hervortrat. Bei einer Untätigkeit der Beklagten ist es daher voraussichtlich zu erwarten, dass es zu vergleichbaren Vorkommnissen kommt und daher eine erhebliche Belästigung oder Störung i.S.v. § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO an den Wohnungen der Kläger eintritt.

b) Die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, besteht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG nur, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Die Funktion dieser Beschränkung besteht darin, aus dem Aufgabenbereich der Polizei den Schutz bestimmter Rechtsgüter und Rechte des Einzelnen auszuscheiden, vor allem wenn er nur sich selbst gefährdet oder wenn es um den Schutz (nur) privater Rechte geht, der ggfs. auf gerichtlichem Weg möglich ist (Senat, Beschl. v. 10.06.2011 – 1 S 915/11 – VBlBW 2011, 2532; Trurnit, in: Möstl/Trurnit, BeckOK PolR BW, § 1 Rn. 51 [Stand: 01.06.2023]; a.A. Sander, in Belz u.a., PolG BW, 9. Aufl., § 1 Rn. 51: kein gesondert zu prüfendes Tatbestandsmerkmal). Der polizeiliche Schutz von Rechten Einzelner kann hingegen insbesondere dann geboten sein, wenn eine unbestimmte Vielzahl von Grundrechtsträgern in ihren Grundrechten betroffen sein kann, die Betroffenen selbst wirkungsvollen Rechtsschutz kaum erlangen können oder wenn die Staatsorgane im Hinblick darauf, dass die Grundrechte zugleich Ausdruck einer objektiven Wertordnung sind, eine objektivrechtliche Pflicht zum Schutz der grundrechtlich gesicherten Individualgüter trifft (Senat, Beschl. v. 10.06.2011, a.a.O.; Urt. v. 11.10.2012, a.a.O.). Auch der Umstand, dass eine Polizeiverordnung ein Gebot oder Verbot regelt und somit öffentlich-rechtliche Verhaltenspflichten entstehen, kann das Gebotensein i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG begründen, da die Beachtung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt (Senat, Urt. v. 28.11.1995, a.a.O.).

Das Erfordernis des Gebotenseins im öffentlichen Interesse nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG hat damit einen engen Bezug zu § 2 Abs. 2 PolG. Danach obliegt der Schutz privater Rechte der Polizei nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Senat, Urt. v. 08.05.2008, a.a.O.; Beschl. v. 10.06.2011, a.a.O.; Urt. v. 11.10.2012, a.a.O.).

Nach diesem Maßstab liegen hier die Voraussetzungen des Gebotenseins im öffentlichen Interesse nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG und die der Subsidiaritätsklausel des § 2 Abs. 2 PolG vor. Es drohen Verletzungen der öffentlich-rechtlichen Verhaltenspflichten aus § 1 Abs. 1 und § 3 PolVO ÖffO. Die durch diese Vorschriften geschützten Anwohner sind kaum in der Lage, gegen nächtliche Ruhestörungen wirksamen Rechtsschutz zu erlangen. In der jeweiligen Situation der Störung der Nachtruhe ist selbst einstweiliger Rechtsschutz regelmäßig nicht rechtzeitig zu erlangen und kann ein vorbeugender Rechtsschutz – sollten seine Voraussetzungen vorliegen – mangels Kenntnis, von welchen konkreten Personen zukünftig Störungen ausgehen werden, praktisch kaum zum Erfolg führen. Die zu erwartenden Gesundheitsgefährdungen sind zudem so erheblich, dass die staatliche Schutzpflicht für das Recht auf Gesundheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG es gebietet, dass ein polizeiliches Einschreiten nach §§ 1, 3 PolG nicht von vornherein ausscheidet.

c) Da Gefahren für die öffentliche Sicherheit drohen, der Schutz der öffentlichen Sicherheit im öffentlichen Interesse geboten ist und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 PolG erfüllt sind, hat die Polizei nach § 3 PolG innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken diejenigen Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen. Dienen diese Maßnahmen dem Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte Einzelner, können diese einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Ob und das Wie polizeilichen Tätigwerdens haben (aa). Hier dienen die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, deren Verletzung droht, dem Schutz der Rechte Einzelner, nämlich dem Schutz der Rechte der Kläger (bb). Diese haben folglich einen Anspruch auf erneute Entscheidung über ihren Antrag auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen zum Schutz der Nachtruhe. Denn die Beklagte hat ihr diesbezügliches Ermessen fehlerhaft ausgeübt (cc).

aa) Aus der Befugnis zum Einschreiten in Fällen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung folgt nicht ohne Weiteres, dass gegenüber der Behörde ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf ein Vorgehen gegen einen anderen besteht (BVerwG, Beschl. v. 21.11.1967 – I B 91.67 -). Die polizeiliche Generalklausel begründet bei Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen jedoch eine Berechtigung des Einzelnen, wenn dessen Rechte gefährdet sind. Die Berechtigung besteht in dem Anspruch darauf, dass die Behörde eine ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber trifft, ob und ggfs. in welcher Weise gegen die den Einzelnen beeinträchtigenden Handlungen oder Zustände vorzugehen ist. Für die Zuerkennung eines derartigen Anspruchs ist es entscheidend, dass die Rechtsvorschrift, die durch die Handlung Dritter oder durch einen Zustand verletzt wird, nicht nur dem öffentlichen Interesse dient, sondern daneben die Belange Einzelner schützen will (BVerwG, Urt. v. 18.08.1960 – I C 42.59 – BVerwGE 11, 95; Urt. v. 22.01.1971 – VII C 48.69 – BVerwGE 37, 112; Graulich, in: Bäcker/Denninger/Graulich, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl., E Rn. 114; Kahlert, in: Belz u.a., PolG BW, 9. Aufl., § 3 Rn. 34 f.).

bb) Die Vorschriften des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (1), des § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO (2) und des § 3 PolVO ÖffO (3) dienen dem Schutz des Einzelnen und können einen Anspruch gerade der Kläger als betroffene Anwohner gegenüber der Beklagten begründen (4).

(1) Der Schutz der Gesundheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG dient dem Schutz des einzelnen Grundrechtsträgers. Das Grundrecht nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG begründet ein Abwehrrecht des Bürgers gegen staatliche Eingriffe in die Gesundheit sowie eine staatliche Schutzpflicht. Diese gebietet dem Staat, sich durch geeignete Maßnahmen schützend vor den Einzelnen zu stellen, wenn für diesen die Gefahr einer Schädigung der körperlichen Unversehrtheit besteht. Auch Gesundheitsgefährdungen – werden sie erkannt oder als im Risikobereich liegend für hinreichend wahrscheinlich angesehen – verpflichten zum Handeln (BVerwG, Urt. v. 21.03.1996 – 4 C 9/95 – BVerwGE 101, 1 m.w.N.). Die Vorschrift dient mithin nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern begründet ein subjektiv-öffentliches Recht (ebenso HessVGH, Urt. v. 10.04.2014 – 8 A 2421/11 – ESVGH 64, 264; SächsOVG, Beschl. v. 25.07.2022 – 6 B 16/22 – DVBl. 2023, 41).

(2) Auch die Vorschrift des § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO dient dem Schutz Einzelner. Ihr Zweck ist, Menschen vor Lärm zu schützen. Daher geht der Gemeindetag Baden-Württemberg in den Erläuterungen seiner Musterpolizeiverordnung, die jedenfalls seit 1975 bis heute wie in § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO der Beklagten ein Verbot des Spielens oder Betreibens von Rundfunkgeräten, Musikinstrumenten und dergleichen in solcher Lautstärke, dass unbeteiligte Personen erheblich belästigt oder gestört werden, vorsieht (BWGZ 1975, 357; 1985, 552; 1999, 778; 2003, 981; 2007, 54; 2011, 990), ausdrücklich im Allgemeinen davon aus, dass die verschiedenen, in der Musterpolizeiverordnung enthaltenen Regelungen zum Lärmschutz den Schutz der Bevölkerung vor Lärmimmissionen betreffen (BWGZ 1999, 778, 790; ebenso: SächsOVG, Beschl. v. 25.07.2022, a.a.O.).

Der Zweck des § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO, Menschen vor Lärm zu schützen, begründet in Anwendung allgemeiner immissionsschutzrechtlicher Grundsätze einen Drittschutz für Personen, die sich nicht nur gelegentlich im Einwirkungsbereich der gegen diese Vorschrift verstoßenden, weil erheblich belästigenden oder störenden Musik aufhalten. Im – anlagenbezogenen – Bundesimmissionsschutzrecht sind die Vorsorgepflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG regelmäßig nicht drittschützend, die Schutzpflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG hingegen drittschützend für diejenigen, die sich im Einwirkungsbereich der Anlage mehr als nur gelegentlich aufhalten oder Eigentümer und Bewohner von Wohngrundstücken im Einwirkungsbereich der Anlage sind. Voraussetzung ist eine sachliche und dauerhafte Bindung zu einem Ort innerhalb des Einwirkungsbereichs im Sinne eines qualifizierten Betroffenseins, die sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können. Ebenso sind die auf Gefahrenabwehr ausgerichteten Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG drittschützend, soweit sie der Verhinderung oder Beschränkung schädlicher Umwelteinwirkungen im Einwirkungsbereich der dort genannten Anlagen dienen (st. Rspr., BVerwG, Urt. v. 04.07.1986 – 4 C 31/84 – BVerwGE 74, 315; Urt. v. 07.05.1996 – 1 C 10/95 – BVerwGE 101, 157; Urt. v. 27.09.2018 – 7 C 24/16 – NVwZ 2019, 410; VGH Bad.-Württ, Urt. v. 23.05.2014, a.a.O.; Beschl. v. 05.02.2015 – 10 S 2471/14 – VBlBW 2015, 516; vgl. auch Schmidt-Kötters in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 5 BImSchG Rn. 88, 121 [Stand: 01.04.2023]; Enders, in: Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, § 22 BImSchG Rn. 32 [Stand: 01.04.2023]; je m.w.N.; ebenso hinsichtlich Sperrzeiten auf den Einwirkungsbereich der Gaststätte abstellend VGH Bad.-Württ., Urt. v. 27.06.2002 – 14 S 2736/01 – NVwZ-RR 2003, 745).

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.09.2016 – 4 K 2152/14 -, das nach Ablehnung des vom dort unterlegenen Kläger eingelegten Zulassungsantrags durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19.04.2017 – 10 S 2264/16 – NVwZ-RR 2017, 653 rechtskräftig geworden ist. Der dortige Kläger begehrte erfolglos die Verurteilung der beklagten Stadt Freiburg, es zu unterlassen, dass von einem von der Stadt betriebenen Grillplatz aus Geräusche elektrischer Musikanlagen und Instrumente auf sein Grundstück dringen. Dabei ging das Verwaltungsgericht auch auf § 2 Nr. 1 der Polizeiverordnung des städtischen Forstamtes Freiburg als untere Forstbehörde über das Verhalten im Wald auf dem Gebiet der Stadt Freiburg i.Br. vom 10.05.2016 (im Folgenden: PolVO Wald) ein. Die Vorschrift bestimmt, dass es im Wald verboten ist, elektronisch verstärkte Musikinstrumente und -geräte sowie Lautsprecheranlagen zu benutzen, und dass dies auch für Verstärkeranlagen gilt, die aus einem Fahrzeug heraus betrieben werden und außerhalb des Fahrzeuges wahrgenommen werden können. Zwar hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 23.09.2016 ausgeführt, dass § 2 Nr. 1 PolVO Wald keine Rechtsvorschrift ist, die den Kläger schützt. Entgegen der Auffassung der Beklagten besagt diese Urteilsbegründung jedoch nichts darüber, ob der im vorliegenden Fall maßgebliche § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO eine drittschützende Wirkung für Anwohner hat.

Denn zum einen hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 23.09.2016 die mangelnde drittschützende Wirkung von § 2 Nr. 1 PolVO Wald daraus abgeleitet, dass die Vorschrift allein dem Schutz des Waldes und der Waldbesucher dient und insoweit auf § 70 Nr. 1 bis 3 WaldG und § 2 Nr. 6 PolVO Wald Bezug genommen (UA, S. 10). § 70 Nr. 1 bis 3 WaldG ermächtigt die Forstbehörden zum Erlass von Polizeiverordnungen, soweit dies zur Sicherung der Erhaltung und Pflege des Waldes oder zum Schutz des Waldes, des Waldeigentums oder forstbetrieblicher Einrichtungen gegen rechtswidrige Taten Dritter oder zum Schutz der Waldbesucher und zur Regelung der Erholung erforderlich ist. Die Vorschrift des § 2 Nr. 6 PolVO Wald verbietet es, an Grillstellen im Wald nach 22:00 Uhr Lärm zu verursachen, der zu Störungen der Lebensgemeinschaft Wald führt. Diese auf die Reichweite der Ermächtigungsgrundlage im Waldgesetz und den sich daraus ergebenden Schutzzweck der Normen bezogenen Ausführungen sind erkennbar irrelevant für die Frage, ob Vorschriften einer auf der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Polizeiverordnungen beruhenden Polizeiverordnung drittschützenden Charakter haben können.

Zum anderen hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 23.09.2016 die Frage, ob das – ebenfalls erörterte – Verbot nach § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO eine den dortigen Kläger schützende Wirkung hat, ausdrücklich offengelassen. Es hat insoweit ausgeführt, dass auch diese Vorschrift „dem Kläger, wenn überhaupt, jedenfalls keinen weitergehenden individuellen Schutz als § 22 BImSchG“ gewähre (UA, S. 10), und ausdrücklich offengelassen, nach welchen Grundsätzen die Zumutbarkeit des vom Grillplatz ausgehenden Lärms zu bestimmen sei, da die vom Kläger beklagten Störungen der Beklagten jedenfalls nicht zuzurechnen seien (UA, S. 10 ff.). Die auf Gefahrenabwehr ausgerichteten Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG sind – wie dargelegt (st. Rspr., BVerwG, Urt. v. 04.07.1986 und Urt. v. 07.05.1996, je a.a.O.; VGH Bad.-Württ, Beschl. v. 05.02.2015, a.a.O.) – drittschützend. Folglich ist mit dem Verweis des Verwaltungsgerichts auf den Schutz nach § 22 BImSchG auch keine implizite Verneinung eines Drittschutzes durch § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO verbunden.

(3) Der Schutz der Nachtruhe nach § 3 PolVO ÖffO – den die Musterpolizeiverordnung des Gemeindetags Baden-Württemberg nicht kennt – bezweckt ebenfalls den Schutz der Gesundheit der Anwohner (so zu vergleichbaren Vorschriften: BayVGH, Normenkontrollurt. v. 25.01.2010 – 22 N 09.1193 -; NdsOVG, Normenkontrollurt. v. 30.11.2012, a.a.O.). Lärm zur Nachtzeit, der geeignet ist, die Nachtruhe eines Einzelnen oder mehrerer Personen ständig auf empfindliche Weise zu beeinträchtigen, stellt für die Betroffenen nicht nur eine Belästigung, sondern eine Gesundheitsgefahr dar (HessVGH, Urt. v. 19.07.1967 – II OE 2/67 – ESVGH 18, 147). In der Lärmforschung besteht – jedenfalls ganz überwiegend – Einigkeit darüber, dass Einwirkungen durch Lärm die Gesundheit gefährden (vgl. nur Rogall, in: KK-OWiG, 5. Aufl., § 117 OWiG Rn. 1 unter Hinweis auf den 3. Immissionsschutzbericht der Bundesregierung; zum Ganzen auch: Senat, Normenkontrollbeschl. v. 05.08.2021, a.a.O. m.w.N.). Vorschriften zum Schutz der Nachtruhe bezwecken daher typischerweise den Schutz der betroffenen Anwohner, die sich nicht nur gelegentlich im Einwirkungsbereich des gegen § 3 PolVO ÖffO verstoßenden Lärms befinden.

Den drittschützenden Zweck des § 3 PolVO ÖffO, mit der Bestimmung der Nachtruhe den Schutz der betroffenen Anwohner vor Lärm zu regeln, belegt indiziell auch § 7 Abs. 1 der Parkanlagensatzung der Beklagten vom 16.05.2023. Das Verbot in Satz 1, die Ruhe und Erholung „anderer Nutzer_innen sowie der Anwohnerschaft“ erheblich zu belästigen oder zu stören, steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schutz der Nachtruhe in Sätzen 3 und 4, die § 3 PolVO ÖffO vollständig entsprechen. Dieser Schutz der Nachtruhe dient folglich nach dem eigenen Normverständnis der Beklagten zumindest auch dem Schutz der Anwohner vor Lärm.

(4) Die Vorschriften des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und der § 1 Abs. 1, § 3 PolVO ÖffO können einen Anspruch gerade der Kläger als betroffene Anwohner gegenüber der Beklagten begründen. Sie befinden sich nicht nur gelegentlich im Einwirkungsbereich des vom Augustinerplatz ausgehenden Lärms. Da sie in unmittelbarer Nähe zum Augustinerplatz wohnen und sich daher Immissionen, die von Nutzern des Augustinerplatzes ausgehen, direkt bei ihnen auswirken, betreffen Verstöße gegen das Verbot der Benutzung von Rundfunkgeräten, Musikinstrumenten und dergleichen in § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO und gegen den Schutz der Nachtruhe in § 3 PolVO ÖffO sie daher in qualifizierter, sie von der Allgemeinheit abhebender Art und Weise. Soweit diese Verstöße den Beurteilungspegel von 60 dB(A) weit überschreiten oder zu kurzzeitigen Geräuschspitzen deutlich über 80 dB(A) führen, gefährden sie zudem das eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition einräumende Recht der Kläger auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

cc) Da die Verletzung von Vorschriften droht, die dem Schutz der Rechte der Kläger dienen, haben diese einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Ob und das Wie polizeilichen Tätigwerdens. Da die Beklagte über ihr Einschreiten nicht ermessensfehlerfrei entschieden hat (1), können die Kläger verlangen, dass die Beklagte über ihren Antrag auf polizeiliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu entscheidet. Vorrangige Regelungen des Immissionsschutzrechts stehen der Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag der Kläger auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, nicht entgegen (2). Diese Verpflichtung führt nicht zu einer unzulässigen Zurechnung der durch Dritte verursachten Immissionen an die Beklagte (3). Diese wird auch nicht in ihrer Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV verletzt (4).

(1) Die Beklagte hat bei der Entscheidung über den Antrag der Kläger auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Sie hat nicht erkannt, dass ihr verschiedene polizeirechtliche Mittel, um gegen Lärm, der gegen § 1 Abs. 1, § 3 PolVO ÖffO verstößt, wirksam vorzugehen, zur Verfügung stehen. Bei der erneuten Entscheidung über den Antrag der Kläger auf polizeiliches Einschreiten, um die den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote ihrer Polizeiverordnung vom 29.09.2009 umzusetzen, ist die Beklagte verpflichtet, diese Mittel zu berücksichtigen (a). Dabei wird eine Entscheidung der Beklagten, zukünftig von nicht jedenfalls einem der gegebenen polizeilichen Mittel in erheblichem Umfang Gebrauch zu machen, nicht ermessensgerecht sein (b).

(a) Die Beklagte hat verkannt, dass ihr verschiedene polizeirechtliche Mittel zur Verfügung stehen, um gegen nächtlichen Lärm auf dem Augustinerplatz vorzugehen. Sie ist aufgrund der darin liegenden fehlerhaften Ausübung ihres Ermessens nach § 3 PolG zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Kläger auf polizeiliches Einschreiten verpflichtet. Bei der erneuten Ermessensausübung ist die Beklagte verpflichtet, diese Mittel zu berücksichtigen.

Nicht erkannt hat die Beklagte, dass sie eine originäre, vom Polizeivollzugsdienst des Landes Baden-Württemberg unabhängige Zuständigkeit für polizeirechtliche Maßnahmen hat (aa) und dass sie polizeirechtlich durch Einzelmaßnahmen gegen Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO (bb) und gegen § 3 PolVO (cc) vorgehen kann. Zudem liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass die Beklagte eine Polizeiverordnung nach § 17 Abs. 1 PolG erlässt, die das nächtliche Mitführen von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz verbietet (dd).

(aa) Die Beklagte hat verkannt, dass sie eine originäre, vom Polizeivollzugsdienst des Landes Baden-Württemberg unabhängige Zuständigkeit für polizeirechtliche Maßnahmen hat, soweit diese nicht gesetzlich ausdrücklich dem Polizeivollzugsdienst vorbehalten sind (so z.B. in § 41 Abs. 1, § 42 Abs. 1, § 44 Abs. 1 – 5, § 45 Abs. 1 PolG). Ihre Auffassung, einzelpolizeiliche Maßnahmen gegen ausufernde Lärmexzesse seien durch den Polizeivollzugsdienst zu treffen, da diesem die Verfolgung von Ordnungsstörungen obliege (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 15.06.2016, S. 37), und mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts werde ihr eine grundsätzlich dem Polizeivollzugsdienst obliegende Aufgabe zugeschoben (zweitinstanzlicher Schriftsatz vom 05.02.2019, S. 19), trifft nicht zu.

Die Beklagte ist als Ortspolizeibehörde nach § 105 Abs. 1 PolG für die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben zuständig, soweit das Polizeigesetz nichts Anderes bestimmt. Der Polizeivollzugsdienst nimmt vorbehaltlich anderer Anordnungen der Polizeibehörde die polizeilichen Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint (§ 105 Abs. 2 PolG). Folglich ist die Beklagte für die Aufgabe der Abwehr polizeilicher Gefahren primär und der Polizeivollzugsdienst nur subsidiär zuständig (Ruder/Pöltl, a.a.O. § 3 Rn. 50). Sind mit der Gefahrenabwehr betraute Vertreter der Polizeibehörde vor Ort, sind diese – auch zur Nachtzeit – nach § 105 Abs. 1 PolG zuständig (Schatz, in: Möstl/Trurnit, BecKOK PolR BW, § 105 Rn. 7 [Stand: 01.06.2023]). Als Ortspolizeibehörde ist sie auch die zuständige Behörde für Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Polizeigesetz (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG, § 26 Abs. 4 PolG).

Sollten der Beklagten ausreichende eigene Vollzugskräfte für polizeiliche Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen, kann sie gegenüber den Polizeidienststellen ggfs. von ihrem Weisungsrecht nach § 119 Abs. 1 Satz 1 PolG Gebrauch machen. Zudem kann sich die Beklagte als Ortspolizeibehörde zur Wahrnehmung bestimmter auf den Gemeindebereich beschränkter polizeilicher Aufgaben nach § 125 Abs. 1 PolG gemeindlicher Vollzugsbediensteter bedienen. Diese haben bei der Erledigung ihrer polizeilichen Dienstverrichtungen die Stellung von Polizeibeamten im Sinn des Polizeigesetzes (§ 125 Abs. 2 PolG). Gemäß dem auf der Verordnungsermächtigung in § 84 Abs. 1 Satz 1 PolG i.d.F. v. 13.01.1992 beruhenden § 31 Abs. 1 Nr. 1 DVO PolG kann die Polizeibehörde, wenn gemeindliche Vollzugsbedienstete bestellt sind, diesen polizeiliche Vollzugsaufgaben beim Vollzug von Gemeindesatzungen und Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörde übertragen. Die Beklagte hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nach Nr. 1.11 der Bekanntmachung des Oberbürgermeisters der Beklagten als Ortspolizeibehörde über die Übertragung polizeilicher Vollzugsaufgaben auf den Gemeindevollzugsdienst vom 17.06.2015 sind den gemeindlichen Vollzugsbeamten von der Ortspolizeibehörde polizeiliche Vollzugsaufgaben beim Vollzug der Polizeiverordnung zur Sicherung der öffentlichen Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten in der Stadt Freiburg i. Br. vom 29.09.2009 übertragen.

(bb) Ebenso hat die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung pflichtwidrig nicht erkannt, dass sie polizeirechtlich durch Einzelmaßnahmen gegen Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO vorgehen kann.

Sowohl das nächtliche Musizieren auf dem Augustinerplatz mit Instrumenten als auch das nächtliche Abspielen von Musik über Lautsprecher und ähnliche Geräte verstößt in der Regel gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO. Solche Verstöße sind häufig ohne größeren Aufwand festzustellen und nicht bloßer Teil eines allgemeinen Lärmteppichs. Die handelnden Personen dürften in einer Vielzahl von Fällen identifizierbar sein. Die Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 PolVO ÖffO, § 26 Abs. 1 PolG dar. Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO sind zudem Verletzungen der öffentlichen Sicherheit nach § 1 Abs. 1 PolG, da Regelungen in Polizeiverordnungen, wie dargelegt, Schutzgut der öffentlichen Sicherheit sind. Folglich kommt nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG die Beschlagnahme von Musikinstrumenten und Geräten, über die Musik abgespielt wird, in Betracht. Denn nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Sache u.a. dann beschlagnahmen, wenn dies erforderlich ist zum Schutz eines Einzelnen gegen eine – z.B. bei einer anzunehmenden Fortsetzung des Spielens von Musik – unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung. Auch die Voraussetzungen eines Platzverweises nach § 30 Abs. 1 PolG werden häufig gegeben sein.

(cc) Die Beklagte hat bei ihrer Ermessensausübung des Weiteren pflichtwidrig nicht erkannt, dass sie polizeirechtlich durch Einzelmaßnahmen gegen Verstöße gegen § 3 PolVO ÖffO vorgehen kann.

Nach dem Sachverständigengutachten sind u.a. Rufen und Klatschen Geräuschquellen, die der Nutzung des Augustinerplatzes zuzuordnen sind und die maßgeblich hervortreten (Gutachten S. 16, Bl. 524 VG-Akte). Rufen und Klatschen führten für sich genommen in den beiden Nächten mit Einzelmessungen jeweils regelmäßig auch zu erheblichen Maximalpegeln, so das Rufen in der Zeit von 24:00 Uhr bis 06:00 Uhr zu Maximalpegeln von 72,8 dB(A), 76,8 dB(A), 72,3 dB(A), 70,4 dB(A), 68,1 dB(A), 54,3 dB(A), 76,2 dB(A), 78,0 dB(A), 59,3 dB(A), 61,8 dB(A) (Anhang-Tabellen 20, 29, 40, 47, 57, 63, 99, 108, 117, Gutachten, S. 55, 61, 65, 68 f., 72, 74, 89, 100, 105, 107, Bl. 563, 569, 573, 576 f., 580, 582, 603, 608, 613, 615 VG-Akte) und das Klatschen in der Zeit von 24:00 Uhr bis 06:00 Uhr zu Maximalpegeln von 70,0 dB(A), 80,9 dB(A), 50,5 dB(A), 74,3 dB(A), 59,2 dB(A) (Anhang-Tabellen 24, 33, 60, 93, 103, Gutachten, S. 58, 62, 73, 97 f., 102, Bl. 566, 570, 581, 605 f., 610 VG-Akte).

Auf dieser Grundlage sprechen erhebliche Gesichtspunkte dafür, dass sowohl Rufen als auch Klatschen häufig zu einem Verstoß gegen § 3 PolVO ÖffO führen können. Jede dieser Verhaltensweisen ist, wie die Maximalpegel zeigen, geeignet, die Nachtruhe von Anwohnern erheblich zu stören. Es handelt sich um Verhaltensweisen, die von Mitarbeitern der Beklagten in vielen Fällen relativ leicht festzustellen und nicht bloßer Teil eines allgemeinen Lärmteppichs sind. Die klatschenden und rufenden Personen werden jedenfalls in einer erheblichen Anzahl von Fällen identifizierbar sein. Solche Verstöße gegen § 3 PolVO ÖffO stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 PolVO ÖffO, § 26 Abs. 1 PolG dar und berechtigen voraussichtlich häufig zum Erlass eines Platzverweises nach § 30 Abs. 1 PolG.

(dd) Zudem liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass die Beklagte eine Polizeiverordnung nach § 17 Abs. 1 PolG erlässt, die das nächtliche Mitführen von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz verbietet. Auch dies hat die Beklagte – die davon ausgeht, dass die Voraussetzungen eines Glasflaschenverbots nicht vorliegen (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 10.04.2018, S. 6) – bei ihrer Ermessensausübung nicht zutreffend erkannt. Das nächtliche Mitführen von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz kann zu erheblichen nächtlichen Lärmimmissionen führen und begründet daher die i.S.v. § 17 Abs. 1 PolG abstrakte Gefahr der Gefährdung der Gesundheit der Anwohner des Augustinerplatzes (aaa). Ein Glasflaschenverbot in einer Polizeiverordnung könnte unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Rechte der Platznutzer und sonstiger Dritter erlassen werden (bbb) und verstieße nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht (ccc).

(aaa) Eine Polizeiverordnung, die das nächtliche Mitführen von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz verbietet, kann rechtmäßiger Weise nur erlassen werden, wenn die abstrakte Gefahr besteht, dass ein solches Mitführen zu erheblichen Lärmstörungen führt.

Eine abstrakte Gefahr liegt vor, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und die Polizeibehörden daher Anlass haben, den Schadenseintritt durch den Einsatz abstrakt-genereller Regelungen zu verhindern. Dabei unterscheidet sich die abstrakte von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose. Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden muss. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit derselben Wahrscheinlichkeit in irgendeinem Einzelfall ein Schaden einzutreten pflegt, dieser Einzelfall aber ex ante noch nicht identifiziert werden kann, so dass Anlass besteht, dass die Polizeibehörde den Eintritt des Schadens mit einem generell-abstrakten Rechtssatz verhindert. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose. Dabei kommt es nicht generell darauf an, dass die tatbestandlichen Handlungen in ihrer Mehrzahl oder auch nur in einer größeren Zahl von Fällen eine konkrete Gefahr begründen oder sogar zum Eintritt einer Störung führen. Je höher der Wert der gefährdeten Rechtsgüter ist und je schwerer die abstrakt drohende Rechtsgutsverletzung im Einzelfall wiegt, desto geringer sind die Anforderungen, die nach Maßgabe der gebotenen Ex-ante-Prognose an die Annahme einer abstrakten Gefahr zu stellen sind. Bei besonders hochwertigen Rechtsgütern reicht es aus, dass sich der Eintritt einer Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht als ein so seltener und atypischer Kausalverlauf darstellt, dass ein unbefangener Beobachter mit dem Schadenseintritt nicht hätte rechnen müssen. In diesem Sinne genügt bereits die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts (BVerwG, Beschl. v. 24.10.1997 – 3 BN 1/97 – BWGZ 1998, 3; Urt. v. 03.07.2002, a.a.O.; Senat, Normenkontrollbeschl. v. 06.10.1998 – 1 S 2272/97 – ESVGH 49, 66 = VBlBW 1999, 101; Normenkontrollurt. v. 28.07.2009, a.a.O.; Normenkontrollurt. v. 26.07.2012 – 1 S 2603/11 – BWGZ 2013, 777).

Für die Nacht vom 07.07. auf den 08.07.2017 und für die Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 lässt sich aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens feststellen, dass in der Zeit von 24:00 Uhr bis 06:00 Uhr von Flaschen verursachte Lärmimmissionen – insbesondere Klirren von Flaschen, Rollen von Flaschen über das Pflaster, Umfallen von Flaschen, Geräusche durch Flaschensammler – in sehr erheblicher Anzahl und die ganze Nacht hindurch auftraten. In der Nacht vom 07.07. auf den 08.07.2017 kam es zu von Flaschen verursachten Lärmimmissionen um 00:02:30 Uhr, 00:10 Uhr, 01:34:25 Uhr, 01:44:50 Uhr, 02:28:55 Uhr, 02:38 Uhr, 03:24:40 Uhr, 03:30:26 Uhr, 03:49:14 Uhr, 03:55:35 Uhr, 04:05:48 Uhr, 04:43:31 Uhr, 04:51:18 Uhr, 05:03:54 Uhr, 05:13:26 Uhr, 05:30:43 Uhr, 05:31:29 Uhr, 05:35:20 Uhr, 05:46:16 Uhr (Gutachten, S. 144ff., Bl. 652 ff. VG-Akte) und in der Nacht vom 26.08. auf den 27.08.2017 um 00:50:42 Uhr, 01:02:48 Uhr, 01:04 Uhr, 01:16:51 Uhr, 01:19:04 Uhr, 01:40:42 Uhr, 01:57 Uhr, 02:24:45 Uhr, 02:46:29 Uhr, 02:51:56 Uhr, 02:53:05 Uhr, 02:57:10 Uhr, 02:58:36 Uhr, 03:07:20 Uhr, 04:05:40 Uhr, 04:06:35 Uhr, 04:39:18 Uhr, 04:40 Uhr, 04:41:50 Uhr, 04:45:28 Uhr, 04:46:23 Uhr, 05:04:40 Uhr (Gutachten, S. 152ff., Bl. 660ff. VG-Akte).

Lärmimmissionen durch Flaschen und Pfandsammler waren in diesen Nächten in der Zeit von 24:00 Uhr bis 06:00 Uhr, wie sich ebenfalls aus dem Sachverständigengutachten ergibt, in der Regel mit erheblichen Teilbeurteilungspegeln, nämlich von 53,4 dB(A), 57,8 dB(A), 58,2 dB(A), 47,0 dB(A), 50,5 dB(A), 40,4 dB(A), 44,4 dB(A), 33,5 dB(A), 60,9 dB(A), 45,4 dB(A), 31,3 dB(A), 62,5 dB(A), 53,0 dB(A), 54,8 dB(A), und sehr erheblichen Maximalpegeln, nämlich von 78,1 dB(A), 83,9 dB(A), 81,8 dB(A), 73,7 dB(A), 77,5 dB(A), 61,6 dB(A), 68,0 dB(A), 57,7 dB(A), 84,3 dB(A), 67,6 dB(A), 59,7 dB(A), 81,8 dB(A), 77,3 dB(A), 78,0 dB(A), verbunden (Anhang-Tabellen, 23, 32, 35, 42, 48, 59, 64, 92, 102, 104, 109, 113, 118; Gutachten, S. 57 f., 62, 63, 66, 69, 69 f., 72 f., 74 f., 97, 102, 103, 105, 106, 107, Bl. 565 f., 570, 571, 574, 577, 577 f., 580 f., 582 f., 605, 610, 611, 613, 614, 615 VG-Akte).

Aufgrund dieser Feststellungen besteht eine ausreichende tatsächliche Grundlage für die Prognose, dass das nächtliche Trinken aus Glasflaschen durch Nutzer des Augustinerplatzes, verbunden mit Glasklirren durch Anstoßen u.ä., das Abstellen von Glasflaschen auf dem Pflaster, das Fallenlassen von Glasflaschen auf das Pflaster, das Umfallen und Herumrollen von Glasflaschen auf dem Pflaster und das Einsammeln von Glasflaschen durch Pfandsammler, typischerweise zu erheblichen Lärmimmissionen, insbesondere zu sehr starken Geräuschspitzen führen und den nächtlichen Schlaf von Anwohnern des Augustinerplatzes verhindern, unterbrechen oder sonstwie stören kann. Auch führt bereits das Mitführen von Glasflaschen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu den genannten Verhaltensweisen. Denn es ist – wie dargelegt – für die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht erforderlich, dass das Mitführen von Glasflaschen in einer größeren Zahl von Fällen eine Gefahr begründet, und es sind geringere Anforderungen an die Ex-ante-Prognose einer bereits durch das Mitführen begründeten abstrakten Gefahr zu stellen, da die Gesundheit der Anwohner des Augustinerplatzes ein sehr gewichtiges Rechtsgut ist.

Aus dem Urteil des Senats zur Polizeiverordnung der Stadt Konstanz zum Schutz des frei zugänglichen Seeufers vor Verunreinigungen und die damit einhergehenden Gefahren vom 31.07.2011 folgt nichts Anderes. Der Senat erklärte das damalige Verbot des Mitführens von Glasflaschen, Gläsern und jeglichen sonstigen Behältnissen aus Glas, Porzellan oder anderen zerbrechlichen Materialien für unwirksam. Die Polizeiverordnung der Stadt Konstanz zielte primär auf den Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Menschen gegen Schnittverletzungen. Insoweit ließ sich eine abstrakte Gefahr jedoch nicht feststellen, da lediglich wenige Einzelfälle von Schnittverletzungen aktenkundig waren. Die Vermeidung von Lärm war nicht ausdrücklicher Zweck der Polizeiverordnung (Senat, Normenkontrollurt. v. 26.07.2012, a.a.O.). Die Frage des Entstehens von Lärm durch den Kontakt von Flaschen mit gepflasterten Plätzen stand nicht in Rede, da der überwiegende Teil der vom Geltungsbereich der Verordnung erfassten Flächen aus Rasen bestand.

(bbb) Eine Polizeiverordnung, die das nächtliche Mitführen von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz verbietet, setzt zudem voraus, dass ein solches Verbot den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet und Rechte der Platznutzer und sonstiger Dritter nicht verletzt.

Ein Verbot des nächtlichen Mitführens von Glasflaschen und vergleichbaren Behältnissen auf dem Augustinerplatz würde einem legitimen Ziel, nämlich dem Schutz der Gesundheit der Anwohner des Platzes dienen. Eine fehlende Eignung eines solchen Verbots ergäbe sich nicht aus dem Umstand, dass durch diese örtlich begrenzte Maßnahme Immissionen durch Flaschen und die dadurch entstehenden Gefährdungen der Gesundheit von Anwohnern nur auf einen anderen Bereich der Innenstadt der Beklagten verschoben würden. Dies würde zum einen die Eignung, dem Schutz der Gesundheit der Anwohner des Augustinerplatzes zu dienen, nicht infrage stellen. Zum anderen würde eine Verlagerung auf Plätze ohne eine nennenswerte Anzahl von Anwohnern nicht zu einer bloßen Verschiebung der Problemlage führen (ähnlich im dortigen Fall NdsOVG, Normenkontrollurt. v. 30.11.2012, a.a.O.). Zweifel an der Erforderlichkeit einer solchen Regelung sind nicht erkennbar. Gleich wirksame, weniger eingreifende Mittel, um erhebliche nächtliche Ruhestörungen durch Immissionen, die durch Flaschen verursacht werden, zu begrenzen und zu vermeiden, sind nicht gegeben.

Für die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kommt es insbesondere darauf an, ob Rechte der Nutzer des Augustinerplatzes oder Rechte sonstiger Dritter durch ein solches Verbot unverhältnismäßig beschränkt und daher verletzt würden. Rechte der nächtlichen Nutzer des Augustinerplatzes würden durch ein solches Verbot nur punktuell betroffen (ebenso im dortigen Fall VGH Bad.-Württ., Normenkontrollurt. v. 06.03.2018, a.a.O.). Denn zum einen ist anzunehmen, dass sich diese Nutzer auch im Sommer nicht jede Nacht auf dem Augustinerplatz aufhalten, sie mithin nur in einzelnen Nächten von der Regelung betroffen wären, jedoch die Anwohner des Augustinerplatzes – von Abwesenheiten aufgrund Urlaubs und ähnlichem abgesehen – jedenfalls vom späten Frühjahr bis zum frühen Herbst praktisch jede Nacht durch Immissionen in der Nachtruhe gestört werden. Zum anderen ist es den Platznutzern unschwer möglich und zumutbar, Getränke, die sie auf dem Augustinerplatz zu sich nehmen wollen, in anderen Behältnissen als Glasflaschen, z.B. in Plastikflaschen mitzubringen oder auf andere Plätze auszuweichen.

Rechte von Personen, die den Augustinerplatz in der Nacht lediglich zügig überqueren wollen und verschlossene Glasflaschen, z.B. im Gepäck, mit sich führen, wären durch eine solche Polizeiverordnung nicht übermäßig betroffen. Umwege, die ein Überqueren des Augustinerplatzes vermeiden, wären aufgrund der Beschränkung des Verbots auf den Augustinerplatz möglich und zumutbar. Für Personen, die am Augustinerplatz wohnen und nachts dort, z.B. nach einer Reise, mit verschlossenen Glasflaschen im Gepäck eintreffen, wäre eine Ausnahmeregelung in der Polizeiverordnung ebenso denkbar wie für Angehörige der Polizei, der Feuerwehr, der Rettungsdienste, medizinischer Versorgungsdienste und der Stadtverwaltung in Ausübung ihrer jeweiligen Dienste und für Personen, die für die Glasflaschen, die sie mit sich führen, eine ärztliche Verordnung besitzen. Auch eine Ausnahmeregelung für besondere, nicht näher benannte Einzelfälle könnte in die Verordnung aufgenommen werden (vgl. zu solchen Regelungsmöglichkeiten Senat, Normenkontrollurt. v. 26.07.2012, a.a.O.).

(ccc) Schließlich ist Voraussetzung für eine solche Regelung, dass sie nicht gegen sonstiges höherrangiges Recht verstieße. Die Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs eines solchen Verbots auf den Augustinerplatz könnte gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, wenn rechtfertigende Gründe für eine solche räumliche Beschränkung fehlten. Dann könnte entweder ein Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot oder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zulasten von Anwohnern anderer Plätzen im Gebiet der Beklagten, für die ein solches Verbot nicht erlassen wird, vorliegen.

Jedoch ist für den Augustinerplatz aufgrund des eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachtens eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Annahme einer abstrakten Gefahr i.S.v. § 17 Abs. 1 PolG gegeben. Für andere Plätze im Gebiet der Beklagten fehlt, soweit ersichtlich, eine solche Tatsachengrundlage hingegen. Zwar mag einiges dafür sprechen, dass nächtliches Glasklirren von Flaschen auf Pflaster auch an anderen Orten zu erheblichen Immissionen führen kann. Die tatsächliche Lage an anderen Plätzen kann sich jedoch aufgrund abweichenden Nutzerverhaltens, anderer baulicher Gegebenheiten und anderer Lage der Wohnungen von Anwohnern unterschiedlich darstellen. Daher wäre ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen.

(b) Bei der Entscheidung über den Antrag der Kläger, geeignete polizeiliche Mittel zur Durchsetzung der den Schutz der Nachtruhe bezweckenden Verbote der Polizeiverordnung vom 29.09.2009 zu ergreifen, wird die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung diese, unter (a) (aa) bis (dd) aufgeführten Mittel zu berücksichtigen haben. Eine Entscheidung der Beklagten, zukünftig von nicht jedenfalls einem dieser Mittel in erheblichem Umfang Gebrauch zu machen, wird nicht ermessensgerecht sein. Denn ein vollständiges oder weitgehendes Absehen von polizeilichen Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 1 Abs. 1 und des § 3 PolVO ÖffO umzusetzen, begründet angesichts der dann zu erwartenden erheblichen Lärmpegel an den Wohnungen der Kläger die konkrete Gefahr der erheblichen Schädigung der Gesundheit der Kläger. Zudem handelt es sich bei § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO und § 3 PolVO ÖffO um von der Beklagten selbst gesetztes Recht. Ihr Unterlassen, vorhandene wirksame Maßnahmen zur Einhaltung dieser Vorschriften zu ergreifen, begründet – wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – ein strukturelles Vollzugsdefizit, das zu beheben in die originäre Verantwortung der Beklagten fällt. Dieses Vollzugsdefizit ist im Hinblick auf § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO von erheblichem Gewicht. Denn es ist offenkundig, dass nächtliches Musizieren und Abspielen von Musik über Lautsprecher und ähnliche Geräte gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO verstößt, dass solche Verstöße im Regelfall unschwer festzustellen sind, dass Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO Ordnungswidrigkeiten nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 PolVO ÖffO, § 26 Abs. 1 PolG sind, dass bei solchen Verstößen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 PolG grundsätzlich gegeben sind und dass solche Beschlagnahmen und die Durchführung von Ordnungswidrigkeitenverfahren in nicht unerheblichem Umfang zum Schutz der Nachtruhe beitragen können. Zudem besteht ein schützenswertes Interesse der Platznutzer, nachts dort zu musizieren oder Musik über Lautsprecher oder ähnliche Geräte abzuspielen, erkennbar nicht. Auch für Störungen der Nachtruhe durch Rufen und Klatschen hat das Vollzugsdefizit Gewicht. Zwar dürfte nicht in demselben Umfang wie bei Störungen durch Musik offenkundig sein, dass Verstöße gegen die Polizeiverordnung vorliegen und welchen Personen sie zuzurechnen sind. Aber in zahlreichen Fällen dieser Art dürfte die Verletzung von § 3 PolVO ÖffO ohne übermäßigen Aufwand durch die Beklagte feststellbar sein.

Unter Beachtung dieser Maßgaben steht es nach §§ 1, 3 PolG im Ermessen der Beklagten, wie sie gegen Verstöße gegen § 1 Abs. 1 PolVO ÖffO und § 3 PolVO ÖffO vorgeht, und obliegt es ihrem grundsätzlich weiten Normsetzungsermessen, ob sie eine Polizeiverordnung mit einem Glasflaschenverbot für den Augustinerplatz erlässt. Die Beklagte kann dabei im Rahmen einer Erstellung eines Gesamtkonzepts zu ergreifende Maßnahmen unterschiedlich gewichten sowie aufeinander abstimmen und darf dabei berücksichtigen, dass es sich bei der Entstehung von erheblichem nächtlichen Lärm auf dem Augustinerplatz durch sich dort aufhaltende Nutzer um ein komplexes, dynamisches Geschehen handelt, das von zahlreichen Faktoren abhängig ist und daher ein stets erneut der jeweiligen Situation angepasstes polizeiliches Vorgehen unter Berücksichtigung aller grundsätzlich gegebenen Handlungsmöglichkeiten erfordert.

(2) Vorrangige Regelungen des Immissionsschutzrechts stehen der Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag der Kläger auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, nicht entgegen. Daher mangelt es entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht an einer ausreichenden Rechtsgrundlage für ihr Tätigwerden; mit §§ 1, 3 PolG und §§ 1 Abs. 1, § 3 PolVO ÖffO stehen anwendbare Rechtsgrundlagen für die Beklagte zur Verfügung.

Das Bundesimmissionsschutzgesetz regelt nur anlagenbezogene Immissionen (vgl. § 2 BImSchG, vor allem § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG), verhaltensbezogene Immissionen hingegen mangels Gesetzgebungskompetenz (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG) nicht (vgl. nur Jarass, BImSchG, 14. Aufl., Einl. Rn. 30, 36, 40; Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 2 BImSchG Rn. 30 [Stand: Januar 2023]; OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 12.09.2007 – 7 A 10789/07 -). Baden-Württemberg hat ein Landesimmissionsschutzgesetz nicht erlassen. Das Fehlen landesrechtlicher Regelungen zum verhaltensbezogenen Immissionsschutz schließt es nicht aus, dass Gemeinden für ihren örtlichen Wirkungskreis in Polizeiverordnungen Regelungen zum Schutz vor Lärm, der nicht von Anlagen, sondern vom Verhalten von Personen ausgeht, treffen (Holz, in: Kenntner, Öffentliches Recht BW, 3. Aufl., Rn. 1387). Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber mit dem Unterlassen, ein Landesimmissionsschutzgesetz zu normieren, immissionsschutzrechtliche Regelungen anderer Normgeber, insbesondere der Kommunen für ihren jeweiligen örtlichen Wirkungskreis sperren wollte, fehlen gänzlich.

Ebenso wenig ausgeschlossen ist ein polizeiliches Einschreiten nach §§ 1, 3 PolG beim Verstoß gegen § 117 Abs. 1 OWiG, demzufolge insbesondere ordnungswidrig handelt, wer ohne berechtigten Anlass Lärm erregt, der geeignet ist, die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft erheblich zu belästigen (Holz, a.a.O.).

Auch Regelungen in Polizeiverordnungen, die das Abspielen von Musik durch Rundfunk- und Fernsehgeräte, Lautsprecher, Bluetooth-Boxen, Tonwiedergabegeräte oder Musikinstrumente verbietet, wenn dadurch die Nachtruhe anderer Personen gestört wird, verstoßen nicht gegen das vorrangige Bundesimmissionsschutzrecht. Selbst wenn diese Geräte Anlagen i.S.v. § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG sein sollten, fehlt es – wie sich insbesondere aus § 22 Abs. 2 BImSchG ergibt – insoweit an abschließenden Bestimmungen des Bundesrechts, die weitergehende länderrechtlichen Normen ausschließen (ausf. Senat, Normenkontrollbeschl. v. 05.08.2021, a.a.O.).

(3) Die Verpflichtung der Beklagten, über den Antrag der Kläger auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, führt nicht zu einer unzulässigen Zurechnung der durch Dritte verursachten Immissionen an die Beklagte. Zu Unrecht macht die Beklagte insoweit geltend, dass ihr nach den in der Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen über die Zurechnung von Lärmauswirkungen einer öffentlichen Einrichtung nur solche Immissionen des Augustinerplatzes, die durch eine bestimmungsgemäße Nutzung oder eine bestimmungswidrige Nutzung, zu der der Platz geradezu einlade, verursacht würden, zugerechnet werden könnten, lärmintensive Nutzungsexzesse hingegen nicht.

Dem Betreiber können nur Auswirkungen einer öffentlichen Einrichtung zugerechnet werden, die durch die eigentliche Funktion der Einrichtung bedingt sind. Aus dem Umstand, dass eine solche Anlage generell geeignet ist, missbräuchlich genutzt zu werden, kann sich eine Verantwortlichkeit des Betreibers nicht ergeben. Allenfalls bei Hinzutreten besonderer Umstände muss sich der Betreiber Beeinträchtigungen, die durch eine bestimmungswidrige Nutzung hervorgerufen werden, zurechnen lassen. Voraussetzung hierfür ist, dass sich gerade in dem jeweiligen Missbrauch eine mit der Einrichtung geschaffene besondere Gefahrenlage ausdrückt und der Missbrauch deshalb als Folge des Betriebs der Einrichtung anzusehen ist. Verantwortlich für solche dem Betreiber nicht zurechenbare Immissionen sind danach ausschließlich die Personen, die die bestimmungswidrige Nutzung ausüben. Daher besteht im Hinblick auf solche nicht zurechenbaren Immissionen kein öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch gegen den Betreiber der Einrichtung aus §§ 1004, 906 BGB analog, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG oder Art. 14 Abs. 1 GG (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.03.2012, a.a.O.; Beschl. v. 19.04.2017 – 10 S 2264/16 – NVwZ-RR 2017, 653; Bay. VGH, Urt. v. 30.11.1987 – 26 B 82 A.2088 – NVwZ 1989, 269, 272; HessVGH, Urt. v. 25.07.2011 – 9 A 125/11 – NVwZ-RR 2012, 21; Urt. v. 10.04.2014, a.a.O.; im Einzelfall strenger zur Zurechnung Senat, Urt. v. 11.04.1994, a.a.O.).

Das Fehlen eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs in solchen Fällen nicht zurechenbarer, aufgrund bestimmungswidriger Nutzung entstandener Immissionen bedeutet jedoch nicht, dass den Polizeibehörden in solchen Fällen Mittel des Polizeirechts nicht zur Verfügung stünden. Vielmehr ist allgemein anerkannt, dass solchen Missbräuchen grundsätzlich mit polizei- und ordnungsrechtlichen Mitteln zu begegnen ist (st. Rspr., BVerwG, Beschl. v. 29.05.1989 – 4 B 26/89 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.03.2012, a.a.O.; NdsOVG, Beschl. v. 29.06.2006 – 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199; OVG NRW, Beschl. v. 18.05.2009 – 10 E 289/09 -; HessVGH, Urt. v. 25.07.2011, a.a.O.). Denn das polizeirechtliche Einschreiten knüpft an Verletzungen und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung an. Ein (etwaiger) Anspruch auf polizeiliches Einschreiten oder ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber einerseits und der öffentlich-rechtliche Abwehranspruch andererseits folgen mithin unterschiedlichen Voraussetzungen und sind daher getrennt zu betrachten (vgl. auch OVG Rhld.-Pf., Urt. v. 12.09.2007, a.a.O.; SächsOVG, Beschl. v. 25.07.2022, a.a.O.).

(4) Eine Verurteilung der Beklagten, über den Antrag der Kläger auf Ergreifen polizeilicher Maßnahmen erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, führt nicht zu einer Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV.

Die Gewährleistung der Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich und die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte in diesem Bereich. Hierzu gehören auch die Organisationshoheit und die Personalhoheit.

Durch die Organisationshoheit legen die Gemeinden für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben Abläufe und Entscheidungszuständigkeiten im Einzelnen fest und bestimmen damit auch über Gewichtung, Qualität und Inhalt ihrer Entscheidungen (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 26.10.1994 – 2 BvR 445/91 – BVerfGE 91, 228 m.w.N.). Der Kernbereich der Selbstverwaltungsgarantie ist tangiert, wenn die Vorgaben des Gesetzgebers eine eigenständige organisatorische Aufgabenerfüllung ersticken. Darüber hinaus entfaltet die Gewährleistung der Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 71 LV bereits im Vorfeld der Sicherung des Kernbereichs Rechtswirkungen, indem sie den Gesetzgeber verpflichtet, bei der Ausgestaltung des Kommunalrechts den Gemeinden eine Mitverantwortung für die organisatorische Bewältigung ihrer Aufgaben dergestalt einzuräumen, dass den Gemeinden insgesamt nennenswerte organisatorische Befugnisse verbleiben. Für die Organisationshoheit gilt jedoch kein Prinzip der Allzuständigkeit. Vielmehr kommt dem staatlichen Gesetzgeber eine weitgehende Befugnis zu, die Organisationsstrukturen nach seinen Vorstellungen zu regeln; die Organisationshoheit der Gemeinden ist deshalb von vornherein nur relativ gewährleistet (BVerfG, Beschl. v. 26.10.1994, a.a.O.). Dabei gilt das Recht zur Organisation der Gemeindeverwaltung nicht nur bezüglich bestimmter Sachaufgaben, sondern für die gesamte Verwaltung. Die Garantie der Eigenverantwortlichkeit schützt die Gemeinden auch in einem der Aufgabenerfüllung vorgelagerten gemeindeinternen Bereich (BVerfG, Beschl. v. 07.02.1991 – 2 BvL 24/84 – BVerfGE 83, 363; Beschl. v 19.11.2002 – 2 BvR 329/97 – BVerfGE 107, 1; Urt. v. 20.12.2007 – 2 BvR 2433/04 u.a. – BVerfGE 119, 331).

Die Personalhoheit schützt die Befugnis, die Gemeindebeamten auszuwählen, anzustellen, zu befördern und zu entlassen (BVerfG, Beschl. v. 26.10.1994, a.a.O. m.w.N.). Für die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber und ihre Beschränkbarkeit unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gelten dieselben Anforderungen wie für die Organisationshoheit (BVerfG, Beschl. v. 07.07.2020 – 2 BvR 696/12 – BVerfGE 115, 310).

Die Organisationshoheit und die Personalhoheit der Beklagten sind weder in ihrem Kernbereich noch in dessen Vorfeld verletzt. Die Verurteilung zur Neuentscheidung kann ggfs. zu einer Bindung von Personal der Beklagten führen, das zum Schutz der Nachtruhe auf dem Augustinerplatz einzusetzen ist. Diese Personalbindung würde sich voraussichtlich im einstelligen, allenfalls niedrigen zweistelligen Bereich bewegen und mithin die Organisationsbefugnisse der Beklagten im personellen Bereich, die über 4.000 Beschäftigte und einen Haushalt von über 2,4 Milliarden EUR verfügt, nur in einen eng umgrenzten Sachbereich betreffen und die Befugnis zur organisatorischen Regelung der gemeindlichen Angelegenheiten im Übrigen, d.h. für den gesamten sonstigen Bereich kommunaler Tätigkeit unberührt lassen. Es verbleibt der Gemeinde somit – auch im Vorfeld der Sicherung des Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie – ein hinreichend weiter Spielraum kommunaler Betätigung. Auch zu einer Verletzung der Funktionsfähigkeit der den Bürgermeister der Beklagten unterstehenden Gemeindeverwaltung (vgl. dazu etwa BayVerfGH, Entsch. v. 29.08.1997 – Vf. 8-VII-96 u.a. – NVwZ-RR 1998, 82) führt die Verurteilung zur Neuentscheidung nicht. Zudem zielt diese lediglich auf die wirksame Umsetzung der von der Beklagten selbst erlassenen Vorschriften der § 1 Abs. 1, § 3 PolVO ÖffO.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss vom 03.08.2023

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf 5.000.– EUR festgesetzt.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

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