OLG Brandenburg – Az.: 4 W 33/21 – Beschluss vom 23.09.2021
In Sachen hat das Brandenburgische Oberlandesgericht – 4. Zivilsenat – am 23.09.2021 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 09.03.2021, Az. 6 0 72/20, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Vergütung von Architektenleistungen, welche die Klägerin für die Erweiterung einer Betriebsstätte der Beklagten in Stahnsdorf auf Grundlage eines Generalplanungsvertrages vom 21. März 2016 erbracht hat.
Zuletzt mit Schriftsatz vom 5. Januar 2021 hat die Beklagte beantragt, die Verhandlung bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in einem Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2020 (Az.: VII ZR 174/19), die Anwendbarkeit der Mindestsätze der HOAI zwischen Privatpersonen betreffend, auszusetzen.
Mit Beschluss vom 9. März 2021 hat das Landgericht die Aussetzung des Rechtsstreits abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass es im Rahmen einer Ermessensentscheidung der zeitnahen Verfahrensförderung den Vorrang einräume, zumal die nunmehr dem EuGH vorgelegten Fragen bereits durch dessen Entscheidung vom 4. Juli 2019 geklärt seien.
Der hiergegen eingelegten Beschwerde der Beklagten hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zu Entscheidung vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 567 Abs. 1, 252 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat zunächst nicht verkannt, dass – was vom Beschwerdegericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 – II ZB 30/04, Rn. 6) – ein Vorabentscheidungsersuchen in einem anderen Rechtsstreit einen Aussetzungsgrund darstellt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung derselben Frage abhängt, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorgelegt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – VIII ZR 236/10).
2. Es hat vielmehr im Rahmen der Ermessensausübung der Fortsetzung des Verfahrens den Vorrang eingeräumt, ohne dass dem Landgericht insoweit – hierauf beschränkt sich die Ermessensprüfung im Beschwerderechtszug (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 – II ZB 30104, Rn. 6) – Ermessensfehler unterlaufen wären. Insoweit hat das Landgericht zunächst gesehen, dass die Entscheidung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht und dieses – ausgehend davon, dass das Landgericht die Mindestsätze der HOAI im Verhältnis zwischen Personen des Privatrechts auch nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Juli 2019 (C-377/17) weiterhin für anwendbar hält – ermessensfehlerfrei dahingehend ausgeübt, dass es die Gefahr widerstreitender Entscheidungen als gering angesehen und der zeitnahen Verfahrensförderung den Vorrang eingeräumt hat. Soweit die Beklagte der Auffassung des Landgerichts zur Anwendbarkeit der Mindestsätze der HOAI entgegentritt, zeigt sie keinen Ermessensfehler der landgerichtlichen Entscheidung auf. Dem Senat ist es grundsätzlich verwehrt, die für die Aussetzung maßgebliche materiell-rechtliche Würdigung des Gerichts der ersten Instanz im Rahmen der Beschwerde einer sachlichen Prüfung zu unterziehen (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3. November 2006 – 10 W 14/06, Rn. 27 m. w. Nachw.; Greger, in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 252 Rn. 3).
Entgegen der Auffassung der Beklagten war das Ermessen des Landgerichts auch nicht auf eine Pflicht zur Aussetzung reduziert. Zwar kann im Einzelfall eine solche Ermessensreduktion bestehen, namentlich dann, wenn eine Sachentscheidung nicht möglich ist, weil deren Voraussetzungen im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 19. Februar 1986 – VIII ZR 91/85, NJW 1986, 1744, 1746). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, weil allein die Gefahr widersprechender Entscheidungen keine generelle Aussetzungspflicht begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2021 -11 ZB 16/20, Rn. 12).
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2005 ZB 30/04, Rn. 12). Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO liegen nicht vor.