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Grunddienstbarkeit durch Einfriedung beeinträchtigt – Beseitigungsanspruch

Klares Signal aus Karlsruhe: Teilweises Erlöschen einer Grunddienstbarkeit und die Pflicht zur „Umbuchung“ im Grundbuch

Im vorliegenden Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) wurde die Streitfrage um das Erlöschen und die notwendige Anpassung einer Grunddienstbarkeit in durch Bebauung berührten Fällen geklärt. Konkret ging es dabei um einen Fall, in dem die Klägerin die Löschung der Grunddienstbarkeit im Zusammenhang mit einem bereits bestehenden Mehrfamilienhaus und einer Doppelgarage zu erreichen suchte. Das relevante rechtliche Hauptproblem lag in der Klärung der Frage, ob eine Grunddienstbarkeit, die teilweise durch eine Bebauung beeinträchtigt wird, in vollem Umfang erlischt und wie damit im Grundbuch umzugehen ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: V ZR 258/21 >>>

Berufungsgericht geht teilweise fehl

Das zuständige Berufungsgericht entschied zunächst, dass der Eigentümer des belasteten Grundstücks einen Anspruch auf Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeit hat, wenn diese wegen der Verjährung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs erloschen ist. Allerdings wurde dem Hauptantrag der Klägerin in seiner ursprünglichen Form nicht stattgegeben, da kein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB in dem geltend gemachten Umfang bestand.

Teilerfolg der Klägerin, aber Revision erforderlich

Die Klägerin konnte einen Teilerfolg verbuchen, indem sie erreichte, dass das Gericht den Beklagten verurteilte, die Änderung der Grunddienstbarkeit zu bewilligen – damit darf das Grundstück nicht bebaut werden, ausgenommen die Grundstücksfläche, auf welcher sich das Mehrfamilienhaus und die Doppelgarage befinden. Allerdings stand die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Grunddienstbarkeit in Form des Bauverbots insgesamt und damit in der Höhe unbegrenzt erloschen ist, nicht der rechtlichen Überprüfung stand.

Klärung des umstrittenen Verjährungsfrage

Der BGH stellt klar, dass das Erlöschen der Grunddienstbarkeit nicht auf die bebaute Grundstücksfläche beschränkt ist. Verjährt der Anspruch auf Beseitigung des Gebäudes, erlischt die Dienstbarkeit grundsätzlich nur insoweit, als das Unterlassen der Bebauung mit einem Gebäude entsprechenden Ausmaßes nicht mehr verlangt werden kann.

Die Rolle des Grundbuches

Zentral in der Argumentation des BGH war die Rolle des Grundbuches. Es wurde betont, dass es im Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks liegt, rechtzeitig für eine Änderung der Grunddienstbarkeit durch eine Berichtigung des Grundbuches zu sorgen. Die Grunddienstbarkeit in Form des Bauverbots bleibt nach diesen Maßstäben bestehen, insoweit als eine Bebauung mit einem höheren Gebäude verboten bleibt.

Abschließend wurde hervorgehoben, dass in dem anzupassenden Hauptantrag die zu erhaltenden Baukörper in deren Ausmaß hinreichend bestimmt beschrieben werden müssen, um eine korrekte Grundbucheintragung zu ermöglichen. Der BGH betonte, dass die Neufassung des Hauptantrags die Möglichkeit bieten muss, den Umfang des Bauverbots anhand des Grundbuchs und der in der Grundakte befindlichen Eintragungsbewilligung einzuschätzen und zu beurteilen. Mit der Zurückverweisung soll der Klägerin Gelegenheit gegeben werden, den zu weit gefassten Hauptantrag anzupassen.


Das vorliegende Urteil

BGH – Az.: V ZR 258/21 – Urteil vom 28.04.2023

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. April 2023 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 19. November 2021 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Grunddienstbarkeit durch Einfriedung beeinträchtigt - Beseitigungsanspruch
Klarheit vom Bundesgerichtshof zum teilweisen Erlöschen von Grunddienstbarkeiten. Rechtzeitige Umbuchung bei Beeinträchtigungen durch Bebauungen essentiell. (Symbolfoto: GEORGII MIRONOV/Shutterstock.com)

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in K., die Beklagten sind die (Wohnungs-)Eigentümer des Nachbargrundstücks. Zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks der Beklagten ist auf dem Grundstück der Klägerin seit dem 19. Februar 1934 im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt eingetragen: „Das Grundstück darf nicht anders als durch natürliche Hecken eingefriedet und nicht bebaut werden für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Blatt 6526.“ Das Grundstück der Klägerin ist seit 1900 vollständig von einer Mauer eingefriedet, welche durch einen Heckenbewuchs begleitet wird. Anfang der 1950er Jahre wurde auf dem Grundstück der Klägerin ein Mehrfamilienhaus errichtet und 1959 eine Doppelgarage.

Gestützt darauf, die Grunddienstbarkeit sei erloschen, soweit der Bestand der baulichen Anlagen mit ihr in Widerspruch stehe, hat die Klägerin mit ihrer Klage von den Beklagten verlangt, eine Änderung der Grunddienstbarkeit dahingehend zu bewilligen, dass das Grundstück nicht bebaut werden darf, ausgenommen das auf dem Grundstück befindliche Mehrfamilienhaus sowie die Doppelgarage. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin mit einem präzisierten Haupt- und zwei Hilfsanträgen Berufung eingelegt. Den ersten Hilfsantrag haben die Beklagten anerkannt. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten nach dem zuletzt gestellten Hauptantrag verurteilt, die Änderung der Grunddienstbarkeit dahingehend zu bewilligen, dass das Grundstück nicht bebaut werden darf, ausgenommen die Grundstücksfläche, auf welcher sich das Mehrfamilienhaus und die Doppelgarage befinden (dargestellt in einem abgebildeten Lageplanausschnitt). Mit der von dem Senat zugelassenen Revision wollen die Beklagten mit Ausnahme des anerkannten Hilfsantrags die Klageabweisung erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe gegen die Beklagten den mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruch auf Bewilligung der Löschung der Grunddienstbarkeit aus § 894 BGB. Das Grundbuch sei unrichtig geworden, weil die Grunddienstbarkeit teilweise nach § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB erloschen sei. Der Anspruch der Beklagten auf Beseitigung der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen baulichen Anlagen (umfriedende Mauer, Doppelgarage, Mehrfamilienhaus) sei verjährt, da diese sämtlich mehr als 30 Jahre bestünden und keine verjährungshemmenden oder -unterbrechenden Tatbestände ersichtlich seien. Die Verjährung der Beseitigungsansprüche dürfte daher spätestens gegen Ende der 1980er Jahre eingetreten sein.

Die Grunddienstbarkeit sei nach § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB aber nicht insgesamt, sondern nur in dem Umfang erloschen, in welchem der Bestand der Anlagen mit ihr in Widerspruch stehe. Das sei hinsichtlich der Beschränkung auf die Einfriedung durch natürliche Hecken insgesamt der Fall. Hinsichtlich des Bebauungsverbots sei die Grunddienstbarkeit durch die Errichtung der Doppelgarage und das Mehrfamilienhaus bezogen auf die tatsächlich bebaute Fläche und nicht beschränkt auf die Art und Weise bzw. den körperlichen Umfang der baulichen Anlagen erloschen. Wäre das Erlöschen des Bauverbots auf den Umfang eines bestimmten Gebäudekörpers in seiner konkreten Beschaffenheit beschränkt, wäre das unpraktikabel. Denn dann könnte im Falle eines Neubaus ein neuer Rechtsstreit darüber entstehen, ob das Gebäude exakt dem entspreche, was derzeit dort vorhanden sei.

II.

Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dem Hauptantrag der Klägerin kann in der derzeitigen Form nicht stattgegeben werden, weil ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB in dem geltend gemachten Umfang nicht besteht.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks gegen den Eigentümer des herrschenden Grundstücks einen Anspruch aus § 894 BGB auf Zustimmung zur Löschung der Grunddienstbarkeit hat, wenn diese wegen der Verjährung des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs erloschen ist. Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, stehen dem Berechtigten die in § 1004 BGB bestimmten Rechte zu (§ 1027 BGB). Beeinträchtigung in diesem Sinn ist jede Störung oder Behinderung der rechtmäßigen Ausübung der Dienstbarkeit. Der Dienstbarkeitsberechtigte kann die Beseitigung bzw. die Unterlassung einer solchen Beeinträchtigung verlangen (§ 1004 Abs. 1 BGB). Dieser Anspruch unterliegt jedoch nach § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB der Verjährung auch dann, wenn die Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen ist; mit der Verjährung des Anspruchs erlischt das Recht, soweit der Bestand der Anlage mit ihm in Widerspruch steht. Mit dem Erlöschen der Grunddienstbarkeit wird das Grundbuch unrichtig, weil es eine nicht mehr bestehende Belastung ausweist. Daher kann der Eigentümer des dienenden Grundstücks von dem Berechtigten nach § 894 BGB insoweit die Bewilligung – in der Form des § 29 GBO – der Berichtigung des Grundbuchs durch Löschung der Grunddienstbarkeit verlangen (vgl. zum Ganzen Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, NJW-RR 2023, 521 Rn. 7 mwN). Die Beklagten sind als Wohnungseigentümer für den Löschungsanspruch, wovon das Berufungsgericht unausgesprochen ausgeht, auch passivlegitimiert (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, aaO Rn. 8).

2. Das Berufungsgericht legt weiter zutreffend zugrunde, dass nach § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB die Dienstbarkeit nur erlischt, „soweit“ der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht. Die Grunddienstbarkeit erlischt nur dann insgesamt, wenn die Ausübung der durch sie gewährten Berechtigung aufgrund der Beeinträchtigung durch die Anlage gar nicht mehr möglich ist. Wird die Dienstbarkeit durch die Anlage nur teilweise beeinträchtigt, dann erlischt sie nur hinsichtlich des von der Beeinträchtigung betroffenen Teils und bleibt im Übrigen bestehen. Dies gilt auch dann, wenn die Grunddienstbarkeit ein Bauverbot zum Inhalt hat, gegen das durch die Errichtung eines Gebäudes verstoßen wurde (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, NJW-RR 2023, 521 Rn. 20 ff.). Der Eigentümer des belasteten Grundstücks kann dann nach § 894 BGB von dem Eigentümer des herrschenden Grundstücks nur die Bewilligung einer teilweisen Löschung der Grunddienstbarkeit in Form einer Inhaltsänderung (räumliche Einschränkung) verlangen (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, aaO Rn. 33).

3. Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Grunddienstbarkeit in Form des Bauverbots mit der Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung des Mehrfamilienhauses und der Doppelgarage bezogen auf die bebaute Grundstücksfläche insgesamt und damit – worüber die Parteien vornehmlich streiten – in der Höhe unbegrenzt erloschen ist. Erloschen ist die Grunddienstbarkeit nur insoweit, als das Unterlassen der Bebauung mit Gebäuden entsprechenden Ausmaßes nicht mehr verlangt werden kann.

a) Das Anfang der 1950er Jahre errichtete Mehrfamilienhaus und die 1959 errichtete Doppelgarage sind bauliche Anlagen, durch welche die Grunddienstbarkeit in Form des Bauverbots beeinträchtigt wird (§ 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung verjährt, wenn es – wie hier – um die Verwirklichung des Rechts selbst und nicht nur um eine Störung in der Ausübung geht, in entsprechender Anwendung von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach dreißig Jahren (Senat, Urteil vom 18. Juli 2014 – V ZR 151/13, NJW 2014, 3780 Rn. 13, 29). Die Verjährung trat hinsichtlich des Mehrfamilienhauses und der Doppelgarage spätestens Ende 1989 ein.

b) Richtig ist zwar, dass die Doppelgarage und das Mehrfamilienhaus nicht die gesamte Grundstücksfläche ausschöpfen, so dass die Grunddienstbarkeit hinsichtlich der nicht bebauten Grundstücksfläche bestehen blieb. Auf die bebaute Grundstücksfläche allein kommt es für den Umfang des Erlöschens der Grunddienstbarkeit gemäß § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB aber nicht an. Verjährt der Anspruch auf Beseitigung des Gebäudes, erlischt die Dienstbarkeit, wie der Senat – allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils – entschieden hat, grundsätzlich nur insoweit, als das Unterlassen der Bebauung mit einem Gebäude entsprechenden Ausmaßes nicht mehr verlangt werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, NJW-RR 2023, 521 Rn. 20). Schöpft – wie hier – das errichtete Gebäude den von dem Bauverbot erfassten Bereich des Grundstücks nicht aus, kann ein abgrenzbarer Teil des Bauverbotes verbleiben. Damit ist nicht nur die verbleibende nicht bebaute Grundstücksfläche gemeint, sondern auch der Raum über dem Gebäude. Denn das Recht des Eigentümers eines Grundstücks erstreckt sich auch auf den Raum über der Oberfläche (§ 905 Satz 1 BGB), sodass ein generelles Bauverbot die Ausübung seines Eigentümerrechts auch in der Höhe ausschließt (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, aaO Rn. 26).

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c) Die Begrenzung des Erlöschens der Grunddienstbarkeit auf das Unterlassen der Bebauung mit einem Gebäude entsprechenden Ausmaßes ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht unpraktikabel.

aa) Das gilt zunächst, wenn der Eigentümer des belasteten Grundstücks – wie hier – die Grundbuchberichtigung veranlasst. Durch die Geltendmachung des Berichtigungsanspruchs aus § 894 BGB werden Wirklichkeit und Grundbuchinhalt wieder in Übereinstimmung gebracht (vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, NJW-RR 2023, 521 Rn. 32). Nach durchgeführter Berichtigung kann ein unbefangener Betrachter den Umfang des Bauverbots anhand des Grundbuchs und der in der Grundakte (§ 24 GBV) befindlichen Eintragungsbewilligung einschätzen und beurteilen, ob ein Neubau in seiner Fläche und Höhe dem Baukörper des früheren Gebäudes entspricht und damit zulässig ist. Wird anstelle des Gebäudes ein Neubau errichtet, muss dieser nicht exakt dem vorigen Bau entsprechen. Für die Reichweite des Erlöschens des Bauverbots kommt es nicht auf die konkrete Beschaffenheit des früheren Gebäudes, sondern auf dessen Baukörper an. Dieser kann und muss, damit sich aus der berichtigten Eintragung der geänderte Inhalt der Grunddienstbarkeit ergibt, in der Eintragungsbewilligung (§ 19 GBO) in seinen ungefähren Umrissen beschrieben werden (vgl. dazu unten Rn. 23).

bb) Unterbleibt eine solche Grundbuchberichtigung, weil keiner der Eigentümer sie herbeiführt, kann allerdings der Umfang des Erlöschens der Grunddienstbarkeit mit Zeitablauf unklar werden. Er ergibt sich dann nicht aus dem Grundbuch. Das ist jedoch unmittelbare Folge des kraft Gesetzes auf Teile der Grunddienstbarkeit begrenzten Erlöschens des dinglichen Rechts (§ 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB; vgl. Senat, Urteil vom 20. Januar 2023 – V ZR 65/22, NJW-RR 2023, 521 Rn. 32). Es liegt im Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks, rechtzeitig für die inhaltliche Änderung der Grunddienstbarkeit durch eine Grundbuchberichtigung zu sorgen; denn er trägt insoweit die Darlegungs- und Beweislast, so dass die Unaufklärbarkeit von Vorgängen aus der Vergangenheit zu seinen Lasten geht.

d) Die Grunddienstbarkeit in Form des Bauverbots ist nach diesen Maßstäben mit der Verjährung des Anspruchs auf Beseitigung des Mehrfamilienhauses und der Doppelgarage nicht nur hinsichtlich der nicht bebauten Grundstücksfläche bestehen geblieben, sondern auch insoweit, als eine Bebauung jeweils mit einem höheren Gebäude verboten blieb und bleibt. Anhaltspunkte dafür, dass ein in diesem Rahmen fortbestehendes Bauverbot dem herrschenden Grundstück keinen Vorteil i.S.v. § 1019 BGB mehr böte, liegen nicht vor.

4. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, das durch die Grunddienstbarkeit gesicherte Einfriedungsverbot sei wegen der auf dem belasteten Grundstück errichteten Mauer insgesamt erloschen.

a) Die Grunddienstbarkeit hat neben dem allgemeinen Bauverbot ein Einfriedungsverbot zum Inhalt (zur Kombination von mehreren Verboten bzw. Befugnissen vgl. Senat, Urteil vom 29. Oktober 1965 – V ZR 77/63, NJW 1965, 2398, 2399; Beschluss vom 6. November 2014 – V ZB 131/13, NJW-RR 2015, 208 Rn. 17; Urteil vom 17. Dezember 2021 – V ZR 44/21, NJW-RR 2022, 594 Rn. 11). Inhalt des durch die Grunddienstbarkeit gesicherten Einfriedungsverbots ist ein Verbot im Sinne des § 1018 Alt. 2 BGB, das Grundstück einzufrieden, mit Ausnahme der Einfriedung durch natürliche Hecken. Das bedeutet nicht, dass das belastete Grundstück mit natürlichen Hecken eingefriedet werden müsste; eine solche positive Leistungspflicht des Eigentümers könnte auch gemäß § 1018 BGB nicht (Haupt-)Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein (vgl. Senat, Urteil vom 2. März 1984 – V ZR 155/83, WM 1984, 820, 821). Das Grundstück der Beklagten darf mit einer Hecke – in unbegrenzter Höhe – eingefriedet werden, muss es aber nicht; eine andere Einfriedung als durch natürliche Hecke ist hingegen verboten. Ein solches Einfriedungsverbot ist zu behandeln wie ein Bauverbot, nach dem bestimmte Anlagen erlaubt sind und andere nicht.

b) Die das belastete Grundstück einfriedende Mauer verstößt gegen das Einfriedungsverbot. Sie ist eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird (§ 1027 BGB), mit der Folge, dass dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks im Grundsatz die in § 1004 BGB genannten Rechte zustehen. Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Mauer bereits im Jahr 1900 errichtet wurde, sie also zu schon im Zeitpunkt der Bestellung der Grunddienstbarkeit bestand. Wird eine Grunddienstbarkeit bereits bei Bestellung durch eine auf dem belasteten Grundstück vorhandene Anlage beeinträchtigt, begründet dies, vorbehaltlich einer schuldrechtlich vereinbarten Duldungspflicht, einen Beseitigungsanspruch des Berechtigten (§ 1027, § 1004 Abs. 1 BGB). Ob und inwieweit die Grunddienstbarkeit durch eine Anlage im Sinne des § 1027 BGB beeinträchtigt wird, bestimmt sich nicht nach dem Zeitpunkt von deren Errichtung, sondern nach dem Inhalt der Grunddienstbarkeit, wie er sich aus dem Grundbuch ergibt. Auf den Grundbuchinhalt muss der Rechtsverkehr vertrauen dürfen. Dem widerspricht es, den Abwehranspruch zum Schutz der ungestörten Ausübung der Grunddienstbarkeit auf neu errichtete Anlagen zu beschränken. Andernfalls käme es zu schwierigen Abgrenzungsfragen, weil sich der Zeitpunkt der Errichtung der Anlage regelmäßig nicht aus dem Grundbuch ergibt und im Nachhinein oft auch nicht zuverlässig festgestellt werden kann. Das schließt es allerdings nicht aus, dass der Berechtigte und der Verpflichtete schuldrechtlich vereinbaren, dass eine bei Bestellung vorhandene Anlage (zunächst) nicht entfernt werden muss. Eine solche schuldrechtlich vereinbarte Duldung einer bestehenden Anlage bindet den Einzelrechtsnachfolger jedoch nicht (vgl. Senat, Urteil vom 24. April 2015 – V ZR 138/14, NJW-RR 2015, 1234 Rn. 7 mwN).

c) Auf einen solchen Beseitigungsanspruch findet § 1028 BGB Anwendung (so auch OLG Schleswig, BeckRS 2021, 9740 Rn. 17; OLG Saarbrücken, MDR 2009, 376; Grüneberg/Herrler, BGB, 82. Aufl., § 1028 Rn. 2; MüKoBGB/Mohr, 9. Aufl., § 1028 Rn. 6). Soweit das teilweise anders gesehen und, sofern dies überhaupt begründet wird, die Ansicht vertreten wird, die Interessenlage bei Bestehen einer störenden Anlage sei nicht notwendig die gleiche wie bei einem nachträglichen Errichten einer solchen Anlage (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 2. Mai 2016 – 5 U 102/15; BeckOGK/Kazele, BGB [1.2.2023], § 1028 Rn. 14; NK-BGB/Otto, 5. Aufl., § 1028 Rn. 10; RGRK/Rothe BGB, 12. Aufl., § 1028 Rn. 2; Staudinger/Weber, BGB [2017], § 1028 Rn. 3: „neue Anlage“), überzeugt das nicht. Für die Anwendung des § 1028 BGB kommt es nicht darauf an, wann die Anlage errichtet worden ist, sondern darauf, ob diese die rechtmäßige Ausübung der Dienstbarkeit stört oder behindert und deshalb ein Beseitigungsanspruch nach § 1027, § 1004 Abs. 1 BGB gegeben ist. Das ist im Grundsatz auch bei einer bereits bestehenden Anlage der Fall (vgl. Rn. 17). Aus dem Wortlaut von § 1028 Abs. 1 Satz 1 BGB („Ist auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird, errichtet worden …“) ergibt sich nichts Anderes. Als Voraussetzung für die Verjährung des Anspruchs des Berechtigten auf Beseitigung der Störung ist nur formuliert, dass die Anlage auf dem belasteten Grundstück errichtet worden ist und dadurch die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird. Zu dem Zeitpunkt der Errichtung der Anlage verhält sich die Vorschrift nicht. Der mit § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB verfolgte Zweck, dass sich die Wirklichkeit nach einer gewissen Zeit gegen den Inhalt des Grundbuchs durchsetzt (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2014 – V ZR 151/13, NJW 2014, 3780 Rn. 20), greift auch für eine bei Eintragung der Grunddienstbarkeit bereits bestehende Anlage ein. Mit der Verjährung des Beseitigungsanspruchs des Berechtigten erlischt folglich die Dienstbarkeit, soweit der Bestand der Anlage mit ihr in Widerspruch steht (§ 1028 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB entsprechend).

d) Der Anspruch der Klägerin auf Beseitigung der Mauer war somit spätestens Ende 1964 verjährt. Mit der Verjährung des Beseitigungsanspruchs erlischt das Einfriedungsverbot aber nicht insgesamt, sondern nur insoweit, als das Unterlassen der Einfriedung, wenn sie anders als durch natürliche Hecken erfolgt, in einem der Mauer entsprechenden Ausmaß nicht mehr verlangt werden kann. Das Einfriedungsverbot wird durch die Mauer zwar im Ganzen beeinträchtigt. Es verbleibt aber ein abgrenzbarer Teil des Verbots, der von der Mauer nicht beeinträchtigt wird, weil eine das Ausmaß der Mauer überschreitende, nicht in einer natürlichen Hecke bestehende Einfriedung verboten bleibt. In Widerspruch zu dem Einfriedungsverbot steht die Mauer nämlich nur im Umfang ihres derzeitigen Baukörpers, also bezogen auf ihre Breite und ihre Höhe. Insoweit ist das Einfriedungsverbot erloschen. Dagegen bleibt es insoweit bestehen, als eine nicht aus einer natürlichen Hecke bestehende Einfriedung verboten bleibt, die breiter und höher ist als die derzeit auf dem belasteten Grundstück befindliche Mauer. Im Rahmen des Baukörpers der Mauer ist die Klägerin in der Wahl der Art der Einfriedung frei geworden.

III.

Das Urteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da er nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

1. Der Hauptantrag ist zu weit gefasst. Die Klägerin will die Löschung des Einfriedungsverbots insgesamt und die Löschung des Bauverbots insoweit erreichen, als das Verbot der Bebauung bezogen auf die mit dem Mehrfamilienhaus und der Doppelgarage bebauten Fläche erloschen ist. Sie hat aber nur einen Anspruch darauf, dass das Grundstück nicht anders als durch natürliche Hecken eingefriedet wird, mit Ausnahme der Einfriedung durch eine Anlage in einem der Mauer entsprechenden Ausmaß, und einen Anspruch auf Löschung des Bauverbots mit Ausnahme der Bebauung mit Gebäuden, die den vorhandenen Baukörpern im Umfang entsprechen. Der Klägerin ist durch die Zurückverweisung Gelegenheit zu geben, den zu weit gefassten Hauptantrag anzupassen. Damit ist die innerprozessuale Bedingung der Erfolglosigkeit des Hauptantrags für die Entscheidung über die Hilfsanträge nicht eingetreten; das seitens der Beklagten erklärte, auf den ersten Hilfsantrag bezogene Anerkenntnis ist prozessual überholt.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:

In dem anzupassenden Hauptantrag müssen die Baukörper des Mehrfamilienhauses, der Doppelgarage und der Mauer, in deren Ausmaß die Grunddienstbarkeit bestehen bleibt, in ungefähren Umrissen hinreichend bestimmt beschrieben werden. Denn auch dann, wenn das Grundbuch – wie hier – im Hinblick auf das kraft Gesetzes eingetretene Erlöschen eines dinglichen Rechts berichtigt werden soll (§ 1028 Abs. 1 Satz 2, § 894 BGB), muss aus der berichtigten Eintragung hinreichend bestimmt hervorgehen, inwieweit das dingliche Rechte weiter fortbesteht. Für die dafür notwendige Beschreibung des Umfangs des Rechts bieten die Grundsätze, die für die Bezeichnung der zum rechtsgeschäftlichen Inhalt der Grunddienstbarkeit gemachten Ausübungsstelle aufgestellt worden sind (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 16. Februar 2012 – V ZB 204/11; Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 2/18, NJW-RR 2019, 273 Rn. 15), eine Orientierung. Die Fläche der Gebäude muss sich aus einem Lageplan ergeben. Die Höhe und Breite der Gebäude wird idealerweise ebenfalls zeichnerisch dargestellt unter Meterangaben bzw. unter Angabe der Geschosszahlen. Lageplan und Skizze können in den Tenor der von dem Berufungsgericht zu treffenden neuen Entscheidung aufgenommen oder unter Bezugnahme dem Urteil beigefügt werden. Die Eintragung der teilweisen Löschung der Grunddienstbarkeit in Form der Inhaltsänderung erfolgt dann durch Bezugnahme auf das Urteil, das nach Eintritt der Rechtskraft die für die Eintragung nach § 19 GBO erforderliche Bewilligung der Beklagten ersetzt (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 1984 – V ZR 206/82, BGHZ 90, 323, 327; Urteil vom 21. Februar 1986 – V ZR 246/84, NJW 1986, 1867, 1868; Beschluss vom 17. November 2011 – V ZB 58/11, NJW 2012, 530 Rn. 7).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Grunddienstbarkeit: Dieses Rechtsgebiet bezieht sich auf das Dingliche Recht eines Grundstückseigentümers, von einem anderen Grundstückseigentümer bestimmte Handlungen auf dessen Grundstück zu dulden oder von bestimmten Handlungen abzusehen. Im vorliegenden Fall beinhaltete die Grunddienstbarkeit das Verbot der Einfriedung und Bebauung. Dies hat zu Konflikten geführt und führte zu Gerichtsverfahren.
  2. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 894: Dieser Gesetzesteil befasst sich mit Ansprüchen auf Zustimmung zur Löschung einer Grunddienstbarkeit. Nach diesem Gesetz kann der Eigentümer eines belastenden Grundstücks den Eigentümer eines begünstigten Grundstücks dazu auffordern, zuzustimmen, dass eine Grunddienstbarkeit gelöscht wird, wenn diese wegen Verjährung erloschen ist. In diesem Fall ist der Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs durch die Klägerin entscheidend.
  3. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1028: Dieser Gesetzesteil regelt das Erlöschen von Dienstbarkeiten. Im vorliegenden Fall spielt er eine Rolle, weil die Grunddienstbarkeit in Bezug auf das Bauverbot durch die Errichtung eines Mehrfamilienhauses und einer Doppelgarage nur insoweit erlischt, als das Unterlassen der Bebauung mit einem Gebäude entsprechenden Ausmaßes nicht mehr verlangt werden kann.
  4. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 1027: Dieses Gesetz spielt in dem vorliegenden Fall eine Rolle, weil es die Rechte des Eigentümers definiert, wenn eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt wird.

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