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Grundstücksleihe – Kündigung Leihvertrag trotz Investitionen zulässig

Gericht entscheidet: Vermietung ohne Vertrag ist rechtlich nicht bindend

Die Kündigung eines Leihvertrags über ein Grundstücksteil, auf dem die Beklagten eigenständig bauliche Anlagen errichtet hatten, ist rechtens, obwohl die Beklagten Investitionen getätigt haben; das Gericht stützt seine Entscheidung auf § 985 BGB und die Kündigung des Klägers nach § 604 Abs. 3 BGB, da kein dauerhaftes Nutzungsrecht vereinbart oder ersichtlich war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 74 C 131/20 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Amtsgericht Plön entschied mit Az.: 74 C 131/20, dass die Kündigung eines Leihvertrags für ein Grundstücksteil trotz dort getätigter Investitionen durch die Beklagten rechtens ist.
  • Der Kläger erbte das Grundstück und kündigte den Leihvertrag, woraufhin die Beklagten zur Räumung verurteilt wurden.
  • Die Beklagten hatten ohne eine klare rechtliche Grundlage bauliche Anlagen errichtet und konnten kein dauerhaftes Nutzungsrecht beweisen.
  • Das Gericht stützte seine Entscheidung auf § 985 BGB (Herausgabeanspruch des Eigentümers) und § 604 Abs. 3 BGB (Rückforderung bei unbestimmter Leihdauer).
  • Ein behauptetes lebenslanges Nutzungsrecht wurde von den Beklagten nicht nachgewiesen.
  • Die Duldung des Bauvorhabens durch den früheren Eigentümer wurde als Leihvertrag interpretiert, dessen Kündigung rechtlich zulässig war.
  • Die wirtschaftlichen Aufwendungen der Beklagten für die Errichtung des Carports rechtfertigen keine unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB bezüglich der Kündigung.
  • Die Kosten des Rechtsstreits wurden den Beklagten auferlegt, und das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Unbefristete Grundstücksleihe: Rechtlicher Rahmen

Das Leihrechtsverhältnis regelt die vorübergehende, unentgeltliche Überlassung einer Sache zum Gebrauch. Dabei bleibt der Verleiher Eigentümer der Sache. Zentraler Streitpunkt ist oftmals, ob eine zeitliche Befristung der Leihe vereinbart wurde oder nicht.

Bauliche Investitionen auf dem Grundstück können die Rechtslage zusätzlich verkomplizieren. Grundsätzlich erlischt das Nutzungsrecht des Entleihers mit der Kündigung – auch dann, wenn er erhebliche Aufwendungen getätigt hat. Ausnahmen sind in bestimmten Fällen möglich.

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➜ Der Fall im Detail


Streit um Grundstücksnutzung mündet in Gerichtsverfahren

Im Zentrum des Falls stand ein Stück Land, das im Laufe der Jahre von den Beklagten, den Nachbarn des Klägers, in verschiedener Weise genutzt wurde.

Grundstückleihe
(Symbolfoto: wichayada suwanachun /Shutterstock.com)

Die Beklagten errichteten auf diesem Teil des Grundstücks ein Carport, einen Kiesweg und eine Steinterrasse und nutzten es zusätzlich als Abstellplatz für diverse Gegenstände. Diese Entwicklungen folgten auf eine mutmaßliche mündliche Vereinbarung mit dem Vater des Klägers, dem früheren Eigentümer des Grundstücks, der die Nutzung des Landes durch die Beklagten gestattet haben soll. Nach dem Erbfall im Jahr 2018 sah sich der neue Eigentümer, der Kläger, jedoch veranlasst, die Nutzung seines Grundstücks durch die Beklagten zu hinterfragen und verlangte die Räumung des besagten Teils seines Grundstücks.

Das Urteil des Amtsgerichts Plön

Das Amtsgericht Plön verurteilte die Beklagten zur Räumung des Grundstücksteils und zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits. Die entscheidende Rechtsgrundlage bildete § 985 BGB, der den Eigentümeranspruch auf Herausgabe der Sache stützt. Das Gericht wies darauf hin, dass kein rechtlich bindendes Besitzrecht der Beklagten gegenüber dem Kläger existierte. Besonders interessant ist, dass die vermeintliche mündliche Zusage des Vaters des Klägers, die Nutzung des Carports und des Grundstücks wäre lebenslang gestattet, rechtlich nicht haltbar war, da die Beklagten keinen eindeutigen Beweis für diese Behauptung erbringen konnten.

Beweisaufnahme und Auslegung des Leihvertrags

Das Gericht führte eine umfassende Beweisaufnahme durch, einschließlich der Vernehmung von Zeugen. Trotz der Aussagen, die ein Einverständnis des Vaters des Klägers zur Nutzung des Grundstücks durch die Beklagten nahelegten, konnte keine dauerhafte Berechtigung abgeleitet werden. Der ursprüngliche Gedanke eines Leihvertrags im Sinne des § 598 BGB wurde durch die Kündigung des Klägers rechtskräftig beendet, wobei das Gericht klarmachte, dass ein Leihverhältnis ohne bestimmte Dauer nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit kündbar ist.

Kündigungsrecht und fehlender Beweis des Besitzrechts

Trotz der Investitionen der Beklagten in das Grundstück und der langjährigen Nutzung stand ihnen kein Besitzrecht zu, das über die Kündigung des Leihvertrags durch den Kläger hinaus Bestand gehabt hätte. Das Gericht verneinte ebenfalls eine unzulässige Rechtsausübung des Klägers nach § 242 BGB, da keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit durch die Beendigung des Leihvertrages vorlag. Die Beklagten konnten somit nicht nachweisen, dass ihnen eine Nutzung des Grundstücks lebenslang zustehe, was letztendlich zu ihrem Nachteil entschied.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

Die rechtlichen Schlussfolgerungen dieses Falls verdeutlichen, wie wichtig klare, rechtlich bindende Vereinbarungen bei der Nutzung fremden Eigentums sind. Das Urteil betont die Bedeutung des Eigentumsrechts und des Besitzanspruchs, wobei mündliche Zusagen oder Duldungen ohne rechtliche Absicherung nicht ausreichen, um dauerhafte Nutzungsrechte zu etablieren. Das Gericht legte Wert auf die eindeutige Feststellung des Eigentums und die Berechtigung zur Kündigung eines Leihverhältnisses, selbst wenn durch die Beklagten Investitionen getätigt wurden.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter einem Leihvertrag?

Ein Leihvertrag ist ein unentgeltlicher Vertrag, durch den der Verleiher einer Sache verpflichtet wird, dem Entleiher den Gebrauch dieser Sache zu gestatten. Gegenstand eines Leihvertrags können sowohl bewegliche Sachen wie Autos oder Fahrräder als auch unbewegliche Sachen wie Grundstücke oder Wohnungen sein.

Der Leihvertrag begründet ein Dauerschuldverhältnis, bei dem der Entleiher das Recht zur Benutzung der Sache im Rahmen der getroffenen Vereinbarung erhält. Er ist verpflichtet, die Sache nach Ablauf der Leihdauer in dem Zustand zurückzugeben, der dem vertragsgemäßen Gebrauch entspricht. Der Verleiher bleibt Eigentümer der Sache und trägt die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung.

Leihverträge können befristet oder unbefristet geschlossen werden. Wurde keine Leihdauer vereinbart, kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern. Bei befristeten Leihverträgen steht dem Verleiher ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grund zu, insbesondere wenn er die Sache selbst dringend benötigt oder der Entleiher vertragswidrig handelt.

Für einen wirksamen Leihvertrag bedarf es keiner besonderen Form, er kann auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten zustande kommen. Zu empfehlen ist aber eine schriftliche Vereinbarung, um Streitigkeiten vorzubeugen. Wesentliche Inhalte sind die Bezeichnung der Vertragsparteien und des Leihgegenstands, die Leihdauer sowie Regelungen zur Rückgabe und Kündigung.

Der Leihvertrag grenzt sich insbesondere vom Mietvertrag durch die Unentgeltlichkeit ab. Wird für die Gebrauchsüberlassung ein Entgelt vereinbart, liegt rechtlich kein Leihvertrag, sondern ein Mietverhältnis vor. Auch die „Leihe“ von verbrauchbaren Sachen wie Lebensmitteln stellt keinen Leihvertrag, sondern ein Sachdarlehen dar, da hier nicht dieselben, sondern gleichartige Sachen zurückzugewähren sind.

Wie kann ein Leihvertrag gekündigt werden?

Ein Leihvertrag kann auf verschiedene Arten beendet bzw. gekündigt werden:

  1. Ablauf der vereinbarten Leihzeit: Wurde eine bestimmte Leihdauer vereinbart, endet der Leihvertrag automatisch mit Zeitablauf. Der Entleiher ist dann verpflichtet, die Sache zurückzugeben.
  2. Kündigung durch den Verleiher aus wichtigem Grund: Das Gesetz räumt dem Verleiher in § 605 BGB ein außerordentliches Kündigungsrecht ein, wenn
    • er die verliehene Sache selbst dringend benötigt (Nr. 1),
    • der Entleiher die Sache vertragswidrig gebraucht, insbesondere unbefugt einem Dritten überlässt (Nr. 2) oder
    • der Entleiher stirbt (Nr. 3).

      Die Kündigung kann in diesen Fällen fristlos erklärt werden.

  3. Rückforderung bei unbestimmter Leihdauer: Wurde keine Leihzeit vereinbart und ergibt sich auch keine aus dem Vertragszweck, kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern (§ 604 Abs. 3 BGB). Eine Kündigung ist dafür nicht erforderlich.
  4. Vertraglich vereinbartes Kündigungsrecht: Die Parteien können im Leihvertrag Regelungen über eine ordentliche Kündigung und Kündigungsfristen treffen. Solche Abreden gehen den gesetzlichen Vorschriften vor.

Bei der Ausübung des Kündigungsrechts sind die Interessen beider Parteien gegeneinander abzuwägen. Je mehr sich der Entleiher auf die Dauer der Leihe verlassen und entsprechende Investitionen getätigt hat, desto gewichtiger muss der Eigenbedarf des Verleihers sein. Auch eine sehr lange Vertragsdauer kann einer Kündigung entgegenstehen.

Nach wirksamer Beendigung des Leihvertrags hat der Entleiher die Sache unverzüglich zurückzugeben (§ 604 Abs. 1 BGB). Kommt er dem nicht nach, kann der Verleiher einen Herausgabeanspruch gerichtlich durchsetzen.

Welche Rolle spielen mündliche Vereinbarungen bei der Nutzung eines Grundstücks?

Mündliche Vereinbarungen über die Nutzung eines Grundstücks können unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich bindend sein, bergen aber auch Risiken und Grenzen:

Grundsätzlich können Verträge über die Nutzung eines Grundstücks, wie z.B. ein Leihvertrag, auch mündlich geschlossen werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht vor, dass Verträge bis auf einige Ausnahmen auch mündlich gültig sind. Ein mündlicher Leihvertrag begründet dann ein Dauerschuldverhältnis, bei dem der Entleiher das Recht zur Benutzung im Rahmen der Vereinbarung erhält.

Problematisch ist jedoch oft die Beweisbarkeit des Inhalts eines nur mündlich geschlossenen Vertrags. Im Streitfall müssen die Parteien die getroffenen Abreden durch Zeugen oder andere Indizien nachweisen. Daher ist eine schriftliche Dokumentation zu empfehlen, um Klarheit zu schaffen und spätere Konflikte zu vermeiden.

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Zudem können mündliche Zusagen des Grundstückseigentümers zu Eigenschaften oder zur Bebaubarkeit des Grundstücks, die vor Abschluss eines Kaufvertrags getätigt wurden, rechtlich unverbindlich sein, wenn sie nicht im notariellen Vertrag festgehalten werden. Die Beurkundung hat insoweit Vorrang.

Auch sehr langfristige oder „lebenslange“ mündliche Nutzungsvereinbarungen stoßen an Grenzen. So kann sich der Grundstückseigentümer in der Regel nicht wirksam seines Kündigungsrechts aus wichtigem Grund begeben. Eine sehr lange Vertragsdauer kann einer Kündigung aber entgegenstehen, wenn der Nutzer im Vertrauen darauf Investitionen getätigt hat.

Fazit: Mündliche Vereinbarungen über Grundstücksnutzungen sind zwar grundsätzlich möglich, aber mit Unsicherheiten behaftet. Für beide Seiten ist eine schriftliche Fixierung anzuraten, die wesentliche Punkte wie Nutzungsumfang, Dauer und Kündigung klar regelt. Bei Grundstückskäufen haben im notariellen Vertrag nicht erwähnte mündliche Zusagen des Verkäufers regelmäßig keinen Bestand.

Sind Investitionen in ein geliehenes Grundstück rechtlich geschützt?

Investitionen des Entleihers in ein geliehenes Grundstück können unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich geschützt sein, wobei die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind.

Grundsätzlich gilt, dass der Entleiher die Sache nur vertragsgemäß gebrauchen darf und keine Veränderungen an ihr vornehmen darf. Investitionen in Form von Baumaßnahmen oder sonstigen Aufwendungen bedürfen daher der Zustimmung des Verleihers. Wurden sie eigenmächtig vorgenommen, kann der Verleiher sogar die sofortige Beseitigung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen.

Hat der Verleiher die Investitionen jedoch gestattet oder geduldet, kann dies seine Kündigungsmöglichkeiten einschränken. Denn je mehr sich der Entleiher im Vertrauen auf die Dauer der Leihe zu Investitionen veranlasst sah, desto gewichtiger muss ein vom Verleiher geltend gemachter Eigenbedarf sein. Eine Interessenabwägung kann dann ergeben, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs treuwidrig und damit unwirksam ist.

Auch ein Anspruch des Entleihers auf Ersatz seiner Aufwendungen nach Beendigung des Leihvertrags kommt in Betracht. War die Investition im Interesse des Verleihers, kann der Entleiher gemäß § 539 Abs. 1 BGB einen Ausgleich verlangen, soweit die Aufwendungen nicht durch die Nutzung aufgezehrt wurden. Voraussetzung ist aber, dass die Maßnahme mit Einverständnis des Verleihers erfolgte.

Wurde dem Entleiher vertraglich ein Wegnahmerecht für seine Einrichtungen eingeräumt, kann er diese bei Vertragsende abbauen und mitnehmen. Ansonsten fällt das auf dem Grundstück Errichtete nach den Regeln über den Gebäudeerwerb in das Eigentum des Grundstückseigentümers.

Zusammenfassend hängt der Schutz von Investitionen auf einem geliehenen Grundstück maßgeblich davon ab, ob der Verleiher diesen zugestimmt hat. Eigenmächtige Maßnahmen berechtigen ihn sogar zur Kündigung. Bei einvernehmlichen Investitionen können sich aber Kündigungsbeschränkungen und Ausgleichsansprüche des Entleihers ergeben. Zur Vermeidung von Streitigkeiten sollten Investitionsvorhaben und ihre Folgen vorab klar vertraglich geregelt werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 985 BGB (Herausgabeanspruch): Dieser Paragraph ist zentral, weil er den Eigentümer eines Grundstücks berechtigt, von jedem Besitzer die Herausgabe zu verlangen, sofern dieser nicht zum Besitz berechtigt ist. Im Kontext der Grundstücksleihe erklärt er, warum der Kläger erfolgreich die Räumung des von den Beklagten genutzten Grundstücks verlangen konnte.
  • § 598 BGB (Leihvertrag): Dieser regelt die unentgeltliche Überlassung einer Sache zum Gebrauch und ist hier relevant, da das Gericht feststellte, dass zwischen dem Vater des Klägers und den Beklagten ein solcher Vertrag bestand, der durch die Kündigung des Klägers beendet wurde.
  • § 604 Abs. 3 BGB (Kündigung der Leihe): Dieser Paragraph ermöglicht die jederzeitige Kündigung eines Leihvertrags, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck der Leihe zu entnehmen ist. Im Fall war dies ausschlaggebend für die Entscheidung, dass die Beklagten kein dauerhaftes Nutzungsrecht hatten.
  • § 986 BGB (Einwendungen des Besitzers gegen den Herausgabeanspruch): Ergänzt § 985 BGB, indem es regelt, dass der Besitzer einer Sache dem Eigentümer entgegenhalten kann, zum Besitz berechtigt zu sein. Im analysierten Fall hatten die Beklagten jedoch kein solches Recht.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Grundsatz wurde herangezogen, um zu prüfen, ob die Kündigung des Leihvertrags unter Berücksichtigung der von den Beklagten getätigten Investitionen rechtmäßig war. Das Gericht fand, dass keine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vorlag, die eine Kündigung ausschließen würde.
  • § 91 ZPO (Kostenentscheidung): Bestimmt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Dies erklärt, warum die Beklagten die Kosten des Verfahrens tragen mussten.


Das vorliegende Urteil

AG Plön – Az.: 74 C 131/20 – Urteil vom 26.01.2024

1. Die Beklagten werden verurteilt, das Grundstück zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 Euro vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Mit der Klage begehrt der Kläger von den Beklagten die Räumung eines Teils des in seinem Eigentum stehenden Grundstücks, auf dem die Beklagten ein Carport, einen Kiesweg und eine Steinterrasse errichtet haben sowie diverse Gegenstände lagern.

Die Beklagten sind Eigentümer des Grundstücks, das sich neben dem Klägergrundstück befindet.

Ursprünglich war der Vater des Klägers Eigentümer des klägerischen Grundstücks.

Im Jahr 1999 errichteten die Beklagten eine Terrasse auf ihrem Grundstück, die über eine Breite von ca. 1 bis 1,5 Meter auf das Grundstück des Klägers ragt.

Um die Jahrtausendwende baute der Beklagte zu 2) einen ca. 2,5 Meter hohen, 10 Meter breiten und 4,5 Meter langen Carport nebst Werkstatt (im Folgenden nur noch „Carport“) auf dem Grundstück des Klägers.

Nach Errichtung des Carports legten die Beklagten auf dem Grundstück des Klägers einen Kiesweg an.

Zudem lagern die Beklagten auf dem Grundstück des Klägers ihre Mülltonnen und weitere Gegenstände wie Gitterbehältnisse, in denen Holz gelagert wird, verschiedene Ziegel und einen Bauwagen.

Der Kläger erbte das Grundstück im Jahr 2018.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 25.07.2019 kündigte der Kläger vorsorglich und ohne Anerkenntnis oder Präjudiz für die Sach- und Rechtslage den angeblich seinerzeit zwischen den Beklagten und dem Erblasser geschlossenen Nutzungsvertrag und forderte die Beklagten zur Räumung des Grundstücks bis zum 30.04.2020 auf.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verurteilen, das Grundstück bis zum Ablauf des 30.04.2020 zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Vater des Klägers habe sein Grundstück für die Bebauung des Carports zur Verfügung gestellt und bei der Errichtung des Carports tatkräftig mitgeholfen. Gegenüber Familienangehörigen, Nachbarn und Freunden habe er immer wieder geäußert, dass der Beklagte zu 2) das Grundstück haben könne. Wörtlich habe er gesagt: „Was soll ich mit dem Grundstück? Soll doch M. sein Carport bauen. Das Grundstück kann er haben.“ Der Vater des Klägers habe den Beklagten zu 2) auch aufgefordert, eine Terrasse zu bauen und einen Weg herzustellen. Er habe auch bei der Beschaffung des Bauwagens geholfen. Der Vater des Klägers habe auch immer wieder gesagt, dass er das Grundstück in dem Bereich, wo der Carport errichtet wurde, nicht zurückverlangen werde. Der Vater des Klägers habe den Beklagten zugesagt, dass ihnen die Nutzung des Carports lebenslang zustehe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen B. und W. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 30.04.2021, Bl. 82 ff. d.A.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klageantrag war dahingehend auszulegen, dass der Kläger die sofortige Räumung und Herausgabe des Grundstücks verlangt. Insoweit hat der Kläger lediglich vergessen, seinen Antrag entsprechend umzustellen. Dass der Räumungszeitpunkt 30.04.2020 überholt ist, ist offensichtlich.

Der Kläger hat gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf Herausgabe des im Tenor näher bezeichneten Grundstückteils nach § 985 BGB.

Nach § 985 BGB kann der Eigentümer vom Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, sofern der Besitzer dem Eigentümer gegenüber nicht zum Besitz berechtigt ist (vgl. § 986 BGB).

Es ist unstreitig, dass der Kläger Eigentümer des in seinem Antrag und im Tenor näher bezeichneten Grundstückteils ist.

Sofern die Beklagten im Schriftsatz vom 29.08.2022 erklären, dass die streitgegenständliche Grundstücksfläche auch die Terrasse betreffe und insoweit streitig sei, dass das Eigentum des Klägers bestehe, ist diese Erklärung nicht nachvollziehbar und unsubstantiiert.

Der Kläger legt mit der Anlage K 3, auf die sich sein Antrag bezieht, einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster vor, aus dem klar hervorgeht, dass sich die streitgegenständliche Grundstücksfläche auf dem Flurstück befindet. Da ein Flurstück nicht mehrere Grundstücke umfassen kann, handelt es sich bei dem auf Anlage K 3 quermarkierten Grundstücksteil um das Eigentum des Klägers. Dass der als Anlage K 3 vorgelegte Auszug aus dem Liegenschaftskataster fehlerhaft ist, wird von den Beklagten weder behauptet noch unter Beweis gestellt.

Die Beklagten haben auch kein Recht zum Besitz.

Bezüglich der Nutzung des Grundstücks des Klägers durch die Beklagten in Form von Errichtung eines Kiesweges, das Überragen der Terrasse der Beklagten, das Abstellen eines Bauwagens und sonstiger Gegenstände haben die Beklagten für das von ihnen behauptete Einverständnis des Vaters des Klägers bereits keinen Beweis angeboten.

Die unstreitige Duldung des Vaters des Klägers kann nicht als Willenserklärung zum Abschluss eines Leihvertrages ausgelegt werden. In der Gebrauchsüberlassung allein durch Duldung des Vaters des Klägers ist eine Gefälligkeit zu sehen, sodass eine jederzeitige Rückforderung des Grundstücks des Klägers möglich ist.

Für die Behauptung, der Vater des Klägers habe den Beklagten zugesagt, dass ihnen die Nutzung des Carports lebenslang zustehe, haben die Beklagten bereits keinen Beweis angeboten.

Für die konkrete Absprache zwischen dem Vater des Klägers und den Beklagten bezüglich des Carports wird ebenfalls kein Beweis angeboten.

Allerdings steht nach der Zeugenaussage der von den Beklagten benannten Zeugin B. zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Vater des Klägers in Kenntnis des Grenzverlaufs und der Eigentumsverhältnisse mit der Errichtung des Carports auf seinem Grundstück einverstanden war. Insoweit bestätigt die Zeugin glaubhaft, die Behauptung der Beklagten, dass der Vater des Klägers wiederholt zu ihr gesagt habe: „B., was soll ich mit dem ganzen Schiet. Ich habe Platz genug, sollen sie doch ihr Carport dort bauen.“ Selbst die vom Kläger benannte Zeugin W. bestätigt in ihrer Zeugenaussage, dass der Vater des Klägers mit dem Bau des Carports auf seinem Grundstück einverstanden war.

Zu den weiteren Modalitäten der Absprache zwischen dem Vater des Klägers und den Beklagten wird kein Beweis angeboten. Insbesondere nicht für die Behauptung, dass der Vater des Klägers den Beklagten zugesagt habe, dass ihnen die Nutzung des Carports lebenslang zustehe. Auch für die Behauptung, der Vater des Klägers habe immer wieder gesagt, dass er das Grundstück in dem Bereich, wo der Carport errichtet wurde, nicht zurückverlangen werde, bleiben die Beklagten beweisfällig. Der für diese Behauptung angebotene Zeugenbeweis war insoweit unergiebig, da die von den Beklagten für diese Behauptung benannte Zeugin B. in ihrer Vernehmung erklärte: „Nein, darüber (gemeint ist die Dauer der Nutzung des streitgegenständlichen Grundstückteils, [Anmerkung der Unterzeichnerin]) haben wir nicht geredet. Da ist auch nie ein Wort drüber gefallen.“ Ebenfalls verneinte die Zeugin die Nachfrage, ob ihr jemals von einem lebenslangen Nutzungsrecht berichtet worden sei.

Das Einverständnis des Vaters des Klägers mit der Errichtung des Carports und die entsprechende Zurverfügungstellung seines Grundstücks ist als Leihvertrag i.S.d. § 598 BGB auszulegen.

Gegen ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen, bei dem die überlassene Sache jederzeit zurückgefordert werden kann, spricht das schutzwürdige Interesse der Beklagten, die nicht unerhebliche Mittel für die Errichtung des Carports aufgewendet haben, was dem Vater des Klägers auch bekannt war.

Der Leihvertrag wurde jedoch durch die Kündigung des Klägers vom 25.07.2019 zum 30.04.2020 beendet, sodass die Beklagten ab diesem Zeitpunkt kein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB mehr haben.

Nach § 604 Abs. 3 BGB kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist.

Die Voraussetzungen für das Rückgabeverlangen nach § 604 Abs. 3 BGB liegen vor.

Eine Dauer der Leihe war nicht bestimmt. Für die Behauptung der Beklagten, ihnen sei das Grundstück lebenslang vom Vater des Klägers überlassen worden, sind die Beklagten beweisfällig geblieben.

Die Dauer der Gebrauchsüberlassung ist auch nicht dem Zweck der Leihe zu entnehmen. Erforderlich wäre dann nämlich ein Rechtsbindungswillen des Vaters des Klägers, dass die Dauer der Leihe zugunsten des Entleihers von diesem Zweck abhängig sein soll (so auch BeckOGK/Lohsse, Stand: 01.12.2023, BGB, § 604 Rn. 8). Wenn man als Zweck die Errichtung und folgende Nutzung des Carports ansähe, bedürfte es eines Rechtsbindungswillens des Vaters des Klägers dahingehend, dass die Beklagten das Grundstück so lange entleihen dürfen wie sie den Carport nutzen wollen. Dies käme einer lebenslangen Gebrauchsüberlassung gleich, da es der Entscheidungsgewalt der Beklagten überlassen wäre, wie lange sie den Carport nutzen möchten. Es ist nicht ersichtlich, dass der Vater des Klägers mit seinem erteilten Einverständnis zum Bau des Carports ohne jegliche Absprache bezüglich der Dauer der Gebrauchsüberlassung eine so weitreichende Verpflichtung eingehen wollte, die insbesondere auch seine Rechtsnachfolger bindet. Dafür, dass sich der Vater des Klägers unentgeltlich derart binden wollte, gibt es keine Anhaltspunkte. Vielmehr spricht der Umstand, dass nichts schriftlich festgehalten oder dinglich gesichert wurde, dafür, dass der Vater des Klägers keinen entsprechenden Rechtsbindungswillen hatte. Auch der Umstand, dass die Beklagten nicht unerhebliche Aufwendungen für die Errichtung des Carports gemacht haben, spricht nicht für einen entsprechenden Rechtsbindungswillen des Vaters des Klägers. Dieser Umstand ist allenfalls im Rahmen der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB zu berücksichtigen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagten durch die tatkräftige Unterstützung des Vaters des Klägers, der gelernter Maurer ist, sowie die unentgeltliche Überlassung des Grundstücks nicht nur erhebliche Aufwendungen hatten, sondern auch erhebliche Einsparungen.

Die Kündigung der Leihe ist auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Unzulässig wäre die Rechtsausübung nur dann, wenn eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit durch die Beendigung des Leihvertrages vorliegen würde. Wenn also offensichtlich wäre, dass die Beklagten, wenn sie bei der Errichtung des Carports von der Dauer der Gebrauchsüberlassung gewusst hätten, von der Errichtung Abstand genommen hätten. Abzustellen ist insofern auf den Empfängerhorizont eines objektiven Dritten. Bei einer Kündigung nach einer Nutzungsdauer von ca. 20 Jahren besteht keine derart offensichtliche Unwirtschaftlichkeit, die eine Kündigung nach § 242 BGB ausschließt. Insoweit schätzt das Gericht die Aufwendungen der Beklagten nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Eigenleistungen des Vaters des Klägers auf maximal 10.000 Euro. Bei einer Nutzungsdauer von 20 Jahren wären dies 500 Euro im Jahr. Unter Berücksichtigung der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung der diesbezüglichen Grundstücksfläche, haben die Beklagten rein objektiv ein gutes Geschäft gemacht. Keinesfalls liegt eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit vor, die eine Kündigung nach § 242 BGB ausschließt.

Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hinzuweisen, dass selbst dann, wenn ein Rechtsbindungswillen des Vaters des Klägers dahingehend vorgelegen hätte, dass das Grundstück so lange verliehen werden sollte wie die Beklagten den Carport nutzen möchten, der Kläger den Leihvertrag wegen Eigenbedarfs nach § 605 Ziff. 1 BGB hätte kündigen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.

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