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Haftung aus Schutzgesetzverletzung durch Kapitalanlagebetrug

OLG Dresden – Az.: 8 U 1546/11 – Urteil vom 30.08.2012

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19.09.2011, Az.: 4 O 4206/08, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

3. Das Urteil sowie das erstinstanzliche Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Kläger nehmen den Beklagten auf Schadensersatz wegen von ihnen am 30.01.2003 erworbener Inhaberteilschuldverschreibungen der … (künftig: Gesellschaft) mit der Wertpapierkennziffer Nr. xyx (künftig: IHS 6) in Höhe von 10.000,00 € und am 25.02.2003 erworbener Inhaberteilschuldverschreibungen der gleichen Wertpapierkennziffer in Höhe von 50.000,00 € in Anspruch. Von den Inhaberteilschuldverschreibungen wurden 13.000,00 € an die Kläger zurückgezahlt; die restlichen im Nennwert von 47.000,00 € wurden mit Umtauschbestätigung vom 21.07.2003 in Inhaberteilschuldverschreibungen mit der Wertpapierkennnummer … (künftig: IHS 7) getauscht. Der Beklagte ist alleinvertretungsberechtigter Vorstand der Gesellschaft. Diese wurde durch einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom eingetragenen Einzelkaufmann JS, dem früheren Beklagten zu 1), eingetragen als … e.K., ihrem Mehrheitsaktionär, beherrscht.

Auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend:

Die Kläger haben erstinstanzlich behauptet, der Beklagte habe in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit dem früheren Beklagten zu 1) Kapitalanlagebetrug begangen, indem sie Inhaberschuldverschreibungen der Gesellschaft in der Absicht verkauften, diese bei Fälligkeit nicht oder mangels ausreichend operativen Geschäfts nur aus neu eingehenden Anlegergeldern zu bedienen. Dabei hätten sie sich eines sogenannten Schneeballsystems bedient, bei welchem – von ihnen von Anfang an beabsichtigt – Zinsen und Rückzahlungen auf die Inhaberschuldverschreibungen nicht aus dem durch das Geschäft der Gesellschaft erzielten Einnahmen erfolgen sollten und auch nicht erfolgt sind, sondern aus neu eingehenden Anlegergeldern. Zur Verwendung des Anleiheerlöses sei in den dem Ankauf durch die Kläger zugrunde liegenden Prospekten ausgeführt worden, der Nettoerlös der jeweiligen Anleihe werde im Rahmen des Geschäftszwecks der Gesellschaft verwendet, der Leser habe davon ausgehen müssen, dass diese Gelder hauptsächlich für den Erwerb, die Verwaltung oder den Verkauf von Grundstücken, Gebäuden, für die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben und die weiteren im Prospekt beschriebenen Geschäftsfelder der Gesellschaft verwendet würden. Zwar hätten die Leser damit rechnen müssen, dass die Mittel auch zur Rückzahlung von Inhaberschuldverschreibungen verwendet würden. Sie hätten aber nicht damit rechnen müssen, dass die Gelder – wie tatsächlich geschehen – nur zu einem kleinen Teil für die im Prospekt angegebenen Zwecke verwendet, sondern zum großen Teil zur Deckung des erheblichen Finanzbedarfs des früheren Beklagten zu 1) sowie zur Stützung von dessen anderen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen dienen sollten.

Des Weiteren haben die Kläger vorgetragen, das von dem Beklagten gemeinsam mit dem früheren Beklagten zu 1) aufgebaute Schneeballsystem habe dergestalt funktioniert, dass Zinsen und Rückzahlungen aus neu eingehenden Kundengeldern gezahlt wurden. Dies habe nur solange funktionieren können, wie es ihnen gelungen sei, immer weitere und immer mehr Anleger zu täuschen und so zu dem Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen zu veranlassen. In diesem Rahmen seien die Anleger bei Einsendung der Gelder darüber getäuscht worden, dass diese zur Befriedigung von Zinsen und Rückzahlungen an frühere Anleger verwendet werden sollten. Der Beklagte habe damit vorsätzlich gehandelt und zumindest von Anfang an billigend in Kauf genommen, dass den Klägern weder Zinsen noch Rückzahlungen ausgezahlt würden.

Schließlich haben die Kläger erstinstanzlich ihren Anspruch auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 217 Abs. 2 AktG a.F. gestützt. Sie machen insoweit ihren Quotenschaden geltend, indem sie im Kern vortragen, dass jedenfalls am 30.11.2005 keine Mittel mehr vorhanden waren, um die fälligen Auszahlungen fristgerecht vorzunehmen, und dass der Beklagte seine Verpflichtung, unverzüglich Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, verletzt habe. Hätte er die Insolvenzeröffnung rechtzeitig beantragt, hätte sich im Insolvenzverfahren eine erheblich höhere Quote für die Anleger und damit auch für die Kläger ergeben.

Nach Verweisung des ursprünglich am Landgericht Frankfurt rechtshängigen Verfahrens an das Landgericht Leipzig hat dieses – nachdem ein Vergleich zwischen den Klägern und dem früheren Beklagten zu 1) zustande gekommen ist – die Klage gegen den Beklagten abgewiesen. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass Ansprüche aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung verjährt seien. Auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Anklagen der Staatsanwaltschaft Leipzig gegen den Beklagten stelle sich die Behauptung der Kläger, dieser habe bedingt vorsätzlich einen Kapitalanlagebetrug begangen oder ein Schneeballsystem aufgebaut, als bloße Vermutung dar; dabei könne zu Gunsten der Kläger unterstellt werden, dass der objektive Tatbestand des § 264a StGB verwirklicht sei. Es fehle an konkretem, über pauschale Behauptungen hinausgehenden Vortrag dazu, dass der Beklagte zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte. Eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG bestehe nicht, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veräußerungen der streitgegenständlichen Inhaberschuldverschreibungen eine Erlaubnispflicht gemäß § 32 KWG nicht bestanden habe.

Gegen dieses den Klägern am 27.09.2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 14.10.2011 eingegangene und sofort begründete Berufung, in der sie unter anderem rügen, das Landgericht habe übergangen, dass starke Verdachtsmomente für vorsätzliches sittenwidriges Handeln des Beklagten bestünden. Es könne im Hinblick auf die Finanzlage der Gesellschaft dem Beklagten nicht abgenommen werden, dass er geglaubt habe, alles sei in Ordnung und Risiken könnten folgenlos ausgeglichen werden; er habe die Gefährdung und den Schaden der Anleger billigend in Kauf genommen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Berufungsbegründungsschrift wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 12.10.2011 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen, die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Leipzig vom 19.09.2011, Geschäftszeichen 4 O 4206/08, zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 47.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht Leipzig zur Neuentscheidung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und hat – nach einem Hinweis des Senats zu seiner sekundären Darlegungslast – zu der mittelfristigen Finanzplanung der Gesellschaft ergänzend vorgetragen; insoweit wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26.06.2012 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle des Landgerichts sowie die Verfügung des Senats vom 14.05.2012 Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere sind die Anforderungen, die § 520 Abs. 3 Nr. 2 bis Nr. 4 ZPO an die Berufungsbegründung stellt, (noch) gewahrt. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Diesen Voraussetzungen genügt die Berufungsbegründungsschrift (noch). Auch wenn sie zum Teil unverständlich ist und sich 43 von 52 Seiten darauf beschränken, die Schriftsätze erster Instanz, die sich zudem teilweise nicht einmal auf den Beklagten beziehen, wörtlich wiederzugeben, ist zumindest erkennbar, dass sich die Kläger dagegen wenden wollen, dass das Landgericht die Voraussetzungen eines unverjährten Anspruchs aus unerlaubter Handlung abgelehnt hat. Dies genügt, um die Zulässigkeit der Berufung zu bewirken.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1.

Die Auffassung des Landgerichts, dass etwaige Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne verjährt sind, ist nicht zu beanstanden.

1.1

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt, der für den Interessenten im Allgemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, dem Anleger ein zutreffendes Bild von der angebotenen Kapitalbeteiligung zu vermitteln. Dazu gehört, dass er über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2008, Az.: III ZR 89/06, Rn. 8 zur Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft; BGH, Urteil vom 07.12.2009, Az.: II ZR 15/08, NJW 2010, 1077, 1078 jeweils m.w.N.). Insbesondere ist über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können, aufzuklären. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von den Verhältnissen des Unternehmens vermittelt. Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (BGH, Urteil vom 06.03.2008, Az.: III ZR 89/06, Rn. 8 m.w.N.).

Dahinstehen kann, ob die als Anlagen K 4 und K 5 vorgelegten Prospekte fehlerhaft im oben genannten Sinne sind.

1.2

Allerdings wäre der Beklagte als der die Geschicke der Gesellschaft leitende Vorstand Prospektverantwortlicher. Dass er nach den eigenen Angaben des Klägers nicht für den Inhalt der Emissionsprospekte, sondern (allenfalls) für deren Vertrieb verantwortlich war, ändert hieran nichts.

1.3

Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinn sind jedoch verjährt.

a)

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung verjährten Prospekthaftungsansprüche im engeren Sinne in analoger Anwendung der in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftung bestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs. 5 AuslInvestmG, § 47 BörsG a.F. = § 46 BörsG n.F.) in – seinerzeit – sechs Monaten ab Kenntnis des Prospektmangels, spätestens jedoch in 3 Jahren nach Erwerb der Anlage (vgl. BGH, Urteil vom 06.03.2008, Az.: III ZR 89/06, Rn. 11; vgl. BGH, Urteil vom 29.01.2009, Az.: III ZR 74/08, WM 2009, 400 f.; vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2009, Az.: II ZR 15/08, Rn. 26, NJW 2010, 1077, 1078). Die Kürze der für die Prospekthaftung nach der Rechtslage bis 31.05.2012 geltenden kenntnisunabhängigen Verjährungsfristen wurde anders als in sonstigen Fällen des Verschuldens bei Vertragsschluss für sachgerecht erachtet, weil sie nicht an ein dem Verhandlungspartner persönlich entgegengebrachtes Vertrauen anknüpft, sondern ein den unbekannten Initiatoren und Gründern entgegengebrachtes typisiertes Vertrauen genügen lässt (Assmann/Schütze, Hdb. des KapitalanlageR, 3. Aufl., § 6 Rn. 211 f.).

b)

Da die streitgegenständlichen Inhaberteilschuldverschreibungen am 30.01.2003 und 25.02.2003 erworben und am 21.07.2003 umgetauscht worden sind, waren Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne (spätestens) am 30.01.2006, 25.02.2006 und 21.07.2006 und damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung (10.10.2007) verjährt. Erst recht wäre dies der Fall, wenn man mit dem Beklagten für den Beginn der Verjährung allein auf § 46 BörsG und damit auf den – früheren – Zeitpunkt der jeweiligen Erstveröffentlichung der Prospekte abstellen wollte. Dahinstehen kann, ob der am 17.06.2007 gestellte Güteantrag geeignet war, eine Hemmung der bis dahin unverjährten Ansprüche nach § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen. Für die streitgegenständlichen Prospekthaftungsansprüche kam eine Hemmung nicht mehr in Betracht, da diese bereits zum damaligen Zeitpunkt verjährt waren.

1.4

Insoweit kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob für die Kläger die Vermutung greift, dass die behaupteten Prospektfehler für die Anlageentscheidungen ursächlich geworden sind (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 07.12.2009, Az.: II ZR 15/08, Rn. 23 m.w.N.; BGH, Urt. v. 23.04.2012, Az.: II ZR 75/10, Rn. 21 jeweils m.w.N.).

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2.

Die Auffassung des Landgerichts, dass eine Haftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (Prospekthaftung im weiteren Sinne) nicht in Betracht kommt, ist nicht zu beanstanden.

2.1

Während die eigentliche Prospekthaftung an typisiertes Vertrauen anknüpft, kommt es für die Prospekthaftung im weiteren Sinne darauf an, dass nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo persönliches Vertrauen in Anspruch genommen worden ist. Aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen haftet daher insoweit, wer Vertragspartner ist oder werden soll oder als ein für diesen auftretender Vertreter oder Beauftragter (Sachwalter) aufgetreten ist und dabei für seine Person Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat (BGH, Urt. v. 29.01.2009, Az.: III ZR 74/08 Rn. 8, WM 2009, 400, 401). Hierbei kann eine Haftung über § 278 BGB für Personen, die zum Abschluss der Vertragsverhandlungen bevollmächtigt sind, in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2011, Az.: II ZR 16/10, WM 2011, 792, 793).

2.2

Da es sich bei der Zeichnung der Inhaberteilschuldverschreibungen letztlich um ein Darlehen an die Gesellschaft handelte und nicht etwa um einen Beitritt zu einer Personengesellschaft, war Vertragspartner der Kläger die Gesellschaft und nicht der Beklagte.

Umstände, die die Annahme rechtfertigen könnten, der Beklagte habe bei Zeichnung persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, werden weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich. Dass der Beklagte bei Anbahnung der Verträge den Klägern persönlich gegenüber getreten sei und etwa einen Prospekt oder sonstige Unterlagen mit der Autorität seines Amts oder seiner Sachkunde des Anlageobjekts erläutert oder dazu ergänzende Angaben gemacht habe (vgl. BGHZ 177, 25, 30), wird nicht behauptet.

2.3

Da der Beklagte nicht Vertragspartner der Kläger geworden ist und auch kein besonderes Vertrauensverhältnis bestand, kommen Prospektberichtigungs-, -ergänzungs- und -offenbarungspflichten, deren Verletzung möglicherweise einen Schadensersatzanspruch begründen könnten, nicht in Betracht. Zudem fehlt es diesbezüglich an jeglichem substantiierten Vortrag. Das von den Klägern zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19.11.2009 (Az.: III ZR 109/08, NZG 2010, 188, 189) betrifft die Pflichten eines Mittelverwendungskontrolleurs gegenüber den Anlegern und berührt den hier zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt nicht.

3.

Da Vertragspartner nicht der Beklagte, sondern die Gesellschaft war, kommt ein Schadensersatzanspruch auch nicht aus dem Gesichtspunkt eines (stillschweigenden) Abschlusses eines Auskunftsvertrages (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2009, Az.: III ZR 74/08, WM 2009, 400, 401) in Betracht.

4.

Unbehelflich ist weiterhin der Einwand, dass das Landgericht die „zentrale Frage nach dem rechtlichen Charakter des Gewinnes nicht bedacht“ habe.

Ausschüttungen an Anleger sind nicht erfolgt, sondern gegebenenfalls Zinszahlungen. Zinsen aber schuldet die Gesellschaft ganz unabhängig davon, ob sie Gewinn gemacht hat oder nicht; sie stellen keine Gewinnausschüttungen dar. Eine Gewinnbeteiligung ist nicht vereinbart oder Gegenstand des Rechtsstreits.

5.

Ansprüche wegen nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung, worauf die Berufung augenscheinlich abstellt, wenn sie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 14.07.2008 (Az.: II ZR 202/07, ZIP 2008, 1675) sowie den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 09.12.2009 (Az.: I-6 W 45/09, ZIP 2010, 28) hinweist, spielen im Verhältnis zwischen den Parteien keine Rolle. § 43 Abs. 2 GmbHG (für den Geschäftsführer einer GmbH) und § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG (für den Vorstand einer AG) sind keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.1980, Az.: II ZR 60/80, zitiert nach juris, dort Rn. 35; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 12.12.2007, Az.: 17 U 111/07, zitiert nach juris, Rn. 74; KG, Urteil vom 20.07.2001, Az.: 9 U 1912/00, zitiert nach juris); Ansprüche aus Verletzung dieser Normen stehen allein der Gesellschaft zu. Der Geltendmachung eines danach bestehenden Anspruchs durch die Kläger nach § 93 Abs. 5 Satz 1 AktG steht das eröffnete und noch andauernde Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft entgegen, § 93 Abs. 5 Satz 4 AktG (vgl. hierzu insgesamt: Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2. Aufl., § 93 Rn. 300).

6.

Hinsichtlich denkbarer Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 92 Abs. 2 AktG a.F. fehlt es an der Aktivlegitimation der Kläger.

Die Vorschrift des § 92 Abs. 2 AktG in der bis zum 31.10.2008 geltenden Fassung sollte verhindern, dass Neugläubiger durch die Aufnahme des Geschäftskontaktes zu einem insolvenzreifen Unternehmen einen Schaden erleiden oder dass sich durch eine verzögerte Antragstellung die Insolvenzquote für Altgläubiger verschlechtert. Deshalb handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (KG, Urteil vom 20.07.2001, a.a.O.; Spindler/Stilz/Fleischer, a.a.O., § 92 Rn. 73). Altgläubigern wie den Klägern steht allein ein Anspruch auf Ersatz ihres Quotenschadens zu, wenn und soweit die auf ihre Forderungen entfallende Insolvenzquote durch zwischenzeitliche Masseschmälerungen geringer ausfällt, als sie bei rechtzeitiger Antragstellung ausgefallen wäre (BGH, Urteil vom 06.06.1994, Az.: II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 191). Die Kläger sind jedoch zu einer Geltendmachung nicht berechtigt. Der Quotenschaden ist vielmehr vom Insolvenzverwalter einzufordern und durchzusetzen gemäß § 92 InsO (Spindler/Stilz/Fleischer, a.a.O., § 92 Rn. 81).

Soweit die Kläger ausführen, die Klageforderung gelte vom Insolvenzverwalter als abgetreten, ist dies unbehelflich. Tatsachen, die die Annahme einer Abtretung begründen könnten, werden nicht vorgetragen. Eine konkrete Abtretungsvereinbarung wird nicht behauptet. Allein der Umstand, dass der Insolvenzverwalter bislang etwaige Schadensersatzforderungen nicht geltend gemacht und sich in mehreren Gesprächen hierzu auch nicht festgelegt hat, vermag den Abschluss einer (konkludent geschlossenen) Abtretungsvereinbarung nicht zu begründen. Die Vernehmung des Insolvenzverwalters als Zeuge kommt daher nicht in Betracht.

7.

Der Beklagte haftet nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG.

7.1

Die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen stellen kein Einlagengeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 KWG dar. Ein Einlagengeschäft im Sinne dieser Vorschrift ist die Annahme fremder Gelder als Einlagen oder anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums, sofern der Rückzahlungsanspruch nicht in Inhaber- oder Orderschuldverschreibungen verbrieft wird, ohne Rücksicht darauf, ob Zinsen vergütet werden. Die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen sind also gerade ausgenommen.

7.2

Eine Erlaubnispflicht bestand auch nicht gemäß § 1 Abs. 1a Satz 3 KWG, nachdem als Finanzdienstleistung auch eine Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten für eigene Rechnung gilt, die keine Dienstleistung für andere darstellt (Eigengeschäft). Denn diese Vorschrift ist erst mit Wirkung zum 01.11.2007 in das KWG eingefügt worden.

8.

Den Klägern steht ferner kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB zu.

8.1

Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 08.07.2011 – Az.: 5 U 122/10 – nicht aus dem Gesichtspunkt, dass die Beteiligungsverhältnisse in den Prospekten nicht ordnungsgemäß angegeben worden wären.

a)

Allerdings war der Beklagte Prospektverantwortlicher, weil er als Vorstand der Gesellschaft den Prospekt unterzeichnet hat und damit die Verantwortung für ihn übernahm; der Prospekt wurde auch mit seiner Kenntnis in den Verkehr gebracht.

b)

Nicht schon jede unrichtige oder fehlende Angabe im Prospekt begründet jedoch die Haftung nach § 264a StGB. In einem die Haftung ausschließenden Sinn richtig und vollständig müssen die Angaben sein, die für die Anlageentscheidung erheblich sind. Der Anleger darf erwarten, dass er ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt erhält, d. h. dass der Prospekt ihn über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich richtig und vollständig unterrichtet wird, insbesondere über die Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln können (BGH, Urteil vom 21.10.1991, Az.: II ZR 204/90, BGHZ 116, 7, 12; BGH, Urteil vom 12.05.2005, Az.: 5 StR 283/04, NJW 2005, 2242, 2244; LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 264a Rn. 49 jeweils m.w.N.). Dabei darf jedoch kein – im Übrigen für den Prospektherausgeber praktisch auch nicht erkennbarer – alle möglichen Anlegerinteressen berücksichtigender subjektiver Maßstab angelegt werden. Vielmehr ist eine verobjektivierte Betrachtungsweise geboten. Maßgeblich ist der verständige, durchschnittlich vorsichtige Kapitalanleger (BGH, NJW 2005, 2242, 2244 f.).

c)

Danach sind allerdings Verflechtungen, insbesondere bestehende Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge grundsätzlich im Prospekt darzutun. Aus solchen Verflechtungen ergeben sich Einflussnahmen Dritter auf die Gesellschaft, deren Kenntnis für den Anleger von Bedeutung ist.

aa)

Ein Verschweigen nachteiliger Tatsachen i. S. des § 264a StGB erfordert jedoch ein bewusstes „Nichtsagen“ oder Verheimlichen. Ein Verschweigen im strafrechtlichen Sinn kann deswegen nur dann bejaht werden, wenn die bestehenden Verflechtungen überhaupt nicht oder nur unvollständig im Prospekt dargestellt worden wären. Darauf, dass die betreffende Darstellung nur schwer verständlich ist und sich an versteckter Stelle befindet, kommt es dagegen – auch im Rahmen der Prüfung einer zivilrechtlichen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB – für die Subsumtion unter den Straftatbestand, die sich im Hinblick auf das im Strafrecht geltende Analogieverbot streng am Wortlaut zu orientieren hat, nicht an (BVerfG, Beschluss vom 29.02.2008, Az.: 1 BvR 371/07, ZIP 2008, 1078, 1079; vgl. auch Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 264a Rn. 28/29).

bb)

Auf Seite 10 des Prospektes zur IHS 6 (Anlage K 4) und auf Seite 9 des Prospektes zur IHS 7 (Anlage K 5) befindet sich ein Organigramm der Beteiligungsverhältnisse der Beteiligungsverhältnisse der Gesellschaft. An der Spitze der Gesellschaft ist die … e.K. des früheren Beklagten zu 1) aufgeführt. Darüber hinaus sind die jeweiligen Verbindungen innerhalb der Gesellschaften durch Pfeile gekennzeichnet und zwar mittels eines durchgehenden Pfeils die direkten Beteiligungen und mittels eines unterbrochenen Pfeils die Gewinnabführungsverträge. Aus dem Organigramm ergibt sich danach, dass die Gesellschaft ihre Gewinne an die … e.K. abzuführen hatte. Darüber hinaus sind auf Seite 9 bzw. Seite 7 der jeweiligen Prospekte die Tochtergesellschaften und deren Beteiligungen aufgeführt. Auch danach ist erkennbar, dass die … e.K. keine Tochter der Gesellschaft ist.

Ferner sind auf Seite 23 des Prospektes zur IHS 6 und auf Seite 37 des Prospektes zur IHS 7 die organschaftlichen Verflechtungen des Unternehmens aufgezählt. Angegeben ist, dass zwischen der Gesellschaft als Organgesellschaft und der … e.K. seit dem 16.12.1991 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag besteht. Weiterhin ist angegeben, dass ein gleicher Vertrag zwischen der Gesellschaft als Organträger und der Wohnungsbaugesellschaft …, der … und der … bestehen. In der Wirtschaft wird das untergeordnete Unternehmen als Organträger und das übergeordnete Unternehmen als … bezeichnet (siehe Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwort „Organschaft“). Danach lässt sich den genannten Prospektangaben durchaus entnehmen, dass es sich bei der … e.K. um das herrschende Unternehmen handelt, an das die Gewinne abzuführen sind. Auch wenn die Gestaltung so gewählt ist, dass dies für einen Laien schwer erkennbar ist, liegt kein „Verschweigen“ im Sinn des § 264a StGB vor.

Es bedurfte in den Prospekten nicht der Darlegung der gesetzlichen Folgen, die sich aus einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ergeben. Allein aus der Bezeichnung erschließt sich selbst für einen Laien, was das Bestehen solcher Verträge im Wesentlichen für Folgen hat.

d)

Selbst wenn zu Gunsten der Kläger davon ausgegangen wird, die Darstellung sei schwer verständlich, so muss sich zwingend der Vorsatz auf die einzelnen Elemente der Begehungsweise beziehen. Demgemäß hätte der Beklagte wissen oder zumindest billigend in Kauf nehmen müssen, dass die Darstellung der Verflechtung nur schwer verständlich sei (BVerfG, a.a.O.). Hierfür ist nichts dargetan.

8.2

Der Beklagte haftet auch nicht wegen Kapitalanlagebetrugs gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB, weil in den Prospekten nicht angegeben wäre, Gelder würden zum Teil für die Auszahlung fällig werdender Inhaberteilschuldverschreibungen benötigt.

a)

Zwar dürfte der Prospekt zur IHS 6, welche die Kläger mit den ersten beiden Ankäufen zunächst erworben hatten, insoweit eine falsche Angabe enthalten: Der Prospekt (Anlage K 4) enthält als Angabe zur Verwendung der angebotenen Anleihe, dass der Nettoerlös im Rahmen des Geschäftszwecks der Anleiheschuldnerin verwendet werde, während auf Seite 22 unter der Überschrift „Gründungssitz und Gegenstand des Unternehmens“ unter anderem ausgeführt wird, dass neben Erwerb, Vermittlung und Verkauf von Grundstücken und Gebäuden, Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben, Verwaltung von grundstücksgleichen Rechten, auch der Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an Firmen und Gesellschaften aller Art sowie die Vornahme aller sonstigen damit zusammenhängenden Geschäfte sei. Auf Seite 26 des Prospekts ist des Weiteren unter der Überschrift „Geplante Investionen/Geschäftsaussichten 2002/2003“ ausgeführt: „Die Erweiterung des Wohnungsbestandes durch selektive Zukäufe von entwicklungsfähigen Wohnanlagen im gesamten Bundesgebiet durch direkten Erwerb bzw. indirekten Kauf in Form von Beteiligungen wird auch weiterhin eine vorrangige Zielsetzung der Gesellschaft sein. Darüber hinaus sind weitere Ausbauten im eigenen Wohnungsbestand sowie kontinuierliche Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen beabsichtigt, um dessen bestmögliche Nutzung und Rentabilität zu sichern. Im Plan ist des Weiteren, das bereits heute sehr erfolgreich betriebene Beteiligungsmanagement über die Tochterfirma, die …, auszubauen. Zu diesem Zweck werden laufend Beteiligungsfonds geprüft und selektiert. Durch den bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen dieser Tochter und der Gesellschaft werden die insgesamt hier für die nächsten Jahre erwarteten Gewinne dabei vollumfänglich der Gesellschaft zugute kommen.

Die vorstehend ausgeführten Investitionen sollen durch diese sowie durch die sich derzeit im Umlauf befindlichen Anleihen finanziert werden. Insgesamt geht die Gesellschaft davon aus, dass sich die positive Entwicklung der Vergangenheit auch in 2002 fortsetzen wird“. Wenn – wie die Kläger behaupten und von dem Beklagten nicht substantiiert bestritten wird – die Einkünfte aus der Anleihe IHS 6 tatsächlich überwiegend dazu verwendet wurden, fällige Anleihen zu bedienen – dafür spricht die von dem Beklagten vorgelegte Anlagenübersicht, wonach insbesondere die Rückzahlung der IHS 3 aus der Anlage IHS 6 finanziert wurde -, so wird dies in diesem Prospekt verschwiegen und im Gegenteil der Eindruck erweckt, die Erlöse aus der Emission sollten investiert werden.

b)

Dies ist jedoch nicht kausal für den Schaden der Kläger geworden, da sie die Inhaberteilschuldverschreibungen der IHS 6 insoweit, als sie von der Gesellschaft nicht an die Kläger zurückgezahlt wurden, in Anleihen der IHS 7 auf Grundlage des Prospektes zu dieser Anleihe umgetauscht haben. In dem Prospekt zu dieser Anleihe wird aber ausdrücklich ausgeführt, dass die Anleiheerlöse auch zur Ablösung bereits bislang ausgegebener IHS dienen können (Seite 15 der Anlage K 5). Dann aber liegt im Prospekt zur IHS 7 kein Verschweigen erheblicher Informationen im strafrechtlichen Sinn vor.

9.

Den Klägern dieses Verfahrens ist es auch nicht gelungen, einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung schlüssig darzulegen.

9.1

Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124 f.). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 06.05.1999, Az.: VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361; BGH, Urteil vom 19.10.2010, Az.: VI ZR 145/09, zitiert nach juris jeweils m.w.N.). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (BGH, Urteil vom 10.07.2001, Az.: VI ZR 160/00, zitiert nach juris, m.w.N.).

9.2

Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gemäß § 826 BGB erfordert zudem, dass er den objektiven Tatbestand vorsätzlich – zumindest in der Form des bedingten Vorsatzes – verwirklicht hat; sie erfordert, dass der Beklagte den den Klägern entstandenen Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.

Die Darlegungs- und Beweislast für den danach erforderlichen Vorsatz des Beklagten tragen die Kläger. Denn als Anspruchsteller haben sie alle Tatsachen zu beweisen, aus denen sie ihren Anspruch herleiten (BGH, Urteil vom 20.12.2011, Az.: VI ZR 309/10, DB 2012, 573 m.w.N.).

a)

Vorsatz ist dabei nicht immer bereits dann zu bejahen, wenn ein vernünftig denkender Dritter in der Situation des in Anspruch Genommenen über Erkenntnisse in Bezug auf die relevanten Tatumstände verfügt hätte oder hätte verfügen müssen, aufgrund derer auf der Hand liegt, dass für ein Vertrauen in das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolgs kein Raum ist (BGH, Urt. v. 20.12.2011, Az.: VI ZR 309/10, DB 2012, 573).

b)

Vorsatz enthält ein „Wissens-“ und ein „Wollenselement“. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss, – im Fall des § 826 BGB die Schädigung des Antragstellers -, gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben. Die Annahme der Form des bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umständen jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat. Hingegen genügt es nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen. In einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (BGH, Urt. v. 20.12.2011, Az.: VI ZR 309/12, DB 2012, 573 m.w.N.).

c)

Von den materiellen Voraussetzungen des bedingten Vorsatzes sind die Anforderungen zu unterscheiden, die an seinen Beweis zu stellen sind. So kann sich im Rahmen des § 826 BGB aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat. Auch kann es im Einzelfall beweisrechtlich naheliegen, dass der Schädiger einen pflichtwidrigen Erfolg gebilligt hat, wenn er sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des betroffenen Rechtsguts durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, und es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Allerdings kann der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nicht allein das Kriterium für die Frage sein, ob der Handelnde mit dem Erfolg auch einverstanden war. Vielmehr ist immer eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles erforderlich (BGH, a.a.O., m.w.N.).

9.3

Gemessen an diesen Grundsätzen kann eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Kläger durch den Beklagten in diesem Verfahren nicht festgestellt werden.

a)

Maßgebliche Zeitpunkte für sowohl die objektiven als auch die subjektiven Voraussetzungen sind die Zeitpunkte der Herausgabe der Prospekte am 23.08.2002 (IHS 6) bzw. 30.10.2002 (IHS 7) sowie die Erwerbszeitpunkte durch die Kläger am 30.01.2003, 25.02.2003 und 21.07.2003. Zeitlich danach liegendes Verhalten des Beklagten ist allenfalls von Bedeutung, wenn hierdurch der Schaden vertieft würde. Insoweit ist im Verhältnis zu den Klägern unerheblich, dass ein Großteil der Inhaberteilschuldverschreibungen erst nach dem 11.07.2003 aufgelegt wurden und damit das angebliche „Schneeballsystem“ fortgesetzt wurde. Denn dies hatte zunächst nur dazu geführt, dass das „Schneeballsystem“ später zu Fall gekommen ist und damit die Verluste der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sind. Dass im Falle, es wären keine weiteren Inhaberschuldverschreibungen aufgelegt worden, die Insolvenzquote größer gewesen wäre und deswegen den Klägern ein Schaden entstand, ist nicht substantiiert dargelegt. Insoweit kann auch dahinstehen, ob der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, zu einem früheren Zeitpunkt den Antrag auf Insolvenzeröffnung zu stellen.

b)

Die Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen zur Kapitalbeschaffung, um ggf. erforderliche Investitionen durchführen zu können, stellt eine gängige, vielfach praktizierte unternehmerische Handlungsweise dar. Der Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen ist für den Anleger stets mit dem Risiko verbunden, dass sich die Geschäfte des Unternehmens nicht wie geplant entwickeln und die Inhaberschuldverschreibungen wegen Vermögensverfalls des Unternehmens wertlos werden. Sittenwidrigkeit ist bei Herausgabe von Inhaberschuldverschreibungen daher nur dann zu bejahen, wenn der Emittent von vornherein nicht beabsichtigt hat, die Schuldverschreibungen einzulösen, oder es sich aufgedrängt hat oder hätte aufdrängen müssen, dass das Geschäftskonzept von vornherein ungeeignet war, die eingeworbenen Gelder nebst den versprochenen Zinsen zurückzuzahlen. Für beides haben die Kläger nicht ausreichend vorgetragen und den ihnen obliegenden Beweis nicht führen können.

aa)

Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass das sogenannte „Kerngeschäft“ defizitär wäre.

Ihr Vorbringen zum sogenannten „Kernbereich“ ist unbehelflich. Selbst wenn zu Gunsten der Kläger davon ausgegangen wird, es habe zum damaligen Zeitpunkt noch einen „Kerngeschäftsbereich“ gegeben, ist hierdurch für sie nichts gewonnen. Denn unstreitig gehörte seit dem Jahr 1999 der Erwerb, die Verwaltung und die Veräußerung von Beteiligungen an Unternehmen zum Geschäftsbereich der Gesellschaft. Unerheblich ist im Ergebnis, ob der Gewinn der Gesellschaft aus dem „Kerngeschäftsbereich“ oder aus einem „Nebengeschäftsbereich“ erwirtschaftet wird. Im Gegenteil: Es kann für eine vernünftige Geschäftspolitik sprechen, wenn der ursprüngliche Geschäftsbereich – hier: die Verwaltung und die Vermietung von Wohn- und Geschäftsräumen – über Jahre hinweg defizitär ist, sich andere Geschäftsbereiche zu erschließen, um so eine Querfinanzierung zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang können sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass bereits in dem Geschäftsprüfungsbericht für das Jahr 2001 ausgeführt werde, die Generierung hoher Gewinne durch die Gesellschaft sei notwendig, um die Verpflichtungen aus den emittierten Inhaberteilschuldverschreibungen bedienen zu können. Dies stellt eine „Binsenweisheit“ dar und lässt noch keinen Schluss auf eine bestehende Überschuldung zu. Dass diese Gewinne aus dem „operativen Geschäft“ erwirtschaftet werden müssen, ist ebenfalls selbstverständlich.

bb)

Der Beklagte hat auf Aufforderung des Gerichts die Finanzplanung der Gesellschaft aus den Jahren 2002 und 2003 vorgelegt. Diese Finanzplanungen enthalten Aufstellungen von Mittelzu- und -abflüssen für die jeweils folgenden fünf Jahre, die eine Rückzahlung der ausgegebenen Inhaberteilschuldverschreibungen nebst Zahlung der Zinsen vorgesehen haben. Die Kläger haben, obwohl ihnen Gelegenheit gegeben worden ist, zu den vorgelegten Finanzplanungen Stellung zu nehmen, sich mit diesen inhaltlich nicht auseinandergesetzt, insbesondere keine konkreten Einwendungen erhoben. Ihre Einwendungen, die vorgelegten Finanzpläne seien nicht geeignet gewesen, die Lage der Gesellschaft zu verbessern, und der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass die von der Gesellschaft beauftragten Abschlussprüfer die Finanzpläne für realistisch erachtet haben, sind unbehelflich. Insbesondere stellen sie keine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vorgelegten Finanzplänen dar. Soweit die Kläger Zweifel an der Stichhaltigkeit dieser Finanzpläne haben, zeigen sie Zweifel begründende Schwachstellen nicht auf und geben dem Beklagten damit keine Gelegenheit, solche ggf. auszuräumen.

cc)

Zwar behaupten die Kläger, bei den Verkäufen einzelner Beteiligungen – der … und der … … – handele es sich um „fingierte“ In-sich-Geschäfte. Substantiiert dargelegt und bewiesen haben sie diese Behauptung aber nicht.

(1)

Die Anteile an der … und der … wurden an die … bzw. die … veräußert. Soweit der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf hingewiesen hat (Urt. v. 26.04.2012, Az.: I-6 U 73/11), die nahelegt, auch die Unternehmen der …-Gruppe gehörten zum Konzern des früheren Beklagten zu 1), so haben die Kläger nicht dargelegt, dass der Beklagte hiervon Kenntnis hatte. Auch nach den in den Emissionsprospekten enthaltenen Organigrammen über die Beteiligungsverhältnisse – deren inhaltliche Richtigkeit nicht in Abrede gestellt wurde – bestanden keine Unternehmensverträge zwischen der Gesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft mit Unternehmen der …

(2)

Dass es sich bei der … und der … um sogenannte „Briefkastenfirmen“ handelte, deren Anteile von vornherein wertlos waren, behaupten die Kläger selbst nicht.

Allein der Umstand, dass die Angaben über den Wert der Gesellschaftsanteile auf einer Eigenbewertung der Gesellschaft beruhten, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich um „Scheingeschäfte“ bzw. fingierte Geschäfte.

(3)

Für ihre Behauptung, dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Unternehmen der … von vornherein weder willens noch in der Lage gewesen seien, die Kaufpreise zu entrichten, sind die Kläger beweisfällig geblieben.

Soweit die Kläger für die Kenntnis des Beklagten als Beweis die Vernehmung des JS des Steuerberaters JK, des Wirtschaftsprüfers PH sowie des Insolvenzverwalters LF angeboten haben, war den Beweisangeboten nicht nachzugehen. Zwar setzt ein substantiierter Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen nicht voraus, dass sich der Beweisführer darüber äußert, welche Anhaltspunkte er für die Richtigkeit der in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen hat. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz macht die Rechtsprechung aber dann, wenn ein Zeuge über innere Vorgänge bei einer anderen Person – wie hier die Kenntnis des Beklagten – vernommen werden soll, die der direkten Wahrnehmung durch den Zeugen naturgemäß entzogen sind. In einem solchen Fall kann der Zeuge allenfalls Angaben zu äußeren Umständen machen, die einen Rückschluss auf den zu beweisenden inneren Vorgang zulassen. Es handelt sich insoweit um einen Indizienbeweis. Für einen solchen Beweisantrag sind die äußeren Umstände, die unmittelbar Gegenstand der Beweisaufnahme sein sollen, darzulegen (BGH, Urteil vom 08.05.2012, Az.: XI ZR 262/10, Rn. 44 m.w.N.). Solche äußeren Umstände werden von den Klägern nicht dargetan.

Soweit die Kläger schriftsätzlich auch die Vernehmung des Beklagten als Zeugen angeboten haben, haben – soweit dies als Antrag nach § 445 ZPO auf Parteivernehmung des Gegners auszulegen ist – die Klägervertreter diese in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr begehrt. Vor dem Hintergrund, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger bei der – aus Sicht der Kläger unergiebigen – Parteivernehmung des Beklagten im Verfahren 8 U 1123/11 zugegen war und das hierauf ergangene Urteil im Termin vom 19.07.2012 erörtert worden ist, war dies dahin zu verstehen, dass eine (erneute) Parteivernehmung nicht begehrt wird.

(4)

Unerheblich ist ferner, dass die von der Gesellschaft beauftragten Wirtschaftsprüfer im Rahmen der Abschlussprüfung die Bonität der Käufer hätten überprüfen müssen. Dies mag sein, betrifft jedoch den Beklagten nicht. Es gehört auch nicht zu den Aufgaben eines Vorstandes einer Gesellschaft, die beauftragten Wirtschaftsprüfer zu überprüfen.

(5)

Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang weiterhin, ob es Pflicht des Beklagten als Vorstand der … bzw. der Gesellschaft gewesen wäre, selbst die Bonität der Anteilskäufer und damit die Werthaltigkeit der Forderungen zu prüfen. Selbst wenn sich bei einer solchen Prüfung ergeben hätte, dass mangels Bonität der Anteilskäufer die Forderungen der … bzw. der Gesellschaft gegenüber diesen nicht werthaltig waren, begründet dieses Verhalten des Beklagten allenfalls den Vorwurf von Fahrlässigkeit und rechtfertigt nicht – zumindest nicht ohne besondere, von den Klägern nicht dargetanen Umständen – die Annahme von Vorsatz.

(6)

Zudem kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Veräußerungen erst in den Jahren 2003 und 2004, d.h. nach Erstellung der Emissionsprospekte und nach dem Erwerb der Inhaberteilschuldverschreibungen durch die Kläger erfolgten. Dass der Beklagte bereits zur damaligen Zeit Kenntnis darüber hatte, dass etwaige künftige Kaufpreisforderungen nicht werthaltig sein werden, ist weder dargetan noch ersichtlich.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Ein Revisionsgrund ergibt sich auch nicht im Hinblick auf die vom Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 08.07.2011 abweichende Auffassung des Senats zur Frage der unrichtigen oder unvollständigen Angabe des mit … … bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im Prospekt im Rahmen der Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass das Oberlandesgericht Frankfurt/M., welches sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29.02.2008 nicht auseinandergesetzt hat, eine vom Bundesverfassungsgericht abweichende Rechtsauffassung vertreten wollte. Der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schließt sich der Senat aber an, so dass nicht von einer tatsächlich bestehenden Divergenz ausgegangen werden kann.

IV.

Der Gebührenstreitwert war entsprechend dem Berufungsantrag gemäß §§ 47, 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO festzusetzen.

 

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