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Haftung Pflegeheimbetreiber – Pflichten zur Verhinderung von Stürzen der Heimbewohner

AG Paderborn – Az.: 57 C 680/08 – Urteil vom 26.04.2011

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die klagende Krankenkasse begehrt von der Beklagten, welche in …… ein Seniorenpflegeheim betreibt, die Erstattung verauslagter Behandlungskosten. Die Klägerin geht gegen die Beklagte aus übergegangenem Recht der ehemals bei ihr krankenversicherten ……. vor.

Die am …… geborene und unter dem …… verstorbene ….. (im Folgenden: Geschädigte) befand sich seit dem 04.11.2002 im Hause der Beklagten im Rahmen der Pflegestufe II. Bei der Geschädigten lagen zum damaligen Zeitpunkt ein intermittierendes hirnorganisches Psychosyndrom, sowie eine zerebrale Durchblutungsstörung mit häufiger Schwindelsymptomatik und Sturzneigung vor. Diese Diagnosen waren gutachterlich festgestellt worden.

Haftung Pflegeheimbetreiber - Pflichten zur Verhinderung von Stürzen der Heimbewohner
Symbolfoto: Von Photographee.eu/Shutterstock.com

In der Zeit vom 04.11.2006 bis zum 11.01.2007 kam es im Hause der Beklagten zu acht Stürzen der Geschädigten, in deren Verlauf die Geschädigte verletzt wurde. Die Geschädigte befand ich auf Grund eines Sturzes vom 25.12.2006 im Zeitraum vom 25.12.2006 bis zum 10.01.2007, und auf Grund eines Sturzes vom 11.01.2007 im Zeitraum vom 11.01.2007 bis zum 12.01.2007 auf Kosten der Klägerin in krankenhäuslicher Behandlung. Die Klägerin beziffert die für die Behandlung aufgewendeten Kosten, welche sie nunmehr klageweise geltend macht, wie folgt:

– Unfall vom 25.12.2006: 3.042,56 €

– Unfall vom 11.01.2007: 1.027,71 €

– Gesamt: 4.070,27 €

Die Klägerin meint, die Beklagte habe ihre Obhutspflichten im Hinblick auf die bei ihr untergebrachte Geschädigte verletzt.

Die Klägerin trägt vor, das Personal im Hause der Beklagten sei sich der erhöhten Sturzgefahr der Geschädigten voll bewusst gewesen.

Die Beklagte hätte dafür Sorge tragen müssen, dass bei der Geschädigten frühzeitig ein Bettgitter angebracht worden wäre. Insbesondere die Stürze vom 25.12.2006 und 11.01.2007 seien durch die Anbringung eines Bettgitters zum Schutz der Geschädigten vermeidbar gewesen. Dies gelte vor allem vor dem Hintergrund, dass eine engmaschige Überwachung der Geschädigten im Hause der Beklagten nicht möglich gewesen sei. Tagsüber hätte die Geschädigte Hüftprotektoren angelegt bekommen müssen, welche die Verletzungsrisiken bei Stürzen gemindert hätten. Darüber hinaus hätte die Beklagte bei der Geschädigten aufgrund ihrer Sturzneigung ein so genanntes Niedrigpflegebett bzw. Fallschutz-Abrollmatten vor dem Bett einsetzen müssen. Es hätte im Übrigen auch ein elektronisches Patientenüberwachungssystem zum Einsatz kommen können.

Aufgrund von Gefahr im Verzug hätte die Beklagte die vorläufig erforderlichen freiheitsentziehenden Maßnahmen auch ohne betreuungsgerichtliche Genehmigung nach Maßgabe von § 1906 Abs. 2 und 4 BGB bereits einleiten können.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.070,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2008 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorprozessuale Anwaltskosten in Höhe von 359,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5-%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe keine dem damaligen Stand der medizinischen und pflegetechnischen Standard entsprechenden Pflichten verletzt. Die Beklagte trägt vor, bei dem hier vorliegenden Einzelfall seien Sicherungsmaßnahmen im Hinblick auf die Geschädigte nicht indiziert gewesen. Bei der Geschädigten seien ein analytisches Denken und ein starker Wille vorhanden gewesen, welcher jedes Einschränken des Freiheitsdranges abgelehnt habe. Die Geschädigte sei im Übrigen im streitgegenständlichen Zeitraum noch äußerst mobil und agil gewesen.

Die Beklagte behauptet, der Geschädigten seien vom Pflegepersonal alle zur Verfügung stehenden Sicherungsmaßnahmen aufgezeigt und angeboten worden; die Geschädigte habe diese im Ergebnis aber alle abgelehnt.

Die Beklagte bestreitet die Zusammensetzung und den Anfall der klageweise geltend gemachten Krankenhausbehandlungskosten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen/-innen ….. sowie durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst Ergänzungsgutachten unter ergänzender mündlicher Anhörung des Sachverständigen. Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 30.06.2009 (Bl. 119-122 d.A.) und vom 08.04.2011 (Bl. 255-258 d.A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen ….. vom 24.02.2010 (Bl. 159-163 d.A.) nebst ergänzender Stellungnahme vom 09.09.2010 (Bl. 200-206 d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus übergegangenem Recht, §§ 280, 241, 611, 823 BGB, 116 SGB X.

Der Beklagten erwachsen aus dem vorliegend zugrunde liegenden Heimvertrag zwischen ihr und der Geschädigten grundsätzlich eine Vielzahl von Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Patienten. (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.2005, AZ: III ZR 399/04 in NJW 2005, 1937). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten ist grundsätzlich geeignet, einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Die Ansprüche können dabei sowohl aus einer Verletzung von vertraglichen Pflichten aus dem Heimvertrag sowie aus der Verletzung einer deliktischen Verkehrssicherungspflicht erwachsen.

Zu beachten ist aber, dass die Pflichten der Pflegeeinrichtungen begrenzt sind durch diejenigen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab ist hierbei das objektiv Erforderliche sowie das für den Patienten und das Pflegepersonal zumutbare (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.07.2010, AZ: I-24 U 16/10, 24 U 16/10 in PflR 2011, 25 ff.). Dabei ist insbesondere zu beachten, dass beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind. Die zu erbringenden Leistungen richten sich nach dem jeweils anerkannten Stand der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse (vgl. BGH NJW 2005, 2613).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin eine Pflichtverletzung auf Seiten der Beklagten nicht nachweisen können.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagten keine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Betreuung, Pflege und Überwachung der Geschädigten zur Last fällt.

a) Nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Feststellungen des Sachverständigen …… war die Anbringung eines Bettgitters für die Geschädigte zur damaligen Zeit medizinisch nicht geboten. Bei dem nachgewiesenen Bewegungsdrang und der mangelnden Einsicht der Geschädigten im Hinblick auf ihre Krankheitsbilder sei ein Bettgitter sogar kontraindiziert gewesen. Ein bis auf 25 cm hochgezogenes Bettgitter sei nur bei Patienten indiziert, die keinen Bewegungsdrang mehr zeigen oder ihre Bewegungen nicht mehr willkürlich steuern können.

Unstreitig wurde bei der Geschädigten zeitweise versucht, ein Bettgitter zur Zeit ihres Aufenthaltes im Hause der Beklagten zu verwenden. Die Geschädigte hatte sich hierbei aber nicht davon abhalten lassen, ihr Bett zu verlassen, sondern hatte versucht, über das Bettgitter hinüber zu steigen. Die Geschädigte bezeichnete die Bettgitter zudem auf Befragung durch das Personal selbst als „schlecht“ und lehnte diese ab.

Diesen Umstand hat das Personal im Hause der Beklagten nach Auffassung des Gerichts zu Recht in die vor dem Einsatz bestimmter Sicherungsmaßnahmen zu treffende Abwägung mit eingestellt. Bei einem Patienten, der offensichtlich noch den Bewegungsdrang wie die Geschädigte verspürte, ist das Anbringen eines Bettgitters nicht angezeigt. Die nach den glaubhaften Bekundungen der Zeugen immer noch sehr selbstständig agierende Geschädigte war durch das Anbringen eines Bettgitters einer erhöhten Sturzgefahr ausgesetzt. Die Stürze, insbesondere die hier streitgegenständlichen, wären durch das Bettgitter nicht verhindert worden; die Verhinderung der Stürze wäre wohl nur unter einer ständigen Fixierung der Geschädigten möglich gewesen. Diese Maßnahme erscheint dem Gericht aber unter Berücksichtigung des geistigen und im Übrigen körperlichen Zustandes der Geschädigten als zu weitgehend. Es stellt eine für den Patienten unzumutbare Einschränkung dar, wenn man zum Zwecke der Fortbewegung erst das Pflegepersonal mittels Klingel o.ä. um das Lösen der Fixierung bitten muss. Da die Geschädigte insbesondere Wert darauf legte, ihre Toilettengänge allein vorzunehmen, konnte weder ihr noch dem zuständigen Pflegepersonal ernsthaft eine ständige Fixierung zugemutet werden. Auch die Tatsache, dass die Geschädigte immer noch selbstständig mit ihrem Rollator unterwegs war, spricht dafür, dass diese bis zuletzt äußerst mobil war. Dieser Umstand wird auch übereinstimmend von den hier gehörten Zeugen bestätigt. Bei einem derartig hohen Grad an Mobilität erscheinen einengende Maßnahmen wie Bettgitter oder Fixierungsgurte nicht angezeigt. Dies gilt vor allem deshalb, da die vorliegenden Stürze nicht aus dem Bett heraus passiert sind, sondern bei der sonstigen alltäglichen Fortbewegung der Geschädigten. Auch insoweit kann der Beklagten daher keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Das Pflegepersonal durfte diese Sicherungsmaßnahmen für entbehrlich halten.

b) Gleiches gilt für die von der Klägerin benannten Hüftprotektoren. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass der Geschädigten nahezu durchgehend das Anlegen von Hüftprotektoren angeboten wurde. Dies hat die Zeugin …. unter Einräumung von Erinnerungslücken glaubhaft bestätigt. Die Geschädigte wurde hierbei vom Pflegepersonal im Hause der Beklagten auch immer wieder über die Vorteile zu ihrem eigenen Schutz aufgeklärt. Zudem wurde ihr auch das Anlegen der Protektoren demonstriert. Die Zeuginnen …. und …. haben aber übereinstimmend und glaubhaft erklärt, dass die Geschädigte das Anlegen von Hüftprotektoren immer strikt abgelehnt hat. Sie habe sich dadurch insbesondere bei Toilettengängen zu stark eingeschränkt gefühlt. Überzeugt hat das Gericht insoweit vor allem die Aussage der Zeugin …… Diese hat bekundet, dass die Geschädigte damals selbst auch als Krankenschwester tätig war. Zudem habe die Zeugin von der Geschädigten immer den Eindruck gehabt, dass diese genau verstanden hat, was das Pflegepersonal ihr zu erklären versucht hat. Das Pflegepersonal im Hause der Beklagten hatte daher zu Recht keine Veranlassung gesehen, die konkreten und nachvollziehbaren Wünsche der Geschädigten zu ignorieren. Wenn die Patienten die ihnen angebotenen Sicherungsmaßnahmen jedoch kategorisch -mit im Übrigen auch nachvollziehbarer Begründung- ablehnen, bleibt dem Pflegepersonal vor dem Erlass eines entsprechenden betreuungsgerichtlichen Beschlusses nur die Möglichkeit, freiheitsentziehende Maßnahmen nach Maßgabe von § 1906 Abs. 2, 4 BGB bei Gefahr im Verzug unmittelbar selbst einzuleiten. Hierzu bestand aber für die Beklagte keine Veranlassung. Denn es kann vorliegend auch insofern nicht festgestellt werden, dass der Beklagten bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Schutzinteressen und der Würde des Patienten ein Fehler unterlaufen ist.

c) Der Sachverständige hat in Übereinstimmung mit den Bekundungen der Zeugen darüber hinaus festgestellt, dass die Niedrigpflegebetten, deren fehlender Einsatz von der Klägerin gerügt wurde, im streitgegenständlichen Zeitraum 2006/2007 nicht zum pflegetechnischen Standard gehörten. Der Sachverständige erklärte zuletzt während der mündlichen Erörterung seines Gutachtens, dass er sogar bis zum Jahr 2009 nicht ein Einziges dieser Betten zu Gesicht bekommen hatte. Wenn der Einsatz dieser Betten aber im fraglichen Zeitraum nicht Pflegestandard war, dann kann aus einem Unterlassen des Einsatzes auch keine Pflichtverletzung der Beklagten gefolgert werden. Im Übrigen hat die Zeugin ….. glaubhaft bekundet, dass die fraglichen Niedrigpflegebetten zwar auch im Hause der Beklagten zur Verfügung standen; diese waren jedoch erst seit dem Frühjahr 2007 lieferbar und kamen auch erst in der Folgezeit zum Einsatz.

Darüber hinaus hat der Sachverständige in nachvollziehbarer Weise geschildert, dass Niedrigpflegebetten zwar verhindern könnten, dass sturzgefährdete Patienten tief fallen, es aber dann in aller Regel dazu kommt, dass diese nicht wieder aufstehen können. Auch insoweit wäre durch die Nutzung eines Sicherheitssystems gleichzeitig wieder ein neues Risiko im Hinblick auf die Sicherung der Fortbewegung der Pflegebedürftigen geschaffen. Nach den Bekundungen der Zeuginnen …. und ….. steht für das Gericht fest, dass die Beklagte diese Sicherungsmaßnahmen in Erwägung gezogen, jedoch nach ausführlicher Abwägung im Ergebnis abgelehnt hat.

d) Auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin ins Feld geführten „elektronischen Patienten-Überwachungssystem“ ergibt sich hier nichts anderes. Auch insoweit ist durch das Unterlassen des Einsatzes der Beklagten keine Pflichtverletzung anzulasten. Zum einen ist das angesprochene Überwachungssystem, welches dem Pflegepersonal im Einzelfall per Signal Nachricht davon gibt, wenn die zu überwachende Person sich in Bewegung setzt, keineswegs als medizinischer und pflegerischer Standard in vergleichbaren Pflegeeinrichtungen anzusehen. Dies ergibt sich ebenfalls aus den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen. Dieser hat in seiner mündlichen Befragung schlüssig dargelegt, dass dieses System im hier fraglichen Zeitraum zur Jahreswende 2006/2007 zwar theoretisch schon vorhanden war, jedoch nicht als medizinischer und pflegetechnischer Standard angesehen werden konnte. Im Übrigen hat der Sachverständige ausgeführt, dass in keinem der von ihm betreuten Heimen -und davon gebe es nach seinen expliziten Bekundungen immerhin einige- ein solches System vorhanden ist. Dieser Umstand spricht in erhöhtem Maße dafür, dass viele Heime die Möglichkeiten und Nachteile dieses Überwachungssystems bereits hinreichend abgewogen haben, jedoch zu dem Schluss gekommen sind, dass durch den Einsatz des Systems zum einen eine unzumutbare Dauerüberwachung des Patienten stattfindet, zum anderen aber insbesondere Stürze durch das System auch nicht immer verhindert werden können. Immerhin gelangt die technische Benachrichtigung erst dann an das Pflegepersonal, wenn der Patient das Bett verlassen hat (bei einer anderen technischen Alternative erst, wenn der Patient sich im Zimmer bewegt). Dann kann es bei sturzgefährdeten Patienten aber bereits zum Sturz gekommen sein, bevor das Pflegepersonal helfend eingreifen kann. Nach Auffassung des Gerichts dürfte dies sogar in einer Vielzahl der Fälle gelten (so auch schon OLG Sachsen-Anhalt v. 31.03.2005, AZ: 2 U 96/04).

Auch insoweit kann der Beklagten kein Vorwurf von Versäumnissen im Hinblick auf die Betreuung der Geschädigten gemacht werden, da eine Rundumüberwachung der Geschädigten weder geboten noch unter angemessenem Aufwand realisierbar gewesen wäre. Eine lückenlose Überwachung ist auch bereits nach der Rechtsprechung nicht finanzierbar und würde eine erhebliche Überdehnung der Pflichten des Pflegepersonals bedeuten (vgl. OLG Hamm in ZfS 2003, 279 f.; OLG Schleswig, Urteil v. 17.12.2003, AZ: 9 U 120/02).

e) Das Verlegen von Fallschutz-Abrollmatten war ebenfalls keine Maßnahme, welche das Personal der Beklagten bei der Pflege der Geschädigten hätte ernsthaft in Erwägung ziehen müssen. Die Zeuginnen …. und … sowie der Zeuge … haben übereinstimmend und unabhängig voneinander erklärt, dass sich die Geschädigte bis zuletzt mit einem Rollator fortbewegte, welcher immer direkt an ihrem Bett stand. Es erscheint dem Gericht äußerst nachvollziehbar, wenn sowohl die Zeuginnen als im Übrigen auch der Sachverständige zu erkennen geben, dass das Verlegen von Matten vor dem Bett bei der Geschädigten auf Grund des Rollators die Sturzgefahr unnötig erhöht hätte.

 

f) Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht unter Heranziehung der „Expertenstandards zur Sturzprophylaxe“. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass dieses Werk erst acht Wochen vor den hier streitgegenständlichen Stürzen der Geschädigten in der endgültigen Fassung veröffentlicht wurde, wobei die Implementierung der vorgeschlagenen Standards aber ein mehrmonatiges Zeitfenster benötige. Von der Beklagten konnte man eine Umsetzung der „Expertenstandards zur Sturzprophylaxe“ daher im streitgegenständlichen Zeitraum noch gar nicht erwarten.

An dieser Stelle ist überdies bereits fraglich, ob die „Expertenstandards zur Sturzprophylaxe“ unmittelbare Schutzpflichten auf Seiten der Beklagten begründen konnten. Denn es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den „Expertenstandards zur Sturzprophylaxe“ nur um „Leitlinien“ und nicht um zur Umsetzung verpflichtende „Richtlinien“ handelt. Auch insoweit verbleibt es bei einer vom Pflegepersonal vorzunehmenden Abwägung zwischen Schutzinteressen und Freiheitsinteressen des jeweiligen Patienten. Diese Abwägung hat die Beklagte -wie dargelegt- in beanstandungsfreier Weise durchgeführt und ist zu vertretbaren Ergebnissen gelangt. Eine Pflichtverletzung liegt jedenfalls nicht vor.

Das Gericht schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Überprüfung vollumfänglich an. Für das erkennende Gericht bestehen an der Sachkunde und Kompetenz des Sachverständigen spätestens seit seiner persönlichen Befragung in der letzten mündlichen Verhandlung keine Zweifel. Im Übrigen waren auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, welche zu Zweifeln an der Glaubwürdigkeit der befragten Zeugen hätten führen können.

Nach alledem war die Klage vollumfänglich abzuweisen.

2. Mangels Hauptanspruch steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Zinsen oder auf Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten zu.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

4. Streitwert: 4.070,27 €

 

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