LG Essen – Az.: 1 O 101/11 – Beschluss vom 04.05.2011
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungskläger.
Gründe
I.
Die Verfügungskläger sind Eigentümer, Mit- oder Wohnungseigentümer der Grundstücke …str. 7, 9 und 11 in F., die Verfügungsbeklagte Eigentümerin des benachbarten Grundstücks … Str. 62 – 64 in F.. Auf dem Grundstück der Verfügungsbeklagten befindet sich ein Gebäude, das früher von der Fa. L. als Warenhaus benutzt wurde und aus einem Haupthaus mit einem Anbau besteht. Die Abschlusswand des Anbaus verläuft entlang der Grundstücksgrenze zu den Gärten der Verfügungsbeklagten. Die Verfügungsbeklagte hat zur Vorbereitung einer geplanten Neubaumaßnahme mit dem Abriss des Anbaus begonnen.
Mit der beantragten einstweiligen Verfügung haben die Verfügungskläger begehrt, der Verfügungsbeklagten zu untersagen, dass ihr Besitz durch das Abbrechen der Außenwand beeinträchtigt wird. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung ist die Mauer abgerissen worden, woraufhin die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Bei dem Abriss ist es zu keinen wesentlichen Schäden gekommen. Die Mauer ist auf das Grundstück der Verfügungsbeklagten gefallen.
II.
Die Verfügungskläger haben gemäß § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermesse die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie voraussichtlich unterlegen wären.
1. Der gestellte Unterlassungsantrag ist bereits auch unter Berücksichtigung der in § 938 Abs. 1 BGB getroffenen Regelung nicht hinreichend bestimmt genug, er hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt. Bei einer Unterlassungsverfügung muss die zu unterlassende Handlung konkret bezeichnet werden (Prütting-Gehrlein-Fischer, ZPO, § 938, Rd. 3; Zöller-Vollkommer, ZPO, § 938, Rd. 2 jeweils mwN). Eine entsprechende Bezeichnung fehlt. Das Begehren, den Besitz durch den Abbruch nicht zu beeinträchtigen, lässt vor dem Hintergrund der Abwehr einer verbotenen Eigenmacht die konkret zu unterlassende Handlungen nicht erkennen. Soweit der Prozessbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass die Mauer nicht abgerissen werden soll, ergibt sich das aus dem Antrag nicht, da nicht beantragt worden ist, den Verfügungsbeklagten den Abriss der Mauer zu untersagen.
2. Soweit das Begehren der Verfügungskläger darauf gerichtet sein sollte, den Abriss der Wand zu untersagen, ist ein Verfügungsanspruch nicht gegeben.
Die Kammer legt dabei zu Grunde, dass es sich bei der streitgegenständlich Wand um eine Grenzwand handelt. Die Verfügungsbeklagten haben durch Vorlage einer Grenzbescheinigung des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs Dipl.-Ing. I. vom 03.05.2011 glaubhaft gemacht, dass die streitige Wand vollständig auf dem Grundstück der Verfügungsbeklagten steht, nämlich auf den Flurstücken … und ….
Aus der Alleineigentümerstellung der Verfügungsbeklagten folgt, dass sie die Mauer und das auf ihrer Seite stehende Gebäude jederzeit abreißen kann (vgl. Staudinger-Roth § 921, Rd. 56). Für eine Ausnahme ist nichts ersichtlich.
3. Soweit die Verfügungskläger das Unterlassen einer verbotenen Eigenmacht begehren, ist ein Anspruch ebenfalls nicht gegeben, jedenfalls ist eine etwaige verbotene Eigenmacht zu dulden.
a) Es bestehen bereits Bedenken, dass eine überhaupt eine verbotene Eigenmacht vorliegt.
Die Verfügungskläger können sich nicht darauf berufen, dass bereits durch das Schreiben vom 21.04.2011 verbotene Eigenmacht ausgeübt wird, da ihnen die Nutzung ihrer Grundstücke untersagt wird. Den entsprechenden Ausführungen, dass nicht gestattet werden, den hinteren Grundstücksbereich zu betreten, kommt keine rechtlich verbindliche Bedeutung zu, sie sind vielmehr nur als Warnhinweise zu verstehen.
Eine Beeinträchtigung der Verfügungskläger könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass ihnen im eigenen Sicherheitsinteresse faktisch verwehrt ist, während des Abrisses der Mauer ihren angrenzenden Grundstücksteil zu nutzen. Ob hierin bereits eine verbotene Eigenmacht liegt, braucht letztlich nicht entschieden werden.
b) Zumindest besteht eine Verpflichtung der Verfügungskläger, die etwaige Beeinträchtigung gemäß § 24 NachbarRG NW zu dulden.
(1) Bei den Abrissarbeiten handelt es sich um Bauarbeiten (Schäfer, NachbarRG NW, 15. Aufl., § 24 Rd. 1).
(2) Die Arbeiten können anders als unter Einsetzen eines Baggers nicht zweckmäßig oder nur unter einem unverhältnismäßigen Aufwand durchgeführt werden. Das Abtragen der Mauer mit Handarbeit verursacht unvertretbar hohe Kosten. Eine Sprengung birgt ein noch höheres Risiko für die Verfügungskläger.
(3) Die verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagten stehen auch nicht außer Verhältnis zu dem erstrebten Vorteil der Verfügungsbeklagten. Für die Verfügungskläger besteht nur eine geringe Beeinträchtigung, da sie einen Teil ihres Grundstücks für eine kurze Zeit nicht nutzen können, die Gefahr des Herabfallens von Mauerbestandteilen potentiell bestanden hat. Demgegenüber steht der Vorteil der Verfügungsbeklagten ihr Grundstück durch Neubau und Neugestaltung langfristig zu nutzen.
(4) Nach den unstreitig gebliebenen Erklärungen des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten sind auch ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile/Beeinträchtigungen getroffen worden. Nach vorbereitender technischer Untersuchung und Bauablaufvorbereitung ist die Mauer so eingesägt worden, dass sie auf das eigene Grundstück der Verfügungsbeklagten fällt. Die getroffenen Vorkehrungen werden dadurch bestätigt, dass es zu keinen wesentlichen Schäden auf den Grundstücken der Verfügungskläger gekommen ist.
(5) Das Vorhaben entspricht auch den öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Das ist durch Vorlage der Abbruchgenehmigung der Stadt F vom 01.02.2011 glaubhaft gemacht worden (Bl. 99 ff GA).
(6) Die gemäß § 24 Abs. 3, 16 NachbarRG erforderliche Anzeige ist durch das Schreiben vom 25.03.2011 (Bl. 120 ff. GA) erfolgt. Der Hinweis darauf, dass die Grundstücke der Antragsteller nicht beeinträchtigt werden, steht der Wirksamkeit der Anzeige nicht entgegen, da eine tatsächliche Beeinträchtigung weder geplant war noch eingetreten ist, die Beeinträchtigung nur in dem Sicherheitsaspekt liegt.
(7) Schließlich kann das Hammerschlag- und Leiterrecht im vorliegenden Gerichtsverfahren auch einrede weise geltend gemacht werden (vgl. LG Duisburg, Beschluss vom 09.10.2008 – 3 O 449/06 -; LG Kiel BauR 1991,380).