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Heilpraktiker – Hinweispflicht auf schulmedizinische Behandlung bei Gesundheitsgefährdung

AG Ansbach, Az.: 2 C 1377/14, Urteil vom 07.07.2015

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld wegen einer behaupteten Falschbehandlung durch die Beklagte von etwa 5.000 EUR

Die Beklagte ist Heilpraktikerin.

Der Kläger, der seit Jahren an einer chronischen Darmentzündung (pancolitis ulcerosa) mit langanhaltenden Diarrhöen, die in Schüben verläuft, leidet, begab sich Anfang 2012 zu ihr in alternativmedizinische Behandlung.

Zuvor befand sich der Kläger in schulmedizinischer Behandlung, in der ihm insbesondere Kortison, Salofalk und Azathioprin verschrieben wurde und zu keiner nachhaltigen Verbesserung seines Gesundheitszustandes führte.

Heilpraktiker - Hinweispflicht auf schulmedizinische Behandlung bei Gesundheitsgefährdung
Symbolfoto: Von LightField Studios /Shutterstock.com

Die Beklagte wandte u.a. Bioresonanz und Fußbäder an und führte regelmäßige heilpraktische Therapiesitzungen durch.

Der Kläger behauptet, dass sich während der Behandlung sein Gesundheitszustand für die Beklagte erkennbar rapide verschlechtert habe, er insbesondere massive Durchfälle mit krampfartigen Schmerzen erlitt, die zu einer Gewichtsabnahme von mehr als 25 kg geführt hätten. Deshalb habe er sich schließlich am 14.03.2012 in eine stationäre Notfallbehandlung begeben müssen.

Die Beklagte habe ihm zuvor von einem Arztbesuch abgeraten gehabt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihm wegen einer akuten Gesundheitsgefahr bereits zuvor zur erneuten schulmedizinischen Behandlung hätte raten müssen, was ihm erhebliche, Wochen andauernde Leiden erspart hätte.

Außerdem seien die angewendeten Therapien ungeeignet.

Deshalb beantragt der Kläger:

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 13.12.2013 zu bezahlen.

2.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klägervertreter in Höhe von 489,45 € freizuhalten.

Die Beklagte beantragt die Klagabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihre Therapie nicht zu beanstanden sei. Sie behauptet, dass der Kläger gerade eine alternativmedizinische Behandlung gewünscht und eine weitere „schulmedizinische“ Behandlung abgelehnt habe. Außerdem habe der Kläger sie nicht über seine Diagnose unterrichtet, sondern nur blutige Durchfälle und eine Gastritis geschildert.

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze nebst den eingereichten Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 09.02.2015 durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens des Prof. Dr. … vom 20.03.2015, das der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2015 mündlich erläutert hat.

Ferner hat das Gericht den Kläger und die Beklagte informatorisch angehört.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt – weder aus Vertrags- noch aus Deliktshaftung – einen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der von ihm behaupteten massiven Verschlechterung seines Gesundheitszustandes.

Für den krankhaften Zustand des Klägers ist keine Pflichtverletzung der Beklagten ursächlich.

Grundsätzlich sind dabei an Heilpraktiker dieselben Anforderungen wie an (Haus-) Ärzte zu stellen (Münchener Kommentar, BGB, § 823 Rn. 756).

Dabei können solche möglichen Pflichtverletzungen der Beklagten außer Betracht bleiben, die den Gesundheitszustand des Klägers nicht verschlechtert haben.

Insbesondere können – was der Kläger auch gar nicht behauptet hat – die von der Beklagten angewandten Therapien wie Bioresonanz, Fußbäder, Therapiesitzungen die Beschwerden nicht verursacht haben.

Es kann auch dahin gestellt blieben, ob die Beklagte die richtige naturheilpraktische Therapie ausgewählt hat.

Zwar liegt insofern durchaus die Ungeeignetheit der von der Beklagten ausgewählten Therapien nahe. Im Bereich der alternativen Medizin gibt es aber grundsätzlich keine Erfolgsnachweise, es handelt sich vielmehr gerade um naturwissenschaftlich (noch) nicht fundierte und anerkannte Methoden. In eine solche Art der Behandlung hat sich der Kläger bewusst begeben. Deshalb ist nicht nachweisbar, dass andere alternative Therapien mit Wahrscheinlichkeit die Leiden des Klägers gelindert hätten. Daher können entsprechende Kausalitätsnachweise auch nicht mit einem heilpraktischen Sachverständigengutachten erbracht werden, so dass es einer Einholung nicht bedurfte.

Aus diesem Grund hätten sich auch eventuelle Pflichtverletzungen der Beklagten bei Anamnese, Diagnostik, Aufklärung und konkreter Ausgestaltung der Therapie nicht nachweisbar ausgewirkt.

Auch ein eventueller Verstoß gegen Dokumentationspflichten an sich führt zu keiner Haftung des Behandlers, sondern kann allenfalls Beweiserleichterungen nach sich ziehen (Münchener Kommentar, BGB, § 823 Rn. 865).

Es kommt allein als Pflichtverletzung in Betracht, dass es die Beklagte versäumt hat, den Kläger auf die „Schulmedizin“ zu verweisen.

Eines solchen Verweises bedurfte es jedoch nicht.

Grundsätzlich darf ein Heilpraktiker davon ausgehen, dass ein Patient, der ohne gewünschten Erfolg in „schulmedizinischer“ Behandlung war und sich nun an ihn wendet, sich bewusst von den anerkannten Methoden der „Schulmedizin“ ab- und zu alternativen Behandlungen hin wendet (OLG München v. 26.04.1989, 27 U 68/88; OLG München v. 14.11.2012, 3 U 2106/11).

Etwas anderes kann nach Ansicht des Gerichts nur gelten, wenn sich der Patient in einem – für den Heilpraktiker erkennbaren – akuten Zustand einer erheblichen Gesundheitsgefährdung befindet, der eine umgehende „schulmedizinische Behandlung“ erforderlich macht.

Einen solchen Zustand behauptet der Kläger allerdings, indem er einen akuten Schub seiner chronischen Darmentzündung mit seit Wochen anhaltenden Diarrhoen verbunden mit erheblichem Gewichtsverlust, starken Schmerzen und massiven Schwächeanfällen darlegt, was die Beklagte bestreitet.

Grundsätzlich ist allerdings, wie auch im (vergleichbaren) Arztprozess, der Patient für seinen Zustand beweisbelastet (Münchener Kommentar, BGB, § 823, Rn. 841).

Es spricht Einiges gegen den behaupteten Zustand des Klägers, weil sich insbesondere aus den als Anlage K2 vorgelegten Behandlungsunterlagen der Praxisklinik, in die sich der Kläger nach Abbruch der streitgegenständlichen Therapie begab, ergibt, dass sich der Kläger bei Aufnahme in noch ordentlichem Allgemeinzustand befand.

Allerdings erscheint eine Beweislastumkehr hinsichtlich dieser Frage möglich, falls die Beklagte die Behandlung des Klägers und seinen Zustand nicht ordnungsgemäß dokumentierte (vgl. Münchener Kommentar, BGB, § 823 Rn. 865 für die Arzthaftung). Vorliegend spräche aber – neben der Frage der Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf den Heilpraktiker – dagegen, dass es sich um äußere, auch für den medizinischen Laien leicht feststellbare Symptome wie Schwäche, Gewichtsverlust und Diarrhöen handelt und die Dokumentationspflicht nicht in erster Linie Beweiszwecken dient (Münchener Kommentar, BGB, § 823 Rn. 864).

Vorliegend kann jedoch offen bleiben, ob sich der Kläger tatsächlich in einem solchen Zustand befand. Unterstellt man nämlich den behaupteten Zustand, kommt das Gericht mit dem gerichtsbekannt erfahrenen Sachverständigen, dessen Ausführungen sich das Gericht uneingeschränkt zu Eigen macht, zu dem Ergebnis, dass sich bei einem solchen Zustand auch ein medizinischer Laie von selbst in eine schulmedizinische Behandlung begeben würde. Das Gericht ist insbesondere der Auffassung, dass der Sachverständige für seine Feststellungen auch als Rechtsmediziner über ausreichende Sachkunde verfügt. Dies hat er dargelegt. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass es vorliegend bei unstreitiger Diagnose ausschließlich um allgemeinmedizinische Feststellungen über die Gefährlichkeit des Gesundheitszustands des Klägers ging. In diesem Fall bedurfte es folglich keines Hinweises der Beklagten. Dies muss umso mehr gelten, wenn man aufgrund der jahrelangen Leidensgeschichte des Beklagten entsprechende besondere Kenntnisse über seine Erkrankung unterstellen kann und muss. Dass der Kläger wider Erwarten über solche Kenntnisse nicht verfügte, hat er selbst nicht behauptet. Einer Untersuchung des Klägers bedurfte es für diese Schlussfolgerung nicht.

Dies gilt nach Ansicht des Gerichts sogar dann, wenn die Beklagte – was der Kläger unbewiesen behauptet- von Arztbesuchen abgeraten haben sollte: Bei solch gravierenden gesundheitlichen Auswirkungen zwingt sich ärztliche Behandlung auf und dem Kläger musste auch klar sein, dass er selbst seine Symptome häufiger und besser als die Beklagte wahrnehmen konnte und dass die Beklagte gerade keine ausgebildete Ärztin war. Ausführliche Gespräche und Untersuchungen soll ja die Beklagte laut dem Kläger gerade nicht vorgenommen haben.

Selbst wenn man – entgegen den Behauptungen des Klägers – von einem weniger dramatischen Krankheitsbild ausginge, so wie es die Beklagte oder die Klinik dokumentiert haben, entfiele eine Hinweispflicht auf eine schulmedizinische Behandlung, weil nach den Feststellungen des Sachverständigen dann bereits kein besorgniserregender Gesundheitszustand des Klägers bestand, der eine unverzügliche medizinische Behandlung erfordert hätte.

Mangels Hauptforderung besteht weder Anspruch auf Verzinsung noch auf Nebenforderungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

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