Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Az: 2 S 1830/07
Beschluss vom 18.12.2007
In der Verwaltungsrechtssache wegen Wasserabgabenbescheid hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg am 18. Dezember 2007 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12. Juli 2007 – 5 K 765/07 – geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Wassergebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 12. Oktober 2006 wird in Höhe von 52,16 EUR (betreffend den Monat April 2004) angeordnet.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.506,39 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige, insbesondere statthafte Beschwerde des Antragstellers (§ 146 Abs. 1 und 4 VwGO) ist nur zu einem geringen Teil begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Wassergebührenbescheid der Antragsgegnerin vom 12.10.2006 abgelehnt, soweit mit diesem Gebühren für die Jahre 1997 bis 2004 in Höhe von insgesamt 13.973,40 EUR festgesetzt wurden. Das Verwaltungsgericht hätte aber die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen müssen, soweit mit dem Bescheid vom 12.10.2006 darüber hinaus Gebühren für den Zeitraum vom 20. bis 30.4.2004 in Höhe von 52,16 EUR (einschließlich 7 % Mehrwertsteuer) festgesetzt wurden; denn insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids (§ 80 Abs. 5 S. 1 in Verb. mit Abs. 4 S. 3 VwGO).
Nach der Rechtsprechung des Senats hängt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung davon ab, ob nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestehen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 3 VwGO). Solche Zweifel sind nur dann anzunehmen, wenn ein Erfolg von Rechtsbehelf oder Klage wahrscheinlicher ist als deren Misserfolg, wobei ein lediglich als offen erscheinender Verfahrensausgang die Anordnung nicht trägt (vgl. etwa Beschluss vom 18.8.1997 – 2 S 1518/97 – m.w.N.). Nach dem Rechtsgedanken des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist die aufschiebende Wirkung auch dann anzuordnen, wenn die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Dass Letzteres der Fall sein könnte, hat der Antragsteller nicht substantiiert vorgetragen.
Aber auch für die Annahme der genannten ernstlichen Zweifel fehlt es an einer ausreichenden Grundlage. Denn der Verfahrensausgang kann allenfalls als offen bezeichnet werden.
1. Ernstliche Zweifel bestehen zunächst nicht hinsichtlich der Rechtsfrage, ob die Antragsgegnerin die geltend gemachte Forderung – Wassergebühren für die vom Antragsteller vor dem Wasserzähler entnommene Wassermenge – durch Leistungsbescheid festsetzen kann. Zwar darf eine Gemeinde einen Ersatzanspruch, den sie daraus herleitet, dass ihr ein Grundstückseigentümer im Rahmen eines öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses einen Schaden zugefügt hat, ohne gesetzliche Ermächtigung nicht durch Leistungsbescheid geltend machen (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.12.1989 – 10 S 2252/89 – NVwZ 1990, 388). Bei Entnahme von Frischwasser vor dem gemeindlichen Wasserzähler – wie sie hier zwischen den Beteiligten streitig ist – steht der Gemeinde allerdings sowohl ein satzungsrechtlicher Erfüllungsanspruch nach den §§ 39 ff. der Satzung der Antragsgegnerin über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser – Wasserversorgungssatzung – vom 26.9.1997 (im Folgenden WVS 1997) als auch ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung entsprechend der Höhe der festzusetzenden Gebühren gegenüber dem Anschlussnehmer zu (vgl. dazu: Senatsbeschluss vom 28.7.2003 -2 S 1390/03 -). Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird ungeachtet der missverständlichen Formulierung im streitgegenständlichen Bescheid vom 12.10.2006 (dieser spricht von Schadensersatzforderungen) mit diesem bei sinnorientierter Auslegung der satzungsrechtliche Erfüllungsanspruch und nicht der – ebenfalls bestehende – Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung geltend gemacht. Denn zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört auch die Berücksichtigung der Interessenlage von Behörde einerseits und Bürger andererseits. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist anzunehmen, dass ein Verwaltungsakt nach dem Willen der erlassenden Behörde einen bestimmten rechtserheblichen Inhalt haben soll; deshalb ist bei mehreren an sich möglichen Auslegungen derjenigen der Vorzug zu geben, bei welcher dem Verwaltungsakt rechtliche Wirkung zukommt bzw. bei welcher die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts vermieden wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Auslegung auch mit der Interessenlage des betroffenen Bürgers vereinbar ist.
Davon ist hier auszugehen. Wenn die Antragsgegnerin ihren satzungsrechtlichen Erfüllungsanspruch grundsätzlich – also auch bei satzungskonformem Verhalten des Anschlussnehmers – mit Bescheid geltend macht, kann der Anschlussnehmer bei satzungswidrigem Verhalten erst recht nicht erwarten, von der Heranziehung der Wassergebühren im Wege eines Verwaltungsakts verschont zu bleiben.
2. Ferner ist mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass die von der Antragsgegnerin geltend gemachten Wassergebühren dem Grunde nach entstanden sind.
Da auf dem Grundstück „Öschle I in Hermentingen“, für das die streitgegenständlichen Gebühren erhoben wurden, nach den Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 23.11.2005 – 3 Ds 21 Js 5624/04 – eine Frischwasserleistung, mit der u.a. Teile des landwirtschaftlichen Gebäudes und ein Rinderstall (Boxenlaufstall – Stall Ost neu) mit Wasser versorgt wurden, vor dem gemeindlichen Wasserzähler abzweigte und die über diese Wasserleitung verbrauchte Wassermenge nicht mit einem von der Antragsgegnerin angebrachten Wasserzähler (vgl. § 21 Abs. 1 und 2 WVS 1997) gemessen wurde, war die Antragsgegnerin befugt, die über diese Leitung entnommene Wassermenge gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG a.F. in Verb. mit § 162 Abs. 1 AO zu schätzen (vgl. auch: Senatsbeschluss vom 28.7.2003, aaO). Die genannten Vorschriften finden entgegen der Ansicht des Antragstellers Anwendung; bei der streitgegenständlichen Forderung handelt es sich – wie dargelegt – um den satzungsrechtlichen Erfüllungsanspruch und nicht um eine „privatrechtliche Schuld“.
3. Die geschätzten Wassergebühren dürften auch der Höhe nach im Wesentlichen einer rechtlichen Überprüfung standhalten. Im Einzelnen:
a) Zu Unrecht dürfte sich der Antragsteller gegen die Heranziehung von Wassergebühren für den Zeitraum von Januar 1997 bis 31.3.2001 wenden (der vom Amtsgericht abgeurteilte Zeitraum vom 1.4.2001 bis zum 20.4.2004 ist zwischen den Beteiligten unstreitig). In der Anlage zum Bescheid vom 12.10.2006 hat die Antragsgegnerin folgenden Sachverhalt festgehalten:
„Der Neubau Stall Ost (Boxenlaufstall) wurde im Jahr 1993 auf dem Anwesen von Herrn Josef Steinhard (= der Antragsteller), Öschle 1 in Hermentingen begonnen. Im Zuge der Baumaßnahme wurde die bereits vorhandene und nicht stillgelegte Wasserleitung (vor dem Wasserzähler) weiterverwendet bzw. mit dieser Leitung wurde ab diesem Zeitpunkt der neue Stall Ost sowie das UG des Wohnhauses mit Frischwasser versorgt. Man kann daher von einer vorsätzlichen unberechtigten Wasserentnahme ab dem Jahr 1994 ausgehen“.
Diesem von der Antragsgegnerin festgestellten Sachverhalt ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Es genügt insbesondere nicht, wenn er die Wasserentnahme im Zeitraum vor dem 1.4.2001 pauschal bestreitet. So fehlt insbesondere jeder Vortrag dahingehend, dass und in welchem Zusammenhang die vor dem gemeindlichen Wasserzähler abzweigende Frischwasserleistung erst im Jahre 2001 installierte bzw. in Betrieb genommen worden ist. Bei der Schilderung von Ereignissen aus dem eigenen Erkenntnisbereich des Prozessbeteiligten bzw. aus seiner persönlichen Sphäre sind konkrete und auch auf Einzelheiten eingehende, also „substantiierte“ Angaben zu erwarten (Dawin in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 86 Rdnr. 74). Eine weitere gerichtliche Sachverhaltserforschung ist vor diesem Hintergrund dann nicht veranlasst, wenn nicht einmal der interessierte Beteiligte substantiierte Angaben zum Sachverhalt macht. Deshalb ist jedenfalls für das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von einer „illegalen“ Wasserentnahme des Antragstellers ab der Errichtung des Boxenlaufstalls im Jahre 1993/1994 auszugehen; eine Heranziehung ab 1997 durfte somit erfolgen.
Dass das Amtsgericht Sigmaringen in seinem Urteil vom 23.11.2005 die „illegale“ Wasserentnahme lediglich im Zeitraum vom 1.4.2001 bis zum 20.4.2004 als erwiesen ansah, ist dagegen rechtlich unerheblich. Im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren besteht keine strikte Bindung an die im Strafverfahren getroffenen Feststellungen; dies gilt hier insbesondere auch deshalb, weil die Entscheidungsgründe im Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 23.11.2005 nach § 267 Abs. 4 StPO abgekürzt worden sind und sich diesen Entscheidungsgründen nichts Wesentliches für den Zeitraum vor dem 1.4.2001 entnehmen lässt; so fehlt etwa eine Begründung dafür, warum die „illegale“ Wasserentnahme erst ab dem 1.4.2001 anzunehmen sei.
b) Darüber hinaus dürfte auch die von der Antragsgegnerin verwendete „Schätzmethode“ nicht zu beanstanden sein. Diese hat der Schätzung für die maßgeblichen Jahre 1997 bis 2003 einmal die geförderte Wassermenge im Ortsteil Hermentingen zugrunde gelegt und von dieser Fördermenge zum anderen die über Wasserzähler abgerechneten Mengen abgezogen und die danach errechnete Differenzmenge (nach Abzug eines pauschalen Frischwasserverlusts im Leitungsnetz) in Ansatz gebracht. In einem zweiten Schritt wurde die über den Zeitraum von sieben Jahren errechnete Menge in einen monatlichen „Wasserschwund“ umgerechnet. Einwendungen gegen die „Schätzmethode“ an sich hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Auch die geschätzte Wassermenge von 116 cbm Frischwasserverbrauch für das landwirtschaftliche Anwesen des Antragstellers im Monat begegnet – jedenfalls im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – keinen durchgreifenden Bedenken. Gerichtsbekanntermaßen ist die Rinderhaltung – laut Urteil des Amtsgerichts hält der Antragsteller auf seinem Anwesen um die 50 Rinder – mit einem außergewöhnlich hohen Wasserverbrauch verbunden; auch hat der Antragsteller nicht etwa – unter Hinweis auf seinen Wasserverbrauch nach April 2004 (nachdem die illegale Wasserentnahme abgestellt worden ist) – dargetan, dass die zugrunde gelegte Frischwassermenge von 116 cbm unplausibel bzw. nicht nachvollziehbar sei.
c) Soweit die Antragsgegnerin schließlich von der geschätzten jährlichen Wassermenge jeweils 10 % im Hinblick auf den allgemeinen Frischwasserverlust im Leitungsnetz in Abzug gebracht hat, ist der Ausgang des Verfahrens als offen zu bezeichnen. Die Antragsgegnerin hat zwar bislang den vorgenommenen Abzug nicht näher begründet; dieser dürfte wohl auf einer Schätzung des Wassermeisters beruhen, ohne dass die Schätzgrundlage dafür allerdings offengelegt worden ist. Auch der Antragsteller hat aber seine Behauptung, die angenommene Schwundquote von 10 % sei wesentlich zu gering, nicht näher erläutert. Sein Hinweis, „in den zurückliegenden Jahren sei es zu einer Reihe von Wasserrohrbrüchen gekommen“, bleibt substanzlos und wird gerade nicht durch die Schilderung konkreter Fälle belegt. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund muss die weitere Aufklärung des Sachverhalts – insbesondere hinsichtlich des allgemeinen Frischwasserverlustes im Leitungsnetz – dem Widerspruchsverfahren bzw. einem sich eventuell anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, was die dargelegte Bewertung eines offenen Verfahrensausgangs rechtfertigt.
d) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dürfte aber ein Erfolg des Rechtsbehelfs des Antragstellers in der Hauptsache wahrscheinlicher als dessen Misserfolg sein, soweit die Antragsgegnerin für den Monat April 2004 einen Frischwasserverbrauch von 116 cbm zugrunde gelegt und damit den Monat April vollständig in die Gebührenerhebung einbezogen hat. Denn die „illegale“ Wasserentnahme wurde – nach Aktenlage – am 20.4.2004 entdeckt und abgestellt; konsequenterweise darf der Frischwasserverbrauch nur bis zum 20.4.2004 geschätzt werden mit der Folge, dass statt 116 cbm lediglich 77 cbm anzusetzen sind. Ausgehend von dieser Schätzgrundlage errechnet sich bei einer Verbrauchsgebühr von 1,25 EUR/cbm für den Monat April 2004 eine Netto-Wassergebühr von 96,25 EUR anstatt der von der Antragsgegnerin festgesetzten Gebühr von 145,– EUR. Der sich daraus ergebende Differenzbetrag von 48,75 EUR einschließlich 7 % Mehrwertsteuer (= 52,16 EUR) wurde im Bescheid vom 12.10.2006 zu Unrecht festgesetzt. Nach Aktenlage konnte ab dem 20.4.2004 die gelieferte Wassermenge wieder vollständig durch eine gemeindliche Messeinrichtung (Wasserzähler) festgestellt werden (§ 21 Abs. 1 WVS 1997), so dass ab diesem Zeitpunkt kein Anlass mehr für die Schätzung der Wassermenge bestand.
4. Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller ferner auf die Verjährung der Forderung.
Nach § 169 Abs. 1 AO, der nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG a.F. auf Kommunalabgaben sinngemäß anzuwenden ist, ist eine Festsetzung von Abgaben nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist, die für Kommunalabgaben grundsätzlich vier Jahre beträgt, abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt allerdings nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c) KAG in Verb. mit § 169 Abs. 2 S. 2 AO 10 Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen worden ist. Hier bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller die Straftat einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAG a.F.) verwirklicht hat.
Nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAG a.F. wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer die Körperschaft, der die Abgabe zusteht, unter Verstoß gegen gesetzliche Pflichten über abgabenrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Abgaben verkürzt. Diesen Tatbestand dürfte der Antragsteller in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt haben. Denn nach den Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Sigmaringen vom 23.11.2005 hat der Antragsteller die Wasserleitung vor dem gemeindlichen Wasserzähler „in einer Vielzahl von Fällen zur unberechtigten ungezählten Wasserentnahme in der Absicht genutzt, das entnommene Wasser nicht zu bezahlen“. Diese Feststellung impliziert gleichzeitig, dass der Antragsteller vorsätzlich das Sonderdelikt des § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KAG a.F. begangen hat, indem er – der zur Aufklärung abgabenrechtlich erheblicher Tatumstände besonders verpflichtet war – es unterlassen hat, die „illegale“ Wasserentnahme über die Wasserleitung vor dem gemeindlichen Zähler der Antragsgegnerin mitzuteilen. Im Übrigen hat der Antragsteller selbst nicht bestritten, vorsätzlich gehandelt zu haben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass er vom Amtsgericht Sigmaringen nicht wegen Abgabenhinterziehung, sondern lediglich wegen Unterschlagung verurteilt worden ist; die Verlängerung der Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO setzt eine rechtskräftige Verurteilung wegen Abgabenhinterziehung nicht voraus, es reicht vielmehr die Verwirklichung des Straftatbestands. Gilt nach alledem die 10-jährige Festsetzungsverjährung, durfte die Antragsgegnerin die Forderungen jedenfalls ab dem Jahr 1997 geltend machen.
Schließlich kann dem geltend gemachten Erfüllungsanspruch auch nicht der Gedanke der Verwirkung entgegengehalten werden. Der Grundsatz der Verwirkung ist als ein Fall des auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben anzusehen. Der Zeitablauf allein und bloßes Stillschweigen der Behörde reicht für eine Verwirkung grundsätzlich nicht aus. Hinzu kommen muss ein Verhalten des Berechtigten (= der Gemeinde), auf Grund dessen der Betroffene zu der Annahme berechtigt war, dass die Behörde ihren Anspruch nicht (mehr) geltend machen will. Ein solcher Vertrauenstatbestand ist hier nicht ersichtlich. Da der Antragsgegnerin die „illegale“ Wasserentnahme des Antragstellers nicht bekannt war, sind – entgegen der Ansicht des Antragstellers – die jährlichen Wassergebührenbescheide, die auf den Angaben des gemeindlichen Wasserzählers beruhten, nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand zu schaffen. Dass im Übrigen der Gedanke der Verwirkung zugunsten des Antragstellers – im Hinblick auf die von ihm verwirklichte Abgabenhinterziehung – von vornherein ausscheidet, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Erörterung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG (in Anknüpfung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8.7.2004, VBlBW 2004, 467).
Der Beschluss ist unanfechtbar.