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Internetauktionshaus: Haftung für Angestellte

OLG Brandenburg

Az: 6 U 161/02

Urteil vom 16.12.2003


In dem Rechtsstreit hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2003 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.10.2002 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Potsdam – 51 O 12/02 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 252 – 256 d.A.).
Das Landgericht hat mit am 10.10.2002 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen, weil dem vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch gemäß § 1 UWG die Vorschrift des § 5 TDG a.F. bzw. jetzt die Vorschriften der §§ 8, 11 TDG n.F. entgegenstehen würden. Das Haftungsprivileg des § 5 Abs. 2 TDG a.F. bzw. des § 11 S. 1 TDG n.F. greife zugunsten der Beklagten ein, weil es sich bei den streitgegenständlichen Angeboten um fremde Angebote i.S. dieser Bestimmungen handele.

Gegen diese seinen Prozeßbevollmächtigten am 16.10.2002 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 14.11.2002 eingelegten Berufung. Diese hat er, nachdem auf seinen am 11.12.2002 beim Oberlandesgericht eingegangenen Antrag die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 16.1.2003 verlängert worden ist, mit am letzten Tag der verlängerten Frist eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Kläger meint, zu Unrecht sei das Landgericht davon ausgegangen, daß der Beklagten das Haftungsprivileg des TDG zugute komme. Die inkriminierten Medienträger seien keine Fremdprodukte, sondern mit dem Angebot und der Leistung der Beklagten derart verwoben, daß sie als eigene Inhalte der Beklagten im Sinne des § 8 Abs. 1 TDG n.F. anzusehen seien. Darüber hinaus habe die Beklagte spätestens mit Einstellung des jeweiligen Produktes positive Kenntnis über deren rechtswidrigen Inhalt, so daß sie auch nach § 11 TDG n.F. hafte. Außerdem unterliege ohnehin lediglich das „ins-Netz-stellen“ eines Fremdproduktes dem Haftungsprivileg, nicht die von der Beklagten erbrachten umfangreichen zusätzlichen Dienstleistungen.

Der Kläger beantragt, in Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam – 51 O 12/02 – der Beklagten aufzugeben, es zukünftig zu unterlassen, Schriften – Ton- und Bildträger, Datenspeicher und Abbildungen und andere Schriften gleichstehende Darstellungen -, die nach § 1 GjSM in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen worden sind, sowie Schriften volksverhetzenden Inhaltes (§ 130 Abs. 2 StGB) sowie gewaltverherrlichenden Inhalts (§ 131 StGB) zu bewerben und öffentlich in Medien – insbesondere im Internet – zum Kauf anzubieten oder anbieten zu lassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Die Akte des Verfahrens der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Potsdam 51 O 113/01 lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen des Parteivorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere läßt die Berufungsbegründung noch ausreichend erkennen, daß der Kläger der Auffassung ist, das Landgericht habe das materielle Recht unrichtig angewandt und aus welchen Gründen das so sei (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

Die Berufung ist jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils, auf die verwiesen wird, unbegründet. Dem Kläger steht kein Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG oder § 1004 BGB analog zu. Das Vorbringen des Klägers in der Berufung führt zu keinem anderen Ergebnis.

Der Anwendungsbereich des Teledienstegesetzes (TDG) ist eröffnet. Er ergibt sich aus § 2 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 5 TDG a.F.. Die Beklagte ermöglicht durch den Betrieb ihrer Handelsplattform im Internet, daß Angebote von Waren in elektronisch abrufbaren Datenbanken mit interaktivem Zugriff und unmittelbarer Bestellmöglichkeit bereitstehen (so auch LG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2002, 4a O 464/01). Im Vordergrund der Tätigkeit des Auktionshauses steht zwar die Vermittlung eines Angebotes des Einlieferers an eine unbestimmte Vielzahl von potentiellen Bietern. Der Schwerpunkt liegt jedoch eindeutig in der individuellen Kommunikation, indem die Bieter in der Regel ihr Angebot per email oder über ein Online-Formular abgeben und nur das Angebot des Einlieferers sowie der aktuelle Stand der Gebote allgemein zugänglich sind (so auch OLG Köln, MMR 2002, 110; LG Düsseldorf, a.a.O.).

Die Beklagte ist nicht für die beanstandeten Angebote nach § 5 Abs. 1 TDG a.F. (entspricht § 8 Abs. 1 TDG n.F.) verantwortlich. Die beanstandeten Angebote sind weder eigene Inhalte der Beklagten i.S.d. § 8 Abs. 1 TDG n.F., noch hat die Beklagte sie sich zueigen gemacht. Es handelt sich vielmehr um fremde Informationen.

§ 5 TDG a.F. wie die §§ 8 bis 11 TDG n.F. differenzieren zwischen eigenen und fremden Informationen. Zu den eigenen Informationen gehören auch Informationen Dritter, die sich der Diensteanbieter zueigen gemacht hat (BT-Drs. 14/6098, Seite 23). Entscheidend ist danach allein, ob der Anbieter aus der Sicht des Nutzers die Inhalte als eigene übernehmen will oder ob sie erkennbar fremd für den Anbieter sind (Spindler, NJW 1997, 3193, 3196). Diese Frage ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtumstände zu beurteilen. Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont eines verständigen (Durchschnitts-)Nutzers. Danach sind die beanstandeten Angebote offensichtlich keine von der Beklagten selbst eingebrachten Informationen und daher auch keine eigenen i.S.d. § 5 Abs. 1 TDG a.F. bzw. § 8 Abs. 1 TDG n.F.. Zwar ist die Beklagte in gewissem Umfang an der Präsentation und der Versteigerung der Waren im Internet beteiligt. Sie gibt die vorformatierten Seiten vor, auf welchen die Versteigerer jeweils das Angebot einstellen und die Ersteigerer ihre Gebote abgeben können. Dieser Rahmen zeichnet sich durch die einheitliche graphische Gestaltung der Internet-Seiten, verschiedene Links zu Übersichten über das Gesamtangebot, Registrierungsmöglichkeiten, Hilfestellungen usw. aus. Auch wird die Beklagte – neben der Nutzungsgebühr – anteilig in Höhe des Versteigerungserlöses finanziell beteiligt.

Jeder Nutzer, der sich für den Erwerb eines Artikels interessiert, wird nach Abruf des Hauptmenüs das individuelle Angebot aufrufen. Dort findet er besondere Angaben zu dem Produkt, Angaben über den Verkäufer und den Herkunftsort sowie ggfs. eine vom Versteigerer formulierte Produktbeschreibung. Jedoch verhalten sich alle von der Beklagten in diesem Zusammenhang eingestellten Rahmenbedingungen gegenüber den individuellen Beschreibungen der angebotenen Güter neutral und wirken nicht einzelfallbezogen verkaufsfördernd. Insoweit kann die Tätigkeit der Beklagten mit derjenigen eines Messeausrichters verglichen werden. Die Beklagte gib lediglich den äußerlich einheitlichen und neutralen Rahmen vor. Individuell werden die Angebote von den Nutzern ausgestaltet. Die Beklagte gibt im Rahmen der Online-Auktion keine eigenen Angebote ab. Sie stellt ihren Nutzern lediglich eine Handelsplattform zur Verfügung, auf der diese selbständig Waren zum Verkauf anbieten bzw. gegen Höchstgebot erwerben können. Es werden auch keine Auktionen im Sinne des § 156 BGB durchgeführt. Es fehlt nicht nur an der für die Versteigerung im Rechtssinne wesentlichen örtlichen Begrenzung, sondern auch an einer Einlieferung der Artikel an die Beklagte sowie der Erteilung eines Zuschlages durch die Beklagte (vgl. KG, NJW 2001, 3272; OLG Frankfurt a.M., NJW 2001, 1434). Das Höchstgebot wird nicht wie bei Versteigerungen in einem offenen Bieterwettstreit ermittelt, sondern ein auf der Plattform angebotener Artikel wird an denjenigen verkauft, der zum Zeitpunkt des Ablaufs der vom Verkäufer gesetzten Frist das höchste Gebot abgegeben hat. Eine Eingriffsmöglichkeit der Beklagten sowie eine maßgebliche Mitwirkung ist daher nicht ersichtlich. Die Beklagte hat sich die Informationen nicht zueigen gemacht. Davon ist auszugehen, wenn der Anbieter von einem Dritten zugelieferte oder anonyme Inhalte in den von ihm verantworteten Angebotsbereich übernimmt, ohne sie als Fremdprodukte oder anonyme Beiträge zu kennzeichnen. Umgekehrt muß allerdings der Umstand, daß der Anbieter einen fremden Inhalt als solchen kenntlich macht, nicht in jedem Fall eine Zurechnung ausschließen. Auch wenn der Anbieter den Fremdbezug offenlegt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß er hierfür aus Sicht eines verständigen Nutzers nicht einstehen will.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann nicht festgestellt werden, daß die Beklagte sich die Fremdinhalte zueigen gemacht hat.

So befindet sich ein deutlicher Hinweis, daß der Verkäufer die volle Verantwortung für das Anbieten des Artikels trägt, neben den Standardangaben zu dem fraglichen Produkt und der individuellen Beschreibung in vergrößerter Schreibweise. Auf diese Weise distanziert sich die Beklagte von dem jeweiligen Produkt und stellt für den Nutzer erkennbar klar, daß sie sich den Kaufgegenstand mit seinen Eigenschaften sowie die Form der Anpreisung nicht zueigen machen will. Der Verweis auf einen verantwortlichen Verkäufer läßt vielmehr erkennen, daß die Beklagte weitere Informationen zu dem Produkt weder abgeben kann noch will. Insoweit wird der Interessent darauf verwiesen, sich mit dem Anbieter in Verbindung zu setzen. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Anbieter unter einem Pseudonym ihr Angebot einstellen dürfen. Nach § 4 Abs. 6 TDDSG ist die Beklagte verpflichtet, den Nutzern ihrer Plattform die Möglichkeit zu geben, unter einem Pseudonym aufzutreten. Eine gesetzliche Verpflichtung kann jedoch nicht dazu führen, daß eine fremde Information zu einer eigenen wird. Das gesetzliche Gebot kann nicht zum Nachteil der Beklagten wirken. Die Beklagte zwingt zudem keinen Nutzer zur Verwendung eines Pseudonyms, sondern verlangt von den Teilnehmern der Plattform lediglich die Auswahl eines Nutzernamens, der auch dem bürgerlichen Namen entsprechen kann.

Aus der Art der Darstellung ergibt sich für den Nutzer ebenfalls zweifelsfrei, daß ein etwaiger Kaufvertrag direkt zwischen ihm und dem Versteigerer zustande kommt. Jeder Anbieter weiß, daß, wie in § 1 der AGB der Beklagten festgelegt, die Beklagte lediglich eine Handelsplattform betreibt. Dies ergibt sich auch aus den AGB, die von den Parteien als Grundlage zu Beginn der Vertragsbeziehungen anerkannt werden und die auf den Vertragsschluß unter den Teilnehmern abstellen. Soweit diese Bedingungen Regelungen hinsichtlich des Vertragsschlusses unter Teilnehmern enthalten, muß und darf jeder Teilnehmer aus der maßgeblichen Sicht des objektiven Empfänerhorizontes davon ausgehen, daß den abgegebenen Erklärungen der in den AGB beigemessene Erklärungswert zukommt (OLG Hamm, NJW 2001, 1142, 1143). Die Erklärungen der Nutzer bleiben also auch Erklärungen der Nutzer, unabhängig davon, daß diese in einem automatisierten Verfahren zusammengestellt werden. Der Umstand, daß die von der Beklagten betriebene Handelsplattform den Domainnamen der Beklagten trägt, läßt ebenfalls nicht den Schluß zu, dies rufe bei den Nutzern der Plattform die Fehlvorstellung hervor, sie würden mit der Beklagten und nicht etwa mit dem jeweiligen Anbieter kontrahieren. Im Internet gibt es zahlreiche Handelsplattformen verschiedenster Unternehmen, auf denen die Nutzer selbständig ihr Warenangebot präsentieren können, ohne daß bisher ein Fall bekannt geworden wäre, in dem der Nutzer der Fehlvorstellung erlegen wäre, sein Vertragspartner sei nicht der Anbieter der Ware, sondern der Betreiber der Plattform.

Auch daraus, daß die Beklagte eine Versicherung von Geschäftsvorgängen vermittelt, folgt keine andere Bewertung. Damit wird lediglich eine Serviceleistung im Zusammenhang mit einem Kaufgeschäft angeboten. Am Kaufgeschäft selbst wirkt sie dadurch nicht mit.

Die Angabe „Copyright(c) 1995 – 2002 e… Inc. Alle Rechte vorbehalten“ bedeutet gleichfalls nicht, daß sie die Beklagte die Nutzerangebote zueigen macht. Dieser Hinweis bezieht sich ebenso wie der vorstehend beschriebene Hinweis „alle e… -Käufe sind versichert“ nicht auf einzelne, von den Nutzern der e… -Website eingestellte Angebote oder deren Beschreibung durch die Anbieter, sondern allein auf das Layout und die Gesamtgestaltung der jeweiligen Unterseite, auf der neben dem e… -Logo stets auch die Links „stöbern“, „verkaufen“, „Service“, „suchen“, „Hilfe“ u.a. sichtbar sind. Zudem bezieht er sich auf die e… Inc., nicht auf die Beklagte.

Auch dadurch, daß die Beklagte einen „Bietagenten“ (Agentengebote) zur Verfügung stellt, eignet sie sich die Fremdinhalte nicht zu. Über die Agentengebote bietet die Beklagte den Kaufinteressenten an, für diese in den zuvor festgelegten Erhöhungsschritten bis zu dem eingegebenen Maximalangebot den Bietvorgang vorzunehmen. Die Abgabe solcher Agentengebote erfolgt lediglich formularmäßig und wird automatisch nach Eingabe des Höchstgebots durch den Interessenten vorgenommen. Eine Mitwirkung der Beklagten ist darin nicht zu sehen, da sie auf diese Weise nicht aktiv an dem Versteigerungsvorgang teilnimmt. Bei dem Bietagenten handelt es sich um eine den Nutzern von der Beklagten angebotene, aber ausschließlich von den Nutzern eingesetzte Software. Nur der Nutzer bestimmt, ob er diese Funktion verwendet oder nicht. Die Agentengebote werden also weder von der Beklagten noch von einem von ihren Mitarbeitern abgegeben, sondern von dem Nutzer, der sich dieser Software bedient. Auch über das finanzielle Interesse der Beklagten, die durch die kaufpreisabhängige Provision am Umsatz des Anbieters beteiligt wird, kann nicht begründet werden, daß sie sich die Fremdinhalte zueignet. Dieses Interesse fällt nicht maßgeblich ins Gewicht. Denn letztlich kommt der Vertragsschluß zwischen Anbieter und Käufer zustande; die Beklagte steht, ähnlich wie ein Makler, im Hintergrund des Geschehens.
Die Beklagte stellt daher mit der Handelsplattform fremde Informationen zur Nutzung durch Dritte bereit. Eine Haftung für fremde Informationen besteht nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 TDG a.F., dem die §§ 9 bis 11 TDG n.F. entsprechen. § 5 Abs. 2 TDG a.F. schließt eine Verantwortlichkeit der Diensteanbieter für fremde Informationen, die ein Nutzer speichert, aus, sofern der Diensteanbieter keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information hat. An einer solchen Kenntnis mangelt es vorliegend. Die Beklagte hat keine positive Kenntnis von den rechtsverletzenden Informationen der Nutzer ihrer Websites.

Unter Kenntnis i.S.v. § 5 Abs. 2, 4 TDG a.F. hat die herrschende Meinung die tatsächliche, positive Kenntnis eines Inhaltes, nicht jedoch das Kennenmüssen des Diensteanbieters verstanden; fahrlässige Unkenntnis sollte danach auscheiden. Auch der bedingte Vorsatz sollte keine Verantwortlichkeit des Anbieters begründen (Sieber, CR 1997, 581, 583; Spindler, MMR 2001, 737, 738 m.w.N.). In Art. 14 E-Commerce-Richtlinie, in das innerstaatliche Recht umgesetzt durch § 11 TDG n.F., ist von „tatsächlicher“ Kenntnis die Rede. Erwägungsgrund 46 der E-Commerce-Richtlinie sieht den Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von Informationen besteht, erst dann als zu unverzüglichem Entfernung oder Sperrung der betreffenden Information verpflichtet an, wenn ihm rechtswidrige Tätigkeiten bekannt oder bewußt werden. § 11 TDG n.F. spricht zwar nur von „Kenntnis“ der Diensteanbieter; weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesgründen findet sich aber ein Hinweis darauf, daß dieser Vorschrift ein anderes Verständnis des Kenntnis-Begriffes zugrunde zu legen ist, als der, der bereits zu § 5 Abs. 2 und 4 TDG a.F. von der herrschenden Meinung vertreten wurde und in Art. 14 bzw. Erwägungsgrund 46 der E-Commerce-Richtlinie zum Ausdruck kommt. Dieses Verständnis steht auch im Einklang mit der Erwägung des Gesetzgebers, daß sich die Tätigkeit des Diensteanbieters auf den technischen Vorgang der Speicherung von Informationen beschränkt und deshalb ebenso wie im Fall des § 10 TDG n.F. dem bloßen Vermittlungsvorgang zuzurechnen ist, was es rechtfertigt, seine Verantwortlichkeit zu beschränken (BT-Drs. 14/6098, Seite 25).
Er kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte bereits mit der Eingabe der vom Kläger beanstandeten Angebote durch den Anbieter von diesen Kenntnis erlangt. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Haftungseinschränkung in § 5 Abs. 2 TDG a.F. TDG ist nur ein aktuelles Wissen des menschlichen Diensteanbieters zu berücksichtigen, auf das dieser durch unverzügliches Tätigwerden nach § 5 Abs. 4 TDG a.F. bzw. § 11 Satz 1 Nr. 2 TDG n.F. zu reagieren hat (Wiebe, CR 2002, 53, 54; Spindler, MMR 2001, 737, 740). Eine Kenntnis der Beklagten von den beanstandeten Angeboten kann nicht damit begründet werden, die Rechtswidrigkeit der vom Kläger beanstandeten Angebote ergebe sich bereits aus dem Angebotstitel oder der Angebotsbeschreibung. Mangels einer Sichtung der Angebote erlangt die Beklagte faktisch erst von einem bestimmten Angebot Kenntnis, wenn es von einem Dritten unter Angabe der Auktionsnummer beanstandet wird. Die Beklagte erlangt nicht schon vor der erstmaligen Veröffentlichung der Angebotsbeschreibungen und Zusammenfassungen im Rahmen des Registrierungsverfahrens Kenntnis von deren Inhalten. Bei den der Veröffentlichung der Auktionsangebote auf der Website der Beklagten vorangeschalteten Zulassungs- und Registrierungsverfahren handelt es sich um rein automatisierte Verfahren.

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Der allgemeine Hinweis des Klägers, daß es in der Vergangenheit zur Einstellung verbotener Angebote gekommen sei, hat nicht zur Folge, daß der Diensteanbieter in Zukunft bereits mit der Eingabe der Angebotsdaten in das System tatsächliche Kenntnis von einem rechtswidrigen Angebot erlangt, weil es sich insoweit um einen automatisierten Vorgang handelt. Der zu § 5 Abs. 2 TDG a.F. vertretenen Ansicht, daß in solchen Fällen das Internet-Auktionshaus auf Grund seiner allgemeinen Kenntnis der die Gefahr begründenden Umstände nach Treu und Glauben gemäß § 162 BGB bzw. § 242 BGB dem Kennenden gleichgestellt werden müsse, der sich der Kennntis einer erheblichen Tatsache, also hier der Kenntnis von fremden Inhalten, bewußt verschließt oder entzieht (so Hoeren, MMR 2002, 113), folgt der Senat nicht (so auch LG Düsseldorf, a.a.O.). Diese Ansicht läßt sich zumindest dann nicht mit der Zielsetzung des Gesetzgebers vereinbaren, die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters auf die tatsächliche Kenntnisnahme eines automatisierten Vorgangs zu beschränken, wenn der Diensteanbieter dazu gezwungen wird, die eingehenden Auktionsangebote durch menschliche Bearbeiter auf Rechtsverletzungen überprüfen zu lassen, weil er sich anderenfalls dem Vorwurf der Kenntnis von der Rechtsverletzung durch das Angebot ausgesetzt sehen würde. Dem steht auch § 8 Abs. 2 TDG n.F. entgegen, der ausdrücklich bestimmt, daß die Diensteanbieter im Sinne der §§ 9 bis 11 TDG nicht verpflichtet sind, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.

Der Hinweis des Klägers auf die Entscheidung des OLG München vom 8.3.2001 (29 U 3282/00) hilft ihm insoweit nicht weiter. Dort waren für den Diensteanbieter unstreitig Personen als sogenannte Scouts tätig, die zum Hochladen auf den Server bestimmte Dateien geöffnet und sortiert haben. Der Beklagten ist eine Sperrung des Zugangs für rechtsverletzende Inhalte auch technisch nicht möglich und zumutbar. § 5 Abs. 2 TDG a.F. sah insoweit vor, daß die Verantwortlichkeit für fremde Inhalte dadurch eingeschränkt wird, daß neben der Kenntnis der Inhalte eine Sperrung technisch möglich und dem Anbieter zumutbar sein muß. Diese Voraussetzung ist auch nach der Novellierung des TDG maßgeblich, auch wenn das Gesetz jetzt nicht mehr ausdrücklich darauf abstellt, daß die Sperrung technisch möglich und zumutbar sein muß. Denn diese Anforderungen ergeben sich bereits aus allgemein übergeordneten Grundsätzen. Technisch Unmögliches darf das Recht ebenso wenig verlangen wie Unzumutbares, wobei die Zumutbarkeitsgrenze in jedem Einzelfall zu bestimmen ist und von der Wertigkeit des Rechtsgutes ausgeht (BT-Drs. 14/6098, Seite 23).
Der Beklagten fehlen nicht nur die technischen Möglichkeiten andere Maßnahmen sind ihr auch nicht zumutbar. Das Zumutbarkeitserfordernis des § 5 Abs. 2 TDG a.F. soll verhindern, daß der Diensteanbieter verpflichtet wird, jeden nur erdenklichen Aufwand zu betreiben, um den Zugriff auf einen fremden rechtswidrigen Inhalt unmöglich zu machen (Amtliche Begründung RegE zum IuKDG, § 5 TDG). Bei der Beklagten werden täglich mehr als 100.000 neue Angebote in das System eingestellt. Eine personelle Kontrolle dieser Angebote vor Einstellung in das System durch Mitarbeiter ist nicht zumutbar, ohne die wirtschaftlichen Interessen der Beklagten vollständig in den Hintergrund treten zu lassen.
Würde dem Unterlassungsantrag des Klägers stattgegeben, müßte die Beklagte alle eingehenden Auktionsangebote durch Mitarbeiter daraufhin überprüfen lassen, ob diese den vom Kläger beanstandeten Inhalt aufweisen. Denn auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien ist nicht ersichtlich, daß es ein automatisiertes Verfahren gibt, daß diesen Überprüfungsvorgang zuverlässig ausführen kann, ohne daß es eines menschlichen Prüfers bedarf. Allein mit der Installation eines Rechercheprogrammes, das die eingehenden Auktionsangebote nach bestimmten, eine Rechtsverletzung andeutenden Schlüsselwörtern überprüft, könnte die Beklagte dem Unterlassungsverlangen des Klägers jedenfalls nicht nachkommen, selbst wenn eine solche Recherche nach Eingabe der Anzeige, aber noch vor der Veröffentlichung im Internet überhaupt technisch möglich sein sollte. Denn auch durch eine automatisierte Recherche nach bestimmten, Rechtsverletzungen andeutenden Schlüsselwörtern kann die Veröffentlichung von Anzeigen mit den beanstandeten Inhalten nicht zuverlässig und ausnahmslos verhindert werden, wie zwischen den Parteien unstreitig ist. Vielmehr bleibt die Möglichkeit, daß derartige Anzeigen ohne die Verwendung der in das Rechercheprogramm aufgenommenen Schlüsselwörter oder Tippfehler eingebaut werden. Zudem stellt sich das Problem der falschen Positivtreffer, die wiederum eine menschliche Überprüfung erforderlich macht.
Eine Haftung der Beklagten als Störer oder Mitstörer nach § 1004 BGB analog scheidet ebenfalls aus. Das Teledienstegesetz ist auch auf eine verschuldensunabhängige Haftung wie die aus § 1004 BGB analog, auf die der Kläger den Klageanspruch ergänzend stützt, anwendbar. § 5 TDG a.F. sowie §§ 8, 11 TDG n.F. ist nicht zu entnehmen, daß diese Anspruchsart nicht erfaßt werden sollte. Im Gegenteil spricht das mit den Bestimmungen verfolgte Ziel, die Verantwortlichkeit des Diensteanbieters im Hinblick darauf zu begrenzen, daß sich seine Tätigkeit auf den technischen Vorgang der Speicherung von Informationen beschränkt (BT-Drs. 14/6098, Seite 25), für einen auch verschuldensunabhängige Ansprüche umfassenden Geltungsbereich. Auch die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zum Teledienstegesetz in der alten Fassung bejahte eine solche Haftung auf der Grundlage der Gesetztesmaterialien und der Formulierung des § 5 Abs. 4 TDG a.F.. Denn der Gesetzgeber wollte hier jegliche verschuldensunabhängige Haftung erfassen (BT-Drs. 13/7385, Seite 21; OLG Hamburg MMR 2000, 92 m. Anm. Spindler; Spindler, MMR 2001 737, 742; Schmitz, CR 2000, 124, 125; Hoeren, MMR 1998, 97 f.; Satzger, CR 2001, 109, 113 f.). Auch wenn man § 5 Abs. 4 TDG a.F. auf die Zugangsvermittler nach § 5 Abs. 3 TDG a.F. beschränkt, würde zumindest § 5 Abs. 2 TDG a.F. zu Gunsten der Diensteanbieter mit fremden Inhalten eingreifen (Spindler, MMR 2001, 737, 742 m.w.N.; LG Düsseldorf, a.a.O.).

Nach alledem ist die Beklagte als Diensteanbieter für die von dem Kläger beanstandeten Auktionsangebote nicht verantwortlich, weil sie davon nicht bereits dadurch Kenntnis erlangt hat, daß diese von den Anbietern in das System der Beklagten eingestellt und auf Grund automatisierter Vorgänge im Internet veröffentlicht wurden.

III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

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