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Eine Ehe ohne SEX – Mann konnte den Kinderwunsch der Frau nicht teilen

OBERLANDESGERICHT KÖLN

Az.: 14 UF 225/98

Verkündet am 01.07.1999

Vorinstanz: Amtsgericht Brühl – Az.: 34 F 46/98


In der Familiensache hat der 14. Zivilsenat – Familiensenat – auf die mündliche Verhandlung vom 17.06.1999 für Recht erkannt:

Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Brühl vom 29.10.1998 (34 F 46/98) im übrigen wird das Urteil teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Die am 16.5.1997 vor dem Standesbeamten des Standesamts E. (HeiratsReg.Nr. 57/97) geschlossene Ehe der Parteien wird geschieden.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

TATBESTAND

Die Parteien haben am 16.5.1997 geheiratet. Am 14.5.1997 haben sie einen notariellen Ehevertrag geschlossen, mit dem u.a. der Versorgungsausgleich und nacheheliche Unterhaltsansprüche ausgeschlossen wurden, beides jedoch auflösend bedingt bei (teilweiser) Aufgabe der Berufstätigkeit nach Geburt eines Kindes. Die Ehe ist kinderlos geblieben.

Die Klägerin (geb. 13.9.1958) und der Beklagte (geb. 14. 3.1959), beide katholischer Konfession, haben vor der Eheschließung nicht miteinander geschlechtlich verkehrt, nach ihrer beiderseitigen Darstellung aufgrund ihrer religiösen Einstellung. Auch nach der Eheschließung ist es nicht zu einem Geschlechtsverkehr zwischen ihnen gekommen. Am 1.2.1998 ist die Klägerin aus der Ehewohung ausgezogen.

Mit der am 8.5.1998 zugestellten Klage verlangt die Klägerin Eheaufhebung.

Sie habe sich bei der Eheschließung über eine persönliche Eigenschaft des Beklagten geirrt oder sei von diesem getäuscht worden, denn dieser sei auch nach der Eheschließung nicht bereit gewesen, mit ihr geschlechtlich zu verkehren und den gemeinsamen Kinderwunsch zu verwirklichen. Für sie sei die Geschlechtsgemeinschaft ein wesentlicher Bestandteil der Ehe, so daß sie die Ehe nicht eingegangen wäre, wenn sie gewußt hätte, daß der Beklagte beiwohungsunwillig sei. Sie hat beantragt, die am 16.5.1997 geschlossene Ehe der Parteien aufzuheben. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er lehne den Geschlechtsverkehr mit der Beklagten nicht grundsätzlich ab. Nach seiner religiösen Überzeugung sollten aber Kinder nur in einer gefestigten intakten Ehe geboren werden. Da die Klägerin zu empfängnisverhütenden Maßnahmen nicht bereit gewesen sei und ihr Wunsch die alsbaldige Zeugung eines Kindes gewesen sei, habe er einen Geschlechtsverkehr vor der erreichten Festigung der Ehe abgelehnt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß der Beklagte bei Eheschließung eine Geschlechtsgemeinschaft mit ihr abgelehnt habe. Die nach der Eheschließung aufgetretene stillschweigende Meinungsverschiedenheit, ob sofort die Zeugung eines Kindes angestrebt werden solle, begründe einen Irrtum im Sinne des § 32 EheG nicht, zumal es nach beiderseitiger Darstellung zu einer Aussprache über das Sexualleben überhaupt nicht gekommen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Entscheidung sei verfahrensfehlerhaft ergangen, da das Amtsgericht nur den Beklagten als Partei vernommen habe.

Das Amtsgericht habe zu Unrecht einen Irrtum der Klägerin über wesentliche Eigenschaften verneint, da der Beklagte der Klägerin seinen Wunsch, erst nach Festigung der Ehe ein Kind zu zeugen, nicht offenbart habe. Eine Ehe im Sinne der katholischen Kirche habe er nach seiner Einstellung nicht führen wollen. In Wahrheit sei er von Anfang an, beiwohnungunwillig gewesen. Entgegen der Annahme des Amtsgericht habe sie in einem Gespräch am 10.1.1998 auch auf die Möglichkeit empfängnisverhütender Maßnahmen hingewiesen, obwohl sie zunächst davon ausgegangen sei, daß der Beklagte solche ablehne. Das Amtsgericht habe die Beweislast verkannt und schließlich fehlerhaft eine Eheaufhebung gemäß § 33 EheG wegen arglistiger Täuschung nicht geprüft, obwohl die Klage auch darauf gestützt worden sei.

Die Klägerin beantragt, die Ehe unter Abänderung des angefochtenen Urteils aufzuheben, hilfsweise, die Ehe der Parteien zu scheiden.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zum Aufhebungsantrag zurückzuweisen, zum Scheidungsantrag stellt er keinen Antrag. Er verteidigt das angefochtene Urteil, stellt sich aber nicht gegen den im zweiten Rechtszug erhobenen Scheidungsantrag.

Der Senat hat die Parteien angehört und zum Scheitern der Ehe vernommen.

Die Parteien haben auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wechselseitig verzichtet.

Wegen aller weiterer Einzelheiten wird auf den gesamten vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E

Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet, soweit die Aufhebung der Ehe begehrt wird. Auf den Hilfsantrag der Klägerin war die Ehe der Parteien jedoch zu scheiden.

Die Klage auf Aufhebung der Ehe ist weder aus § 32 EheG (Irrtum über persönliche Eigenschaften) noch aus § 33 EheG (arglistige Täuschung) begründet. Beide Vorschriften sind gem. Art. 226 II EGBGB noch anwendbar, da die Eheaufhebungsklage vor dem 1.7.1998 zugestellt worden ist (Palandt/Diederichsen, 58. Aufl. (1999) Art. 226 EGBGB Rn. 4) – nach dem ab 1.7.1998 geltenden Recht (§ 1314 BGB) kann eine Eheaufhebung nur noch wegen arglistiger Täuschung, aber nicht mehr wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften erfolgen (Johannsen/Henrich, Eherecht, 3. Aufl. (1998) § 1314 Rn. 76). Es besteht auch kein Grund zur Aufhebung und Zurückverweisung wegen eines Verfahrensfehlers.

a) Die Entscheidung ist nicht verfahrensfehlerhaft ergangen. Das Familiengericht hat zutreffend nur den Beklagten gem. § 445 ZPO als Partei vernommen und die Parteien im übrigen gem. § 613 S.1 ZPO angehört, denn die Sach- und Rechtslage ist mit ihnen vor und nach der Parteivernehmung des Beklagten erörtert worden. Eine förmliche Beweisaufnahme durch Parteivernehmung der Klägerin gem. § 613 S.1 2. Hs., 616 II ZPO war nicht erforderlich, denn ihre Durchführung steht im Ermessen des Gerichts. Im Streitfall war nach dem Ergebnis der Parteivernehmung des Beklagten die Durchführung einer förmlichen Vernehmung der Klägerin nicht geboten, denn das Gericht konnte davon ausgehen, daß sie das bestätigen werde, was sie auch bei ihrer Anhörung gesagt hatte. Auch das Ergebnis einer förmlichen Vernehmung hätte bei dieser Sachlage nicht zu einer anderen Würdigung im Sinne der Klägerin führen können.

b) Das Eheaufhebungsbegehren (hier noch Klage, seit dem 1.7.1998 Aufhebungantrag – § 631 II ZPO) ist nicht nach § 33 EheG gerechtfertigt. Die Klägerin, die dafür die Beweislast trägt (vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht, 2. Aufl. (1992), § 33 EheG, Rn. 17), hat nicht bewiesen, daß sie durch arglistige Täuschung des Beklagten zur Eingehung der Ehe bestimmt worden, ist. Insbesondere hat der Beklagte bei seiner Parteivernehmung eine Täuschung über eine generelle Beiwohungsunwilligkeit in Abrede gestellt. Daß es tatsächlich nicht zu einem Geschlechtsverkehr gekommen ist, begründet keinen Anscheinsbeweis für eine arglistige Täuschung. Der Beklagte hat dargelegt, daß er die Beiwohnung wegen des (unverzüglichen) Kinderwunsches der Klägerin abgelehnt habe. Daß es über die Fragen der Empfängnisverhütung nicht zu einer offenen Aussprache der Parteien gekommen ist, besagt nicht, daß der Beklagte die Klägerin über einen wesentlichen Umstand getäuscht habe. Ein Ehepartner, der solche für ihn wesentliche Fragen nicht mit dem anderen vor Eingehung der Ehe bespricht, kann sich nicht auf Arglist berufen, wenn seine Vorstellungen mit denen des Partners nicht in Einklang zu bringen sind. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Beklagte bei der Klägerin einen Irrtum hervorgerufen oder aufrechterhalten hat in der Absicht, sie zur Eingehung der Ehe zu veranlassen. Wenn Gespräche über die Ehegestaltung unterbleiben und es später zu Unstimmigkeiten über die Ehegestaltung kommt, ist nicht die Eheschließung arglistig herbeigeführt worden, sondern die Ehe scheitert aufgrund Unstimmigkeiten in der Eheführung, die zum Scheidungsantrag berechtigen können.

2) Die Aufhebungsklage ist auch nicht gem. § 32 Abs.1 EheG gerechtfertig.

Der Gesetzgeber hat die Aufhebung der Ehe wegen Irrtums über persönliche Eigenschaften zum 1.7.1998 abgeschafft, weil sich gezeigt hat, daß sich solche Irrtumsfälle nicht überzeugend von den Fällen des Scheitern der Ehe abgrenzen lassen und weil dem Interesse der Beteiligten durch die Scheidungsmöglichkeit hinreichend Rechnung ist (BT.-Drs. 79/96, S.50 f.; Johannsen/Henrich, 3. Aufl. (1998) § 1314 Rn. 76).

Auch für die Fälle, in denen, wie im vorliegenden, § 32 EheG noch anwendbar ist, ist zu berücksichtigen, daß infolge des grundlegenden Wandels der Vorstellungen die Ehepartner auch vor dem 1.7.1998 schon in der Lage waren, sich vor der Eheschließung ein klares Bild über die persönlichen Eigenschaften des Partners zu machen. Nach dem Ergebnis der Parteivernehmung des Beklagten ist nicht bewiesen, daß dieser schon vor der Eheschließung nicht beiwohnungswillig war. Es gehört nicht zum staatlichen Eheverständnis, daß sich die Beiwohnungswilligkeit auf den ungeschützten Geschlechtsverkehr beziehen muß. Schon nach der eigenen Darstellung der Klägerin ist es auch während der Ehe zu einer klaren Aussprache der Parteien über die wechselseitigen Wünsche der Gestaltung des Sexuallebens nicht gekommen. Insbesondere läßt sich nicht feststellen, daß der Beklagte entgegen seiner Darstellung entweder gewußt hat, daß er nicht beiwohungsfähig ist oder aber von Anfang an auch bei einem empfängnisgeschützten Geschlechtsverkehr nicht beiwohnungswillig gewesen sei. Die Voraussetzungen eines Irrtums über die persönliche Eigenschaft

der Beiwohungswilligkeit muß die Klägerin beweisen.

Darüber hinaus war es ihr eigenes Risiko, die Ehe mit einem Mann einzugehen, mit dem sie über eine wesentliche Frage der intimen Ehegestaltung nicht vorher gesprochen hatte. Allein die Kenntnis davon, daß auch der künftige Ehepartner dem katholischen Glauben angehört und dessen Morallehre folgt, macht ein solches Gespräch nicht entbehrlich, denn – wie der Fall zeigt – gibt es auch innerhalb dieses Glaubens eine beträchtliche Bandbreite persönlicher Ehegestaltungsvorstellungen.

3)

Auf den im zweiten Rechtszug hilfweise gestellten Scheidungsantrag war die Ehe der Parteien jedoch zu scheiden.

Der Hilfsantrag auf Scheidung der Ehe konnte gem. §§ 610, 611 ZPO zulässigerweise im zweiten Rechtszug erstmals gestellt werden (BGH FamRZ 1989, 153 (155); Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, Eherecht, 3. Aufl. (1998) § 611 ZPO Rn. 3).

Die Parteien leben länger als ein Jahr getrennt und der Beklagte will ebenfalls geschieden werden. Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Vernehmung der Parteien hat ergeben, daß keine Aussicht auf eine Versöhnung und, Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft besteht.

Eine Aufhebung und Zurückverweisung war entbehrlich (vgl. Johannsen/Henrich/Sedemund-Treiber, a.a.O., § 629b ZPO Rn. 1), weil die Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs wirksam verzichtet haben (der notariell vereinbarte Ausschluß des Versorgungsausgleichs war gem. § 1408 II S.2 BGB unwirksam, da der Aufhebungsantrag innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß gestellt wurde und der Aufhebungsantrag insoweit dem Scheidungsantrag gleichsteht BGH FamRZ 1989, 153). Weitere Folgesachen sind nicht anhängig gemacht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93a, 91 ZPO. Es erschien dem Senat angemessen, die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz insgesamt gegeneinander aufzuheben, obwohl der Aufhebungsantrag weiterverfolgt worden ist. Da er nicht erfolgreich war, hat die Klägerin aber die Kosten erster Instanz, in der nur dieser Antrag gestellt wurde, in vollem Umfang zu tragen.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 24.000 DM.

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