AG Emmendingen, Az.: 7 C 326/15, Urteil vom 15.03.2016
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 2.416,67 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin macht als Haftpflichtversicherer gegenüber dem Beklagten einen Regressanspruch nach Regulierung eines Verkehrsunfalls geltend.
Die Parteien schlossen auf der Grundlage des Antrages des Beklagten vom 25.06.2009 einen Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag für das Fahrzeug des Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen … . Am 06.02.2012 war der Beklagte mit diesem Fahrzeug an einem Verkehrsunfall mit dem Geschädigten, Herrn …, beteiligt, nach welchem er sich vom Unfallort entfernte, ohne vor Ort die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen. Die Klägerin regulierte als Haftpflichtversicherer des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … gegenüber dem Geschädigten … den Schaden durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 2.416,67 €.
Die Klägerin trägt vor, der Beklagte sei der Klägerin gegenüber zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs nach § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB in Höhe von 2.416,67 € verpflichtet, weil die Klägerin als zuständiger Haftpflichtversicherer den Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 06.02.2012 vollständig reguliert habe, obwohl sie im Innenverhältnis nach § 28 Abs. 2 VVG in Verbindung mit E.7 AKB 2008 auf Grund der Verletzung einer Obliegenheit leistungsfrei gewesen sei. Der Beklagte, der neben der Klägerin für den entstandenen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 06.02.2012 als Gesamtschuldner verantwortlich sei, habe sich unerlaubt vom Unfallort entfernt und damit seine Mitwirkungsobliegenheit bei der Sachaufklärung vorsätzlich verletzt.
Die Klägerin trägt weiter vor, der Beklagte sei zudem der Klägerin gegenüber zur Erstattung eines Verzugsschadens verpflichtet.
Die Klägerin beantragt nach teilweiser Klagrücknahme nunmehr, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.416,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie 203,19 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, die Klägerin habe gegenüber dem Beklagten keinen Regressanspruch, da der Beklagte eine vertragliche Obliegenheit nicht verletzt habe. Es sei bereits fraglich, ob die AKB 2008 wirksam zwischen den Parteien vereinbart sei. Der Beklagte sei davon ausgegangen, dass durch den Verkehrsunfall vom 06.02.2012 kein nennenswerter Fremdschaden entstanden sei, und habe folglich nicht vorsätzlich gehandelt. Das Entfernen vom Unfallort habe auch nicht auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Klägerin Einfluss genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erstattung der anlässlich des Unfalls vom 06.12.2012 an den Geschädigten gezahlten Versicherungsleistung, da sie hinsichtlich des Verkehrsunfalls vom 06.02.2012 nicht leistungsfrei ist (§§ 116 Abs. 1 Satz 2 VVG, 426 Abs. 2 BGB, 7 Abs. 1, 18 StVG).
Voraussetzung für einen Regressanspruch der Klägerin ist, dass die Klägerin dem Beklagten gegenüber nicht zur Leistung verpflichtet ist (§ 116 Abs. 1 Satz 2 VVG). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwischen den Parteien ist zwar unstreitig, dass der Beklagte sich am 06.02.2012 vom Unfallort entfernt hat, ohne die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt und zu seiner Person zu ermöglichen. Der Fremdschaden ist auch nicht derartig gering, dass der Beklagte davon hätte ausgehen dürfen, dass kein Feststellungsinteresse des Geschädigten bestünde. Es ist allgemein bekannt, dass auch optisch kleinere Schäden an vergleichsweise teuren Fahrzeugen Reparaturkosten in erheblicher Höhe verursachen können. Mithin liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, die geeignet ist, die vollständige Leistungsfreiheit der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten zu begründen (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG).
Diese Obliegenheitsverletzung schließt eine Leistungspflicht der Klägerin im vorliegenden Fall auch auf der Grundlage der AKB 2008 aber nicht aus, da dem Beklagten der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG offen steht. Ein solcher ist nicht durch § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG ausgeschlossen, da ein arglistiges Verhalten des Beklagten nicht festzustellen ist. Die Klägerin trägt als Versicherer die Beweislast für das Vorliegen der Arglist (vgl. Martin/Prölss, VVG, zu § 28 RdNr. 120). Ein arglistiges Verhalten setzt voraus, dass der Versicherte der Obliegenheit bewusst und gewollt zuwider handelt und zugleich wenigstens in Kauf nimmt, das Verhalten des Versicherers dadurch zu dessen Nachteil zu beeinflussen. Der Versicherte muss daher einen aus seiner Sicht gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11; LG Duisburg, Urteil vom 15.03.2013 – 7 S 104/12 -juris).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Allein der Umstand, dass sich der Beklagte unerlaubt vom Unfallort entfernt hat, lässt nicht den Schluss auf ein arglistiges Verhalten zu Lasten der Klägerin zu. Einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass derjenige, der sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, damit stets einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, gibt es nicht (vgl. LG Bonn, Urteil vom 15.11.2012 – 6 S 63/12 – juris). Vielmehr müssen besondere weitere Umstände hinzutreten, die für sich allein oder in der Gesamtschau einen anderen Schluss als denjenigen auf Arglist ernstlich nicht in Betracht kommen lassen. Auf Arglist als innere Tatsache kann regelmäßig nur auf der Grundlage von Indizien geschlossen werden. Solche Indizien liegen hier nicht vor. Der Beklagte trägt vor, er sei von einem geringen Fremdschaden und einer Unfallverursachung des Geschädigten ausgegangen. Es ist demnach nicht festgestellt, dass der Beklagte aufgrund eines gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zwecks die Unfallstelle verlassen hat.
Ist eine arglistige Obliegenheitsverletzung nicht festzustellen, greift der Ausschluss des Kausalitätsgegenbeweises gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht. Der Kausalitätsgegenbeweis ist vorliegend als erbracht anzusehen, da es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Versicherer durch die Obliegenheitsverletzung des Beklagten Feststellungsnachteile entstanden sind. Eine solche Kausalität der Verletzung für die Feststellung des Versicherungsfalles und/oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ist vorliegend nicht gegeben. Der Beklagte wurde unstreitig nur wenige Minuten nach dem Unfall von der Polizei aufgegriffen, nachdem diese von einer Zeugin, die den Unfall beobachtet und den Beklagten bis zum Erreichen der Tankstelle in Denzlingen verfolgt hatte, verständigt worden war. Der Beklagte räumte gegenüber der Polizei sofort ein, Fahrer des unfallbeteiligten Fahrzeugs gewesen zu sein. Die noch auf dem Tankstellengelände von der Polizei durchgeführte Alkoholkontrolle ergab ein Ergebnis von 0,0 Promille. Demnach wurden durch das Verhalten des Beklagten Feststellungsmöglichkeiten der Klägerin nicht verschlechtert. Eine Obliegenheitsverletzung in Form einer Unfallflucht ist nicht kausal, wenn der Fahrer – wie im vorliegenden Fall – einige Minuten nach dem Unfall von der Polizei gestellt wird (vgl. AG Dortmund, Urteil vom 30.01.2015 – 436 C 5546/13 – Juris). Aus der polizeilichen Unfallaufnahme ergibt sich, dass der Beklagte das unfallbeteiligte Fahrzeug geführt hatte. Die Polizei hatte die Verkehrstüchtigkeit des Beklagten festgestellt. Es ist daher nicht ersichtlich, welche andere Unfallregulierung hätte erfolgen können, wenn der Beklagte selbst die Polizei verständigt hätte und der Unfall an Ort und Stelle aufgenommen worden wäre.
Die Klage war somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.