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Kinderspielplatz – Lärmentwicklung – Unterlassung

Kinderspielplatz und Lärmproblematik: Ein Streit um die Seilbahn

Ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz hat kürzlich für Aufsehen gesorgt. Im Mittelpunkt stand die Lärmbelästigung durch eine Seilbahn auf einem Kinderspielplatz und die Frage, inwieweit solche Geräusche von Anwohnern hinzunehmen sind.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 8 A 10301/12 >>>

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, Eigentümerin und Bewohnerin eines angrenzenden Hausgrundstücks, wandte sich gegen die Benutzung der Seilbahn. Sie argumentierte, dass der durch die Seilbahn verursachte Lärm unzumutbar sei. Besonders störend empfand sie die Summ- und Knallgeräusche, die entstehen, wenn der Seilbahnwagen an den Enden des Seils gegen eine Feder schlägt. Die Klägerin forderte entweder die Beseitigung der Seilbahn oder zumindest Maßnahmen, um deren Nutzung zu verhindern.

Die Position der Beklagten

Die Beklagte, vermutlich die Stadt oder Gemeinde, hielt dagegen, dass die Klägerin den Lärm des Spielplatzes dulden müsse. Sie verwies darauf, dass die Nutzung des Spielplatzes auf Kinder bis 14 Jahre beschränkt sei und nur zwischen 8:00 Uhr und 20:00 Uhr erlaubt sei. Technische Maßnahmen zur Lärmminderung seien laut Hersteller nicht möglich, und eine Verlegung der Seilbahn sei aufgrund der Geländetopografie nicht umsetzbar.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht Trier wies die Klage der Klägerin ab. Es argumentierte, dass die Klägerin gemäß § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der Geräusche verpflichtet sei. Diese Regelung umfasse alle Geräusche von Kinderspielplätzen, unabhängig davon, ob sie direkt von den Kindern oder von den Spielgeräten erzeugt werden. Seilbahnen seien heutzutage typische Spielgeräte auf Kinderspielplätzen und somit sozialadäquat.

Berufung und weitere Argumentation

Die Klägerin legte Berufung ein und argumentierte, dass die Duldungspflicht nur für Geräusche gelte, die direkt von Kindern verursacht werden. Die technische Ausstattung der Spielgeräte müsse den allgemeinen Anforderungen des Immissionsschutzrechts genügen. Sie betonte auch, dass die Seilbahn nicht zur näheren Umgebung passe und aufgrund der geringen Distanz zur Wohnbebauung hätte verzichtet werden müssen.

Schlussbemerkungen

Die Beklagte hielt dagegen, dass die Seilbahn ein typisches Spielgerät sei und der Standort zweckmäßig gewählt wurde. Sie betonte auch, dass der Spielplatz nur vereinzelt und von wenigen Kindern genutzt werde. Zudem wurde die Seilbahn nachträglich mit einem geräuschdämpfenden Seil und einem schallgedämmten Seilbahnwagen ausgestattet, und es wurde eine schnellwachsende Hecke gepflanzt.


Das vorliegende Urteil

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz – Az.: 8 A 10301/12 – Urteil vom 24.10.2012

Leitsatz

1. Die Privilegierung des Kinderspielplatzlärms in § 22 Abs. 1a BImSchG erfasst sowohl die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von den Spielgeräten herrührenden Geräusche.

2. Die mit dem Betrieb einer Seilbahn verbundenen Geräusche entsprechen dem Regelfall einer Spielplatznutzung.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Benutzung einer Seilbahn auf einem Kinderspielplatz.

Kinderspielplatz - Lärmentwicklung  - Unterlassung
Streit um Spielplatzlärm: Gericht entscheidet zugunsten von Kindern und Seilbahn. Lärm, der durch spielende Kinder entsteht, muss von Anwohnern geduldet werden – auch wenn Spielgeräte dabei Geräusche erzeugen. (Symbolfoto: alexkatkov /Shutterstock.com)

Sie ist Eigentümerin des Hausgrundstücks T. Straße … in T. und bewohnt dort die im … gelegene Wohnung. Südöstlich grenzt an das Grundstück ein im Bebauungsplan Teilgebiet „A.“ aus dem Jahr 2004 festgesetzter und im Jahr 2010 angelegter Kinderspielplatz an. Der Spielplatz mit einer Fläche von 18,5 m x 69 m enthält einen Sandkasten, eine Rutsche, eine Schaukel sowie eine ca. 30 m lange Seilbahn, die in einem Abstand von ca. 10 m zum Balkon der Wohnung der Klägerin verläuft. Die Benutzer der Seilbahn rutschen auf einem Tellersitz von einem Ende zum anderen, wobei der Seilbahnbahnwagen an den Enden des Seils gegen eine Feder schlägt.

Nachdem die Klägerin sich seit Juli 2010 erfolglos um die Verlegung der Seilbahn bzw. die Minimierung der Summgeräusche der Laufkatze sowie der Knallgeräusche an der Anschlagstelle bemüht hatte, hat sie im August 2011 Klage mit dem Ziel erhoben, die Seilbahn zu beseitigen, hilfsweise deren Nutzung zu verhindern. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, durch die Benutzung der Seilbahn werde ein unzumutbarer Lärm verursacht. Wie ihre Aufstellung für den Zeitraum von Ende Juli 2010 bis Ende März 2011 belege, werde die Seilbahn täglich genutzt. Wegen der Summ- und Knallgeräusche sei es nicht mehr möglich, sich auf dem Balkon aufzuhalten. Die Geräusche seien auch bei geschlossenem Fenster innerhalb der Wohnung hörbar. Durch den lärmbedingten Stress habe sich ihre Rheumaerkrankung verschlimmert.

Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, dass die Klägerin zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Sie habe durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) hinreichend auf die Belange der Anwohner Rücksicht genommen. Laut dem Hersteller gebe es keine weiteren technischen Möglichkeiten, um die Seilbahngeräusche zu mindern. Die Verlegung der Bahn komme wegen der Geländetopografie nicht in Betracht, würde aber auch keinen nennenswerten Effekt haben.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 25. Januar 2012 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs lägen nicht vor, da die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der durch die Benutzung der Seilbahn hervorgerufenen Geräusche verpflichtet sei. Die Duldungspflicht erfasse alle von Kinderspielplätzen ausgehenden Geräusche, unabhängig davon, ob sie von den Benutzern unmittelbar oder von den Spielgeräten herrührten. Seilbahnen seien heutzutage typische Spielgeräte auf Kinderspielplätzen. Es handele sich auch um den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung. Ein solcher Platz sei innerhalb der ihn umgebenden Wohnbebauung ohne weiteres sozialadäquat. Besondere Empfindlichkeiten einzelner Anwohner führten nicht zur Einschränkung der Duldungspflicht. Einer eventuellen bestimmungswidrigen Benutzung der Seilbahn durch Jugendliche oder junge Erwachsene sei mit den Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts zu begegnen.

Zur Begründung der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG lediglich die unmittelbar „durch“ die Kinder verursachten Geräusche betreffe. Die technische Ausstattung der Spielgeräte unterliege hingegen den allgemeinen Anforderungen des Immissionsschutzrechts. Die allein durch die Seilbahn ausgelösten Summ- und Knallgeräusche seien unzumutbar. Im Übrigen ermögliche das „Regelfall“-Kriterium in § 22 Abs. 1 a BImSchG die Berücksichtigung der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalls. Hier liege ein Sonderfall bereits deshalb vor, weil sich die Ausstattung mit einer Seilbahn auf dem relativ kleinen Spielplatz nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Wegen der fehlenden Distanz zu der benachbarten Wohnbebauung hätte auf ein solches geräuschintensives Spielgerät verzichtet werden müssen. Die Seilbahn werde nach wie vor intensiv genutzt. Die zwischenzeitlich vorgenommenen Abhilfemaßnahmen hätten keinen merkbaren Effekt erzielt. Auch sei ihr Grundstück nicht durch Straßenverkehrs- oder Gaststättenlärm vorbelastet.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 25. Januar 2012 1. die Beklagte zu verurteilen, die entlang der Rückfront des Hausgrundstücks der Klägerin in T., T. Straße …, auf dem dort angelegten Spielplatz des Neubaugebietes „A.“ aufgestellte Seilbahn zu beseitigen, hilfsweise, die tatsächliche Nutzung der vorstehend bezeichneten Seilbahn nachhaltig zu verhindern, beispielsweise durch Beseitigung des Seilbahnsitzes und dessen Aufhängung/Laufkatze,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten in Höhe von 755,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Klägerin nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung des Spielplatzlärms verpflichtet sei. Die Duldungspflicht gelte auch für die von den Spielgeräten ausgehenden Geräusche. Ein Sonderfall liege nicht vor, denn bei der Seilbahn handele es sich um ein für Kinderspielplätze typisches Spielgerät. Der Standort sei unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ausgewählt worden. Eine stichprobenweise Erhebung in der Zeit vom 20. bis 24. Juni 2012 habe ergeben, dass der Spielplatz lediglich vereinzelt und von wenigen Kindern genutzt werde. Das Verhalten der Klägerin in der Vergangenheit gegenüber den auf dem Platz spielenden Kindern lasse vermuten, dass sie sich nicht nur gegen das Geräusch der Anlage, sondern in Wahrheit gegen den Lärm der Kinder wende. Im Übrigen sei ein Anspruch der Klägerin aber jedenfalls deshalb ausgeschlossen, weil die Seilbahn mittlerweile aufgrund eines neuerlichen Angebots der Herstellerfirma nachgerüstet worden sei. So sei ein geräuschdämpfendes Seil und ein schallgedämmter Seilbahnwagen eingebaut worden. Ferner habe man entlang des Grundstücks zur Klägerin eine schnellwachsende Hecke angepflanzt. Im Übrigen sei das Grundstück der Klägerin durch Straßenverkehrslärm und die von einer benachbarten Gaststätte ausgehenden Geräuschen vorbelastet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Behördenakte und die Urkunde des Bebauungsplans Teilgebiet „A.“, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.

Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin kommt allein der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch in Betracht. Mit diesem Anspruch, der aus dem grundrechtlichen Abwehranspruch nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG oder aus einer analogen Anwendung der §§ 1004 und 906 BGB hergeleitet wird, kann sich der Betroffene gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen, die Folge eines schlicht hoheitlichen Handelns der Verwaltung ist und sich als unzumutbar erweist (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1998 – 7 C 77.87 -, BVerwGE 81, 197 und juris Rn. 17; OVG RP, Urteil vom 23. Januar 2010 – 8 A 10357/10.OVG -, ESOVGRP; Beschluss vom 17. März 2011 – 8 A 11279/10.OVG -). Die Klägerin wendet sich gegen die Nutzung einer Seilbahn, die auf dem unterhalb ihres Hausgrundstücks gelegenen Kinderspielplatz errichtet worden ist. Sie greift damit das schlicht hoheitliche Handeln der Beklagten an. Der auf die Beseitigung der Seilbahn gerichtete Hauptantrag geht allerdings über den Inhalt eines Unterlassungsanspruchs hinaus und kann schon deshalb hierin keine Rechtsgrundlage finden. Das Beseitigungsverlangen lässt sich auch nicht auf § 81 LBauO stützen, weil passivlegitimiert nach dieser Vorschrift allein die Bauaufsichtsbehörde und nicht der hier verklagte Träger der umstrittenen Anlage ist. Aber auch der hilfsweise gestellte und auf das Unterlassen des Anlagenbetriebs gerichtete Antrag ist nicht begründet, weil von der Seilbahn keine unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für die Klägerin ausgehen.

Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit des Lärms ergibt sich aus § 22 BImSchG. Danach sind schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; unvermeidbare Umwelteinwirkungen sind auf ein Mindestmaß zu beschränken. Schädliche Umwelteinwirkungen sind solche Geräusche, die geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Wann Geräusche die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen überschreiten, also eine erhebliche Belästigung für die Nachbarschaft darstellen, erfordert grundsätzlich eine situationsbezogene Abwägung anhand der jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG, a.a.O., juris, Rn. 18).

Die Nutzung der Seilbahn auf dem benachbarten Kinderspielplatz stellt für die Klägerin schon deshalb keine schädlichen Umwelteinwirkungen dar, weil sie nach § 22 Abs. 1a BImSchG zur Duldung der hierdurch entstehenden Lärmbeeinträchtigung verpflichtet ist. Nach dieser Vorschrift sind

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„Geräuscheinwirkungen, die [u.a.] von … Kinderspielplätzen … durch Kinder hervorgerufen werden, … im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.“

Nach dieser Regelung steht Kinderlärm unter einem besonderen Toleranzgebot der Gesellschaft; Geräusche spielender Kinder sind Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung und daher grundsätzlich zumutbar (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zu § 22 Abs. 1a BImSchG, BT-Drs. 17/4836, S. 4, BR-Drs. 128/11, S. 2 f.). Bereits in der bisherigen Rechtsprechung war allgemein anerkannt, dass Kinder lauter sein dürfen als andere Geräuschquellen; Kinderlärm kann sich danach auch dann in den Grenzen des sozial Üblichen und Tolerierbaren halten, wenn Grenz- oder Richtwerte lärmtechnischer Regelwerke überschritten werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1991 – 4 C 5/88 -, NJW 1992, 1779 und juris, Rn. 18 f.; Beschluss vom 11. Februar 2003 – 7 B 88/02 -, NVWZ 2003, 751 [752]; Rojahn, ZfBR 2010, 752 [755] m.w.N.). § 22 Abs. 1 a BImSchG enthält die normative Bekräftigung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (so: Hansmann, DVBl. 2011, 1400 [1401]; Fricke/Schütte, ZUR 2012, 89 [91]).

§ 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen, d.h. Rücksichtnahmepflichten des Anlagen- bzw. Einrichtungsbetreibers enthaltenden Regelung (vgl. zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 5; BR-Drs. 128/11, S. 4; Jarass, BImSchG, 9. Auflage 2012, Einleitung Rn. 39 m.w.N.). Der vorliegende Rechtsstreit betrifft diese anlagenbezogenen Pflichten der Beklagten für den von ihr eingerichteten Kinderspielplatz. Aus dem Anlagenbezug ergibt sich, dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit ihren einzelnen Teilen und den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf, sie vielmehr als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen sind. Die Privilegierung in § 22 Abs. 1a BImSchG gilt daher sowohl für die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute, wie etwa Rufen, Schreien oder Ähnliches, als auch für die von den Spielgeräten bei deren bestimmungsgemäßer Benutzung herrührenden Geräusche. Diese umfassende Duldungspflicht setzt freilich voraus, dass die Anlage dem an sie zu stellenden technischen Standard genügt. In diesem Sinne ist auch die Formulierung in den Gesetzesmaterialien zu verstehen, wonach die technische Ausstattung der Einrichtungen und auch der Spielgeräte den Anforderungen entsprechen muss (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 6; BR-Drs. 128/11, S. 6).

§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und –richtwerte technischer Regelwerke abzustellen (so bereits: BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2003 a.a.O.). Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen „im Regelfall“ keine schädlichen Umwelteinwirkungen sind. Für den Regelfall einer Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot (vgl. zum Vorstehenden insgesamt das Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 – 8 A 10042/12.OVG -, BauR 2012, 1373 und juris).

Bei der von der Klägerin beklagten Seilbahnnutzung handelt es sich um einen von § 22 Abs. 1 a Satz 1 BImSchG erfassten Regelfall. Gründe für die Annahme eines davon abweichenden Sonderfalls liegen nicht vor. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des Senats vom 16. Mai 2012 zugrunde lag und bei dem wegen der Annahme eines Sonderfalls eine auf den Einzelfall bezogene – aber letztlich ebenfalls zu Lasten der dortigen Klägerin ausgegangene – Güterabwägung notwendig geworden war.

Nach der Gesetzesbegründung soll ein vom Regelfall abweichender Sonderfall vorliegen, „wenn besondere Umstände gegeben sind, zum Beispiel die Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu sensiblen Nutzungen wie Krankenhäuser und Pflegeanstalten gelegen sind, oder sich die Einrichtungen nach Art und Größe sowie Ausstattung in Wohngebiete und die vorhandene Bebauung nicht einfügen“ (BT-Drucks. 17/4836, S. 7; BR-Drs. 128/11, S. 7). Diese beiden – beispielhaft und deshalb nicht abschließend zu verstehenden – Fallgruppen sind hier nicht gegeben.

Insbesondere fügt sich der etwa 1.250 m² große Spielplatz ohne weiteres in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 12. Dezember 1991 – 4 C 5.88 – (BauR 1992, 338) festgestellt hat, ist die Errichtung eines Kinderspielplatzes selbst in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung grundsätzlich zulässig. Der Senat teilt auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach die Ausstattung des Spielplatzes durchaus dem heute Üblichen entspricht und er sich auch insofern in die ihn umgebende Wohnbebauung einfügt. Dies gilt insbesondere für die heutzutage auch auf kleineren Spielplätzen häufig anzutreffenden Seilbahnen (vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 16. März 2005 – 2 A 27/04 -, juris, Rn. 31). Auch der Umfang der Inanspruchnahme des Kinderspielplatzes und damit der Seilbahn hält sich im Rahmen des Üblichen. Nach den Aufzeichnungen der Klägerin und den hierzu gegebenen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung wird der Spielplatz vorwiegend an Nachmittagen von Kindern genutzt. Vormittags wird der Spielplatz gelegentlich von einer Kindergartengruppe für eine Stunde aufgesucht. Während der Nachmittagsstunden halten sich Kinder nur vereinzelt und nicht durchgehend auf dem Spielplatz auf. Nach einer – von der Klägerin nicht substantiiert bestrittenen – stichprobenweisen Erhebung der Beklagten im Juni 2012 wurde an einem Freitagnachmittag um 14:00 Uhr kein und um 16:00 Uhr ein Kind angetroffen (Samstag: 14:00 Uhr: 2 Kinder, 16:00 Uhr: 2 Kinder; Sonntag: 14:00 Uhr: 4 Kinder, 16:00 Uhr: 4 Kinder).

Ein atypischer Sonderfall liegt auch nicht darin begründet, dass die Beklagte sich mit ihrer Entscheidung für die Seilbahn und mit der Wahl ihres Standorts rücksichtslos gegenüber der Klägerin verhalten hätte. Wie der Senat bereits im Urteil vom 16. Mai 2012 ausgeführt hat, enthebt die Duldungspflicht nach § 22 Abs. 1a BImSchG den Träger eines Spielplatzes nicht gänzlich seiner Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme, weshalb bei der Ausstattung eines Spielplatzes mit Spielgeräten und deren Anordnung auch den berechtigten Belangen der benachbarten Anwohner Rechnung zu tragen ist (a.a.O., juris Rn. 51). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen ist die Beklagte indes gerecht geworden. Die Seilbahn ist ein bei Kindern sehr beliebtes Spielgerät. Nach den Ausführungen des Ortsbürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entsprach deren Aufstellung einem vielfachen Wunsch der Kinder des Ortes. Eine solche Seilbahn ruft neben den von spielenden Kindern ohnehin ausgehenden Lauten auch nicht Geräusche in einem solchen Ausmaß hervor, dass sie von vorneherein nur fernab von einer Wohnbebauung errichtet werden könnte. Was die Wahl des Standortes für die Seilbahn anbelangt, haben die Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass sich der gewählte Platz aufgrund der topografischen Verhältnisse, insbesondere des für die Seilbahn notwendigen Gefälles, als vorzugswürdig erwiesen habe. Im Übrigen hätte eine mögliche Entlastung der Klägerin zwingend zu einer stärkeren Belastung anderer Anwohner geführt, weil der Spielplatz – im Unterschied zu dem mit Urteil vom 16. Mai 2012 entschiedenen Fall – nahezu vollständig von Wohnbebauung umgeben ist. Angesichts der geringen Größe des Spielplatzes hätte die Verlagerung des Seilbahnstandorts für die Anwohner aber ohnehin nur geringe Auswirkungen gehabt. Da den schutzwürdigen Belangen der in unmittelbarer Nachbarschaft des Spielplatzes wohnenden Personen darüber hinaus durch die Beschränkung der Nutzungszeiten (8:00 Uhr bis 20:00 Uhr) und des Benutzerkreises (Kinder bis 14 Jahre) Rechnung getragen worden ist, stellt sich die Ausstattung des Spielplatzes und die Anordnung der Spielgeräte gegenüber der Klägerin nicht als rücksichtslos dar. Sofern sich die Klägerin durch eine ungewöhnlich intensive Benutzung der Seilbahn besonders gestört fühlt, kann sie sich dem Lärm dadurch wirksam entziehen, dass sie sich in ihre Wohnung zurückzieht. Wie sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, sind die Seilbahngeräusche bei geschlossenen Fenstern nämlich nur noch „minimal“ bemerkbar. Auch derart zumutbare Maßnahmen des Eigenschutzes sind bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Betroffenen mit zu berücksichtigen (vgl. VGH BW, Urteil vom 18. November 2010 – 5 S 2112/09 -, BauR 2011, 1157 und juris, Rn. 36 [Lichtimmissionen]).

Auch der Umstand, dass sich die Klägerin als besonders lärmempfindlich erweist, stellt keinen Sonderfall im Sinne von § 22 Abs. 1a BImSchG dar. Im Immissionsschutzrecht ist allgemein anerkannt, dass es für die Frage des zumutbaren Maßes von Geräuscheinwirkungen auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und nicht auf die individuelle Einstellung eines besonders empfindlichen Dritten ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 1996 – 1 C 10.95 -, BVerwGE 101, 157 und juris, Rn. 28; VGH BW, Urteil vom 11. September 2012 – 6 S 947/12 -, juris, Rn. 25). Auch die in § 22 Abs. 1a BImSchG angeordnete Duldungspflicht gegenüber Spielplatzlärm verlangt eine solche generelle Betrachtung. Lediglich die Nähe zu besonders schutzwürdigen Anlagen (wie z.B. Krankenhäusern oder Pflegeanstalten) vermag danach eine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, hingegen nicht die atypische Empfindlichkeit einzelner Personen (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 17/4836, S. 7).

Ein atypischer Sonderfall liegt schließlich auch nicht deshalb vor, weil von der Seilbahn – konstruktionsbedingt oder wegen schlechter Wartung – eine außergewöhnlich hohe und vom Anlagenstandard abweichende Lärmbeeinträchtigung ausginge. Hierfür ist nichts ersichtlich. Dies gilt insbesondere, nachdem die Beklagte die Anlage mit einem schallgedämmten Seilbahnwagen und einem geräuschdämpfenden Seilbahnseil hat nachrüsten lassen. Nach den mitgeteilten Erfahrungen der Herstellerfirma werden hierdurch sowohl die Summ- als auch die Anschlaggeräusche merklich reduziert. Der von der Beklagten hinzugezogene Spielplatzsachkundige T… hat in seiner Stellungnahme vom 5. September 2012 bestätigt, dass diese Lärmminderungsmaßnahmen fachgerecht durchgeführt worden sind.

Sollte sich das Klagebegehren schließlich auch gegen eine missbräuchliche Benutzung der Seilbahn (durch Jugendliche oder Erwachsene und/oder nach 20:00 Uhr) wenden, sind die Voraussetzungen für einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht erfüllt. Denn die Beklagte träfe in einem solchen Fall nur dann eine Verantwortung, wenn sie sich die missbräuchliche Nutzung des Spielgeräts durch Dritte zurechnen lassen müsste. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Zahl der Missbräuche über unvermeidbare gelegentliche Fälle hinausginge und die örtlichen Gegebenheiten einen besonderen Anreiz zum Missbrauch geschaffen hätten (vgl. den Beschluss des Senats vom 22. August 2007 – 8 B 10784/07 -; OVG Nds, Beschluss vom 29. Juni 2006 – 9 LA 113/04 -, NVwZ 2006, 1199 und juris, Rn. 11). Hier hat die Klägerin bereits nicht dargetan, dass die Seilbahn über Einzelfälle hinaus in größerem Umfang bestimmungswidrig benutzt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 47, 52 GKG).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

1. Immissionsschutzrecht

  • Rechtsnorm/Gesetz: § 22 BImSchG (Bundes-Immissionsschutzgesetz)
  • Erläuterung: Das Immissionsschutzrecht befasst sich mit der Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen, insbesondere durch Lärm. Im vorliegenden Fall wird argumentiert, dass die Geräusche der Seilbahn auf dem Kinderspielplatz eine unzumutbare Lärmbelästigung darstellen. § 22 BImSchG wird im Urteil explizit erwähnt und legt fest, wann Geräusche als schädliche Umwelteinwirkungen gelten. Es wird argumentiert, dass Kinderlärm in gewissem Maße toleriert werden muss und dass die Geräusche der Seilbahn und der spielenden Kinder als einheitliches Anlagengeräusch zu betrachten sind.

2. Öffentliches Baurecht

  • Rechtsnorm/Gesetz: § 81 LBauO (Landesbauordnung)
  • Erläuterung: Das öffentliche Baurecht regelt die Zulässigkeit von baulichen Anlagen. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass die Seilbahn entfernt werden sollte. § 81 LBauO wird im Urteil erwähnt, wobei klargestellt wird, dass die Bauaufsichtsbehörde und nicht der Betreiber der Anlage passivlegitimiert ist. Das bedeutet, dass die Klägerin sich nicht direkt gegen den Betreiber der Seilbahn wenden kann, um deren Beseitigung zu verlangen.

3. Grundrechte

  • Rechtsnorm/Gesetz: Art. 2 Satz 1 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG (Grundgesetz)
  • Erläuterung: Diese Artikel des Grundgesetzes schützen die allgemeine Handlungsfreiheit und das Eigentum. Im Urteil wird argumentiert, dass der Betroffene sich gegen eine Beeinträchtigung zur Wehr setzen kann, die durch hoheitliches Handeln der Verwaltung verursacht wird und unzumutbar ist. Das Grundgesetz wird herangezogen, um die Rechte der Klägerin in Bezug auf die Lärmbelästigung durch die Seilbahn zu bewerten.

4. Bürgerliches Recht

  • Rechtsnorm/Gesetz: §§ 1004 und 906 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
  • Erläuterung: Diese Paragraphen des BGB regeln die Rechte eines Eigentümers, wenn sein Eigentum durch Einwirkungen von einem anderen Grundstück beeinträchtigt wird. Im Urteil wird auf diese Normen Bezug genommen, um die Rechte der Klägerin in Bezug auf die Lärmbelästigung durch die Seilbahn zu bewerten.

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