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Verkehrssicherungspflicht – Baustelle – Anforderungen an Leiter als Aufstieg

OLG Schleswig-Holstein, Az.: 11 U 39/15, Beschluss vom 21.07.2015

Gründe

Verkehrssicherungspflicht - Baustelle – Anforderungen an Leiter als Aufstieg
Symbolfoto: Von Gordon Ball LRPS /Shutterstock.com

In dem Berufungsverfahren beabsichtigt der Senat, die Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Nach dieser Vorschrift soll das Berufungsgericht die Berufung dann durch Beschluss (der nach § 128 Abs. 4 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen kann) unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, dass nicht nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO die Revision zuzulassen und dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere fehlt offensichtlich die Erfolgsaussicht.

1.

Zu Recht hat das Landgericht einen Verstoß der Beklagten gegen § 10 Abs. 3 der einschlägigen „Unfallverhütungsvorschrift Bauarbeiten“, wonach Aufstiege zu Arbeitsplätzen grundsätzlich als Treppen oder Laufstege ausgeführt sein müssen, mit der Begründung verneint, dass nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 dieser Vorschrift wegen des geringen Höhenunterschiedes die Leiter als Aufstieg verwendet werden durfte.

Andere Vorschriften, gegen die die Beklagte verstoßen haben könnte, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

a)

So wurde insbesondere die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift nicht verletzt. Denn die hiernach grundsätzlich gebotene Absturzsicherung oder Auffangeinrichtung ist nach § 12 Abs. 6 der Unfallverhütungsvorschrift dann, wenn – wie hier nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 der Unfallverhütungsvorschrift – die Absturzhöhe die zulässige Standhöhe auf der Leiter nicht überschreitet, nicht einmal bei Arbeiten auf einer Leiter erforderlich. Dann kann eine solche Sicherung oder Einrichtung auch nicht geboten sein, wenn die Leiter nur als Verkehrsweg benutzt wird, also für kürzere Dauer als zum Arbeiten.

b)

Die in der Berufungsbegründung ins Feld geführte Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 2121 Teil 2 (Anlage BB 1, Bl.72ff) dient nach ihrem Abschnitt 1 („Anwendungsbereich“) nur dem Schutz von Beschäftigten, nicht also dem Schutz von Dritten wie dem Kläger. Die von dem Kläger herangezogene Bestimmung in Abschnitt 4.2.2 S.1 dieser Regel dürfte überdies kein eigenständiges Verbot (vergleichbar dem Verbot in § 10 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift) enthalten, sondern eine zusätzliche Erlaubnis. Es kommt aber nicht darauf an, ob aber das der Beklagten vorgeworfene Verhalten möglicherweise auch nach jenem Abschnitt erlaubt war oder vielmehr – wie der Kläger meint – deshalb nicht auch nach dieser Bestimmung erlaubt war, weil an dem Arbeitsplatz nicht nur selten Arbeiten ausgeführt werden mussten und weil die Benutzung eines anderen, sicheren Arbeitsmittels gerechtfertigt war (vgl. S. 3 des Abschnitts).

c)

Die von dem Kläger als Anlage BB 2 (Bl.76ff) eingereichte, von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft herausgegebene „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten“ begründet nicht selbst Pflichten, sondern unterrichtet nur darüber, welche Pflichten sich nach Auffassung der Berufsgenossenschaft aus anderen Regelwerken ergeben, insbesondere aus der erwähnten Technischen Regel für Betriebssicherheit. Deshalb kann der Kläger der Beklagten nicht vorwerfen, die auf Seite 5 dieser Handlungsanleitung geforderte „Gefährdungsbeurteilung“ unterlassen zu haben.

d)

Der Beweis, dass es gerade ein Mitarbeiter der Beklagten – also nicht z.B. der Kläger selbst – gewesen sei, der die von dem Kläger benutzte Leiter in nicht standsicherem Zustand aufgestellt habe, obliegt nach allgemeinen Regeln dem Kläger, der hierauf seine gegen die Beklagte gerichteten Ansprüche stützt. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht den dahin gehenden Vorwurf mangels geeigneten Beweisangebots des Klägers zu Recht als nicht bewiesen angesehen.

2.

Nur am Rande sei noch folgendes angemerkt:

Bei seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 18.02.2015 (Protokoll Bl.47ff) hat der Kläger, der am Unfalltag für die Bauherren als Sachverständiger auf der Baustelle war, selbst angegeben, er weise auf Baustellen des Öfteren darauf hin, dass das Bereitstehen einer Leiter nicht den Unfallverhütungsvorschriften entspreche und deshalb nicht in Ordnung sei. Der Senat versteht dies so, dass der Kläger diese Auffassung auch schon vor seinem Unfall vertrat. Hielte man diese Auffassung des Klägers für zutreffend, so wäre dem Kläger ein erheblicher Mitverschuldensvorwurf i.S.d. § 254 BGB zu machen. Denn dann kannte er die Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten und die durch diese Pflichtwidrigkeit begründete Gefahr. Und es spricht viel für die Annahme, dass dieser Mitverschuldensvorwurf dann den gegen die Beklagte zu erhebenden Vorwurf derart deutlich überwöge, dass dieser Vorwurf sogar als unmaßgeblich in den Hintergrund träte, der Anspruch des Klägers also nicht nur gemindert, sondern ganz ausgeschlossen wäre.

3.

Eine Entscheidung wird nicht vor Ablauf von drei Wochen ergehen. Der Senat erwägt, den Wert des Berufungsverfahrens auf 11.311,95 € festzusetzen.

 

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