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Handyklingeltöne zum herunterladen: Werbung in Jugendzeitschrift – UWG-Verstoß?

Landgerichts Lübeck

Az.: 13 O 26/02

Verkündet am: 16.04.2002


In dem Rechtsstreit hat die Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Lübeck auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letzter zu vollziehen an ihrer Geschäftsführerin, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Jugendzeitschriften mit Anzeigen -wie nachfolgend abgebildet – für die Bestellung von Klingeltönen per Mehrwertdiensttelefonnummern (3,63 DM/min.) zu werben bzw. werben zu lassen, den der umworbene Anrufer auf sein Handy durch einen Anruf laden kann.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,00 E vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 18 weiterer verbraucherund sozialorientierter Verbände in Deutschland. Die Beklagte ist im Bereich der neuen Medien tätig.

Die Beklagte warb unter anderem in der Zeitschrift B Nr. 38 vom 12.09.2001 damit, dass der Kunde Klingeltöne auf sein Handy laden konnte. . Dieser Dienst kostete 3,63 DM pro Minute. In dieser Anzeige heißt es unter anderem:

„Letzte Chance Klingeltöne zu bestellen!!! Nur noch diese Woche dann ist Feierabend!!! Packt Euch Euer Handy noch mal voll!!! Die Tussi hat (Ver-) Sendeschluss!!!“

In der Anzeige befand sich ein kleiner Hinweis auf die Höhe der Gebühren von 3,63 DM pro Minute. Auf der Anzeige befindet sich der Hinweis „Test-Sieger Sehr gut, bester Tonversender“ mit dem Hinweis der Internet-Adresse www.xxxx. Diese Seite wurde von der Beklagten betrieben. Wegen der Einzelheiten der Anzeige wird auf die Anlage K 2 (BI. 21 d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 (BI: 74 ff. d.A.) forderte die Klägerin die Beklagte auf, eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen abzugeben, was jedoch nicht geschehen ist. Auf der Internet-Adresse www.xxxx. bestand für potentielle Kunden die Möglichkeit, sich die Melodienkostenlos anzuhören. Wählte ein potentieller Kunde die gebührenpflichtige Rufnummer, wurde er durch eine automatische Menüführung durch das Programm geleitet. Dieser Vorgang kann beim Herunterladen mehrerer Melodien durchaus 3 bis 4 Minuten dauern.

Die Klägerin behauptet, dass sich die Werbung überwiegend an Minderjährige richte, was neben der Plazierung der Anzeige in der Jugendzeitschrift B sich besonders aus der Art und Weise der Werbung, Wortwahl, Syntax und Aufmachung ergebe. Ein durchschnittlicher Kunde brauche ca. 4 Minuten, was Kosten in Höhe von ca. 14,52 DM verursache, um eine Melodie- herunterzuladen. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Minderjährige nicht nur einen Klingelton, sondern mehrere Klingelmelodien auf ihr Handy laden. Das Verhalten der Beklagten verstoße schließlich auch gegen den Verhaltenskodex der freiwilligen Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste FST. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche Werbung gegen § 1 UWG verstoße. Außerdem stünden die Kosten der Anwahl der Telefonnummer in einem krassen Mißverhältnis zu der angebotenen Leistung, so dass Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 BGB vorläge.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behauptet, dass die streitgegenständliche Anzeige sich nicht speziell an Minderjährige richte, was unter anderem auch dadurch deutlich werde, dass die gleiche Anzeige unter anderem in der Bildzeitung in gleicher Form erschienen, sei. Außerdem habe die B einen Anteil von 51 % von volljährigen Lesern. Die Art der Sprache wurde nur deswegen so gewählt, um up to date zu sein. Es sei theoretisch möglich, innerhalb von einer Minute, d.h. mit 3,63 DM, einen Klingelton herunterzuladen, wenn man nur schnell genug ist.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei. Dies ergebe sich bereits durch die Tatsache, dass die Anzeige nicht mehr geschaltet wurde. Ein Fall der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 BGB liege nicht vor, da der Kunde als Gegenleistung die Umprogrammierung seines Handys, welche dauerhaft ist, „erhalte.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin ist gem. § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG klagebefugt.

Die Klage ist auch begründet. Die streitgegenständliche Werbung verstößt gegen § 1 UWG. Danach kann derjenige, der im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies ist gegeben, da sich die Werbung speziell an Minderjährige richtet. Dies wird zum einen durch die Art der Sprache als auch durch die Plazierung der Anzeige in der B deutlich. Entgegen den Ausführungen der Beklagtenhaben heute viele Minderjährige ein Handy im Besitz, welches sie möglichst individuell gestalten wollen. Gerade deshalb ist dieses Angebot für Minderjährige besonders verlockend. Auch die Wortwahl xxxxx lässt darauf schließen, dass es sich um Trendausdrücke handelt. Es mag richtig sein, dass 51 % der Leserschaft der B volljährig sind, jedoch ist das zum einen nicht die Zielgruppe und zum anderen ist eine Leserschaft von 49 % unter Minderjährigen ein überproportional hoher Wert. Die Werbung, die sich an Minderjährige richtet, ist deshalb mit einem strengen Maßstab zu messen, da Kinder und Jugendliche meist noch nicht im ausreichenden Maße in der Lage sind, Waren oder Leistungsangebote kritisch zu beurteilen. Sie entscheiden sich gefühlsmäßig und folgen einer spontanen Eingebung. Wettbewerbswidrig ist es daher, Minderjährige unter Ausnutzung ihrer Unerfahrenheit, Ungewandtheit, Scheu vor Auseinandersetzungen und leichten Beeinflussbarkeit zu unwirtschaftlichen Ausgaben und zu Anschaffungen über Bedarf zu verführen (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, § 1 UWG Rn. 198 m.w.N.). Durch die Formulierung der Anzeige „Nur noch diese Woche dann ist Feierabend!!! Packt Euch Euer Handy nochmal voll !!! Die Tussi hat (Ver)Sendeschluß!!!“ wird den Minderjährigen suggeriert, dass dieses Angebot nicht mehr lange zu haben sei und somit ein Zeitdruck existiere. Ferner werden die Minderjährigen animiert, nicht nur einen Klingelton, sondern mehrere herunterzuladen, was die Kosten erheblich in die Höhe treibt. Die Tatsache, dass die Höhe der Kostenpflichtigkeit im Verhältnis zur Bestelltelefonnummer sehr kleinangegeben ist, hat ebenfalls indizielle Bedeutung für einen Verstoß gegen § 1 UWG. Die Tatsache, dass unter der Internet-Adresse www.xxx, die von der Beklagten betrieben wird. der Telefondienst als Testsieger sehr gut bezeichnet wurde, stützt dieses Ergebnis eben

falls.

Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht bei bereits begangenem einmaligen Wettbewerbsverstoß eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen der Wiederholungsgefahr, so die ständige Rechtsprechung (vgl. dazu Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, Einleitung UWG, Rn. 263 m.w.N.). Diese vermutete Wiederho1ungsge fahr kann nur durch eine strafbewehrte Unterwerfungserklärung ausgeräumt werden. Diese wurde von der Beklagten jedoch nicht abgegeben, so dass eine Wiederholungsgefahr anzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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