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Kreditkartenmissbrauch durch unbefugte Dritte – Sorgfaltspflichtverletzung

AG Hamburg, Az.: 23a C 222/12, Urteil vom 01.03.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 2.993,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.02.2011 zu zahlen

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Kreditkartenvertrag geltend.

Die Klägerin (die vormals unter … ist Emittentin von Master-Card-Kreditkarten. Sie war zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen mit der Beklagten durch einen Kreditkartenvertrag verbunden. In den AGB der Klägerin (Anlage K 1) ist folgender Passus enthalten:

„10. Zahlungsverpflichtungen des Karteninhabers

Mit dem Einsatz der Karte erteilt der Karteninhaber der …Bank die unwiderrufliche Weisung, die unter Einsatz der Karte eingegangenen Verbindlichkeiten bei den Akzeptanzstellen und den Kreditinstituten, die MasterCard akzeptieren, zu bezahlen. Der Karteninhaber ist verpflichtet, der …Bank die verauslagten Beträge zu erstatten. Die Umsätze werden von der …Bank innerhalb einer Abrechnungsperiode (Monat) gespeichert und dem Karteninhaber zum Abrechnungstermin in Form einer Monatsabrechnung in Rechnung gestellt. Der Rechnungsbetrag ist mit Datum der Monatsrechnung fällig und innerhalb der auf der Rechnung angegebenen Frist zu zahlen.“

Kreditkartenmissbrauch durch unbefugte Dritte - Sorgfaltspflichtverletzung
Symbolfoto: AntonioGuillem/Bigstock

Am 29.01.2011 um 03.30 Uhr erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Diebstahls ihrer Handtasche sowie einer EC-Karte und einer (hier nicht streitgegenständlichen) Kreditkarte im Lokal „Golden Cut“. Am 09.02.2011 ergänzte sie die Strafanzeige dahingehend, dass auch die streitgegenständliche Kreditkarte gestohlen und mit dieser nicht von ihr autorisierte Umsätze getätigt worden seien (Anlage K 4).

Am 08.02.2011 um 18.40 Uhr ließ die Beklagte ihre Kreditkarte telefonisch sperren.

In die Monatsrechnung vom 21.02.2011 stellte die Klägerin Kreditkartenumsätze in Höhe des tenorierten Betrages ein (Anlage K 2). Hinsichtlich der darin aufgeführten Kontobewegungen hat die Klägerin Transaktionsprotokolle geführt (Anlage K 3). Der mit der Beklagten vereinbarte Lastschrifteinzug scheiterte, da die Beklagte der Belastung widersprach.

Die Klägerin behauptet, zwischen dem 29. und dem 31.01.2011 sei die Kreditkarte der Beklagten in diversen Akzeptanzunternehmen zum Bezug verschiedener Waren zum Gesamtpreis in Höhe des tenorierten Betrages im sog. Kreditkartenpräsenzgeschäft eingesetzt worden.

Die Klägerin behauptet, ihre AGB (Anlage K 1) seien wirksam in den Kreditkartenvertrag einbezogen worden.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 2.993,89 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit 22.03.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, ihr sei ihre Handtasche im Rahmen eines beruflich bedingten Termins im Lokal „Golden Cut“ gestohlen worden. Sie sei nach Bemerken des Diebstahls zunächst sicher gewesen, dass sich die streitgegenständliche Kreditkarte an einem sicheren Ort in ihrer Wohnung befinde, da sie die Karte fast nie benutzt und daher immer nur dann bei sich getragen habe, wenn sie Einkäufe bei Karstadt getätigt habe.

Nach Bemerken des Abhandenkommens habe sie Klägerin und Polizei unverzüglich informiert. Sie ist der Ansicht, damit habe sie ihrer Pflicht zur unverzüglichen Anzeige genügt. Sie habe insbesondere nicht jederzeit wissen müssen, an welcher konkreten Stelle sich ihre Kreditkarte in jedem Moment befinde.

Die Beklagte bestreitet, dass bei den von der Klägerin behaupteten Transaktionen eine Authentifizierung erfolgt sei und der Zahlungsvorgang ordnungsgemäß aufgezeichnet worden sei.

Der Beklagte ist der Ansicht, ein Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin scheide aus, da es sich bei den streitgegenständlichen Buchungen jedenfalls nicht um autorisierte Zahlungsvorgänge gehandelt habe, weil ihre Zustimmung nicht vorgelegen habe.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze und Anlagen, den gerichtlichen Hinweis aus der Verfügung vom 22.10.2012 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2013.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I.

1.

Es kann dahin stehen, ob der Klägerin ein Aufwendungsersatzanspruch gegen die Beklagte aus dem mit dieser abgeschlossenen Kreditkartenvertrag, Nr. 10 Abs. 1 S. 2 der wirksam einbezogenen AGB der Klägerin i. V. m. §§ 675c Abs. 1, 670 BGB zusteht. Dies wäre der Fall, wenn der Vortrag der Klägerin zugrunde gelegt wird, die bestritten hat, dass die Einsätze unautorisiert durch Dritte getätigt worden seien, und vielmehr davon ausgeht, dass eine gesetzliche Vermutung dafür spricht die Klägerin selbst die Kreditkarte für die streitgegenständlichen Buchungen verwendet hat.

Selbst wenn aber der Vortrag der Beklagten zugrunde gelegt würde und nicht von durch die Beklagte autorisierten Zahlungsvorgängen auszugehen wäre, kann Klägerin als Zahlungsdienstleisterin von der Beklagten als Kreditkarteninhaberin die in der Monatsabrechnung vom 21.02.2011 (Anlage K 2) ausgewiesenen Zahlungen jedenfalls gemäß §§ 675v Abs. 2 i. V. m. § 675I BGB und Nr. 8 Abs. 1 S. 3 der AGB erstattet verlangen.

§§ 675c ff. BGB sind anwendbar, da die streitgegenständlichen Zahlungsvorgänge nach Inkrafttreten dieser Vorschriften (31.10.2009) stattfanden.

Das Gericht legt zugrunde, dass die Zahlungen im Rahmen von Kreditkartenpräsenzgeschäften erfolgt sind, welche die Klägerin ordnungsgemäß aufgezeichnet hat. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist unerheblich. Angesichts der von der Klägerin vorgelegten Transaktionsprotokolle (Anlage K 3) hätte die Beklagte sich nicht mit einfachem Bestreiten der ordnungsgemäßen Aufzeichnung der Zahlungsvorgänge begnügen dürfen, sondern hätte im Einzelnen konkret darlegen müssen, bezüglich welcher Vorgänge anhand welcher Anhaltspunkte Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Aufzeichnungen besteht.

Hierdurch greift eine gesetzliche Beweisvermutung nicht allein für die Autorisierung der Zahlungsvorgänge, sondern (im Falle fehlender Autorisierung) auch für das Vorliegen grob fahrlässiger Pflichtverletzungen durch den Karteninhaber, die dazu geführt haben, dass unbefugte Dritte die Karte verwendet haben (§ 675w BGB).

Diese Beweisvermutung hat die Beklagte nicht entkräftet, sie hat insbesondere nicht die Möglichkeit eines ernsthaft in Betracht kommenden anderen oder atypischen Geschehensverlauf dargelegt.

Zunächst erhöht der Vortrag der Beklagten, dass ihr am 29.01.2011 ihre Handtasche mit weiteren Geldkarten gestohlen worden sei und dass sie zehn Tage später den Verlust auch der streitgegenständlichen Kreditkarte bemerkt habe, die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die streitgegenständliche Karte für die protokollierte Einsätze durch Dritte verwendet worden ist.

Zudem steht fest, dass die Klägerin ihre vertragliche und gesetzliche Pflicht zur besonders sorgfältigen Aufbewahrung und zur unverzüglichen Sperre nach Verlust der Karte grob fahrlässig verletzt hat. Sie hat die Kreditkarte erst zehn Tage nach dem von ihr vorgetragenen Handtaschendiebstahl sperren lassen.

Sie hätte angesichts der von ihr erstatteten Strafanzeige und des Verlustes weiterer Geldkarten evident Anlass gehabt, sich den Aufbewahrungsort für die streitgegenständliche Kreditkarte zu vergegenwärtigen, zumindest aber ihre Annahme von dessen sicherer Aufbewahrung zu überprüfen. Dass die Beklagte über den Aufbewahrungsort irrte, zeigt bereits, dass sie ihre diesbezüglichen Sorgfaltspflichten vernachlässigte. Denn ein sorgfältiger Umgang mit der Kreditkarte erfordert, dass sich der Karteninhaber jederzeit im Klaren darüber ist, wo sich die Karte befindet, und den Verbleib der Karte bei konkretem Anlass (wie vorliegend dem Diebstahl weiterer Geldkarten) unverzüglich überprüft. Hätte die Beklagte diese Sorgfaltspflichten beachtet, hätten die streitbefangenen Kreditkartenumsätze sämtlich verhindert werden können.

2.

Die Klägerin hat Anspruch auf Verzugszinsen ab Datum der streitgegenständlichen Monatsrechnung gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs.1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB i. V. m. Nr. 10 der AGB der Klägerin.

Es ist davon auszugehen, dass die AGB der Klägerin (Anlage K 1) wirksam in den Kreditkartenvertrag einbezogen worden sind und daher die Fälligkeit des Rechnungsbetrages mit Datum der Monatsrechnung eintrat. Das pauschale Bestreiten der Beklagten, die AGB seien nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, ist auch an dieser Stelle unerheblich. Die Beklagte hätte zumindest vortragen müssen, ob die AGB ihr nicht vorlagen, oder sie ein Dokument, dass die Vereinbarung der Einbeziehung beinhaltete, nicht unterschrieben habe, oder aus welchem anderen Grund die AGB nicht Vertragsbestandteil geworden sein sollten. Dass der Vortrag dahingehend zu verstehen sei, dass überhaupt keine AGB in den Vertrag hätten einbezogen werden sollen, hält das Gericht für lebensfremd, da es allgemeiner Lebenserfahrung entspricht, dass Kreditkartenverträge stets unter Einbeziehung von AGB zustande kommen.

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II.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 91 ZPO (Kostenentscheidung) sowie § 709 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).

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