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Zustandekommen eines Beratungsvertrages – Schadensersatz wegen Pflichtverletzung

LG Berlin, Az.: 31 O 556/11, Urteil vom 05.03.2013

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen eines von dem Kläger zu beauftragenden Notar 103.413,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung des Klägers vor dem beauftragten Notar:

„Ich bin eingetragener Eigentümer des im Objekt … gelegenen, im Grundbuch des Grundbuchamts … von … Blatt 3398 eingetragenen Wohnungseigentumsrechts, bestehend aus einem 608/10.000stel Miteigentumsanteil nach WEG, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 10 bezeichneten Eigentumswohnung im Erdgeschoss nebst Abstellraum im Kellergeschoss gleicher Nummerierung, weiterhin verbunden mit dem Sondernutzungsrecht am Pkw-Stellplatz im Freien Nr. 7.

Ich verpflichte mich hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum auf die … für Immobilien mbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführung zu übertragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der DKB Deutsche Kreditbank AG in Höhe von insgesamt 94.370,00 € zu übertragen.

Ich erteile hiermit der … für Immobilien mbH & Co. KG die unwiderrufliche Vollmacht, in meinem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, die Auflassung zu erklären.

Ich bewillige die Eintragung der … für Immobilien mbH & Co. KG als Eigentümer unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Zahlungseingang in Höhe des durch das Urteil des Landgerichts Berlin 31 O 556/11 zugesprochenen Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt und ein etwaig überschießender Betrag an mich auszukehren ist.“

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung an die DKB Deutsche Kreditbank AG für die vorzeitige Ablösung des zur Finanzierung des unter dem Antrag zu Ziffer 1. genannten Wohnungseigentums aufgenommenen Darlehens mit der Vertragsnummer …, freizustellen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger auch zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist, soweit er im Zusammenhang mit dem Erwerb der im Antrag zu 1. bezeichneten Eigentumswohnung steht.

4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der unter Ziffer 1 genannten Eigentumswohnung im Annahmeverzug befindet.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.085,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 zu zahlen.

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

7. Der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Zustandekommen eines Beratungsvertrages - Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
Symbolfoto: Estradaanton/Bigstock

Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der am 15.12.2011 eingegangenen und der Beklagten am 2.2.2012 zugestellten Klage u.a. die Rückabwicklung des von ihm am 4.4.2007 notariell angebotenen und von der Beklagten am 10.4.2007 durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten, der …für Immobilien mbH & Co. KG, notariell angenommenen Kaufvertrags über die im Klageantrag zu 1. näher bezeichnete Eigentumswohnung in … .

Die Beklagte hatte den Wohnkomplex … 66, 68 mit einem Prospekt (Anlage B1) als Kapitalanlage in „Sanierungsobjekt, denkmalgeschützte Stadthäuser aus der Gründerzeit“ beworben, in denen sie auch auf Steuervorteile hinweist. Nach ihrem eigenen Bekunden erfolgt der Vertrieb der Wohnungen durch diverse Vertriebsfirmen, unter anderem – wie im vorliegenden Fall – die „… GmbH – Vermittlung steuerbegünstigter Kapitalanlagen und Subventionen -“ (zur Firmenbezeichnung vgl K 9, S. 1 aE); auch der Prospekt (vgl. Anlage B1, S. 20, 27, 34, 45) weist an diversen Stellen, u.a. auch im dort schon vorformulierten Kaufvertragsmuster, auf eingeschaltete Vertriebsfirmen sowie darauf hin, dass sie eine bereits im Kaufpreis enthaltene Vertriebsprovision von 18 % zzgl. MwSt zahlt.

Aufgrund eines für den Kläger überraschenden Telefonanrufes Thema „Steuern sparen“ Mitte März 2007 kam es einige Tage später zu einem Hausbesuch eines Mitarbeiters der Firma … GmbH, der sich dann nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute B. erkundigte, bei ihnen durchaus Steuersparpotenzial sah und für sie einen weiteren Termin am 2.4.2007 mit einem „Spezialisten für Steuersparen und Kapitalanlagen“, dem Zeugen H., in den Geschäftsräumen der … GmbH in Berlin vereinbarte.

Bei diesem Termin stellte der Zeuge H. sich und die Firma … vor und bot ihnen sodann eine nach Denkmalvorschriften sanierte, vermietete Wohnung an, die sich sehr gut zum Steuersparen und zur Altersvorsorge eigne. Er verwies ferner auf eine mögliche Finanzierung der Wohnung durch die DKB Deutsche Kreditbank und erstellte auf einem Vordruck der … GmbH einen „Berechnungsbogen Immobilien“ (Anlage B 9), in dem er unter Berücksichtigung des Gesamtaufwands für die zu erwerbende Wohnung Nr. 10 für das erste volle Vermietungsjahr unter Berücksichtigung der Steuerersparnis zu einer monatlichen Belastung von ca. 142 € kam. Unstreitig kamen dabei eventuelle Risiken, die sich aus § 15b EStG ergeben können, nicht zur Sprache. Die Eheleute B. unterzeichneten sodann einen ihnen vom Zeugen vorgelegten Vermittlungsvertrag mit der … GmbH u.a. bzgl. eines Immobilien-Kaufvertrags und eines Darlehensvertrags (Anlage K 10); darin wird darauf hingewiesen, dass die … GmbH ihr Honorar (sog. Innenprovision) ausschließlich vom Verkäufer erhält. Sie erhielten ferner ein Kurzexposé über ein Referenzobjekt der Beklagten (Anlage K 11). Der Zeuge vereinbarte mit ihnen dann einen weiteren Termin zum 4.4.2007, zu dem lediglich der Kläger erschien; diesem eröffnete der Zeuge sodann, dass bereits ein Notartermin für den gleichen Tag reserviert sei, der auch nicht mehr verschoben werden könne. Er übergab dem Kläger den erwähnten Verkaufsprospekt (Anlage B1), ohne dass der Kläger in der Lage war, den 48 Seiten umfassenden Prospekt zur Kenntnis zu nehmen, und fuhr ihn zum Notar P., wo der Kläger dann das eingangs erwähnte, an die Beklagte gerichtete Kaufvertragsangebot (Anlage K 6) entsprechend dem Muster im Verkaufsprospekt Anlage B1 abgab. Gemäß § 3 Abs. 1 des Kaufvertragsangebots betrug der Kaufpreis für die 49,01 m² große Eigentumswohnung 93.420 €. In den § 14 und 15 ließ sich die Beklagte diverse Kenntnisse des Klägers von näheren Umständen bestätigen (z.B. einer engen wirtschaftlichen, personellen und rechtlichen Verflechtung der Beklagten zum Finanzierungsvermittler und die Tatsache, dass der Makler/Vertriebsbeauftragte nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten sei und seinen Erklärungen keine für die Beklagte rechtsverbindliche Bedeutung zukomme).

Dieses Angebot nahm die Beklagte mit notarieller Erklärung vom 10.4.2007 (Anlage K7) an.

Am 2.6.2007 schloss der Kläger mit der … Vermittlungsgesellschaft für Kapitalanlagen mbH, einer Tochter der Beklagten, einen Finanzierungsvermittlungsvertrag ab (Anlage K 14). Zugleich wurden ihm und seiner Ehefrau die Darlehensverträge mit der DKB (Anlage K12) vom 18.5./2.6.07 für die Finanzierung über einen Darlehensnominalbetrag von 94.370 € (Auszahlungsbetrag: 93.426,30 €), der eine Laufzeit bis 2042 vorsah, sowie mit der … Bank (Anlage K 13) für die Finanzierung der Nebenkosten in Höhe von 10.864 € über einen am 1.5.2017 fälligen Gesamtbetrag in Höhe von 11.145,46 € zur Unterzeichnung vorgelegt.

Sie unterzeichneten ferner den auf den 2.6.2007 datierten, im hiesigen Rechtsstreit von der Beklagten vorgelegten Beratungsbericht des Zeugen H. (Anlage B 2), der u.a. Angaben zum Kaufobjekt, zu Investition, Finanzierungsaufbau (jeweils voraussichtlich) und den monatlichen Zuzahlungen (ohne steuerliche Berücksichtigung) sowie die Bestätigung der Eheleute B. enthielt, dass Nebenabreden nicht getroffen und keine Zusagen über die Wertentwicklung bzw. Preisstabilität der Immobilie gemacht worden seien.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.7.2009 (Anlage K 52) forderte der Kläger die Beklagte wegen Falschberatung durch den für diese tätigen Anlageberater H. unter Fristsetzung zum 31.7. 2009 zur Rückabwicklung der Verträge auf. In der Folgezeit kam es zu Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien des Rechtsstreits, die unter anderem bezüglich des Finanzierungsvermittlungsvertrags (Anlage K 14) zu einer Aufhebungsvereinbarung vom 23.12. 2010 zwischen den Vertragsparteien (Anlage B4) und am 16.12.2010 zur Rückzahlung der Finanzierungsvermittlungsgebühren in Höhe von 2.101,95 € durch die B&V Wohnbaugesellschaft mbh (frühere … Vermittlungsgesellschaft für Kapitalanlagen mbH) an den Kläger führten. Die Vergleichsverhandlungen dauerten bis unmittelbar vor Klagezustellung an.

Der Kläger ist der Ansicht, zwischen ihm und der Beklagten sei neben dem Kaufvertrag auch ein Beratervertrag zustande gekommen und die Beklagte müsse sich das in mehrfacher Hinsicht pflichtwidrige Handeln der … GmbH bzw. des für sie handelnden Zeugen H. zurechnen lassen. Zumindest hafte die Beklagte aus Verschulden bei vertraglichen Vorverhandlungen (cic).

Weder sei er auf die im Hinblick auf § 15b EStG bestehende Gefahr hingewiesen worden, dass die versprochenen Steuervorteile keinen dauerhaften Bestand hätten, noch sei er darüber informiert worden, dass die Steuervorteile gemäß § 7i EstG nach 12 Jahren entfallen und seine monatliche Belastung auf 306,75 € anwächst. Er sei vor Kaufvertragsabschluss auch nicht auf die Darlehensvertragslaufzeit von 35 Jahren hingewiesen worden. Der Zeuge H. habe ihm fälschlicherweise versprochen, dass die Wohnung nach 10 Jahren mit mindestens 20.000 € Gewinn verkauft werden könne und mit keinem Wort eine Instandhaltungsrücklage für die Wohnung erwähnt. Die Beklagte hafte auch deshalb, weil ihm vor der notariellen Beurkundung nicht die Zweiwochenfrist gem. § 17 Abs. 2a Nr. 2 BeurkG zur Prüfung gewährt wurde.

Schließlich sei der Kaufpreis für die Wohnung sittenwidrig überhöht, da sie nur ca. 42.000 € wert sei.

In Kenntnis der tatsächlich auf ihn zukommende Belastung, insbesondere der mit § 15b EStG verbundenen Probleme und des Abschreibungsverlaufs von § 7i EstG hätte er die Verträge nicht abgeschlossen.

Mit dem Klageantrag zu 1. macht er den ihm aus den Summen der beiden Bruttodarlehensbeträgen bestehenden Gesamtbetrag als Mindestschaden geltend. Mit dem Klageantrag zu 5. fordert er vorgerichtliche Anwaltskosten gemäß Rechnung vom 7.9.2009 (Anlage K 53) auf der Basis einer 1,9 Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von 105.571,76 €.

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Der Kläger beantragt – nach Umstellung des Klageantrags zu 2) von einem Freistellung- in einen Feststellungsantrag – zuletzt sinngemäß,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Händen eines von dem Kläger zu beauftragenden Notar 105.515,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung des Klägers vor dem beauftragten Notar:

„Ich bin eingetragener Eigentümer des im Objekt … 68 gelegenen, im Grundbuch des Grundbuchamts … von Alt… Blatt 3398 eingetragenen Wohnungseigentumsrechts, bestehend aus einem 608/10.000stel Miteigentumsanteil nach WEG, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 10 bezeichneten Eigentumswohnung im Erdgeschoss nebst Abstellraum im Kellergeschoss gleicher Nummerierung, weiterhin verbunden mit dem Sondernutzungsrecht am Pkw-Stellplatz im Freien Nr. 7.

Ich verpflichte mich hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum auf die …für Immobilien mbH & Co. KG, vertreten durch die Geschäftsführung zu übertragen, frei von der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs eingetragenen Grundschuld der DKB Deutsche Kreditbank AG in Höhe von insgesamt 94.370,00 € zu übertragen.

Ich erteile hiermit der …für Immobilien mbH & Co. KG die unwiderrufliche Vollmacht, in meinem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, die Auflassung zu erklären.

Ich bewillige die Eintragung der …für Immobilien mbH & Co. KG als Eigentümer unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Zahlungseingang in Höhe des durch das Urteil des Landgerichts Berlin 31 O556/11 zugesprochenen Betrages nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt und ein etwaig überschießender Betrag an mich auszukehren ist.“

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Entrichtung einer Vorfälligkeitsentschädigung an die DKB Deutsche Kreditbank AG für die vorzeitige Ablösung des zur Finanzierung des unter dem Antrag zu Ziffer 1. genannten Wohnungseigentums aufgenommenen Darlehens mit der Vertragsnummer xxx, freizustellen;

3. festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger auch zum Ausgleich des weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist, soweit er im Zusammenhang mit dem Erwerb der im Antrag zu 1. bezeichneten Eigentumswohnung steht;

4. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückübertragung der unter Ziffer 1 genannten Eigentumswohnung im Annahmeverzug befindet;

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.085,19 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie rügt die örtliche Zuständigkeit des Gerichts. Ein Beratungsvertrag sei mit ihr, vertreten durch die … GmbH, nicht abgeschlossen worden.

Die Beklagte hält die Klageforderung im übrigen für verjährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2012 zugenommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Im übrigen war sie als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit:

Das Landgericht Berlin ist gemäß § 29 ZPO örtlich zuständig. Der Erfüllungsort für die streitgegenständlichen Ansprüche richtet sich nach dem Erfüllungsort der Primärverpflichtung (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO-Komm., 29. Aufl. § 29 Rn. 25 „Schadensersatz“ und „Anlageberatung/Anlagevermittlung“ mwN) und wird deshalb durch den Sitz der Beklagten in Berlin bei Abschluss des Kaufvertrages bestimmt. Darüber hinaus fand die entscheidende Beratung in den Geschäftsräumen der … GmbH in Berlin statt, wobei für die Zuständigkeitsbestimmung die einseitige Darstellung des Klägers maßgeblich ist.

In der Wohnung des Klägers in … waren lediglich allgemeine Vorinformationen erteilt worden, denen ein Beratungscharakter nicht zukam. Vielmehr wurde zur Prüfung von Steuereinsparungen und zugleich Altersvorsorgemöglichkeiten an den Zeugen H. verwiesen und ein Gespräch mit ihm in Berlin vereinbart.

Die Klageänderung bezüglich des Antrags zu 2. von einem Freistellungsantrag (Leistungsklage) in einen Feststellungsantrag war sachdienlich und damit zulässig. Das Gericht hatte selbst auf die Unzulässigkeit des zunächst gestellten, unbezifferten Freistellungsantrags (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 1982, 942) hingewiesen.

Hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 2. und 3. ist das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) gegeben, weil der Kläger zu einer abschließenden Bezifferung des weiteren Schadens derzeit noch nicht in der Lage ist. Das Feststellungsinteresse im Klageantrag zu 4. folgt aus §§ 756,765 ZPO.

Begründetheit:

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch, gerichtet auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Kaufvertrags sowie auf Feststellung gemäß den von ihm gestellten Anträgen im wesentlichen zu. Lediglich der Höhe nach muss er sich einen geringfügigen Abzug gefallen lassen.

Klageantrag zu1:

Der Klageantrag zu 1. ist bis auf einen Betrag von 2.101,95 € begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 278 BGB ein Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung eines zusätzlich zu dem Kaufvertrag mit der Beklagten stillschweigend zustande gekommenen Beratungsvertrages zu.

a) Neben dem Kaufvertrag über eine Immobilie kann zwischen den Kaufvertragsparteien auch ein selbständiger Beratungsvertrag zustande kommen, wenn der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen (sei es durch ihn selbst oder durch einen Vermittler) dem Käufer einen ausdrücklichen Rat erteilt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkäufer dem Käufer Berechnungsbeispiele über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, die diesen zum Vertragsabschluss bewegen sollen.

Von einem stillschweigenden Zustandekommen eines derartigen Beratungsvertrages mit der Beklagten ist nach dem unstreitigen Sachverhalt auszugehen.

Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger mit der Beklagten in keinerlei persönlichen Kontakt getreten ist und dass das Berechnungsbeispiel Anlage K 9 nicht von der Beklagten, sondern vom Zeugen H. auf einem Formular der Vermittlerfirma, der … GmbH erstellt worden ist. Vielmehr hat der für die Firma … GmbH tätig gewordene Zeuge H. die Beklagte bei Abschluss des Beratungsvertrages wirksam vertreten.

Stellt sich nämlich bei der Vermittlung des Kaufvertrags die Aufgabe einer Beratung des Kaufinteressenten und ist sie von dem Verkäufer dem Vermittler überlassen, so kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluss des Beratungsvertrages aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). In einem solchen Falle sind an die Kundgabe des Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen (§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Vermittler zweifelsfrei keinen Auftrag von dem Käufer erhalten hat (vgl. BGH NJW 2007,1874 mwN).

Von Letzterem ist im vorliegenden Fall auszugehen.

Der Sachverhalt gibt nichts dafür her, dass der Kläger bzw. seine Ehefrau dem Vermittler einen Beratungsauftrag erteilt hat.

Ausdrücklich haben der Kläger und seine Ehefrau mit der … GmbH am 2.4.2007 lediglich einen Vermittlungsvertrag bezüglich des Erwerbs der streitgegenständlichen Wohnung sowie weiterer Verträge geschlossen (Anlage K10). Dass damit die … GmbH bzw. der Zeuge H. von den Eheleuten B. auch hinsichtlich einer über eine reine Vermittlungstätigkeit hinausgehenden Beratung beauftragt worden sein soll, ist weder vorgetragen, noch aus dem Vertragsformular Anlage K 10 ersichtlich. Vielmehr kann gerade aus der Nichterwähnung einer zusätzlichen Beratungstätigkeit im Vermittlungsvertrag der Schluss gezogen werden, dass jedenfalls mit der … GmbH bzw. dem Zeugen H. ein Beratungsvertrag nicht geschlossen werden sollte. Dies gilt umso mehr, als die eigentliche Beratungstätigkeit vom 2.4.2007 nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers dem Abschluss des Vermittlungsvertrages bereits vorangegangen war. So hat auch der BGH in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass ein vom Käufer mit dem Vermittler zusätzlich geschlossener Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag der Annahme einer stillschweigenden Bevollmächtigung des Vermittlers zum Abschluss des Beratervertrags im Namen der Verkäuferin nicht entgegensteht, sondern im Gegenteil ein Beleg für die Einbindung des Vermittlers in den Vertrieb der Verkäuferin ist, deren Kosten vom Erwerber übernommen werden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.2006 – V ZR 73/06- , zitiert nach juris Tz 11f).

Ebenso wenig kann ein Beratungsvertrag mit dem Zeugen H. bzw. der … GmbH bereits beim überraschenden Telefonanruf Mitte März 2007 und der Vereinbarung eines Hausbesuchs bei den Eheleuten B. zustandegekommen sein. Dieser Anruf diente ersichtlich nur der Akquise.

Auch der anschließende Besuch eines weiteren Mitarbeiters der … GmbH im Haus des Klägers kann nicht als Beratungsvertragsabschluss gewertet werden. Vielmehr machte sich der Mitarbeiter lediglich Notizen. Seine Erklärung, dass er bei den Eheleuten B. durchaus Steuersparpotenzial sehe, ist ebenfalls nur der Akquisebemühung zuzurechnen, zumal es ja letztlich galt, die Eheleute B. nach Berlin zu locken.

Eine gewisse Beratungstätigkeit hat dann für die Eheleute B. erkennbar erst bei dem Besuch in der Firma … GmbH am 2.4.2007 stattgefunden. Allerdings war diese in keiner Weise ergebnisoffen, sondern beschränkte sich auf die Anpreisung der konkreten Eigentumswohnung unter Bezugnahme auf ein Referenzexposé der Beklagten (Anlage K 11).

Eine Anlageberatung im eigentlichen Sinne, wie die Eheleute B. sie von einer als Spezialistin für steuerbegünstigte Kapitalanlagen und Subventionen auftretenden Firma wie der … GmbH hätten erwarten können, und die insbesondere Steuereinsparungsmöglichkeiten sowie Gesichtspunkte der Altersvorsorge abwägt und verschiedene Anlagemöglichkeiten gegenüberstellt, hat dagegen weder stattgefunden noch haben die Eheleute B. ausdrücklich eine derartige Anlageberatung verlangt.

Ging es bei dem Besuch in der Firma … GmbH am 2.4.2007 aber einzig und allein um die streitgegenständliche Eigentumswohnung, so konnten die Eheleute B. nach dem für sie maßgeblichen Empfängerhorizont daraus durchaus und berechtigterweise den Schluss ziehen, dass der Zeuge H. namens und im Auftrag der Verkäuferin, hier also der Beklagten handelt (vgl. BGH NJW 2007,1874, zitiert nach juris Tz 17; KG Urteil vom 11.12.2012 – 7 U 10/12 – (Anlage K 76). Dies gilt umso mehr, als die … GmbH im Vermittlungsvertrag ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass sie ihr Honorar (sogenannte Innenprovision) ausschließlich von dem/der Verkäufer/in erhält. Außerdem haben die Eheleute B. selbst an die … GmbH keinerlei Beratungshonorar zahlen müssen. Nur in einem solchen Fall hätten sie aber davon ausgehen können, dass sie von der … GmbH als unabhängiger Beraterin beraten werden und diese nicht etwa im Lager der Verkäuferin steht.

Die Beklagte hat der Firma … GmbH auch die Beratung der Kaufinteressenten im Sinne der og. Rechtsprechung überlassen und sie damit stillschweigend bevollmächtigt, in ihrem Namen einen Beratungsvertrag mit dem Kläger abzuschließen.

Anders als die Beklagte offenbar meint, ist für ein derartiges Überlassen nicht ein ausdrücklicher Vermittlungsauftrag an die erforderlich. Die für das Fehlen eines derartigen Auftrags von der Beklagten angebotenen Zeugen waren deshalb nicht zu vernehmen. Es reicht vielmehr aus, dass das Vertriebsunternehmen von der Beklagten in die Lage versetzt wird, auf Informationen der Beklagten zurückzugreifen, die es ihm ermöglichen, die Wohnungen erfolgreich zu vertreiben; wenn dies dann auch unter dem Gesichtspunkt steuerlicher Auswirkungen und der Finanzierbarkeit des Erwerbs geschieht, muss sich die Beklagte die damit verbundene Beratungstätigkeit wie eine eigene zurechnen lassen.

Diese Kriterien sind im vorliegenden Fall erfüllt. Insbesondere folgende Umstände erscheinen hierfür bedeutsam:

Die Beklagte hat selbst nicht vorgetragen, dass sie auch eigene Vermarktungstätigkeit entfaltet. Offensichtlich überlässt sie diese vielmehr grundsätzlich Maklern oder Vertriebsbeauftragten, darunter unstreitig auch der … GmbH. Dies ergibt sich im übrigen auch ausdrücklich aus § 15 Abs. 1 des Kaufvertragsmusters (abgedruckt auf S. 26 des Prospekts Anlage B1).

Auf S. 45 des Prospekts sucht sich die Beklagte ausdrücklich, von einer Haftung für Aussagen von Vermittlern/Vermittlungsgesellschaften sowie für unterlassene Aufklärungspflichten frei zu zeichnen und die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche gegen den eingeschalteten Vermittler zu verkürzen.

Der Beklagten kann auch schwerlich entgangen sein, dass die hier eingeschaltete Vertriebsfirma als „… GmbH – Vermittlung steuerbegünstigter Kapitalanlagen und Subventionen -“ firmiert. Eine Beratungstätigkeit in steuerlicher Hinsicht durch die … GmbH war deshalb von der Beklagten offenbar intendiert, zumindest aber musste sie damit rechnen.

Die Beklagte überließ den Vermittlern nicht nur den umfangreichen Prospekt, sondern offensichtlich auch Beratungsberichtvordrucke, die diese dann auszufüllen und auf denen sie sich von den Erwerbern zu bestätigen lassen hatten, dass keine Nebenabreden getroffen und insbesondere keine Zusagen über die Wertentwicklung bzw. Preisstabilität der Immobilie gemacht wurden. Jedenfalls hat die Beklagte selbst den Beratungsbericht betreffend die streitgegenständliche Wohnung als Anlage B2 vorgelegt. Es blieb auch unbestritten, dass gleichlautende Beratungsberichtformulare von anderen für die Beklagte tätigen Vermittlerfirmen benutzt wurden (vgl. Anlagen K 36-39).

Die Beklagte kann sich insbesondere nicht darauf berufen, mit einer etwaigen Beratungstätigkeit der … GmbH nichts zu tun zu haben. Fehlerhafte Angaben d des Zeugen H. muss sie sich vielmehr gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

Wie der Prospekt der Beklagten (Anlage B1) insbesondere auf S. 27f deutlich macht, war der Beklagten durchaus klar, dass hinsichtlich steuerrechtlicher Aspekte eine umfassende Beratung erforderlich sein würde. Denn dort heißt es auf dem Seitenumbruch 27/28 unter der Überschrift „Die Eigentumswohnung als Immobilien-Kapitalanlage“ wörtlich: „Vor dem Kauf sollte der Käufer mit dem Verkäufer und muss er mit einem Berater der steuerlichen Berufe über die aktuellen Abschreibungsmöglichkeiten Rücksprache halten.“ Am Ende dieses Abschnitts wird auf S. 28 zur Gefahr monatlicher Unterdeckungen ausgeführt: „Hierzu sollte der Erwerber zwingend vor Abschluss des Kaufvertrages auf Basis der Prospektangaben unter den aktuellen Bankkonditionen eine von ihm zu prüfende, auf seine persönlichen Verhältnisse abgestellte Berechnung auf mind. 15 Jahre ab Erwerbsdatum von einem unabhängigen Dritten erstellen lassen, in der die liquiditätsmäßige Betrachtung auch nach Auslauf des Disagios sowie der Senkung der AfA enthalten ist.“

Wenn sich die Beklagten dann eines Vermittlers bedient, der diese strengen, von ihr selbst gesetzten Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beratung in keiner Weise erfüllt, kann sich die Beklagte damit nicht entlasten.

Zur Aufklärungspflicht im Rahmen eines Beitritts zu einer Kapitalanlagegesellschaft hat der BGH erst kürzlich in seinem Urteil vom 14.5.2012 – II ZR 69/12 –, zitiert nach juris Tz 11ff ausgeführt: „Der Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, haftet über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen…. Die Verwendung eines Prospekts zur Aufklärung der Beitrittsinteressenten schließt es nicht aus, unzutreffende Angaben des Vermittlers dem Gründungsgesellschafter zuzurechnen. Vermittelt der Prospekt hinreichende Aufklärung, ist dies kein Freibrief, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt für die Entscheidung des Anlegers entwertet oder mindert…. Nach § 278 BGB haftet der Schuldner für Pflichtverletzungen eines Erfüllungsgehilfen auch dann, wenn der Erfüllungsgehilfe von seinen Weisungen abweicht, solange sein Handeln noch im Zusammenhang mit den ihm übertragenen Aufgaben steht….. Die Beklagte hat die Aufklärung der Beitrittsinteressenten der Vertriebsgesellschaft übertragen, weil sie nach dem im Prospekt genannten Konzept Beitrittsinteressenten nicht selbst, sondern über die Vertriebsgesellschaft warb. Dieser Vertriebsgesellschaft wurden damit auch die Verhandlungen mit den Beitrittsinteressenten und ihre Aufklärung übertragen.“

Diese Ausführungen sind nach Auffassung des Gerichts auf den vorliegenden Fall übertragbar.

b) Die durch die … GmbH bzw deren Mitarbeiter H. vertretene Beklagte hat gegenüber dem Kläger ihre Verpflichtung zur richtigen Beratung verletzt.

Zur Bejahung der Pflichtverletzung reicht bereits der unstreitigen Sachverhalt aus. Über die Einzelheiten des Beratungsgesprächs mit dem Zeugen H. war daher eine Beweisaufnahme nicht erforderlich.

aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass er Zeuge H. den Kläger nicht auf die Problematik hingewiesen hat, dass wegen § 15 b EStG Verluste, die im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell stehen, nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden dürfen. Im Hinblick auf die Tatsache, dass es sich bei der Vertragspartnerin des Finanzierungsvermittlungsvertrags (Anlage K 14) um eine Tochter der Beklagten handelte, wurden vom Finanzamt Finsterwalde die versprochenen Steuervorteile nach § 15 b EStG nicht anerkannt (Anlagen K 15, 16 und 18).

Für die Vergangenheit sind daher dem Kläger ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte durch die Aufhebung des Finanzierungsvermittlungsvertrags und den Abschluss der Vereinbarung vom 23. 12. 2010 ( Anlage B4) sowie die Rückzahlung der Finanzierungsvermittlungsgebühr in Höhe von 2.101,95 € an den Kläger eine gewisse Schadensbegrenzung betreiben konnte, die Steuervorteile entgangen. Der Kläger war auch nicht gehalten, seine später erhobene Klage insoweit dadurch von vornherein unschlüssig zu machen, dass er sich auf die Vergleichsverhandlungen der Beklagten zur Erstattung des Steuerschadens für die Jahre 2007-2010 nicht eingelassen hat.

Auch unabhängig von dem Umstand, dass das BMF-Anwendungsschreiben vom 17.7.2007, auf das sich das Finanzamt zur Begründung seiner Verweigerung von Steuervergünstigungen bezogen hatte, erst nach den streitgegenständlichen Vertragsverhandlungen erging, hätte der Beklagten bzw. der … Gmbh und dem Zeugen H. die Gefahr, dass sich bei dem Finanzierungsvermittlungsvertrag um ein Steuerstundungsmodell im Sinne von § 15 b EStG handeln würde, deutlich vor Augen stehen müssen. Bei den Steuersparmöglichkeiten, mit denen das streitgegenständliche Kapitalanlagemodell beworben wird, handelte es sich um das zentrale Verkaufsargument. Jede Gefahr einer Beeinträchtigung oder sogar Aushöhlung dieser Steuersparmöglichkeiten hätte also von der Beklagten bzw. ihren Vertrieb nicht nur sorgsam berücksichtigt, sondern es hätte auch bei der gegebenen Sachlage schon vor dem BMF-Anwendungsschreiben auf eine künftig mögliche Interpretation im Sinne dieses Schreibens hingewiesen werden müssen.

Dass der Zeuge H. dem Kläger einen entsprechenden Hinweis auf eine derart drohende Gefahr gegeben habe, behauptet die Beklagte selbst nicht. Auch ihr Prospekt enthält auf den maßgeblichen Seiten 27 und 28 keinen entsprechenden Hinweis.

bb) Dort wird zwar auf Seite 27 unten auf eine zeitliche Begrenzung der Steuervergünstigungen für Sanierungsmaßnahmen gemäß § 7i EStG hingewiesen. Unstreitig wurde der Prospekt dem Kläger aber erst unmittelbar vor dem Notartermin und somit nach dem eigentlichen Beratungsgespräch überreicht. Jedenfalls konnte er den umfangreichen Inhalt des Prospektes nicht mehr rechtzeitig zur Kenntnis nehmen. Dass der Zeuge H. mit dem Kläger diese Problematik gesprochen hat, wird von der Beklagten auf Seite 6 der Klageerwiderung lediglich pauschal und ohne konkreten Bezug zum Beratungsgespräch einerseits bzw. zum Berechnungsbogen andererseits behauptet, so dass darüber auch nicht Zeugenbeweis zu erheben war. Die Beklagte hätte nach der ständigen Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast bei Beratungspflichtverletzungen substantiiert den Klägervortrag bestreiten und darlegen müssen, wie im einzelnen beraten bzw. aufgeklärt worden sein soll (vgl. BGH WM 09, 1647, zit. nach juris Tz 38 mwN). Sie beschränkt sich stattdessen auf die bloße Wiedergabe des Inhalts von § 7i EStG. Das reicht nicht aus. Sie schildert weder den Gang des Beratungsgesprächs im einzelnen nach Dauer, Reihenfolge der Themen etc., noch gibt sie ein plastisches Bild von den entsprechenden Reaktionen des Klägers.

Erkennbar sind die ggf. aus § 7i EStG zu ziehenden Folgerungen für die Finanzierung der Eigentumswohnung auch nicht in den Berechnungsbogen eingeflossen. Dieser beschränkte sich vielmehr auf das erste vollständige Vermietungsjahr und die Steuervorteile sind nur für dieses eine Jahr dargestellt worden. Bereits hier ist ein Beratungsfehler zu sehen, auch wenn der Berechnungsbogen auf Seite 3 die Überschrift trägt „Vorläufige Berechnung für das 1. volle Vermietungsjahr“ (vgl. KG Urteil vom 11.12.2012 – 7 U 10/12 –, S. 14 (Anlage K 76). Mit der Berechnung für das erste Vermietungsjahr hat der Zeuge den Anschein erweckt, dass sich an der Belastung des Klägers in den Folgejahren nichts Wesentliches ändern wird. Er hat sich damit in Widerspruch zu den Angaben der Beklagten im Prospekt gesetzt. Bei gebotener vollständiger Beratung hätte der Zeuge den Kläger im Anschluss an seine Berechnung auf die Notwendigkeit einer Berechnung für die Folgejahre hinweisen und ihm das Risiko aufzeigen müssen, was spätestens mit dem Wegfall der Steuervorteile auf den Kläger nach einem Zeitraum von 12 Jahren zukommt (vgl. KG aaO S. 15).

cc) In diesem Zusammenhang hat der Zeuge und damit die Beklagte zugleich auch die Pflicht zur Aufklärung über die Dauer des abzuschließenden Darlehens verletzt. Gerade im Zusammenhang mit den zeitlich begrenzten Steuervorteilen war die Darlehenslaufzeit für den Kläger von erheblicher Bedeutung. Die Beklagte hat ihre diesbezügliche Aufklärungspflicht nicht dadurch erfüllt, dass der Zeuge, wie sie selbst in der Klageerwiderung auf S. 27 lapidar behauptet, den Kläger auf eine je nach Gestaltung der Darlehensbedingungen lange Laufzeit des Darlehensvertrages hingewiesen haben soll. Eine die artig allgemeine Erklärung kann sich nicht als hier gebotene eingehende Beratung über die Risiken einer fremdfinanzierten Kapitalanlage verstehen.

Die darüber hinaus behaupteten Pflichtverletzungen konnten hier dahinstehen.

c) Das pflichtwidrige Verhalten des Zeugen muss sich die Beklagte gemäß § 278 BGB zurechnen lassen. Denn die Beklagte hat sich zur Erfüllung ihrer Beratungspflicht der … GmbH bzw. des für diese tätig gewordenen Zeugen H. bedient.

Die Beklagte konnte sich nicht wirksam von ihren Beratungspflichten freizeichnen lassen. Bei den Beratungspflichten handelt es sich um Kardinalpflichten aus dem Beratungsvertrag und die entsprechenden Freizeichnungserklärungen bzw. Bestätigungen in §§ 14 und 15 des notariellen Kaufvertragsangebots sind, zumal es sich um AGB handelt, unwirksam (§ 309 Nr. 7 b) und 12 b BGB; BGH WM 2006, 69ff). Abgesehen davon war auch der Prospekt bereits nicht Grundlage des Beratungsvertrages, weil er dem Kläger nicht schon vor Beginn des Beratungsgesprächs vorlag, sondern ihm erst unmittelbar vor der Beurkundung des Angebots ausgehändigt wurde.

d) Dem Kläger ist durch den Vertragsschluss ein Schaden entstanden. Die Beklagte hat die tatsächliche Vermutung, dass der Kläger angesichts der wirtschaftlich ungünstigen Vertragslage bei zutreffender Beratung vom Erwerb der Wohnung abgesehen hätte, nicht widerlegt. Zur Bejahung des Schadens reicht es aus, dass der Kläger durch den nachteiligen Vertrag in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt ist (vgl BGH Urteil vom 11.7.2012 – IV ZR 151/11 –, zitiert nach juris Tz 59f mwN). Hieran kann insbesondere wegen der bis zum Jahre 2042 dauernden Belastungen durch das Darlehen mit der DKB einerseits und dem künftigen Fortfall von Steuervergünstigungen andererseits kein Zweifel bestehen. Dass diese Nachteile durch eventuelle Vorteile, zum Beispiel eine zwischenzeitliche Wertsteigerung der Wohnung über den Kaufpreis hinaus, ausgeglichen werden könnten (vgl. BGH NJW 1998, 302, 305), trägt die Beklagte nicht vor. Soweit sie zur Widerlegung des Schadens das Urteil des BGH NJW 1998, 293 ff anführt, geht dies schon deshalb fehl, weil es sich dort um einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo gehandelt hat.

Der Kläger ist berechtigt, im Wege des Schadenersatzes die Rückabwicklung des nachteiligen Vertrages zu verlangen (vgl. BGH NJW-RR 2009, 603, 604).

Der Kläger macht insoweit einen Mindestschaden geltend. Etwaige Steuervorteile und Mieteinnahmen muss er sich nicht als auszugleichende Vorteile anrechnen lassen, weil bereits nach der eigenen Berechnung der … GmbH die jährlichen Zinszahlungen nicht durch Mieteinnahmen und Steuervorteile ausgeglichen werden. Diese Unterdeckung wird sich in Zukunft noch erhöhen, wenn die Steuervergünstigungen wegfallen werden.

Der vom Kläger geforderte Zahlungsantrag ist allerdings um die im Rahmen der Vereinbarung vom 23.12.2010 (Anlage B4) bereits erstattet erhaltenen 2.101,95 € zu kürzen.

Dem Kläger stehen daher lediglich 103.413,51 €, und zwar gemäß §§ 291, 286, 288 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.2.2012 als Schadensersatz, Zug um Zug gegen Abgabe der angebotenen notariellen Erklärung zu. Die vom Kläger selbst beantragte Zug-um-Zug-Einschränkung beruht nicht auf einem Zurückbehaltungsrecht, sondern auf der Gestaltung des Umfangs des Schadensersatzanspruchs, weshalb Prozesszinsen auch unabhängig von einem etwaigen Annahmeverzug bezüglich der Gegenleistung geschuldet sind (vgl. BGH NJW-RR 2005, 170, 171).

Wegen der weitergehenden Schadensersatzforderung nebst anteiligen Zinsen war die Klage abzuweisen.

Klageanträge zu 2 und 3:

Die Klageanträge zu 2 und 3 sind begründet. Der Kläger hat im Wege des Schadenersatzes ebenfalls Anspruch auf Feststellung sowohl hinsichtlich der Verpflichtung des Beklagten, ihn von einer Vorfälligkeitsentschädigung an die GKB freizustellen als auch den weiteren im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung stehenden Vermögensschaden auszugleichen.

Klageantrag zu 4.:

Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs ist ebenfalls begründet.

Die Beklagte befand sich spätestens mit der beantragten Klageabweisung in Annahmeverzug, weil sie dadurch ihre ernsthafte und endgültige Ablehnung der Rückabwicklung des Kaufvertrages erklärt hat.

Klageantrag zu 5:

Dem Kläger steht schließlich auch Anspruch auf die geltend gemachten außergerichtlichen Anwaltskosten zu. Es handelt sich dabei um einen Folgeschaden, der im Rahmen der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten ebenfalls zu ersetzen ist. Gegen die Höhe der Rechnung, die mit Vorlage der Anlage K 53 belegt worden ist, sowie die Fälligkeit, belegt durch Anlage K 54, bestehen keine Bedenken. Die Beklagte ist dieser Forderung denn auch anschließend nicht mehr weiter entgegengetreten.

Die Forderungen des Klägers sind nicht verjährt. Nach dem nachgelassenen Vortrag des Klägers, dem die Beklagte nicht widersprochen hat, wurden seit 2009 bis unmittelbar vor Klageerhebung ununterbrochen Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien geführt. Der Ablauf der Verjährungsfrist (§§ 197, 199 Abs. 1 BGB) war daher rechtzeitig gehemmt ( § 203 Satz 1 BGB).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 und 709 ZPO.

 

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