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Kreuzungsunfall – Haftungsverteilung bei Auffahrunfall nach Vorfahrtmissachtung

Unfall und Schadensersatzforderung: Streit um Katze als Ursache

In einem Verkehrsunfall, der am 14. Februar 2021 stattfand, beansprucht der Kläger Schadensersatz für sein beschädigtes Fahrzeug von der Beklagten. Der Unfall ereignete sich an der Einbiegung Lüneburger Straße Ringstraße, als zwei Söhne des Klägers das Fahrzeug nutzten und mit dem Fahrzeug der Zeugin, das bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, zusammenstießen.

Der Kläger behauptet, der Unfall sei aufgrund einer plötzlich die Straße querenden Katze geschehen, weshalb sein Fahrzeug abbremsen musste. Die Beklagte jedoch gibt an, dass der Sohn des Klägers unerwartet abgebremst habe, woraufhin die Zeugin den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden konnte.

Direkt zum Urteil Az: 10 O 181/21 springen.

Zeugenaussagen und Beweisaufnahme

Im Laufe des Verfahrens hat das Gericht Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist im Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2021 festgehalten.

Das Urteil und die Entscheidungsgründe

Das Landgericht Lüneburg hat am 20.12.2021 unter dem Az.: 10 O 181/21 entschieden, dass die Klage abgewiesen wird. Der Kläger muss die Kosten des Rechtsstreites tragen und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Der Streitwert wurde auf 6.945,70 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung des Gerichts beruht auf den vorliegenden Beweisen und den Zeugenaussagen. Aufgrund der gesammelten Informationen konnte nicht eindeutig geklärt werden, ob tatsächlich eine Katze die Ursache für den Unfall war oder ob der Sohn des Klägers ohne triftigen Grund plötzlich abgebremst hat.

Insgesamt hat das Gericht entschieden, dass die Beklagte nicht zur Zahlung von Schadensersatz und vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren verpflichtet ist.


Das vorliegende Urteil

LG Lüneburg – Az.: 10 O 181/21 – Urteil vom 20.12.2021

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Der Streitwert wird auf 6.945,70 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Ersatz von Schäden an seinem Fahrzeug aufgrund eines Verkehrsunfalls.

Dem Kläger gehört das Fahrzeug BMW mit dem amtlichen Kennzeichen UE-…. Am 14.2.2021 gegen 13:00 Uhr nutzten zwei Söhne des Klägers dieses Fahrzeug. Der Zeuge H. E. Z. war Fahrer des Wagens, der Zeuge M. E. Z. befand sich auf dem Beifahrersitz. An der Einbiegung Lüneburger Straße Ringstraße kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Zeugin Ho. mit dem amtlichen Kennzeichen UE-…, das von dieser geführt wurde, und das bei der Beklagten haftpflichtversichert ist.

Die Zeugin befuhr die vorfahrtberechtigte Ringstraße, in die der Zeuge H. E. Z. links einbog. Das Fahrzeug BMW wurde sodann abgebremst, die Zeugin fuhr auf dieses auf. Bei dem Zusammenstoß wurde die Front des Fahrzeugs Skoda und das Heck hinten rechts des BMW beschädigt. Zur weiteren Veranschaulichung der Verkehrssituation wird auf die Skizze der Verkehrsunfallanzeige des Polizeikommissariats Uelzen verwiesen (Bl. 10 der Ermittlungsakten der StA Lüneburg, Az: …). Die vorfahrtberechtigte Ringstraße darf mit einer Höchstgeschwindigkeit von 50 km befahren werden, es herrschte Tageslicht, die Wetterverhältnisse waren winterlich, die Straßen waren jedoch geräumt.

Der Kläger behauptet, sein Fahrzeug sei nach dem Einfahren in die vorfahrtsberechtigte Ringstraße wegen einer die Straße querenden Katze abgebremst worden. Das nachfolgende Fahrzeug sei achsparallel und vollüberdeckt und aufgefahren.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6945,70 € nebst Zinsenhöhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu fortan, an den Kläger vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 713,76 € siebtens in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtsinnigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Zeuge H. E. Z. sei plötzlich und unerwartet angefahren, als die Zeugin Ho. sich mit ihrem Fahrzeug in etwa auf Höhe der Einmündung zur Brauerstraße befunden, und ihr Fahrzeug mit einer Geschwindigkeit von ca. 40-50 km fortbewegt habe. Noch während des Abbiegevorgangs habe der Zeuge sein Fahrzeug plötzlich und nahezu bis zum Stillstand abgebremst, worauf hin die Zeugin Ho. die Kollision nicht mehr habe vermeiden können.

Das Gericht hat zum Unfallhergang Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2021 Bezug genommen (Bl. 71 ff. d.A.). Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Lüneburg zum Aktenzeichen … sind beigezogen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 115 VVG, 7 Abs. 1, 18 StVG.

Kreuzungsunfall - Haftungsverteilung bei Auffahrunfall nach Vorfahrtmissachtung
(Symbolfoto: lukassek
/123RF.COM)

Da der Zusammenstoß der unfallbeteiligten Fahrzeuge für keine Seite ein unabwendbares Ereignis im Sinn von § 17 Abs. 3 StVG darstellt, haften der Kläger und die Beklagte grundsätzlich im Verhältnis zueinander gemäß § 17 Abs. 1 StVG. Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der somit erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge sind nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, das heißt unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein, sowie sich auf den Unfall ausgewirkt haben.

Nach diesen Maßstäben ist im Rahmen der Abwägung zulasten des Klägers ein Vorfahrtsverstoß gemäß § 8 Abs.1 StVO zu berücksichtigen. Eine unfallursächliche Missachtung des Vorfahrtsrechts der Zeugin Ho. durch den Zeugen H. E. Z. steht nach Anscheinsgrundsätzen bereits fest. Ein Beweis des ersten Anscheins ist immer dann anzunehmen, wenn sich in einem Unfallgeschehen ein hinreichend typischer Geschehensablauf realisiert hat, der einen Rückschluss auf eine unfallursächliches Fehlverhalten einer Partei regelmäßig zulässt. So liegt der Fall hier.

Unstreitig befand sich die Zeugin Ho. auf der vorfahrtberechtigten Straße, während das Fahrzeug des Klägers von einer nicht vorfahrtberechtigten Straße links einbog. Die Wartepflicht des Führers des klägerischen Fahrzeugs galt, bis der einfahrende Zeuge E. Z. sich vollständig auf die vorfahrtsberechtigte Straße eingeordnet und eine den dort fahrenden Fahrzeugen entsprechende Geschwindigkeit erreicht hatte. Alle drei Zeugen haben bestätigt, dass der in der polizeilichen Skizze wiedergegebene Kollisionspunkt korrekt ist, der sich somit noch innerhalb den Fluchtlinien der schräg und teils trichterförmig zusammenlaufenden Straßen befand. Zudem haben beide Zeugen E. Z. angegeben, ihr Fahrzeug habe sich mit äußerst geringer Geschwindigkeit in den Kreuzungsbereich hinein und bis zum Bremsvorgang weiterbewegt. Es wäre aber grundsätzlich zügig abzubiegen gewesen, damit der vorher etwa noch nicht sichtbare – und so schildern die beiden Söhne des Klägers die Verkehrssituation- vorfahrtberechtigte Verkehr nicht beeinträchtigt wird.

Hinzutritt eine Schrägstellung des Fahrzeugs BMW im Moment des Zusammenstoßes. Diese ist entgegen der Behauptung des Klägers, die durch die Aussagen seiner beiden Söhne bestätigt wird, durch die Angaben der Zeugin Ho., die bereits angesprochene Unfallskizze, und das Beschädigungsbild am BMW, wie es auch durch die vorliegenden Lichtbilder belegt wird, bewiesen. Dieser Anschein kann nur durch bewiesene Tatsachen entkräftet werden, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ergibt. An solchen fehlt es.

Die Zeugin war sich ganz sicher, hinten rechts auf das vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren zu sein. Dies korrespondiert mit dem Schadensbild, denn der Pkw des Klägers ist nur im hinteren rechten Bereich an der Ecke und im Bereich des rechten Auspuffs zu Schaden gekommen, während mittig bis links überhaupt keine Beschädigungen vorhanden sind. Besonders deutlich ist dies auf dem oberen Lichtbildblatt 13 der Ermittlungsakte zu sehen. Die gegenteiligen Angaben der beiden Zeugen E. Z. entbehren demgegenüber jeder Tatsachengrundlage, und sind angesichts der angesprochenen gegenteiligen Umstände nicht glaubhaft und damit auch nicht geeignet, die Angaben der Zeugin Ho. zu widerlegen.

Eine volle oder auch nur anteilige Haftung der Beklagten wegen des Auffahrens nach § 4 StVO kommt damit nicht in Betracht, ein sprechender Anschein streitet hier nicht für den Kläger. Im Übrigen gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeugin Ho. mit stark überhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen ist, wie von den beiden Zeugen E. Z. in den Raum gestellt, zumal der Kläger dies seinerseits gar nicht behauptet. Es kann daher dahinstehen, ob der Fahrer des klägerischen Fahrzeuges darüber hinaus verkehrsbedingt oder ohne zwingenden Grund stark abgebremst hat.

Bei der vorliegenden Fallgestaltung ist darüber hinaus regelmäßig von einer Alleinhaftung des Vorfahrtsverletzers auszugehen. Die Verletzung der Vorfahrt stellt einen so schwerwiegenden Verstoß dar, dass die Betriebsgefahr des Pkw des Vorfahrtberechtigten demgegenüber vollständig zurücktritt.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache steht dem Kläger weder Zins noch Erstattung vorprozessualen Rechtsanwaltsgebühren zu.

Die Kostenentscheidung ergibt sich das § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt nach den § § 708 Nummer 11,711 ZPO.

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