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Laub- oder Nadelfall – Anspruch auf Beseitigung von überhängenden Zweigen

Abwehranspruch gegen Laub aus Nachbars Garten?

LG Krefeld, Az.: 1 S 68/17, Urteil vom 20.04.2018

In dem Rechtsstreit hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2018 für Recht erkannt:

Auf die Berufung beider Parteien wird das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 30.08.2017 – 2 C 300/15 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, die von seinem Grundstück …Tannen… in K in das Grundstück der Klägerin in …Tannen… in hineinragenden Äste und Zweige des Walnussbaums derartig zu beschneiden, dass keinerlei Äste und Zweige mehr in das Grundstück der Klägerin hineinragen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/3 die Klägerin und zu 2/3 der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500,00 Euro. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Beseitigung von Überwuchs an der Grenze der Grundstücke der Parteien.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks … Tannen-… in K, der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks mit der postalischen Anschrift … Tannen-… in K. Auf dem Grundstück des Beklagten befinden sich an der Grenze u. a. drei Bäume, die teilweise mit ihren Zweigen über die Grenze hinweg auf das Grundstück der Klägerin wachsen bzw. wuchsen.

Laub- oder Nadelfall – Anspruch auf Beseitigung von überhängenden Zweigen
Symbolfoto: photojohn830/Bigstock

Im vorderen Bereich zur Straße hin befindet sich eine etwas windschief in Richtung des klägerischen Grundstücks geneigte Douglasie, deren Äste sich in einer Mindesthöhe von 3 m im Mittel 5,4 m über die Einfahrt des klägerischen Grundstücks erstrecken (vgl. Bilder Bl. 191 d. A.). Die Klägerin stört sich an den abfallenden Nadeln sowie Zapfen, wobei die Parteien über den Umfang der herabfallenden Menge und den diesbezüglichen Reinigungsaufwand streiten.

Etwas weiter in Richtung des hinteren Grundstücksteils der Klägerin steht ein Kirschlorbeerbaum, dessen Äste zum Teil ebenfalls die Grundstücksgrenze in Richtung des klägerischen Grundstücks zu ca. 50cm überwuchsen (vgl. Bl. 52 d. A.). Die Früchte dieses Baumes fielen – bevor ihn der Beklagte während des erstinstanzlichen Verfahrens beschnitt – auf das Grundstück der Klägerin.

Im hinteren Grundstücksteil der Klägerin (Garten) befindet sich an der Grenze auf dem Grundstück des Beklagten ein Walnussbaum, dessen Äste ebenfalls bis zu 4 Meter über die Grundstücksgrenze auf das klägerische Grundstück herüberwachsen. Die Äste berühren die Koniferen, die sich im Garten der Klägerin befinden. Der Überwuchs erfolgt hinter einem von der Klägerin erbauten Gartenhäuschen. Zwischen dem Gartenhäuschen und der Grundstücksgrenze hat die Klägerin schattenverträgliche Gewächse gepflanzt und nutzt diesen Bereich derzeit als Lagerfläche (vgl. Bl. 193 d. A.).

Im Jahr 2009 nahmen die Parteien bereits einen Termin vor dem Schiedsamt in K wahr (vgl. Protokoll Bl. 10 d. A.). Die Klägerin beantragte damals u. a., die Grenzbepflanzung auf die gesetzliche Höhe zu beschneiden und den Überwuchs zu entfernen. Die Parteien einigten sich darauf, dass der Überhang der dort als Fichte bezeichneten, hier streitgegenständlichen Douglasie (drei Äste) vorne rechts am Dach der Klägerin vom Beklagten bis Frühjahr beseitigt wird, dass es der Klägerin erlaubt sei, die Früchte des Kirschlorbeer am Überhang jährlich zu entfernen, und dass weitere gerichtliche Schritte ausgeschlossen seien.

Hinsichtlich der weiteren Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin vertrat erstinstanzlich die Auffassung, dass es nicht darauf ankomme, ob von den Bäumen eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Grundstücks herrühre. Der Beklagte habe den Überwuchs unabhängig von der Intensität einer Beeinträchtigung zu entfernen. Sie sei aufgrund des vor dem Schiedsamt geschlossenen Vergleichs nicht gehindert, ihre Ansprüche auf Entfernung des Überwuchses geltend zu machen.

Nachdem der Beklagte während des laufenden Prozesses die Äste des Kirschlorbeers zurückschnitten hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge gestellt.

Die Klägerin hat danach erstinstanzlich noch beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, die von seinem Grundstück …Tannen…, K, in das Grundstück der Klägerin in … Tannen-…, K, hineinragenden Äste und Zweige der sich nach links in Richtung des Grundstücks neigenden Douglasie sowie Äste und Zweige des Nussbaums derartig zu beschneiden, dass keinerlei Äste und Zweige mehr in das Grundstück der Klägerin hineinragen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptete erstinstanzlich, dass von dem Überwuchs jedenfalls keine erhebliche Beeinträchtigung ausgehe. Ferner sei die Klägerin aufgrund des Vergleichs aus 2009 gehindert, ihre Rechte auf Entfernung des Überwuchses geltend zu machen. Der Überwuchs bestehe bereits seit 2009. Er sei aufgrund der ihm die Beschneidung der Douglasie untersagenden Baumschutzsatzung der Stadt K an der Durchführung der Beschneidung gehindert. Das Pflaster werde durch die Früchte des Kirschlorbeers nicht verschmutzt.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen R. (Mitarbeiter des Grünflachenamtes der Stadt K) und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Zeuge führte u.a. aus, dass eine Beschneidung des Walnussbaums an der Grundstücksgrenze zulässig und vertretbar sei. Eine Entfernung des Überwuchses der Douglasie sei nicht genehmigungsfähig. Der Sachverständige K2. führte aus, dass der Überwuchs der Douglasie nicht für die Verstopfung der Regenrinne der Klägerin verantwortlich sei, ein Entfernen des Baumes jedenfalls keine wirkliche Veränderung bringen würde, da anderer Eintrag zu erwarten sei. Der auf die Einfahrt der Klägerin entfallende Eintrag durch den Überwuchs der Douglasie mache im Jahr ein bis zwei Biotonnen à 240 l aus. Ferner sei aber weiterer Kehricht von den umliegenden Gewächsen auf der Einfahrt der Klägerin zu erwarten, den diese weiterhin zu beseitigen hätte. Der Walnussbaum sei fachgerecht an der Grundstücksgrenze beschneidbar.

Das Amtsgericht hat der Klage im Hinblick auf die Beschneidung der Äste der Douglasie stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils wurden dem Beklagten auferlegt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Beklagte habe nicht nachgewiesen, dass lediglich eine unerhebliche Beeinträchtigung von der Douglasie ausgehe. Im Gegenteil sei die Beeinträchtigung durch die herabfallenden Nadeln und Zapfen als massiv zu bezeichnen. Hinsichtlich des Walnussbaums sei die Klage abzuweisen, da von diesem nach den Ausführungen des Sachverständigen keine Beeinträchtigungen ausgingen. Die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils seien dem Beklagten aufzuerlegen, da der Kirschlorbeer Beeinträchtigungen in Form von Verschmutzungen auf dem Pflaster verursacht habe.

Mit den wechselseitig eingelegten Berufungen verteidigen die Parteien das erstinstanzliche Urteil, soweit sie obsiegt haben und greifen es an, sofern sie unterlegen sind.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 30.08.2017 – 2 C 300/15 abzuändern, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Beklagten zu verurteilen, die von seinem Grundstück … Tannen-…, K, in das Grundstück der Klägerin Zu den …Tannen…, , hineinragenden Äste und Zweige des Nussbaumes derartig zu beschneiden, dass diese nicht mehr in das Grundstück der Klägerin hineinragen sowie die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 30.08.2017 – 2 C 300/15 aufzuheben, soweit der Beklagte verurteilt wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte erhebt außerdem mit seinem letzten Schriftsatz vom 22.11.2017 hinsichtlich der Douglasie ausdrücklich die Einrede der Verjährung.

Die Kammer hat weiteren Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen K2. Wegen des Inhalts dieser Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 Bezug genommen. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufungen sind jeweils zulässig und überwiegend begründet.

1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Beschneidung der Douglasie nicht zu. Die darauf gerichtete Klage war abzuweisen, Berufung des Beklagten hat insofern Erfolg.

a. Ein Anspruch besteht nicht gem. § 1004 BGB iVm § 910 BGB, da es an einer Beeinträchtigung durch die herüberhängenden Äste fehlt.

Der Sinn und Zweck von § 910 BGB besteht darin, dem betroffenen Grundstücksnachbarn im Wege der Selbsthilfe die Möglichkeit zu geben, störenden Überhang in Form von Zweigen oder Wurzeln durch Beschneiden der Bäume zu beseitigen, um so Prozesse zwischen Nachbarn nach Möglichkeit zu vermeiden (vgl. MüKoBGB/Brückner, 7. Auflage 2017, § 910 Rn. 1; Staudinger/Roth, BGB, Neubearbeitung 2016, § 910 Rn. 1). Gem. § 910 Abs. 2 BGB besteht dieses Recht aber dann nicht, wenn die Wurzeln oder die Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen.

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aa. § 910 BGB bezieht sich schon von seinem Wortlaut her nur auf den überhängenden Zweig selbst (bzw. den hier nicht interessierenden Fall hinüberwachsender Wurzeln). Dieser darf nach Fristsetzung entfernt werden. Von den mittelbaren Folgen des Überwuchses ist nicht die Rede, sondern nur von der Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch den Zweig. Mittelbaren Folgen eines Überwuchses werden vielmehr insbesondere von § 906 BGB (ggf. auch von § 911 BGB) erfasst. Wenn man den hier streitauslösenden Pflanzeneintrag auf das klägerische Grundstück sowohl als „ähnliche Einwirkungen“ iSv § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB ansehen würde (so die allgemeine Meinung, vgl. BGH, NJW 2004, 1037; Palandt/Herrler, BGB, 76. Auflage 2017, § 906 Rn. 11; Staudinger/Roth, aaO, § 906 Rn. 169; MüKoBGB/Brückner, aaO, § 906 Rn. 169), als auch als Beeinträchtigung iSv § 910 BGB, kämen für einen Abwehranspruch bzw. das Selbsthilferecht bezüglich des Eintrags unterschiedliche Maßstäbe zur Anwendung: Bei § 906 BGB muss eine wesentliche, nicht ortsübliche Beeinträchtigung vorliegen, nach dem Wortlaut von § 910 BGB reicht jede Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung.

Diese unterschiedlichen Maßstäbe kann man ohne Weiteres erklären, wenn sich die Beeinträchtigung in § 910 BGB nur auf den Zweig selbst bezieht, also darauf, dass der Zweig als physisches Objekt stört (etwa, weil man um ihn herumgehen muss oder dort nichts errichten oder pflanzen kann, wo er hinreicht), nicht aber auf seine mittelbaren Auswirkungen wie etwa Laubfall. Stört das Vorhandensein des Zweigs selbst im Luftraum nicht (was etwa bei hochwachsenden Zweigen idR der Fall sein wird), stellt er keine Beeinträchtigung iSv § 910 Abs. 2 BGB dar und eine Beseitigung darf nicht erfolgen. Ein so verstandener einschränkungsloser, also auch bei Geringfügigkeit eingreifender Beeinträchtigungsbegriff erscheint gerechtfertigt, ist doch das Überragen eines physischen Objekts in den genutzten Luftraum eines Grundstücks in gewisser Weise mit einem unbefugten Abstellen von Gegenständen und damit einer Besitzstörung vergleichbar; derartiges kann der Eigentümer auch ohne Weiteres untersagen.

Bei mittelbaren Beeinträchtigungen durch den Zweig erscheint hingegen der Maßstab des § 906 BGB angemessen, der allgemein die Zulässigkeit vom Immissionen regelt: Danach muss der Laubfall wesentlich und ortsunüblich sein. Würde man das anders sehen, träten, wie der vorliegende Fall zeigt, absurde Situationen auf: Das Laub von überragenden Zweigen unterläge einem strengeren Abwehrmaßstab als das Laub von den übrigen Teilen des Baumes; Letzteres müsste eine wesentliche Beeinträchtigung hervorgerufen haben. Das zeigt, dass § 906 BGB unwägbare Immissionen abschließend und angemessen regelt, § 910 BGB hingegen nur den Sonderfall des hinüberwachsenden Zweigs selbst.

Dieses Verständnis passt zu den offenbar unterschiedlichen Beeinträchtigungsbegriffen in § 910 BGB und § 906 BGB. Während nach dem Wortlaut von § 910 BGB wohl jede Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ausreichend ist (so auch BGH, NJW 2004, 1937, offen lassend nur, ob unerhebliche Beeinträchtigungen ausscheiden), ist bei § 906 BGB notwendig, dass eine Störung des gesundheitlichen (körperlichen) Wohlbefindens der auf den Nachbargrundstücken lebenden Personen bzw. eine Schädigung der auf ihren Grundstücken befindlichen Sachen einschließlich von Tieren und Pflanzen eintritt (MüKoBGB/Brückner, aaO, § 906 Rn. 66). Das Herüberwachsen eines Zweigs gleicht eher einer Besitzstörung als der Zuführung eines unwägbaren Stoffes. Deshalb ist hier ein weitergehender Abwehranspruch angemessen, wohingegen sich die mittelbaren Auswirkungen eines herüberwachsenden Zweiges immer als Zuführung von Unwägbarkeiten darstellen, die schwerer beherrschbar sind und für die es mit § 906 BGB eine dieser Besonderheit Rechnung tragenden Regelung gibt.

Das Urteil des BGH vom 14.11.2003 (BGH, NJW 2004, 1037) kann in dem hier vertretenen Sinn verstanden werden, ist doch dort unter II.2. bei der Prüfung von § 910 Abs. 2 BGB ausdrücklich nur von einer Beeinträchtigung durch einen Zweig die Rede, nicht aber von mittelbaren Beeinträchtigungen; es hatte zwar auch mittelbare Beeinträchtigungen gegeben, für die der BGH einen Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gewährte, der aber wohl den Reinigungsaufwand, verursacht durch den Laubfall der im Verlauf des Rechtsstreits beseitigten überhängenden Zweige, nicht erfasste. Dem entgegen hat der BGH jedoch im Urteil vom 26.11.2004 (BGH, NZM 2005, 318) bei der Prüfung von § 910 Abs. 2 BGB auch auf von überwachsenden Zweigen verursachte mittelbare Beeinträchtigungen abgestellt.

Nach dem hier vertretenen Maßstab fehlt es vorliegend hinsichtlich der überhängenden Zweige der Douglasie an einer Beeinträchtigung. Von ihnen selbst gehen keine unmittelbaren Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks aus. Solche werden auch von der Klägerin nicht vorgetragen, sie beruft sich hinsichtlich der von der Douglasie ausgehenden Beeinträchtigungen lediglich auf einen erhöhten Nadel- und Zapfenbefall ihres Grundstücks.

b. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Beschneidung der Douglasie gemäß § 1004 BGB iVm § 906 BGB zu, da es jedenfalls an einer wesentlichen, nicht ortsüblichen Beeinträchtigung durch das Laub bzw. die Nadeln und Zapfen der herüberhängenden Äste fehlt.

Pflanzliche Immissionen wie Laub-, Nadel- und Zapfenbefall sind – wie oben schon erwähnt – nach einhelliger Auffassung als „ähnliche Einwirkungen“ iSv § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Deshalb ist zur Beurteilung eines Beseitigungsanspruches der Maßstab des § 906 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BGB heranzuziehen.

aa. Es fehlt danach schon an einer Beeinträchtigung, für die nach dem oben Dargelegten eine Schädigung der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Sachen notwendig ist. Bloßer Reinigungsaufwand gehört nach Auffassung der Kammer, soweit er sich im üblichen Rahmen hält, in der Regel nicht zu den relevanten Beeinträchtigungen; er stellt eine bloße Lästigkeit dar, da die Nadeln und Zapfen, die der Klägerin den Reinigungsaufwand verursachen, das Grundstück selbst nicht zu schädigen vermögen. Eine Verstopfung der Regenrinne, die möglicherweise Schäden am Gebäude verursachen kann, ist nach den überzeugenden und nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen K2. aufgrund der Windrichtung jedenfalls nicht auf die überhängenden Äste der Douglasie zurückzuführen.

bb. Selbst wenn man aber eine Beeinträchtigung wegen des Reinigungsaufwandes annehmen würde, wäre sie nicht wesentlich. Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, ist auf das Empfinden eines „verständigen“ Durchschnittsmenschen abzustellen und darauf, was diesem verständigen Durchschnittsmenschen unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist (BGH, NZM 2007, 98). Die Beurteilung, ob eine Immission als ortsüblich einzustufen ist, erfolgt auf der Grundlage eines Vergleichs der Benutzung des störenden (nicht des betroffenen) Grundstücks mit anderen Grundstücken des Bezirks. Maßgebend für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Ortsüblichkeit ist das Gepräge (Profil), das sich aus der Betrachtung des aktuellen, tatsächlichen Zustands der Mehrheit der Vergleichsgrundstücke ergibt (Geprägetheorie); entscheidend ist, ob eine Mehrheit von Grundstücken in der Umgebung mit einer nach Art und Maß einigermaßen gleich bleibenden Einwirkung benutzt wird (MüKoBGB/Brückner, aaO, § 906 Rn. 90). Die Beweislast für die Unwesentlichkeit bzw. Ortsüblichkeit der Beeinträchtigung trägt der Beklagte.

Die Kammer ist unter Anlegung dieses Maßstabs davon überzeugt, dass es sich vorliegend nicht um eine wesentliche, jedenfalls aber um eine ortsübliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks handelt.

Die Unwesentlichkeit ergibt sich aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen K2. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Eintrag, welcher von den überhängenden Ästen der Douglasie auf das klägerische Grundstück herrührt und um den es der Klägerin allein geht, auf eine Menge von ca. zwei Biotonnen à 240 l pro Jahr zu beziffern sei. Ferner sei der Eintrag durch die Douglasie nicht alleine dafür verantwortlich, dass die Klägerin regelmäßig ihre Einfahrt kehren müsse, da auch von den übrigen Pflanzen der Nachbargrundstücke sowie von den Pflanzen des klägerischen Grundstückes selbst Eintrag auf die klägerische Einfahrt erfolge.

Die Kammer wertet bereits einen Eintrag von ca. 480 l pro Jahr bzw. knapp 10 l pro Woche nicht als wesentlich im Sinne der Vorschrift. Diese Menge entspricht ungefähr einem vollen Wassereimer pro Woche und stellt für einen verständigen Durchschnittsmenschen, der darauf bedacht ist, sein Grundstück frei von Laub, Nadeln oder anderen pflanzlichen Immissionen zu halten, einen noch erträglichen Reinigungsaufwand dar. Dies zumal, als sich dieser Aufwand nicht oder nur ganz vernachlässigbar auf Kehrarbeiten bezieht, da die Klägerin wegen des Laubeintrags der übrigen Pflanzen ohnehin kehren muss; der Aufwand bezieht sich vielmehr nur auf das Befüllen und Abtransportieren eines zusätzlichen Eimers.

cc. Selbst wenn man aber wesentliche Immissionen durch den Pflanzeneintrag der überhängenden Zweige annehmen würde, ist aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen von einer Ortsüblichkeit der Beeinträchtigungen auszugehen. Die Ausführungen des Sachverständigen sind nachvollziehbar, in sich stimmig und fügen sich nahtlos in die gerichtsbekannte Lage der streitgegenständlichen Grundstücke ein. Die Grundstücke tragen die postalische Anschrift „…Tannen…“ in dem K Stadtteil „Forstwald“, der gerichtsbekannt zu den eher „grünen“, am Stadtrand liegenden Stadtteilen Ks zählt. Er ist teilweise noch ländlich geprägt, vor allem aber verfügt er über ausgedehnte (die namensgebenden) Waldgebiete. Die Bepflanzung mit Bäumen, wie sie der Beklagte vorgenommen hat, stellt in dem fraglichen Stadtteil eine gängige Nutzung dar. Ferner wird das klägerische Grundstück – wie bereits ausgeführt – nicht nur aufgrund des Eintrags durch die streitgegenständlichen Zweige bzw. aufgrund von dem Beklagten zuzurechnenden Immissionen verunreinigt. Diese Verunreinigungen gehen vielmehr auch von den weiteren umliegenden Grundstücken sowie vom klägerischen Grundstück selbst aus, was ebenfalls belegt, dass das Gepräge der Örtlichkeit in der Bepflanzung u.a. mit Bäumen besteht.

c. Aus vorbenannten Gründen steht der Klägerin der geltend gemachte Anspruch ebenso nicht aus den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses in Verbindung mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu (s. dazu BGH, NJW 2004, 1666).

d. Weitere Anspruchsgrundlagen, die von vorstehenden Voraussetzungen unabhängig wären, sind nicht ersichtlich.

Gleiches gilt hinsichtlich des als Weniger in dem klägerischen Antrag enthaltenen Antrags auf Duldung der Beschneidung durch die Klägerin selbst.

2. Die Klägerin hat hingegen einen Anspruch auf Beseitigung der überhängenden Äste des Walnussbaumes gemäß § 1004 BGB iVm § 910 BGB. Ihre Berufung hat Erfolg.

a. Die auf das Grundstück der Klägerin herübergewachsenen Äste des Walnussbaums stellen selbst eine Beeinträchtigung gem. der vorstehend unter 1.a. aufgeführten Definition dar.

Sie berühren die Äste der auf dem Grundstück der Klägerin angepflanzten Koniferen und sorgen so nach den auch insoweit nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Krücken für eine Beeinträchtigung von deren Wachstum, da sie Auswirkungen auf die Triebe dieser Pflanzen haben. Dass es für das Wachstum eines Baumes hinderlich ist, wenn er durch die Äste eines weiteren Baumes räumlich beengt wird, erschließt sich dabei von selbst. Ebenso folgt die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen, wonach ein Beschnitt des Walnussbaumes für seine Standfestigkeit keine negativen Konsequenzen hat, mithin unproblematisch möglich ist. Es handelt sich lediglich um einige Äste, die abzuschneiden sind.

b. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt.

aa. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung hinsichtlich des Walnussbaums jedenfalls stillschweigend erhoben.

Eine spezifische Ausdrucksweise ist für die Verjährungseinrede nicht erforderlich. Es genügt bereits, dass der Schuldner auf den großen Zeitraum seit Entstehung der Forderung hinweist (MüKoBGB/Grothe, 7. Auflage 2015, § 214 Rn. 4). Der Beklagte hat von Beginn an vorgetragen, dass der Zustand an der Grundstücksgrenze seit dem Schiedsverfahren aus 2009, das mit einem Vergleich endete, unverändert sei. Hieraus kann entnommen werden, dass sich der Beklagte darauf berufen wollte, dass der Zeitablauf dem Anspruch entgegensteht, dieser mithin verjährt sei.

bb. Der Anspruch ist jedoch unverjährbar.

Der Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB verjährt grundsätzlich zwar gemäß §§ 195, 199 BGB in der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. § 902 Abs. 1 BGB findet insoweit keine Anwendung (vgl. BGH, NJW 2011, 1068). Die Kammer wertet die Störung durch das unkontrollierte Wachsenlassen eines Baumes jedoch als eine Dauerhandlung, so dass der Anspruch im Ergebnis nicht verjährt (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 781). Gleiches müsste gelten, wenn man in dem Wachsenlassen eine Dauerunterlassung zum Beschneiden des Baumes sähe.

Die Gegenauffassung, wonach die Verjährungsfrist mit Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch nach § 1004 entstanden ist, also in dem Zeitpunkt, in dem die Beeinträchtigung des Grundstücks der Klägerin durch die Äste des Walnussbaumes einsetzt (vgl. Palandt/Herrler, BGB, aaO, § 1004 Rn. 45; LG Freiburg, NJOZ 2015, 727 und – zum alten Verjährungsrecht – BGH, MDR 1979, 1009), überzeugt nicht. Dieser Ansicht ist zwar zuzugestehen, dass es einen bestimmten Moment gibt, in dem die Störung beginnt, mithin die Voraussetzungen des Anspruchs vorliegen. Jedoch wird die Störung durch die Nichtabhilfe nicht lediglich aufrechterhalten, wie dies üblicherweise bei der Schaffung eines rechtswidrigen Zustandes der Fall ist (vgl. hierzu den Fall der Errichtung eines Grenzzaunes auf dem Nachbargrundstück in BGH, NJW 2016, 1735 oder den Fall der Errichtung einer Mauer in BGH, NJW 2011, 1068). Vorliegend wird der störende Zustand im Laufe der Zeit vielmehr mit jedem Tag seiner Aufrechterhaltung vergrößert. Der Zweck der Verjährung besteht unter anderem darin, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu schaffen. Tatsächliche Umstände, die längere Zeit unangefochten bestanden haben, müssen im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit als zu Recht bestehend anerkannt werden (BGH, NJW-RR 1993, 1059). Daran fehlt es vorliegend, da es keinen bestimmten tatsächlichen Umstand gibt, der als solcher über den Zeitraum der Verjährungsfrist bestehen bleibt und von dem nach Ablauf dieser Frist angenommen werden kann, die Klägerin habe sich mit diesem abgefunden, so dass die Durchsetzbarkeit ihres Anspruchs zugunsten des Rechtsfriedens zurücktreten müsse. Durch das weitere Wachstum des Baumes vergrößert sich der störende Zustand, wird mithin das Wachstum der auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Bäume immer stärker eingeschränkt.

c. Die Baumschutzsatzung der Stadt K steht einer Entfernung der streitgegenständlichen Äste nicht entgegen. Dies hat der städtische Mitarbeiter, der Zeuge R., im Rahmen seiner Beweisaufnahme bestätigt (vgl. Bl. 132 d. A.).

d. Der Geltendmachung des Anspruchs auf Beseitigung der Äste des Walnussbaums steht auch nicht der am 16.12.2009 vor dem Schiedsamt K geschlossene Vergleich entgegen.

Zwar wirkt ein Vergleich sachlich dahingehend, dass die vergleichsweise begebenen Ansprüche aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis nicht mehr geltend gemacht werden können. Es ist jedoch durch Auslegung zu ermitteln, ob auch ein Verzicht auf künftige Ansprüche/Spätfolgen enthalten ist (Palandt/Sprau, aaO, § 779 Rn. 11 ff.). Davon ist vorliegend nicht auszugehen. Inhalt eines zwischen Nachbarn bzgl. eines Überwuchses geschlossenen Vergleichs ist der Zustand zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bzw. dem folgenden Jahr/der folgenden Periode, in der Beschneidungen durchgeführt werden dürfen. Ohne ausdrückliche gegenteilige Anhaltspunkte wollen sich die Parteien nicht abschließend über eine immerwährende Pflicht zur Duldung des Überwuchses einigen, da sich ein Überwuchs aufgrund des natürlichen Wachstums der Bäume und Sträucher im Laufe der Jahre weiter entwickelt und sich ein zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch erträglicher Zustand über die Jahre in einen unerträglichen Zustand wandeln kann.

3. a. Die Kostenentscheidung resultiert aus §§ 91a, 92 ZPO.

Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils bezüglich der zwischenzeitlich entfernten Äste des Kirschlorbeers teilt die Kammer die Auffassung des Amtsgerichts, wonach die diesbezüglichen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen sind. Es wird auf die insoweit nicht ergänzungsbedürftige Begründung des Amtsgerichts verwiesen. Sofern der Beklagte insoweit bestreitet, dass es zu Fleckenbildung gekommen ist, was das Amtsgericht bislang unbeanstandet in den unstreitigen Tatbestand aufgenommen hat, kann dies als offenkundige Tatsache gemäß § 291 ZPO behandelt werden mit der Konsequenz, dass ein Bestreiten ohnehin nicht wirksam wäre (vgl. MüKoZPO/Prütting, 5. Auflage 2016, § 291 Rn. 18). Zwar steht dem Beklagten insoweit der Beweis des Gegenteils offen, jedoch hat er diesen insoweit nicht angeboten, sondern lediglich eine Verschmutzung bestritten. Auch diesbezüglich steht der Vergleich dem nicht entgegen, da insoweit lediglich der Klägerin das Recht eingeräumt wurde, die Früchte zu pflücken.

b. Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

c. Hinsichtlich des Anspruchs auf Beseitigung des Walnussbaumes war die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Frage der Verjährung von Beseitigungsansprüchen bei Überwuchs grundsätzliche Bedeutung hat. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu genau dieser Rechtsfrage nach geltendem Verjährungsrecht fehlt. Es werden insoweit unterschiedliche Auffassungen vertreten und die BGH-Rechtsprechung zum alten Verjährungsrecht war gegenläufig.

In Bezug auf den Anspruch auf Beseitigung der Douglasie war die Revision zuzulassen, da hinsichtlich des Anwendungsbereichs des § 910 BGB Unklarheit besteht und dieses Urteil jedenfalls von der Entscheidung BGH, NZM 2005, 318 abweicht.

d. Streitwert beider Instanzen: 2.000 Euro.

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