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Maklervertrag: Haftung Immobilienmakler bei Unkenntlichmachung eines Überbaus

Maklerhaftung bei Verschleierung von Grundstücksgrenzen: Ein Fall von Schadensersatz und Verantwortung

Im Fokus des Urteils des LG Lübeck (Aktenzeichen: 10 O 315/21) steht die Frage der Haftung eines Immobilienmaklers gegenüber dem Käufer eines Grundstücks. Im speziellen Fall hatte der Makler, der für die Beklagte tätig war, in einem Exposé die Grundstücksgrenzen so modifiziert, dass ein bereits existierender Überbau auf dem Grundstück nicht mehr erkennbar war. Dies führte dazu, dass die Kläger das Grundstück in Unkenntnis dieses Überbaus erwarben und später Schadensersatz forderten. Das Kernproblem liegt in der Informationspflicht des Maklers und der Frage, inwieweit dieser für die Richtigkeit und Vollständigkeit der im Exposé gemachten Angaben haftet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 O 315/21  >>>

Die Manipulation der Grundstücksgrenzen im Exposé

Der Makler hatte in einem dem Exposé beigefügten Katasterauszug die Grundstücksgrenzen durch eine rote Umrandung so bearbeitet, dass ein ursprünglich deutlich sichtbarer Überbau nicht mehr zu erkennen war. Dieser Überbau war im Liegenschaftskataster dokumentiert und betraf die Grenzwand eines Doppelhauses, das nicht exakt auf der Grundstücksgrenze, sondern etwa 0,9 Meter parallel dazu auf dem zum Verkauf stehenden Grundstück lag. Die rote Linie im Exposé überdeckte die ursprüngliche schwarze Linie, die die tatsächliche Grundstücksgrenze markierte, und führte so zur Irreführung der Käufer.

Die Rolle des Maklers und die Informationspflicht

Der Makler, ein Mitarbeiter der Beklagten, führte mit den Klägern zwei Besichtigungstermine durch und übermittelte ihnen das manipulierte Exposé. Obwohl die Kläger den Makler auf die auffällige Schmälerung eines Kfz-Abstellplatzes ansprachen, klärte dieser sie nicht über den Überbau auf. Auch in den Kaufgesprächen und in einer E-Mail, die eine Bestätigung über die Lastenfreiheit des Grundstücks enthielt, erfolgte keine Aufklärung über den Überbau.

Die Entdeckung des Überbaus und die Forderung nach Schadensersatz

Die Kläger wurden erst durch ein Schreiben der Stadt über die tatsächlichen Gegebenheiten informiert. Sie ließen das Grundstück neu vermessen und forderten daraufhin Schadensersatz von der Beklagten. Die Beklagte wies die Forderung zurück, woraufhin die Kläger Klage einreichten.

Das Urteil: Haftung und Schadensersatz

Das Gericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Schadensersatzes in Höhe von 11.560,05 Euro nebst Zinsen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den darüber hinausgehenden materiellen Schaden zu ersetzen, der sich aus der Errichtung einer Einfriedung auf der tatsächlichen Grundstücksgrenze ergibt. Die Kosten des Rechtsstreits wurden anteilig zwischen den Parteien aufgeteilt.

Das Urteil verdeutlicht die weitreichenden Konsequenzen, die eine unzureichende Informationspflicht des Maklers für den Käufer haben kann, und setzt ein klares Signal in Bezug auf die Haftung bei der Verschleierung von Grundstücksgrenzen und Überbauten.

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Maklerhaftung –  kurz erklärt


Die Maklerhaftung bezieht sich auf die rechtlichen Verpflichtungen eines Immobilienmaklers gegenüber seinem Auftraggeber und gegebenenfalls auch gegenüber Dritten. Ein Makler ist verpflichtet, seine Dienstleistungen sorgfältig und kompetent auszuführen. Verletzt er diese Pflichten, etwa durch falsche Angaben oder unzureichende Aufklärung, kann er haftbar gemacht werden. In der Regel haftet der Makler nicht für Mängel am Gebäude selbst, es sei denn, er hat seine Aufklärungspflicht verletzt oder vorsätzlich falsche Angaben gemacht.

Der Auftraggeber haftet in manchen Fällen für das Verschulden des Immobilienmaklers, als wäre es sein eigenes Verschulden. Der Käufer ist jedoch auf den Vertrauensschaden begrenzt, das heißt, den Schaden, den er im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Kaufvertrages erlitten hat.

Ein Makler verwirkt seinen Provisionsanspruch nur dann, wenn er vorsätzlich oder in einer dem Vorsatz nahekommenden grob leichtfertigen Weise den Interessen des Auftraggebers schwerwiegend zuwiderhandelt. In solchen Fällen kann der Makler als „eines Lohns unwürdig“ angesehen werden.

Sofern der Immobilienmakler vorsätzlich falsche Angaben macht oder wesentliche Tatsachen verschweigt, liegt eine arglistige Täuschung vor. Der Käufer hat dann das Recht, den Kaufvertrag anzufechten.

Seit dem 1. Mai 2014 müssen Verkäufer oder Vermieter von Immobilien in Deutschland bestimmte Informationen zur energetischen Qualität eines Gebäudes in der Werbung nennen. Ein Verstoß gegen diese Regelung kann ebenfalls zu einer Maklerhaftung führen.


Das vorliegende Urteil

LG Lübeck 10. Zivilkammer – Entscheidungsdatum: 15.05.2023 – Aktenzeichen: 10 O 315/21

Leitsatz

Ein Makler haftet einem Grundstückskäufer auf Schadensersatz, wenn er in einem dem Exposé beigefügten Katasterauszug die Grundstücksgrenzen durch eine rote Umrandung so bearbeitet hat, dass ein ursprünglich deutlich sichtbarer Überbau nicht mehr zu erkennen ist und deswegen unerkannt bleibt.(Rn.22)


Orientierungssatz

Ein Makler haftet einem Grundstückskäufer auf Schadensersatz, wenn er in einem dem Exposé beigefügten Katasterauszug die Grundstücksgrenzen durch eine rote Umrandung so bearbeitet hat, dass ein ursprünglich deutlich sichtbarer Überbau nicht mehr zu erkennen ist und deswegen unerkannt bleibt.(Rn.22)


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 11.560,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 710,00 Euro seit dem 23. August 2021, auf weitere 9.092,79 Euro seit dem 26. November 2021, und auf weitere 1.757,26 Euro seit dem 25. Februar 2023 zu zahlen Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Eheleute A und B C, auf hälftige Beteiligung an der Errichtung einer Einfriedung auf der Grenze der Flurstücke X (Rehwiese 28) und Y (Rehwiese 26) der Flur 9, Gemarkung M.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den darüber hinausgehenden materiellen Schaden zu ersetzen, der sich aus der Errichtung einer Einfriedung auf der Grenze der Flurstücke X (Rehwiese 28) und Y (Rehwiese 26) der Flur 9, Gemarkung M, ergibt, Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Eheleute A und B C auf hälftige Beteiligung hieran.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 4/5 und die Kläger als Gesamtschuldner 1/5.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

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6. Der Streitwert wird auf 14.926,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger nehmen die Beklagte aus einem Maklervertrag auf Schadensersatz in Anspruch.

Das ImmobilienCenter der Beklagten bot 2012 als Makler das mit einer Doppelhaushälfte bebaute Grundstück Rehwiese 28 in M auf dem Markt an. Dieses Grundstück ist seit Errichtung des auf diesem und dem Nachbargrundstück Rehwiese 26 stehenden Doppelhauses mit einem Überbau belastet, der seit der 1959 erfolgten Einmessung der Grundstücke im Liegenschaftskataster dokumentiert ist. So ist aus der Flurkarte des Katasteramtes ersichtlich, dass die Grenzwand des Doppelhauses Rehwiese 26 und 28 nicht auf der Grundstücksgrenze, sondern etwa 0,9 Meter parallel zu dieser auf dem zum Kauf angebotenen Grundstück Rehwiese 28 liegt. Die Einfriedung des Grundstücks Rehwiese 28 befindet sich zum Nachbargrundstück Rehwiese 26 ebenfalls nicht auf der Grenze. Stattdessen setzen Zäune sowohl im Vorgarten als auch im hinter dem Doppelhaus gelegenen Garten jeweils an der Trennfuge des Doppelhauses an und verlaufen somit ebenfalls etwa 0,9 Meter parallel zur Grundstücksgrenze auf dem Grundstück Rehwiese 28.

Der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge F, erstellte ein Exposé u. a. mit dem Hinweis auf die Höhe der Käufercourtage und mit dem Passus: „Die Angaben erfolgen nach Auskunft des Verkäufers. Keine Haftung für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität. Das gilt auch für etwaige Baupläne.“ Das Exposé beinhaltete auch einen Ausschnitt aus der Flurkarte des Katasteramtes als Lageplan. Um das zum Verkauf stehende Grundstück auf diesem Lageplan zu kennzeichnen, hob F in dem für das Exposé verwendeten Ausschnitt der Flurkarte die Grenzlinien des Grundstücks Rehwiese 28 (Flurstück 31/310) digital mit einer breiten roten Linie hervor. Diese rote Linie überdeckte danach die feinere schwarze Linie, mit der die Grundstücksgrenze zuvor auf der Flurkarte bezeichnet war. Die auf dem unbearbeiteten Kartenausschnitt gut sichtbare schwarze Linie zur Kennzeichnung der – jenseits der Grundstücksgrenze verlaufende – Mitte des Doppelhauses war nach der Bearbeitung unmittelbar neben der hinzugefügten roten Linie bei genauerer Betrachtung noch zu erkennen. Einen Hinweis auf den Überbau enthält das Exposé in seiner Beschreibung nicht. Hinsichtlich der Einzelheiten des Exposés und insbesondere des Lageplans wird auf die Anlagen K 2 bzw. B 1 verwiesen.

Die Kläger interessierten sich für das von der Beklagten inserierte Grundstück und wandten sich an die Beklagte. F ließ ihnen das Exposé zukommen und führte mit ihnen zwei Besichtigungstermine durch. Beim ersten Besichtigungstermin fiel den Klägern auf, dass der an der Grundstücksgrenze zum Haus Rehwiese 30 gelegene Kfz-Abstellplatz des Hauses Rehwiese 28 im Vergleich zum Abstellplatz jenes Grundstücks deutlich schmaler war und sprachen diesen Umstand, der offenbar auf den seitlichen Versatz des Doppelhauses Rehwiese 26 und 28 in Richtung des weiteren Nachbargrundstücks zurückzuführen ist, an. Auch wenn die Parteien den genauen Verlauf der weiteren Unterredung unterschiedlich darstellen, steht fest, dass F die Kläger bei dieser Gelegenheit nicht über den Überbau aufklärte. Im Rahmen der konkreten Kaufgespräche erklärten die Kläger, dass sie das Objekt nur erwerben wollten, wenn dieses lastenfrei auch in Bezug auf Baulasten sei. F holte vom Kreis Herzogtum Lauenburg eine Bestätigung ein, aus der hervorging, dass auf dem Grundstück keine Baulast eingetragen ist und übermittelte diese den Klägern per E-Mail (Anlage K 12). Auch in diesem Zusammenhang wies F nicht auf den Überbau hin. Die Kläger erwarben das Grundstück am 22. Juni 2012 in Unkenntnis des Überbaus und des Umstands, dass sich die Einfriedung des Grundstücks nicht auf der Grundstücksgrenze befand.

Im November 2020 unterrichtete die Stadt M die Kläger in einem Schreiben über die Verwurzelung eines Schmutzwasseranschlusses (Anlage K14, Bd. I Blatt 81 der Akte). Auf dem Lageplanauszug, der diesem Schreiben beigefügt war, erkannten die Kläger den Überbau des Nachbargebäudes Rehwiese 26 und dass der tatsächliche Grenzverlauf von der vorhandenen Einfriedung abweicht. Die Kläger ließen das Grundstück anhand des tatsächlichen Grenzverlaufs neu abmarken (Anlage K 3). Für die Fortführungsvermessung zahlten sie Kosten in Höhe von 1.375,28 Euro (Kostenbescheid Anlage K 8). Mit anwaltlichem Schreiben vom 17. August 2021 (Anlage K 10) forderten sie von der Beklagten unter Fristsetzung bis zum 3. September 2021 zunächst Schadensersatz in Höhe des Wertes der durch den Überbau entzogenen Grundstücksfläche, den sie mit 1.620 Euro angaben. Die Beklagte wies die Forderung mit Schreiben vom 19. August 2021 (Anlage K 11), das den Klägern am 23. August 2021 zugegangen ist, zurück.

Die Kläger behaupten, dass sich auf der im Exposé der Beklagten enthaltenen Flurkarte der exakte Grenzverlauf aufgrund der überdeckenden roten Markierung nicht mehr erkennen lasse. Es entstehe der Eindruck, als habe das Grundstück einen gewöhnlichen Zuschnitt. Insbesondere sei nicht erkennbar, dass sich das Gebäude Rehwiese 26 zu einem Teil auf dem von ihnen erworbenen Grundstück befinde. Auch bei der Besichtigung des Grundstücks seien der Überbau und die fehlerhafte Einfriedung für sie nicht erkennbar gewesen, da die vorhandene Einfriedung, wie es bei Doppelhäusern üblich sei, bis zur Trennfuge der Doppelhaushälften verlaufe. Als sie beim ersten Besichtigungstermin den Größenunterschied der Kfz-Stellplätze der Grundstücke Rehwiese 28 und 30 bemerkt hätten, habe der Zeuge F ihnen lediglich erklärt, dass die besichtigte Doppelhaushälfte möglicherweise einen Meter länger sei als das benachbarte Haus Rehwiese 30.

F habe die Flurkarte für das Exposé so bearbeitet, dass der darin an sich erkennbare Überbau nicht mehr in Erscheinung getreten sei. Daher sei dieser von ihnen ebenso unbemerkt geblieben wie der Umstand, dass die Grenzeinfriedung zwischen den Grundstücken Rehwiese 26 und 28 einen Versatz aufweise. F habe sie darüber aufklären müssen, dass durch die im Exposé digital eingefügte rote Linie der Überbau nicht mehr erkennbar gewesen sei. Die Beklagte müsse sich das Verschulden des Mitarbeiters zurechnen lassen. Die Kläger hätten das Grundstück in Kenntnis dieser Besonderheiten entweder gar nicht oder zu einem niedrigeren Kaufpreis gekauft.

Ihnen sei ein Schaden in Höhe der Kosten der Abmarkung (1.375,28 Euro), der Kosten für die Versetzung der Grenzeinfriedung im Garten (netto 9.246,11 Euro) sowie im Vorgarten (netto 1.747,26 Euro) und in Höhe der Wertminderung für die überbaute Grundstücksfläche (1.620,00 Euro) entstanden. Sollten ihnen wegen der Versetzung der Einfriedung Ersatzansprüche gegen die Nachbarn des Grundstücks Rehwiese 26 zustehen, könnten sie die Kosten gleichwohl gegen Abtretung der Ersatzansprüche gegen die Beklagte geltend machen; daraus rechtfertige sich der Hilfsantrag.

Die Kläger, die ihre Klage mehrfach erweitert haben, beantragen zuletzt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 13.998,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.160,26 Euro seit dem 20. August 2021, aus weiteren 2.081,11 Euro seit Zustellung des Schriftsatzes vom 13. Oktober 2022 sowie aus weiteren 1.757,26 Euro seit Zustellung des Schriftsatzes vom 21. Februar 2023 zu zahlen,

1a. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 10.160,26 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. August 2021 Zug um Zug gegen Abtretung etwaiger Ansprüche gegen die Eheleute A und B C, Rehwiese 26, M, zu zahlen, die den Kläger zustehen, weil sich die Grenzeinfriedung des Hausgrundstücks Rehwiese 26, M, auf dem Grundstück der Kläger befindet,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.291,86 Euro freizustellen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den darüber hinausgehenden materiellen Schaden zu ersetzen, der sich daraus ergibt, dass

a) das Gebäude auf dem Grundstück Rehwiese 26 (Flurstück X der Flur 9, Gemarkung M) auf das Grundstück Rehwiese 28 (Flurstück Y der Flur 9, Gemarkung M) mit ca. 9 qm überbaut ist,

b) die Grenzeinfriedung zwischen den Grundstücken Rehwiese 26 (Flurstück X der Flur 9, Gemarkung M) auf das Grundstück Rehwiese 28 (Flurstück Y der Flur 9, Gemarkung M) nicht auf der katastermäßig festgelegten Grenzlinie zwischen diesen beiden Grundstücken errichtet wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erhebt die Einrede der Verjährung. Die Kläger hätten seit 2012 Kenntnis der Umstände, aus denen sie Ansprüche herleiten, gehabt oder haben müssen.

Dem Lageplan aus dem Exposé sei bei genauer Betrachtung deutlich zu entnehmen, dass neben der eingezeichneten roten Linie eine weitere dunkle Linie existiere, die offenkundig die Grenzwand zwischen den Doppelhaushälften darstelle. Der Zeuge F habe die Kläger bei der ersten Grundstücksbesichtigung darauf hingewiesen, „dass etwas mit den Grundstücksgrenzen nicht stimmen könne.“ Damit habe er seiner Aufklärungspflicht genügt. Die Kläger hätten diesem Umstand selbst nachgehen müssen. Ihnen sei in jedem Fall ein überwiegendes Mitverschulden anzurechnen. Eine etwaige Haftung entfalle wegen des vertraglich vereinbarten Haftungsausschlusses. Bei den Kosten der Grundstücksvermessung handele es sich angesichts der fehlerhaften Grundstückseinfriedung um nicht erstattungsfähige „Sowieso-Aufwendungen“. Hinsichtlich der Kosten für die Versetzung der Grundstückseinfriedung stünde den Klägern allenfalls ein Anspruch gegenüber den Nachbarn auf Rückbau zu, da davon auszugehen sei, dass diese die Grenzeinfriedung errichtet hätten. Eine etwaige Wertminderung des Grundstücks wegen des Überbaus sei durch einen gleich hohen Anspruch der Kläger gegen die Nachbarn auf Zahlung einer Geldrente gemäß § 912 Absatz 2 BGB kompensiert. Tatsächlich weise das Grundstück insgesamt aber keine Wertminderung auf, da es größer sei als die Kläger dies beim Kauf angenommen hätten.

Der Einzelrichter hat die Kläger persönlich angehört, den Zeugen F vernommen und Gutachten zweier Sachverständiger zu den Kosten der Versetzung der Einfriedung und zur Höhe des Verkehrswerts der überbauten Grundstücksfläche eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. Januar 2022 (Blatt 82 ff. der Akte) und die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen W vom 26. September 2022 (Bl. 151 ff. Bd. I der Akte) und vom 28. Januar 2023 (Bl. 225 Bd. I der Akte) sowie des Dipl.-Ing. D vom 10. Februar 2023 (Bl. 234 Bd. I der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist (bis auf den Feststellungsantrag zu Ziffer 3 a, hierzu III.) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I. Die Klage ist teilweise begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 11.560,05 Euro aus §§ 652, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i. V. mit dem geschlossenen Maklervertrag.

1. Die Parteien haben 2012 jedenfalls konkludent einen Maklervertrag zu den Bedingungen des Exposés geschlossen. An einen Vertragsschluss durch schlüssiges Verhalten stellt die Rechtsprechung strenge Anforderungen. Die Entgegennahme von Maklerdiensten durch einen Kaufinteressenten stellt nicht ohne Weiteres einen solchen Vertragsschluss dar. Von einem Abschluss eines Maklervertrags durch schlüssiges Verhalten ist nur dann auszugehen, wenn dem Interessenten die eindeutige Provisionsforderung des Maklers bekannt ist und er in diesem Wissen Maklerdienstleistungen in Anspruch nimmt (BGH, Urteil vom 4. November 1999 – III ZR 223/98 -, NJW 2000, 282, 284). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Dem Exposé der Beklagten ist eindeutig zu entnehmen, dass der Käufer der Immobilie im Falle des Vertragsschlusses eine Maklercourtage in Höhe von 6,25% des Kaufpreises zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu zahlen hat. In der Übergabe dieses Exposés ist daher das schlüssige Angebot der Beklagten zum Abschluss eines Maklervertrags zu sehen. Die Kläger nahmen in Kenntnis des Provisionsverlangens Maklerleistungen entgegen, die zum Abschluss des nachgewiesenen Grundstückskaufvertrages führten.

2. Der Zeuge F hat gegenüber den Klägern zumindest fahrlässig seine den Maklervertrag betreffende Aufklärungspflicht verletzt. Die Beklagte muss sich diese schuldhafte Pflichtverletzung gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

a) Gemäß § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Zu den Rücksichtspflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB gehören auch Aufklärungspflichten. Der gewerblich tätige Makler muss den Kaufinteressenten über alle ihm bekannten Umstände, die für die Entschließung des Kaufinteressenten von Bedeutung sein können, aufklären (BGH, Urteil vom 8. Juli 1981 – IVa ZR 244/80 -, BGH, NJW 1981, 2685). Wie weit diese Unterrichtungspflicht im Einzelnen reicht, hängt von den Umständen des jeweiligen Falls ab (BGH, Urteil vom 28. September 2000 – III ZR 43/99 -, NJW 2000, 3642). Die Erklärungen des Maklers müssen insgesamt so beschaffen sein, dass sie bei dem Kaufinteressenten keine unzutreffenden Vorstellungen hervorrufen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1990 – IV ZR 197/89 -, NJW-RR 1991, 627). Hieraus folgt für den Makler, der sich in Verhandlungen mit einem Kunden befindet, auch die Pflicht, fehlerhafte Angaben richtig zu stellen (BGH, Urteil vom 28. September 2000, a. a. O.).

Hinsichtlich der Angaben im Exposé gilt, dass der Makler das zu verkaufende Objekt so zu beschreiben hat, wie es dem tatsächlichen Zustand und den ihm vom Verkäufer gemachten Angaben entspricht. Dabei darf er Informationen, die er von dem Veräußerer erhalten hat, grundsätzlich ungeprüft weitergeben, denn er darf im Allgemeinen auf die Richtigkeit der Angaben des Verkäufers vertrauen (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007 – III ZR 146/06 -, NZM 2007, 335). Dies setzt allerdings voraus, dass der Makler die betreffenden Informationen mit der erforderlichen Sorgfalt eingeholt und sondiert hat. Hierzu gehört auch, dass der Makler keine Angaben der Verkäuferseite in sein Exposé aufnimmt, die nach den in seinem Berufsstand vorauszusetzenden Kenntnissen ersichtlich als unrichtig, nicht plausibel oder sonst als bedenklich einzustufen sind (BGH, Urteil vom 18. Januar 2007, a. a. O.).

b) Gemessen hieran hat der Zeuge F seine Nebenpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Er hat im Exposé die Verhältnisse hinsichtlich des vorhandenen Überbaus unrichtig wiedergegeben und damit auch verhindert, dass die Kläger die fehlerhafte Lage der Einfriedung erkennen konnten. Überdies hat er die Kläger weder bei der Besichtigung des Grundstücks noch im Zusammenhang mit der Auskunft über etwaige Baulasten zutreffend über die Gegebenheiten unterrichtet.

aa) Die von F digital auf dem Ausschnitt der Flurkarte des Katasteramtes, die dem Exposé beigegeben war, hinzugefügte breite rote Linie führte dazu, dass der zuvor auf dieser Karte erkennbare Überbau des zu verkaufenden Grundstücks durch die Doppelhaushälfte des Nachbargrundstücks nicht mehr in gleicher Deutlichkeit zu ersehen war. Auf der unbearbeiteten Flurkarte (Anlage K 4) kontrastiert die schwarze Linie der Gebäudetrennwand mit der schwarzen Linie der Grundstücksgrenze. Zwischen beiden Linien befindet sich ein ausreichend großer Zwischenraum. Die Abweichung beider Linien fällt schon bei oberflächlicher Betrachtung ins Auge.

Auf beiden Versionen des dem Gericht vorliegenden Lageplans aus dem Verkaufsexposé (Anlage K 2 bzw. Anlage B 1) ist die ursprünglich eingezeichnete schwarze Grenzlinie zwischen den Grundstücken Rehwiese 26 und 28 hingegen nicht mehr zu erkennen, sondern von der hinzugefügten roten Markierung überlagert. Die schwarze Linie, die die Gebäudetrennwand der beiden Doppelhaushälften Rehwiese 26 und 28 kennzeichnet, befindet sich in der bearbeiteten Version unmittelbar neben der hinzugefügten roten Linie. Dies führt dazu, dass sie nur noch bei besonderer Aufmerksamkeit zu erkennen ist, da ihr Eindruck neben der dominierenden breiten roten Linie stark zurückgesetzt ist.

Der Lageplan in einem Exposé hat den Zweck, dem Kaufinteressenten einen Überblick über die Lage des Grundstücks zu verschaffen. Bei einer – wie vorliegend – zusätzlich vorgenommenen, farblich ins Auge stechenden Markierung der Grenzlinien besteht für den Kaufinteressenten kein Anlass, die Korrektheit dieser Markierung in Frage zu stellen und den Plan eingehender als üblich in Augenschein zu nehmen, um dann aus einer – im Vergleich mit der Markierung – als unwesentlich erscheinenden zusätzlichen Linie auf den Umstand eines Überbaus zu schließen.

Dem Gericht ist bewusst, dass eine Markierung der Grenzlinien in einem Maklerexposé ein verkehrsüblicher Vorgang ist. Dies ändert aber nichts daran, dass dieses Vorgehen im vorliegenden Fall dazu geführt hat, dass ein im Plan eingezeichneter Überbau verdeckt worden ist. Damit war das zu verkaufende Objekt im Exposé nicht mehr so beschrieben, wie es dem tatsächlichen Zustand entspricht, dass es nämlich mit einem Überbau versehen ist. Die Karte vermittelte vielmehr den Eindruck, es bestünden hinsichtlich der Lage des Grundstücks und des Gebäudes keine Besonderheiten. Ob dieser Eindruck vom Zeugen F beabsichtigt war oder – wie wahrscheinlich – nicht, spielt keine Rolle.

bb) Der Zeuge F hat seine Aufklärungspflicht zudem dadurch verletzt, dass er die Kläger nicht konkret auf die vorhandene Überbauung und die Abweichung der existierenden Einfriedung von der tatsächlichen Grundstücksgrenze hingewiesen hat, obwohl ihm beides bekannt war.

Das Gericht geht davon aus, dass der aus der Flurkarte ersichtliche Überbau schon an sich einen vom Makler offenbarungspflichtigen Umstand darstellt. Für den Wert eines Grundstücks ist es in der Regel von erheblicher Bedeutung, wenn das mit verkaufte Gebäude mit einem Überbau belastet ist. Der Zeuge hat in seiner Vernehmung angegeben, dass ihm bei Betrachtung der Flurkarte aufgefallen sei, dass die Grenze der Doppelhaushälften Rehwiese 26 und 28 abweichend von der Grundstücksgrenze verlief.

In jedem Fall aber hätte F die Kläger im späteren Verlauf auf den Versatz des Doppelhauses im Verhältnis zur Grundstücksgrenze hinweisen müssen, als diese Umstände ansprachen, die F Anlass gegeben hätten, sich an den – bis dahin nur ihm bekannten – Überbau zu erinnern.

Insoweit hat die Anhörung der Kläger und die Beweisaufnahme ergeben, dass sich die Beteiligten bei der ersten Grundstücksbesichtigung darüber Gedanken machten, weshalb der Kfz-Stellplatz des zu verkaufenden Hauses Rehwiese 28 so schmal sei, dass „nicht einmal ein normal breites Auto“ darauf stehen könne. Dies sei insbesondere im Vergleich zu dem angrenzenden Stellplatz des Hauses Rehwiese 30 offensichtlich gewesen. Der Zeuge F hat in seiner Vernehmung angegeben, er habe angesichts dieser Abweichung geäußert, dass „irgendetwas an dieser Stelle nicht in Ordnung“ sei, man den Umstand aber hinnehmen und vor Ort nicht weiter aufklären könne. Ferner gab der Zeuge an, er habe an der Stelle, an der die Doppelhaushälften Rehwiese 28 und 26 aneinandergrenzen, darauf hingewiesen, dass die Hecke rechts der Trennung des Hauses stehe. Es sei für alle Anwesenden offensichtlich gewesen, dass ein Problem mit der Grenzziehung vorgelegen habe. Einen konkreten Hinweis auf einen Überbau oder eine fehlerhafte Vermessung des Grundstücks als Ursache für die Unklarheiten habe er aber nicht erteilt.

Der Umfang der Aufklärungspflicht des Maklers orientiert sich an seiner Sachkunde als Immobilienfachmann und seinen Kenntnissen im konkreten Fall. Da dem Zeugen F, wie er einräumte, bekannt war, dass die Gebäudetrennwand der Doppelhaushälften Rehwiese 26 und 28 abweichend von der Grundstücksgrenze verlief, hätte er sich nicht damit begnügen dürfen, mitzuteilen, dass mit dem Grundstück oder der Grenzziehung „etwas nicht in Ordnung ist“. Auch der etwaige – von den Klägern bestrittene – Hinweis, dass die Hecke rechts der Trennung des Hauses stehe, reicht keineswegs für eine sachgemäße Aufklärung hinsichtlich eines Überbaus. In Ermangelung ihm bekannter anderslautender Informationen konnte der Zeuge F auch nicht davon ausgehen, dass die Kläger selbst über einschlägige Fachkenntnisse verfügten und aus seinen vagen Hinweisen die notwendigen Schlüsse ziehen konnten, um einen Überbau und einen von der Grundstücksgrenze abweichenden Verlauf der Einfriedung feststellen zu können. Es kommt insoweit auch nicht darauf an, dass der Zeuge F bei der Verkäuferin nachgefragt hat, ob bei der Grenzziehung etwas nicht in Ordnung sei und diese dazu keine Angaben machen konnte. Dies ist kein ihn entlastender Umstand. Denn er besaß aufgrund des ihm bekannten Lageplans Sonderwissen hinsichtlich des vorhandenen Überbaus. Dies gilt umso mehr, als F durch die Markierung im Lageplan eine kausale Ursache dafür setzte, dass der Überbau dem Plan nicht mehr zu entnehmen war. Die dadurch vermittelte fehlerhafte Vorstellung hätte er richtigstellen müssen.

c) F hat die Nebenpflichtverletzungen zu vertreten. Ihm fällt insoweit fahrlässiges Handeln gemäß § 276 Absatz 2 BGB zur Last. Er hat bei Erstellung des Exposés die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Für ihn war erkennbar, dass der Überbau dem Lageplan infolge der Markierung nicht mehr zu entnehmen war und so dem Kaufinteressenten eine unzutreffende Vorstellung über die Grundstückssituation vermittelt wurde. Hierzu wäre es nicht gekommen, wenn F entweder eine andere Form der Markierung (z. B. Umrandung der Grundstücksgrenze unmittelbar außerhalb, nicht auf der die Grundstücksgrenzen zeigenden Linien) gewählt oder dem Exposé zusätzlich eine unbearbeitete Version der Flurkarte beigefügt hätte. Auch seine Aufklärungspflicht hat F fahrlässig verletzt. Es war für ihn erkennbar, dass seine bei dem ersten Besichtigungstermin erteilten Hinweise nicht dazu geeignet waren, die Kläger über den Überbau und die fehlerhafte Grenzeinfriedung in Kenntnis zu setzen. Dass diese daran ein Interesse hatten, war für ihn aus deren Bitte um Vornahme einer Baulastenabfrage zu schließen.

3. Der im Exposé formulierte Haftungsausschluss steht einer Haftung der Beklagten nicht entgegen. Dieser bezieht sich auf die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität von Angaben des Maklers gegenüber dem Kaufinteressenten, die nach Auskunft des Verkäufers erfolgt sind. Einbezogen sind etwaige Baupläne. Diesem Haftungsausschluss liegt zugrunde, dass der Makler Angaben des Verkäufers grundsätzlich ungeprüft übernehmen darf. Bei der vom Zeugen F vorgenommenen Markierung im Lageplan handelt es sich indes nicht um eine Angabe, die nach Auskunft des Verkäufers erfolgt ist. Es handelt sich um ein im Maklerwesen typisches Vorgehen bei Erstellung des Exposés, bei dem der Makler die Grenzlinien eigeninitiativ, ohne Einfluss des Verkäufers kennzeichnet und die Art und den Umfang der Markierung selbst festlegt.

4. Die Zurechnung eines Mitverschuldens der Kläger gemäß § 254 BGB scheidet aus. Mit der Feststellung des Zeugen F, dass mit dem Grundstück oder der Grenzziehung „etwas nicht in Ordnung ist“, bestand noch keine Informationslage, aufgrund derer die Kläger selbst hätten erkennen müssen, dass die vorhandenen Grundstücksgrenzen von den markierten Grenzlinien im Exposé abwichen und ein Überbau vorlag. Zu berücksichtigen ist hierbei auch der Umstand, dass die vorhandene Grundstückseinfriedung an der Trennfuge der Doppelhaushälften ansetzte und so einen ordnungsgemäßen Verlauf auf der Grenze indizierte. Im Gegensatz zum Makler hatten die Kläger keine sinnvollen Anknüpfungspunkte für Erkenntnisse, welcher Grund etwa für den auffallend schmalen Kfz-Stellplatz bestehen könnte.

5. Die Kläger haben einen ersatzfähigen Schaden in Höhe von 11.560,05 Euro.

a) Die Pflichtverletzungen des Mitarbeiters F der Beklagten sind dem Grunde nach kausal für die von den Klägern geltend gemachten Schäden und Aufwendungen. Durch die fehlende Aufklärung der Beklagten ist ihnen die Möglichkeit genommen worden, vor Abschluss des Grundstückskaufvertrags auf die Höhe des Kaufpreises entsprechend Einfluss zu nehmen. Zu Gunsten der Kläger streitet die Vermutung, dass sie bei sachgerechter Aufklärung den Grundstückskaufvertrag nicht oder jedenfalls nicht zu den ursprünglichen Bedingungen abgeschlossen hätten. Keinesfalls erwächst ihnen durch die Pflichtverletzung des Maklers ein Vorteil, wie die Beklagte behauptet. Das erworbene Grundstück ist nicht größer als beim Kauf angenommen, sondern entspricht in seiner Größe exakt den Angaben im Kaufvertrag. Es geht vielmehr darum, dass die Kläger durch Versetzung der Einfriedung erstmals die tatsächliche Grundstücksgröße in der Natur abbilden möchten. Die Beklagte hat daher jedenfalls den Schaden zu ersetzen, der den Klägern durch die neue Aufmarkung, die Wertminderung des Grundstücks und die Kosten für eine ordnungsgemäße Anpassung der Grundstückseinfriedung an den katastermäßigen Grenzverlauf entstanden ist.

b) Der Höhe nach summiert sich der ersatzfähige Schaden der Kläger aus den folgenden Positionen:

aa) Ersatzfähig sind die von den Klägern gezahlten Kosten der Vermessung durch das Landesamt für Vermessung und Geoinformation Schleswig-Holstein in Höhe von 1.375,28 Euro. Eine Vermessung war notwendig, um den katastermäßigen Grenzverlauf herstellen zu können und eine Grundlage für die weitere Schadensfeststellung zu erlangen. Es handelt sich nicht um nicht erstattungsfähige „Sowieso-Aufwendungen“, da hier zugunsten der Kläger die Vermutung streitet, dass sie bei sachgerechter Aufklärung den Grundstückskaufvertrag nicht oder jedenfalls zu einem um diese Kosten reduzierten Kaufpreis abgeschlossen hätten.

bb) Eine Wertminderung des Grundstücks aufgrund des Überbaus besteht in Höhe von 710,00 Euro. Der Sachverständige Dipl. Ing. D, Landesamt für Vermessung und Geoinformation Schleswig-Holstein, hat in seinem Gutachten vom 10. Februar 2023 einen Verkehrswert der erworbenen, aber nicht nutzbaren Grundstücksfläche zum Zeitpunkt des Grundstückskaufs in dieser Höhe festgestellt.

Ein etwaiger Anspruch der Kläger gegen ihre Nachbarn auf Zahlung einer Überbaurente gemäß § 912 Absatz 2 Satz 1 BGB ist nicht zu berücksichtigen. § 912 BGB schließt einen Schadensersatzanspruch zunächst nicht aus. Maßgebend für den Schadensersatzanspruch ist das Interesse des Käufers daran, dass die gekaufte Sache fehlerfrei ist. Die Überbaurente soll dagegen nur den Nutzungsverlust ausgleichen, den der Eigentümer des überbauten Grundstücks erleidet, wobei der Verkehrswert der überbauten Fläche zur Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend ist (BGH, Urteil vom 13. Februar 1981 – V ZR 25/80 -, NJW 1981, 1362 f., juris Rn. 12). Auch ein Vorteilsausgleich kommt insoweit nicht in Betracht. Gemäß § 912 Absatz 2 Satz 2 BGB ist für die Höhe der gemäß § 913 Absatz 2 BGB jährlich im Voraus zu entrichtenden Rente der Verkehrswert der überbauten Bodenfläche zur Zeit der Grenzüberschreitung maßgebend. Zeitpunkt der Grenzüberschreitung ist hier das Baujahr 1957. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der einzelne Rentenanspruch der dreijährigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt. Unter diesen Gesichtspunkten fällt die geschätzte Höhe einer etwaigen Überbaurente hier nicht derart ins Gewicht, dass ein Abzug im Wege des Vorteilsausgleichs angezeigt ist.

cc) Die Kläger können von der Beklagten auch Ersatz der Aufwendungen für die Versetzung der Einfriedung in Höhe von 9.474,77 Euro verlangen. Eine Versetzung der Grenzeinfriedung ist erforderlich, um den katastermäßigen Grenzverlauf herzustellen.

Die Kläger haben zuletzt (Schriftsatz vom 3. März 2023) unwidersprochen vorgetragen, dass die vorhandene Grenzeinfriedung von den Voreigentümern ihres Grundstücks errichtet worden sei, was sie gegenüber dem Sachverständigen anhand von Rechnungen und Belegen nachgewiesen hätten. Nach diesem als zugestanden zu wertenden Vortrag (§ 138 Abs. 3 ZPO) sind Ansprüche der Kläger gegen ihre Nachbarn auf einen Rückbau ausgeschlossen.

Der Sachverständige W hat in seinen Gutachten für die Versetzung der Einfriedung im hinteren Bereich des Grundstücks einen Kostenaufwand in Höhe von netto 9.246,11 Euro und im Vorgarten einen Kostenaufwand in Höhe von netto 1.757,26 Euro ermittelt. Diese Beträge sind für die Schadensfeststellung zugrunde zu legen. Einen Abzug „neu für alt“ nimmt das Gericht lediglich im Hinblick auf die Materialkosten der WPC-Sichtschutzwände vor, die der Sachverständigen W in seinem Gutachten vom 24. September 2022 für die Errichtung des Grenzzauns im hinteren Bereich des Grundstücks kalkuliert. Solche sind schon in dem von den Klägern eingereichten Kostenvoranschlag des Gartenservice Tokarski enthalten. Bei dem Material WPC (Wood Plastic Composite) handelt es sich um einen Verbundwerkstoff, der die Vorzüge von Holz und Kunststoff vereint und sich durch Langlebigkeit auszeichnet. Mit den WPC-Elementen sollen die vorhandenen Sichtschutzzäune aus Kiefer ersetzt werden. Bei diesen handelt es sich ausweislich der Lichtbilder in Anlage K 7 um ein einfaches, preisgünstiges Standardmodell. Aufgrund der Färbung bzw. des Belags des Holzes und des Umfangs des Bewuchses ist davon auszugehen, dass der Sichtschutzzaun dort seit mindestens einem Jahrzehnt angebracht ist und nicht mehr die Haltbarkeitsdauer eines neuen Sichtschutzzaunes hat. Das Gericht schätzt den Kaufpreis eines solchen Sichtschutzzaunelementes in der Größe 180 cm x 180 cm bzw. 180 cm x 90 cm unter Berücksichtigung des Alters auf nicht mehr als jeweils netto 40,00 Euro. Der Sachverständige W hat den Bedarf von sechs WPC-Sichtschutzwänden 180 cm x 180 cm zu je 246,85 Euro sowie zwei WPC-Elementen 180 cm x 90 cm zu je 183,75 Euro ermittelt und hierfür einen Netto-Gesamtpreis von 1.848,60 Euro ermittelt. Der zu ersetzende Schaden ist daher gegenüber den vom Sachverständigen ermittelten Preisen um die Differenz, also einen Betrag in Höhe von (1.848,60 Euro – 320 Euro =) 1.528,60 Euro zu reduzieren. Die Schadenssumme für die Versetzung der Einfriedung vor und hinter dem Haus beläuft sich somit auf (9.246,11 Euro + 1.757,26 Euro – 1.528,60 Euro =) 9.474,77 Euro.

dd) Die mit dem Tenor zu 1) zugesprochene Zahlung addiert sich aus folgenden Positionen:

Kosten der Abmarkung: 1.375,28 Euro

Wertminderung: 710,00 Euro

Versetzung der Einfriedung: 9.474,77 Euro

gesamt: 11.560,05 Euro

6. Zu berücksichtigen ist, dass den Klägern gegen ihre Nachbarn, die Eigentümer des Grundstücks Rehwiese 26, gemäß § 28 Absatz 2 des Nachbarrechtsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (NachbG SH) ein Anspruch auf Mitwirkung an der Errichtung und Unterhaltung der Einfriedigung zusteht. Gemäß § 32 Absatz 1 NachbG SH tragen im Falle des § 28 Absatz 2 NachbG SH die Grundstückseigentümer die Kosten je zur Hälfte. Es handelt sich hierbei jedoch nur um einen schuldrechtlichen Anspruch, der allein die Kosten der Errichtung (nicht des Rückbaus und der Entsorgung von Altmaterial) erfasst. Bei Schadensersatzansprüchen, die auf den Ausgleich reiner Vermögensschäden zielen und die mit dem Eigentum in enger Verbindung stehen, ist § 255 BGB analog anzuwenden (vgl. BGH, Urteile vom 13. September 2004 – II ZR 392/02 -, juris Rn. 15, und vom 19. Juli 2001 – IX ZR 62/00 -, NJW 2001, 3190 f., juris Rn. 17; Ebert in: Erman Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 255 BGB, Rn. 2). Da sich die Beklagte hierauf beruft, ist der Tenor unabhängig vom gestellten Hilfsantrag so zu formulieren, dass Zahlung nur gegen Abtretung der Ersatzansprüche erfolgt.

7. Der Anspruch ist nicht gemäß § 199 Absatz 1 BGB mit Ablauf des Jahres 2015 verjährt. Die Kläger haben glaubhaft vorgetragen, dass sie erst durch das Schreiben der Stadt M vom 5. November 2020 Kenntnis von der Überbauung und dem abweichenden Grenzverlauf erhalten haben. Für eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB sind keine Anhaltspunkte gegeben. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus.

Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Absatz 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn die anspruchsbegründenden Umstände und der Schuldner dem Gläubiger nur deshalb nicht bekannt sind, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hat oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat (BGH, Urteil vom 15. März 2016 – XI ZR 122/14 -, NJW-RR 2016, 1187, 1189). Der Gläubiger ist zwar nicht schlechthin gehalten, umfängliche Nachforschungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen und die Person seines Schuldners anzustellen. Wohl aber besteht die Obliegenheit, sich zumindest über diejenigen Umstände zu informieren, bei denen dies mühelos und ohne erheblichen Kostenaufwand möglich ist, so dass das Unterlassen von Ermittlungen geradezu unverständlich erscheint.

Gemessen hieran waren die Kläger nicht grob fahrlässig in Unkenntnis ihres Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte. Allein der Umstand, dass die Parteien bei der Besichtigung festgestellt haben, dass die zum verkaufenden Objekt gehörende Fläche des Kfz-Stellplatzes wesentlich schmaler als die des Nachbargrundstücks war, und der Zeuge F mutmaßte, dass hier etwas nicht stimme, genügt noch nicht, um den Klägern den Vorwurf zu machen, sie hätten dasjenige nicht beachtet, was in dieser Situation jedem hätte einleuchten müssen. Die Kläger gingen aufgrund der roten Markierung im Lageplan und der sich an der Trennfuge der Doppelhaushälften orientierenden Einfriedung ohne Sorgfaltsverstoß davon aus, dass die Einfriedung der katastermäßigen Grenzlinie entspricht. Eine sich aufdrängende Pflicht zur Nachforschung hätte hier für die Kläger allenfalls dann bestanden, wenn sie den Überbau dem Lageplan im Exposé hätten entnehmen können, was, wie dargelegt, nicht der Fall war.

II. Die Kläger können keinen Ersatz der außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten nach § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB verlangen. Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes sind als Verzugsschaden zu ersetzen, wenn sie aus Sicht des Gläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 – III ZR 304/14 -). Voraussetzung des Verzugs ist jedoch eine vorhergehende Mahnung des Klägers bzw. deren Entbehrlichkeit, § 286 Abs. 1, 2 BGB. Eine Geltendmachung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten für das Mahnschreiben selbst hat der BGH im Deliktsrecht zwar unter engeren Voraussetzungen bejaht (BGH, Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05 -). Diese Wertung ist auf den vertraglichen Schadensersatz nach §§ 280 ff. BGB jedoch nicht übertragbar (vgl. Staudinger/Löwisch/Feldmann, Kommentar § 286 BGB Rn. 226). Der Gläubiger hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der „Erstmahnung“; vielmehr sind die Folgen verspäteter Leistung in den §§ 280 Abs. 2, 284, 286, 288 BGB abschließend geregelt.

III. Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet, soweit er sich auf die Kosten für eine Versetzung der Einfriedung (Antrag zu Ziffer 3 b) bezieht, da der Eintritt eines weiteren Schadens auf Seiten der Kläger – jedenfalls in Höhe der bei Durchführung der Arbeiten an der Einfriedung anfallenden Umsatzsteuer – mindestens wahrscheinlich ist.

Hinsichtlich der Wertminderung besteht kein Feststellungsinteresse, da diese aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen D abschließend beziffert ist. Der Antrag zu Ziffer 3 a) ist mithin nicht (mehr) zulässig.

IV. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 286 BGB; der Zinsbeginn rechnet jeweils ab Verzug.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

VI. Der Streitwert beträgt 14.926,65 Euro (13.998,65 Euro hinsichtlich des Zahlungsantrags und jeweils 464,00 Euro hinsichtlich der Feststellungsanträge).

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