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Mangelhaftes Rennrad – Anspruch auf Nutzungausfallentschädigung?

LG Heilbronn, Az.: 5 O 30/13 Wu

Urteil vom 24.05.2013

1. Das Versäumnisurteil vom 03.04.2013 wird aufrechterhalten.

2. Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Rechtstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu voll streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Beschluss: Der Gegenstandswert wird auf 14.550,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger verlangt Nutzungsersatz für den Ausfall eines Rennrades.

Mangelhaftes Rennrad - Anspruch auf Nutzungausfallentschädigung?
Symbolfoto: Wayhome Studio/Bigstock

Der Kläger einigte sich mit der Beklagten im Februar 2011 auf den Erwerb eines Rennrades, dessen Rahmengeometrie individuell auf den Kläger angepasst wurde und – das nach der Beschreibung der Beklagten – „Radfahren auf Formel 1 Niveau“ ermögliche. Der Kläger zahlte den vereinbarten Kaufpreis iHv. 13.914,65 EUR an die Beklagte. Im Anschluss wurde das Fahrrad an den Kläger übergeben. Es verfügt – wie vertraglich vorgesehen – weder über eine Klingel noch über eine Lichteinrichtung. Mitte Mai 2011 brachen am Fahrrad mehrere spezialgefertigter Speichen. Das Fahrrad war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr fahrbar. Der Kläger erklärte nach erfolgloser Aufforderung zur Lieferung von Ersatzspeichen den Rücktritt vom Kaufvertrag. Unter dem Az. 5 O 462/11 Wu führten die Parteien einen Rechtstreit vor dem Landgericht Heilbronn, im Zuge dessen die Beklagte u.a. zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrrades verurteilt worden ist. Das Urteil vom 25.07.2012 ist inzwischen rechtskräftig. Die Rückgabe des Fahrrades an die Beklagte erfolgte am 20.11.2012.

Der Kläger ist ferner Eigentümer eines weiteren, älteren (Standard-)Fahrrades und eines PKWs, mit dem er täglich zur Arbeit fährt.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe ein Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsausfallschadens in Höhe von 14.550,88 EUR (398 Tage zu jeweils 36,56 EUR) zu. Er sei auf die Verfügbarkeit des individuell – wegen verschiedener Vorerkrankungen – angefertigten Rennrades angewiesen, um seinen täglichen sportlichen Aktivitäten nachgehen zu können, die grundlegend für sein körperliches Wohlbefinden („gesund und fit“) seien; zumal das Herzinfarktrisiko in seiner Familie ausgeprägt sei und damit regelmäßiger Ausdauersport zur Steigerung der Lebenserwartung besonders wichtig sei. Ferner fahre er jährlich ca. 100.000 bis 150.000 Höhenmeter. Dieses immense Pensum sei nur bei regelmäßigem Training möglich. Er fahre daher täglich – in der Nähe seiner Praxis – mit dem Rennrad auf der öffentlichen Straße … für ca. 1 Stunde und lege dabei ca. 600 Höhenmeter zurück. Die Nichtverfügbarkeit des Fahrrades sei angesichts dessen eine signifikante Beeinträchtigung, die sich bei jedem bemerkbar mache, der regelmäßig Sport treibe. Der Kläger ist insofern der Ansicht, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2013, Az. III ZR 98/12, die älteren Entscheidungen zum Nutzungsausfall überholt seien und maßgeblich allein sei, dass sich der Entzug des Gutes – wie vorliegend – signifikant im Alltag bemerkbar mache.

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung iHv. 14.550,99 EUR und zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten iHv. 899,40 EUR zu verurteilen. Da der Kläger im Verhandlungstermin vom 03.04.2013 nicht erschienen ist, erging ein klageabweisendes Versäumnisurteil, das am 13.04.2013 zugestellt worden ist. Mit Schriftsatz vom 15.04.2013, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, hat der Kläger Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.

Der Kläger beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 03.04.2013 aufzuheben und

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger

a.) EUR 14.550,99 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes, seitdem 14.12.2012 zu zahlen.

b.) EUR 899,40 außergerichtliche Mahnkosten nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes, seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil vom 03.04.2013 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger ein Rennrad in dem beschriebenen Umfang tagtäglich nutzt.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der zulässige Einspruch des Klägers gegen das ergangene Versäumnisurteil hat in der Sache keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht ein Ersatzanspruch für die Einschränkung der Gebrauchsmöglichkeit des zu Sportzwecken genutzten Rennrades unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung kommt Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts für einen der vermögensmehrenden, erwerbswirtschaftlichen Verwendung vergleichbaren eigenwirtschaftlichen, vermögensmäßig erfassbaren Einsatz der betreffenden Sache in Betracht. Der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss dabei grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist (vgl. etwa BGHZ 98, 212, 222) und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können (BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. III ZR 98/12, Rn. 9 f. <juris>). Der Schadensersatz soll insofern nicht an unkontrollierbaren subjektiven Wertschätzungen festgemacht werden, sondern an Werten, die der Verkehr dem Interesse an der konkreten Nutzung beimisst. Bei der Prüfung, ob nach der Verkehrsauffassung der vorübergehende Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Gegenstandes als wirtschaftlicher Schaden gewertet werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das verlangt die in § 253 BGB getroffene gesetzgeberische Entscheidung, wonach immaterieller Schaden nur ausnahmsweise, nämlich in den gesetzlich geregelten Fällen, zu ersetzen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs für den Nutzungsverlust dann zu verneinen, wenn sich der zeitweise Verlust unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung nicht als wirtschaftlicher Schaden, sondern als individuelle Genussschmälerung und damit als nicht vermögensrechtlicher Schaden darstellt (BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. III ZR 98/12, Rn. 9 f. m.w.Z. <juris>; sowie Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Auflage, 2013, § 249 BGB Rn. 48 f. m.w.N.).

Dies ist vorliegend aber gerade der Fall.

Anders als bei einem für den alltäglichen Gebrauch vorgesehenen Pkw oder einem als alternatives Verkehrsmittel genutztes Fahrrad (vgl. KG, Urteil v. 16.07.1993, Az. 18 U 1276/92 <juris>; Griesche NJW-RR 1993, 1438) ist die jederzeitige Benutzbarkeit eines individuell, zur sportlichen Betätigung, angepassten Rennrades für den Kläger nach seinem eigenen Vortrag zwar ein die Lebensqualität und insbesondere das körperliche Wohlbefinden („gesund und fit“) erhöhender Vorteil, der jedoch keinen ersatzfähigen materiellen Wert darstellt. Die Wertschätzung des Rennrades stützt der Kläger, der auch über einen Pkw verfügt und damit täglich zur Arbeit fährt, nämlich vor allem darauf, dass das Rennradfahren sein sportliches Hobby sei, im Zuge dessen er jährlich ca. 100.000 bis 150.000 Höhenmeter zurücklege. Dieser Gesichtspunkt betrifft indes nicht die alltägliche Nutzbarkeit zur eigenwirtschaftlichen Lebensführung, sondern den Bereich der (intensiven) Freizeitgestaltung, der einer vermögensrechtlichen Bewertung schlechthin entzogen ist (siehe BGH, Beschluss v. 13.12.2011, Az. VI ZA 40/11 <juris>; sowie zum Rennrad als Sportgerät im Besonderen AG Wetzlar, Urteil v. 22.06.1999, Az. 30 C 1476/98 (30) <juris>). Eine abweichende Beurteilung ergibt sich letztlich auch nicht aus dem neueren Vortrag des Klägers, wonach der regelmäßige Ausdauersport wegen eines ausgeprägten Herzinfarktrisikos in der Familie zur Steigerung der Lebenserwartung besonders wichtig sei, da die sportliche Betätigung des Klägers insofern dem allgemeinen Bereich der individuellen Gesundheitsvorsorge zuzuordnen ist. Dieser Bereich ist einerseits einer vermögensrechtlichen Bewertung entzogen ist und anderseits durch eine (nur) zeitweise Nutzungsbeschränkung – wie vorliegend – auch nicht fühlbar beeinträchtigt.

Das Gericht vermag schließlich die Auffassung des Klägers, dass mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24.01.2013, älteren Entscheidungen zum Nutzungsausfall überholt seien und maßgeblich allein sei, dass sich der Entzug des Gutes signifikant im Alltag bemerkbar mache, nicht nachzuvollziehen. Aus der Entscheidungsbegründung ergibt sich dies nicht. Der Bundesgerichtshof wiederholt vielmehr – wie eingangs zitiert – unter Bezugnahme und ausdrücklicher Fortsetzung seiner ständige Rechtsprechung, dass die Nutzungseinbuße für Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist – wie vorliegend eben nicht – nur gewährt wird, wenn diese an objektiven Maßstäben vermögensrechtlich gemessen werden kann (BGH, Urteil vom 24.01.2013, Az. III ZR 98/12, Rn. 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 2, 3 ZPO.

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