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manipulierter Verkehrsunfall – Indizien


Verkehrsunfall

Zusammenfassung:

Wann ist es bezüglich der Beweiswürdigung im Hinblick auf eine kollusive Schädigungsabsicht gerechtfertigt, unplauisibles Aussageverhalten des Schädigers bei der vorzunehmenden Abwägung aller Indizien des Einzelfalls zu berücksichtigen? Das Oberlandesgericht Hamm entscheid hierzu, dass das Gericht mit der erforderlichen Gewissheit zu der Überzeugung gelangen muss, dass als unwahr nachgewiesene Angaben des Geschädigten nur den Zweck verfolgen, einen manipulierten Unfall  zu belegen. Andernfalls ist das Aussageverhalten lediglich für die Werthaltigkeit der Angaben des Schädigers von Bedeutung.


Oberlandesgericht Hamm

Az: 9 U 70/16

Beschluss vom 24.06.2016


Tenor

Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Es besteht Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.


Gründe

I.

Der Kläger verlangt in Prozessstandschaft klagend Schadensersatz aus einem von ihm behaupteten Verkehrsunfallereignis vom 18.10.2014 gegen 21:20 h auf der X-Straße in E. Der Beklagte zu 1) habe mit dem bei der Beklagten zu 2) für den Zeitraum vom 17.10.2014, 11:40 h, bis zum 19.10.2014, 12:45 h, unter Ausschluss der Selbstbeteiligung angemieteten Fahrzeug VW Passat die X-Straße in nördlicher Richtung befahren. Bei dem Versuch, einem von rechts die Fahrbahn überquerenden Fußgänger auszuweichen, habe er das Fahrzeug nach links hin gelenkt. Hierbei sei er gegen das von ihm, dem Kläger, gehaltene, und der U-Bank sicherungsübereignete, auf dem Parkstreifen der X-Straße abgestellte Fahrzeug BMW X 6 X Drive geraten und habe dieses beschädigt.

Das Landgericht hat nach Anhörung des Beklagten zu 1) und nach der Vernehmung der Zeugen C und P die Klage abgewiesen. Die vorgetragenen Indizien rechtfertigten den Schluss, dass der Unfall manipuliert sei, und der Kläger in die Beschädigung seines Fahrzeugs eingewilligt habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt.

II.

Die zulässige Berufung hat nach der einstimmigen Überzeugung des Senates offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auf die §§ 7, 18 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gestützte Ansprüche nicht zu.

Auch der Senat ist nach eigener Prüfung mit dem Landgericht der Überzeugung, dass der Kläger vorliegend in die Beschädigung des der U-Bank sicherungsübereigneten Fahrzeugs BMW X 6 X Drive eingewilligt hat mit der Folge, dass dem Kläger die in gewillkürter Prozesstandschaft der U-Bank geltend gemachten Ansprüche nicht zuzusprechen sind.

Der Wirksamkeit der Einwilligung in die Beschädigung des der U-Bank sicherungsübereigneten Kraftfahrzeugs steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht Eigentümer, sondern nur Halter des beschädigten Fahrzeugs ist, für dessen Beschädigung Schadensersatz verlangt wird.

Grundsätzlich ist der Eigentümer, hier die U-Bank, zur Einwilligung in die Rechtsgutsverletzung berechtigt. Macht der Halter als Besitzer nach Sicherungsübereignung an das kreditfinanzierende Institut im Wege gewillkürter Prozessstandschaft den Schadensersatzanspruch des nichthaltenden Eigentümers geltend, kommt eine Anspruchskürzung nach § 17 StVG nicht in Betracht, da der nichthaltende Eigentümer mangels Haltereigenschaft selbst nicht nach § 7 StVG haftet und über den Fall des § 17 Abs. S. 3 StVG hinaus eine Haftungsgleichstellung von Fahrzeughalter und Fahrzeugeigentümer nicht gerechtfertigt ist. Eine Zurechnung über § 9 StVG zu Lasten des nichthaltenden Fahrzeugeigentümers in Bezug auf § 7 StVG bzw. gem. § 254 BGB in Bezug auf § 823 Abs. 1 BGB ist vorliegend zu verneinen, weil ein eigenes Verschulden der U-Bank in Bezug auf die Auswahl und Person des späteren Schädigers nicht festgestellt werden kann. Für die hier vorliegende Konstellation der Beschädigung eines finanzierten und sicherungsübereigneten Fahrzeugs im Einverständnis mit dem anwartschaftsberechtigten Besitzer/Halter wird teilweise ein schutzwürdiges Interesse an der Durchsetzung des Anspruchs unter Hinweis darauf verneint, dass versucht werde, eine Leistung einzufordern, die alsbald zurück zu gewähren sei (vgl. OLG Düsseldorf v. 05.10.2010 – 1 U 190/09 – juris Rn. 103).

Teilweise wird daran angeknüpft, dass das Anwartschaftsrecht als „werdendes Eigentum“ ein wesensgleiches Minus zum Vollrecht sei und als „sonstiges Recht“ den Schutz des § 823 Abs. 1 BGB genieße, so dass im Wege eines argumentum a fortiori bzw. eines argumentum a maiore ad minus eine Einwilligung des anwartschaftsberechtigten Halters in die Beschädigung des sicherungsübereigneten Fahrzeugs ausreiche, um die Rechtswidrigkeit der Rechtsgutverletzung entfallen zu lassen (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in Freymann/Wellner, juris PK Straßenverkehrsrecht § 7 StVG Rn. 255ff).

Die vom Landgericht aufgezeigten Indizien rechtfertigen auch aus Sicht des Senats die Feststellung, dass der Kläger in die Einwilligung des von ihm gehaltenen Kraftfahrzeugs eingewilligt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug, von denen abzuweichen die Berufungsbegründung keinen Anlass bietet.

Hinzu kommt vorliegend Folgendes:

Ergeben die im Rahmen der persönlichen Anhörung zum Unfallhergang gemachten Angaben des Schädigers, hier des Beklagten zu 1), dass diesen keinen Glauben geschenkt werden kann, gereicht dies nicht stets im Sinne eines Automatismus dem Anspruchsteller zum Nachteil. Denn dieser kann, insbesondere, wenn er wie vorliegend, das Unfallgeschehen nicht selbst wahrgenommen hat, sich zur Schilderung des Unfallereignisses nur auf die Angaben des Schädigers, eventuell vorhandener Zeugen und die vorgefundene Spurenlage stützen. Erscheinen die Angaben des Schädigers unplausibel, besagt dies zunächst einmal nur etwas über die Werthaltigkeit der Angaben des Schädigers und nichts über eine dahinter stehende kollusive Schädigungsabsicht. Sind die Angaben des Schädigers allerdings so konstruiert und/oder in gesteigertem Maße mit objektiven Anhaltspunkten nicht in Einklang zu bringen, dass das Gericht mit der erforderlichen Gewissheit zu der Überzeugung gelangt, dass diese als unwahr nachgewiesenen Angaben nur den einen Zweck, das Herbeiführen eines allein den Interessen des Geschädigten dienenden manipulierten Unfalls, verfolgen, ist es gerechtfertigt, auch das Verhalten des Schädigers bei der vorzunehmenden Abwägung aller Indizien des Einzelfalls mit einzustellen.

Hier ist bei der Durchsicht der Akten aufgefallen, dass der Beklagte zu 1) seinen Fahrweg zu dem an der Straße C-Straße in E gelegenen Bordell „Z“ bei seiner persönlichen Anhörung als „sehr einfach“ beschrieben hat. Nach Abfahrt von der A 43 folge man einer Landstraße, wobei es sich um die B 58 handeln muss. Vom Beklagten zu 1) nicht beschrieben ist dann ein Abbiegen nach links in die X-Straße erforderlich. Von dort noch vor der eigentlichen Unfallstelle, X-Straße, gelegen, geht links der C-Straße ab. Da sich der Unfall auf der Anfahrt zum Bordell ereignet habe, ist der Beklagte zu 1) an der Abzweigung zum C-Straße vorbeigefahren. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass sich bei diesem Fahrweg der Beklagte zu 1) entgegen der unstreitigen Darstellung in der Unfallskizze und der beiderseitigen Parteiangaben nicht von Süden, sondern von Norden aus genähert hätte. Dann ist nicht zu erklären, wie das aus Sicht des Beklagten zu 1) in seiner Fahrtrichtung links abgestellte Fahrzeug BMW durch eine Linksfahrt, so wie durch die Lichtbilder ausgewiesen, linksseitig beschädigt worden sein soll. Nach Einsicht in eine Straßenkarte bei www. falk.de gibt es keine Route, wie sie vom Beklagten zu 1) beschrieben worden ist, die auf diesem Weg zu dem Bordell führt.

Dass die Angaben des Beklagten zu 1) zu den Motiven für die Anmietung wenig plausibel sind, hat das Landgericht bereits ausgeführt. Dass der Beklagte zu 1) an den 1,5 Tagen 467 km zurückgelegt hat, hat der Senat registriert. Ein mehrfaches Nachtanken, wie es der Beklagte zu 1) behauptet hat, ist bei dieser zurückgelegten Fahrtstrecke allerdings nicht erforderlich, da das angemietete Fahrzeug mit 90 kw über einen Tank mit 70 l Fassungsvermögen verfügt. Der Frage, aus welchen Mitteln der die Höhere Handelsschule besuchende Beklagte zu 1) den Mietpreis von 277,78 EUR und die Kraftstoffkosten bestreiten konnte, ist bei dieser Sachlage allerdings nicht mehr nachzugehen.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senates auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).


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