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Mithaftung Verkehrsunfall bei Parken im eingeschränkten Halteverbot

AG Rudolstadt, Az.: 3 C 417/14, Urteil vom 04.06.2015

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 80 % der ihm aus Anlass der Beschädigung seines Fahrzeuges VW T5, amtliches Kennzeichen …, Erstzulassung: ….2005, am 30.01.2014 gegen 11.45 Uhr in der …straße in Saalfeld noch entstehen werden zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leisten.

Tatbestand

Mithaftung Verkehrsunfall bei Parken im eingeschränkten Halteverbot
Symbolfoto: Von Mikhail Gnatkovskiy /Shutterstock.com

Die Parteien streiten über weitergehende Schadenersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallereignis, das sich am 30.01.2014 gegen 11.45 Uhr in der …straße in Saalfeld ereignet hat.

Der Kläger stellte zu genanntem Unfallzeitpunkt das ihm gehörende Fahrzeug VW T5, amtliches Kennzeichen …, in der Höhe des AWO-Kindergartens in Fahrtrichtung Krankenhaus im Bereich eines eingeschränkten Halteverbotes am Straßenrand ab, wobei er in weitem Umfang auch den dortigen Gehweg in Anspruch nahm, um seine Tochter aus dem Kindergarten abzuholen.

Der Beklagte zu 1 als Fahrer und Halter eines Pkw Opel Astra mit amtlichen Kennzeichen …, das bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert war, parkte mit seinem Fahrzeug auf dem gegenüberliegenden Grundstück, auf dem sich unmittelbar von der Fahrbahn aus erreichbar um 90° versetzt zur Fahrbahn Parkflächen befinden.

In dieser Situation nun parkte der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug rückwärts aus seiner Parkbucht aus und kollidierte dabei mit dem gegenüber abgestellten Fahrzeug des Klägers.

Dem Kläger sind durch diesen Anstoß unstreitig folgende Schadenspositionen entstanden: 2.993,97 EUR Reparaturkosten netto, 597,14 EUR Kosten des Sachverständigen sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR, mithin insgesamt: 3.616,11 EUR.

Die Beklagte zu 2 hat auf diesen Schadensbetrag lediglich 80 %, mithin 2.892,89 EUR geleistet, sodass noch ein Betrag in Höhe von 723,22 EUR offen ist.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er sich vorliegend eine von den Beklagten offenbar angenommene Mithaftung von 20 % nicht entgegenhalten lassen muss, sondern von den Beklagten Ersatz seines Schadens in voller Höhe verlangen kann. Zwischen den Parteien unstreitig ist, dass im gegebenen Bereich lediglich ein eingeschränktes Halteverbot bestand, sodass der Kläger hier grundsätzlich anhalten durfte. Er habe sein Fahrzeug nur kurz verlassen, um seine Tochter aus dem Kindergarten abzuholen und daher nicht geparkt. Darauf komme es indes ohnehin nicht an, da seitens des Beklagten zu 1 ein eklatanter Verstoß gegen § 9 Abs. 5 und 10 StVO vorläge, hinter den eine eventuelle Betriebsgefahr des abgestellten Fahrzeuges zurücktrete.

Erstmals im Rechtsstreit hat der Kläger vorgetragen, dass er das bislang nicht reparierte Fahrzeug nach Abschluss des Verfahrens reparieren lassen möchte; bezüglich der hier zu erwartenden Kosten (Mehrwertsteuer, Mietwagenkosten bzw. Nutzungsausfallentschädigung) begehrt er neben dem Leistungsantrag auch die Feststellung, dass die Beklagten auch hierfür einzustehen haben.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 723,222 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weiteren Schäden aus Anlass der Beschädigung seines Fahrzeuges VW T5, amtliches Kennzeichen …, Erstzulassung ….2005, am 30.01.2014 gegen 11.45 Uhr in der …straße in Saalfeld zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagten haben den unter Ziffer 2 gestellten Feststellungsantrag unter Protest gegen die Kosten im Umfang von 80 % anerkannt.

Im Übrigen beantragen sie, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger sich vorliegend eine Mithaftung von 20 % entgegenhalten lassen muss. Auch ihm falle ein unfallrelevantes Mitverschulden an dem Unfall zur Last, da er sein Fahrzeug nicht nur gehalten, sondern geparkt habe. Er habe das Fahrzeug nicht lediglich für maximal 3 Minuten angehalten, sondern mindestens 5 Minuten dort gestanden und zudem das Fahrzeug auch verlassen, woraus sich allein schon die rechtliche Würdigung eines Parkens ableite.

Demgemäß trete die mit 20 % angesetzte Betriebsgefahr des Fahrzeuges auch nicht zurück.

Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit sie über das beklagtenseitig erklärte Anerkenntnis hinausgeht, nicht begründet.

Festzuhalten ist zunächst, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug entgegen seiner Ansicht nicht lediglich gehalten, sondern im rechtlichen Sinne geparkt hat.

Dabei kommt es im Ergebnis gar nicht darauf an, ob das Abholen seiner Tochter aus dem Kindergarten lediglich zwei oder, wie die Beklagten behaupten, mindestens fünf Minuten gedauert hat. Allein entscheidend ist vorliegend, dass der Kläger zum Zwecke des Abholens seiner Tochter unzweifelhaft sein Fahrzeug verlassen hat, woraus gemäß § 12 Abs. 2 StVO zwingend folgt, dass das Abstellen seines Fahrzeuges unabhängig von der Zeitspanne nicht mehr als Halten sondern als Parken zu würdigen ist.

In der Folge bedeutet dies, dass vorliegend beiden Verkehrsteilnehmern – Kläger wie Beklagtem zu 1 – ein relevanter, d.h. kausal nicht hinweg zu denkender Verursachungsbeitrag zu dem stattgehabten Unfall zur Last fällt.

Bezüglich des Beklagten zu 1 liegt dieser Verkehrsverstoß darin, dass er die ihm beim rückwärts Ausparken auferlegte Sorgfaltspflicht, die zweifellos nicht nur gegenüber dem fließenden Verkehr, sondern auch gegenüber dem auf der anderen Fahrbahn abgeparkten Fahrzeug des Klägers bestand, nicht hinreichend beachtet hat. Zwar ist damit in rechtlicher Hinsicht kein Verstoß – wie der Kläger meint – gegen § 9 Abs. 5 und 10 StVO gegeben, da diese Normen ausschließlich dem fließenden und nicht dem ruhenden Verkehr gelten (vgl. OLG Jena, ZfSch 2005,366).  Insofern trafen den Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger keine erhöhten Sorgfaltspflichten aus den genannten Normen. Der ihn treffende Verkehrsverstoß liegt vielmehr im Verstoß gegen die allgemeine  Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO (vgl. AG Würzburg, Schadenpraxis 2011, 284).

Der dem Kläger zu Last liegende Verkehrsverstoß liegt hingegen darin, dass er vorliegend im eingeschränkten Halteverbot geparkt hat. Dieser Verstoß ist dabei für die Bewertung des vorliegenden Verkehrsunfalls deshalb von Relevanz, da der Schutzzweck des eingeschränkten Halteverbots in der konkreten Situation nicht nur der Leichtigkeit des fließenden Verkehrs dient, sondern insbesondere angesichts des Umstandes, dass es sich um eine vergleichsweise schmale Straße handelt, hiermit auch ermöglicht werden soll, dass die gegenüber liegend im 90°-Winkel zur Fahrbahn parkenden Fahrzeuge ungehindert ein- und ausfahren können (vgl. OLG Köln, NJW RR 1987, 478; ebenso AG Lörrach, VersR 2006, 384).

Diesbezüglich ist es entgegen der Auffassung des Klägers auch von Relevanz, dass er sein Fahrzeug im rechtlichen Sinne nicht nur gehalten, sondern durch das – wenngleich auch nur kurzzeitige – Verlassen seines Fahrzeuges geparkt hat. Hätte er nämlich tatsächlich nur gehalten und wäre mithin in seinem Fahrzeug verblieben, so wäre es ihm in der Situation des Ausparkens des Beklagten zu 1 ohne Weiteres möglich gewesen, sein Fahrzeug um einige Meter zu versetzen und damit den Unfall zu verhindern. Genau dies macht nämlich den Sinn der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 2 StVO aus, die unabhängig von der konkreten Zeitspanne das Verlassen des Fahrzeuges als Parken bewertet (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zu § 12 Abs. 2 StVO, abgedruckt in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Auflage, § 12 StVO, Rn. 1).

Bereits aus dem Vorgenannten wird deutlich, dass bei der vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge zwar der Verstoß des Beklagten zu 1 als deutlich schwerwiegender einzuschätzen ist als der des Klägers, dessen Mitverursachungsbeitrag jedoch zumindest in Höhe der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges hier hinter nicht vollständig zurücktritt, da sein Fehlverhalten kausalen Eingang in das Unfallgeschehen gefunden hat und im Ergebnis der Unfall für ihn auch nicht unabwendbar war. Wie oben ausgeführt stellt sich die Situation vielmehr so dar, dass bei Einhaltung der ihn treffenden Verkehrspflicht bzgl. des Haltens/Parkens der Unfall zweifellos vermeidbar gewesen wäre.

Mithin konnte die Klage, soweit sie über das Anerkenntnis der Beklagten hinaus ging, keinen Erfolg haben und war dementsprechend abzuweisen.

Die Kosten waren trotz des teilweisen Anerkenntnisses durch die Beklagten allein dem Kläger aufzuerlegen. Hinsichtlich des streitigen Teils ergibt sich dies aus § 91 Abs. 1 ZPO. Bezüglich des anerkannten Teils folgt dies aus § 93 ZPO, da der Kläger die begehrte Feststellung erstmals im Rechtsstreit geltend gemacht und insoweit der sofort anerkennenden Beklagtenseite keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708Nr. 11, 711 ZPO.

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