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Mitverschulden bei Sturz von Absatz des Weges zum Gebäudeeingang in Tiefgaragenabfahrt

Sturz in Tiefgaragenabfahrt: Gericht weist Mitverschulden zu

Verkehrssicherungspflicht ist ein viel diskutiertes Thema im deutschen Rechtssystem und hat auch in jüngsten Entscheidungen eine zentrale Rolle gespielt. Ein kürzlich ergangenes Urteil wirft erneut Licht auf die Feinheiten dieser Verantwortung. Es geht um einen Fall, bei dem eine Person auf dem Weg zum Gebäudeeingang in einer Tiefgaragenabfahrt gestürzt ist. Die Klägerin machte geltend, dass die Beklagte die Verkehrssicherungspflicht verletzt habe.

Die Klägerin behauptete, sie sei gestürzt und hätte sich dabei verletzt, wodurch eine bereits bestehende Vorerkrankung an der Halswirbelsäule verschlimmert worden sei. Ihrer Meinung nach hätte die Beklagte ein kaputtes und baurechtlich vorgeschriebenes Geländer unverzüglich erneuern und andere Sicherungsmaßnahmen ergreifen müssen. Sie forderte daher Schadenersatz für Haushaltsführungs- und Verdienstausfall, sowie eine monatliche Haushaltsführungsrente und Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 €.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 O 507/19 >>>

Urteil und Verantwortung

Das Gericht kam jedoch zu einem anderen Schluss. Die Beklagte wurde zwar verurteilt, ab Januar 2020 eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Haushaltsführungsrente von 439,74 € zu zahlen und ein angemessenes Schmerzensgeld zu leisten, dessen Höhe das Gericht bestimmen würde. Allerdings war das Gericht der Meinung, dass der Sturz für die Klägerin vorhersehbar gewesen sei und sie daher ein Mitverschulden trägt.

Vorhersehbarkeit und Mitverschulden

Der streitgegenständliche Absatz war nach Ansicht des Gerichts für die Klägerin als solcher erkennbar. Insbesondere war die Klägerin, die fast 7 Jahre (mit Unterbrechungen) in dem Gebäude gearbeitet hatte und nach eigener Aussage sogar jeden Morgen die Tiefgaragenabfahrt mit ihrem Fahrrad genutzt hatte, mit der Situation vertraut. Die Tatsache, dass eine als solche erkennbare und bekannte Tiefgaragenabfahrt schräg nach unten führt und beim seitlichen Abstieg von einer höheren Kante in den Abfahrtsbereich der Fuß nicht gerade aufgesetzt werden kann, wurde vom Gericht als allgemein bekannt vorausgesetzt.

Die Entscheidung des Gerichts wirft wichtige Fragen zur Verantwortung und Sorgfalt von Personen in Bezug auf ihre eigene Sicherheit auf. Sie betont, dass nicht nur Eigentümer und Verantwortliche, sondern auch die Individuen selbst eine gewisse Verantwortung für ihre eigene Sicherheit tragen müssen. Dies ist ein bemerkenswertes Urteil, das die Debatte über die Reichweite der Verkehrssicherungspflicht und das Konzept des Mitverschuldens weiter vorantreibt […]


Das vorliegende Urteil

LG Offenburg – Az.: 2 O 507/19 – Urteil vom 09.10.2020

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, der Nebenintervenient die durch die Nebenintervention verursachten Kosten selbst.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 84.630,38 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatz infolge eines vorgeblichen Sturzes der Klägerin vom Absatz des Weges des Personaleingangs in eine Tiefgaragenabfahrt.

Mitverschulden: Sturz von Wegabsatz zur Tiefgarage
Gerichtsurteil unterstreicht die Mitverantwortung der Individuen für ihre eigene Sicherheit neben der Verkehrssicherungspflicht. (Symbolfoto: Sakarin Sawasdinaka/Shutterstock.com)

Die Beklagte ist Eigentümerin des Anwesens mit der Anschrift K.-Straße xx in Offenburg, welches an den Landkreis O. vermietet ist. Die Klägerin arbeitete jahrelang ebendort. An der Hinterseite des vorgenannten Gebäudes befindet sich zentral der sog. Personaleingang, an den eine Tiefgaragenabfahrt unmittelbar angrenzt. Da der gepflasterte Weg zum Personaleingang ebenerdig bis zu einer Treppe am Gebäude verläuft, existiert aufgrund der nach unten führenden Tiefgaragenzufahrt über eine Strecke von ca. 2 – 3 Metern ein bis zu einer Mauer immer höher werdender Absatz (bis zu ca. 40 cm), auf dessen Kante bis Sommer 2016 ein Metallgeländer angebracht war (vgl. die Lichtbilder unter Anlagen K1 und B1). Im Sommer 2016 wurde das Metallgeländer durch ein Fahrzeug beschädigt, sodass es abgebaut und Monate später durch ein neues Geländer ersetzt wurde.

Die Klägerin behauptet, dass sie am 09.12.2016 gegen 09:15 Uhr vom Personaleingang kommend an einer der höchsten Stellen des Absatzes in die Tiefgaragenabfahrt gestürzt sei. Der Absatz sei in keiner Weise kenntlich gemacht, insbesondere am Unfalltag nicht mit Absperrband markiert gewesen. Die Beklagte sei vor dem Unfall bereits drei Mal vom Mieter zur Sicherung der Örtlichkeit angemahnt worden. Infolge des Sturzes habe sie u.a. eine Achillessehnenruptur erlitten. Zudem habe sich eine bestehende Vorerkrankung an der Halswirbelsäule verstärkt.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, indem diese weder das kaputte und baurechtlich vorgeschriebene Geländer unverzüglich erneuert noch sonstige Sicherungsmaßnahmen ergriffen habe. Die Beklagte sei deshalb aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschadens sowie zur Zahlung einer Haushaltsführungsschadenrente und eines Schmerzensgeldes in Höhe von 10.000,00 € verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Haushaltsführungsschaden i.H.v. 22.586,06 € für den Zeitraum vom Dezember 2016 bis Dezember 2019 zu bezahlen nebst Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 518,20 Euro seit dem 11.12.2016, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.01.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.02.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.03.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.04.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.05.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.06.2017, sowie aus weiteren 1.036,40 seit dem 01.07.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.08.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.09.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.10.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.11.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.12.2017, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.01.2018, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.02.2018, sowie aus weiteren 548,15 € seit dem 01.03.2018, sowie aus weiteren 1.036,40 € seit dem 01.04.2018, sowie aus weiteren 1.036,40 € seit dem 01.05.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.07.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.09.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.10.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.11.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.12.2018, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.01.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.02.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.03.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.04.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.05.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.06.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.07.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.08.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.09.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.10.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.11.2019, sowie aus weiteren 439,74 € seit dem 01.12.2019.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Verdienstausfallschaden i.H.v. 28.575,24 € für den Zeitraum vom Januar 2017 bis Dezember 2019 zu bezahlen nebst Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 25,13 € seit dem 01.02.2017, sowie aus weiteren 425,27 € seit dem 01.03.2017, sowie aus weiteren 425,27 € seit dem 01.04.2017, sowie aus weiteren 425,27 € seit dem 01.05.2017, sowie aus weiteren 425,27 € seit dem 01.06.2017, sowie aus weiteren 425,27 € seit dem 01.07.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.08.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.09.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.10.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.11.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.12.2017, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.01.2018, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.02.2018, sowie aus weiteren 421,15 € seit dem 01.03.2018, sowie aus weiteren 527,30 € seit dem 01.04.2018, sowie aus weiteren 527,30 € seit dem 01.05.2018, sowie aus weiteren 527,30 € seit dem 01.06.2018, sowie aus weiteren 527,30 € seit dem 01.07.2018, sowie aus weiteren 527,30 € seit dem 01.08.2018, sowie aus weiteren 901,66 € seit dem 01.09.2018, sowie aus weiteren 1.236,20 € seit dem 01.10.2018, sowie aus weiteren 1.236,60 € seit dem 01.11.2018, sowie aus weiteren 1.236,20 € seit dem 01.12.2018, sowie aus weiteren 1.236,20 € seit dem 01.01.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.02.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.03.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.04.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.05.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.06.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.07.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.08.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.09.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.10.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.11.2019, sowie aus weiteren 1.214,30 € seit dem 01.12.2019.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ab Januar 2020 eine vierteljährlich im Voraus zu zahlende monatliche Haushaltsführungsschaden-Rente von 439,74 € zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird zuzüglich Jahreszinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2017.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und immateriellen Zukunftsschäden zu ersetzen, welche der Klägerin aufgrund des Schadensereignis vom 09.12.2016 gegen 9:15 Uhr auf dem Anwesen der K.-str. xx 77652 Offenburg entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 2.217,45 € zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass an der vorgeblichen Unfallstelle am vorgeblichen Unfalltag eine Absperrbake mit Absperrband vorhanden gewesen sei. Die Klägerin müsse daher – wenn überhaupt – aus Unachtsamkeit gestürzt seien, da die Unfallstelle erstens gut überschaubar sei und zweitens die Klägerin als langjährige Mitarbeiterin die Stelle kennen müsse.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie keine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, im Hinblick auf die regelmäßigen Kontrollen der Unfallstelle durch die Zeugen M. und D. jedenfalls nicht schuldhaft. Selbst wenn, müsse sich die Klägerin ein weit überwiegendes Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen, da sie sich eigenverantwortlich selbst gefährdet habe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst jeweils dazugehöriger Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Inaugenscheinnahme der Unfallörtlichkeit sowie die uneidliche Vernehmung der Zeugen M., D. und K. . Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird das Protokoll zum Ortstermin vom 25.09.2020 (Bl. 243 ff. d.A.) verwiesen.

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Mit Schriftsatz vom 27.12.2019, zugestellt am 17.02.2020 (Bl. 83 d.A.), wurde dem Mieter des Anwesens K.-Straße xx der Streit verkündet. Der Streitverkündete ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 21.04.2020, zugegangen bei Gericht am gleichen Tag (Bl. 125 d.A.), beigetreten.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagte weder vertragliche noch gesetzliche Ansprüche auf Ersatz ihrer materiellen und immateriellen Schäden (wie in den Anträgen unter Ziffer 1. bis 4. beantragt).

Es kann offen bleiben, ob die Klägerin am vorgeblichen Unfalltag an der vorgeblichen Unfallstelle überhaupt gestürzt ist, insbesondere kann offen bleiben, wie die Einlassung der Klägerin zu würdigen ist, wonach sie ausgerechnet von der höchsten Stelle des Absatzes gestürzt sein will (Bl. 244 d.A.), was im Hinblick auf die dortige Mauer ungewöhnlich wäre, schließlich müsste die Klägerin dann – worauf auch der Geschäftsführer der Beklagten das Gericht vor Ort aufmerksam gemacht hat – sofort nach dem Ende der Mauer zwischen Personaleingang und Tiefgaragenabfahrt im 90-Grad-Winkel nach links abgebogen sein. Ebenfalls kann offen bleiben, wie die Aussage des Zeugen K. zu würdigen ist, der die Klägerin im Unfallzeitpunkt durch ein kleines Toilettenraumfenster (“Bullauge“) über mehrere Sekunden beobachtet haben will, nur weil er die Klägerin sich draußen mit einer anderen Person hat laut unterhalten hören, und deshalb auch von einem der oberen Stockwerke aus gesehen haben will, dass die Klägerin mit Blick nach vorne einen Schritt ins Leere gemacht hat (Bl. 249 d.A.). Dies ohne ihr anschließend zu Hilfe zu kommen. Weiterhin kann offen bleiben, ob die vorgebliche Unfallstelle am Unfalltag durch Absperrband markiert gewesen war, wie oft die Stelle durch die Zeugen M. und D. kontrolliert wurde und wo das defekte Geländer im Unfallzeitpunkt lag. Zu guter Letzt kann auch offen bleiben, inwiefern ein bereits von weitem erkennbarer Absatz mit einer Maximalhöhe von knapp 40 cm ohne Absicherung einen objektiv verkehrspflichtwidrigen Zustand darstellt.

Dies deshalb, weil Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB (i.V.m. mit den Grundsätzen über Verträge mit Schutzwirkung für Dritter) sowie aus §§ 823 ff. BGB jedenfalls aufgrund eines weit überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wären.

§ 254 Abs. 1 BGB beschränkt die Ersatzpflicht des Schädigers, wenn bei der Entstehung des Schadens ein „Verschulden“ des Geschädigten mitgewirkt hat. Verschulden i.S.v. § 254 BGB ist dabei der vorwerfbare Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses, die Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden Obliegenheit. Voraussetzung ist daher grundsätzlich Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der (Selbst-)Schädigung (Palandt/Grüneberg, § 254 BGB Rn. 1 und 9 m.w.N.; BeckOK BGB/Lorenz, 55. Ed. 1.8.2020, § 254 BGB Rn. 10).

a) Die vorgebliche (Selbst-)Schädigung war für die Klägerin vorhersehbar. Nach den im Ortstermin getroffenen Feststellungen des Gerichts von der vorgeblichen Unfallörtlichkeit ist der streitgegenständliche Absatz bereits von der Tür des Personalausgangs, aus welchem die Klägerin gekommen war, nicht nur ohne weiteres als solcher erkennbar. Im Hinblick darauf, dass der Weg von der Tür des Personalzugangs hin zum Bürgersteig rechts durch die Gebäudewand und links zunächst durch eine Mauer begrenzt ist, fallen die im Vergleich zum Fußweg anders gepflasterten und andersfarbigen Randsteine des Absatzes samt Beginn der Tiefgaragenabfahrt selbst einem nicht ortskundigen Fußgänger, welcher aufgrund der Treppenstufen zunächst sowieso nach vorne und unten schauen muss, bereits von der Tür des Personalausgangs geradezu ins Auge. Erst recht muss dies auch für die Klägerin gelten, die nicht nur knapp 7 Jahre (mit Unterbrechungen) in dem Gebäude gearbeitet, sondern nach eigener Aussage sogar allmorgendlich die Tiefgaragenabfahrt mit ihrem Fahrrad genutzt hat (Bl. 247 d.A.). Von einem „urplötzlichen Absatz“, einem „unvermeidbaren Unfall“ und einem „nicht erkennbaren, dahinterliegenden Areal“ kann somit für eine seinerzeit 57-jährige, ortskundige Fußgängerin ohne Einschränkung der Sehkräfte keine Rede sein. Dies vor dem Hintergrund, dass der Unfall bei Tageslicht ohne witterungsbedingte Einschränkungen passiert sein soll. Besonderheiten ergeben sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht daraus, dass die Tiefgaragenabfahrt schräg nach unten führt. Das eine als solche erkennbare und bekannte Tiefgaragenabfahrt naturgemäß schräg nach unten führt, sodass beim seitlichen Abstieg von einer höheren Kante in den Abfahrtsbereich der Fuß nicht gerade aufgesetzt werden kann, was die Gefahr des Umknickens erhöht und deshalb besondere Vorsicht erforderlich ist, wird vom Gericht bei erwachsenen Menschen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte als allgemein bekannt vorausgesetzt, sodass das Gericht mit Unverständnis zur Kenntnis nimmt, dass die Klägerin trotz ihrer versteiften Halswirbelsäule und ihrer zahlreichen weiteren Gebrechen versuchte, ihren Weg über die Tiefgaragenabfahrt und den genannten Absatz abzukürzen.

b) Die vorgebliche (Selbst-)Schädigung war für die Klägerin auch vermeidbar. Es bestand keine Notwendigkeit, über den an der vorgeblichen Unfallstelle ca. 35 – 38 cm hohen Absatz und die Tiefgaragenabfahrt abzukürzen. Die Klägerin hätte problemlos zwei bis drei Meter bis zum Ende des Absatzes (d.h. bis zum Beginn der Tiefgaragenabfahrt am Bürgersteig) weiter gehen können und erst dann auf dem Bürgersteig nach links in Richtung ihres Ziels abbiegen können. Reine „Bequemlichkeitsaspekte“ begründen keine Notwendigkeit (vgl. AG Gummersbach, Urt. v. 10.08.2009 – 10 C 4/09 – juris, Rn. 18).

Zusammengenommen begründen diese Umstände die Annahme eines schwerwiegenden Verschuldens seitens der Klägerin, welches eine Haftung der Beklagten ausschließt.

2.) Die Feststellungsklage der Klägerin unter Ziffer 5. ist nach eben Gesagtem ebenfalls unbegründet.

3.) Die Nebenansprüche (Verzinsung, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) teilen das Schicksal des Hauptanspruchs

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 101, 709 S. 2 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Deliktsrecht (BGB § 823)

    Das Deliktsrecht ist in diesem Fall das zentrale Rechtsgebiet. Nach § 823 BGB haftet jemand, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt. Die Klägerin argumentiert, dass die Beklagte diese Pflicht durch eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Sie behauptet, die Beklagte hätte das kaputte und baurechtlich vorgeschriebene Geländer unverzüglich erneuern und andere Sicherheitsmaßnahmen ergreifen müssen.

  2. Verkehrssicherungspflicht

    Die Verkehrssicherungspflicht ist eine Verpflichtung, die aus dem Deliktsrecht abgeleitet wird und dem Schutz Dritter vor Gefahren dient. Sie verlangt, dass Eigentümer oder Besitzer von Gebäuden oder Grundstücken dafür sorgen, dass niemand auf ihrem Grundstück zu Schaden kommt. In diesem Fall ist strittig, ob die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, indem sie ein defektes Geländer nicht rechtzeitig repariert hat.

  3. Mitverschulden (BGB § 254)

    Das Mitverschulden ist ein zentrales Konzept im Deliktsrecht und bezieht sich auf die Situation, in der der Geschädigte selbst zu dem eingetretenen Schaden beigetragen hat. Nach § 254 BGB wird bei der Bemessung des Schadensersatzes das Mitverschulden des Geschädigten berücksichtigt. In diesem Fall argumentiert das Gericht, dass die Klägerin aufgrund ihrer Kenntnis der Situation und der erkennbaren Gefahr ein Mitverschulden trägt.

  4. Schadensersatzrecht (BGB § 249 ff.)

    Im Zusammenhang mit dem Deliktsrecht steht auch das Schadensersatzrecht. Es regelt die Kompensation für den Schaden, der durch ein deliktisches Verhalten entstanden ist. Die Klägerin verlangt unter anderem Schadensersatz für Haushaltsführungs- und Verdienstausfall und ein Schmerzensgeld. Der Anspruch auf Schadensersatz ist in den §§ 249 ff. BGB geregelt.

  5. Baurecht

    Das Baurecht ist in diesem Fall insofern relevant, als dass die Klägerin behauptet, ein baurechtlich vorgeschriebenes Geländer sei nicht in Ordnung gewesen. Baurechtliche Vorschriften regeln unter anderem die Sicherheit von Gebäuden und Grundstücken.

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