OLG Koblenz, Az.: 13 WF 22/16, Beschluss vom 19.02.2016
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Lahnstein vom 04.12.2015 wird zurückgewiesen.
Gründe

Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist auch sonst zulässig, insbesondere gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 3, 567 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt.
Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Familiengericht hat die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe zu Recht mangels Erfolgsaussichten des Nachscheidungsunterhaltsantrags versagt. Ein etwaiger Gehörsverstoß des Familiengerichts ist durch die Nachholung des Vorbringens der Antragstellerin mit ihrer Beschwerde jedenfalls geheilt
I.
Die Antragstellerin verlangt von ihrem vormaligen Ehemann rückwirkend ab Juli 2014 erstmals nachehelichen Unterhalt. Die rechtskräftige Ehescheidung datiert aus März 2002. Die Antragstellerin trägt vor, sie sei vor und nach der Scheidung nicht erwerbstätig gewesen und auch in der Vergangenheit wie auch jetzt krankheitsbedingt hierzu nicht in der Lage. Vor diesem Hintergrund hätten sich ihre finanziellen Verhältnisse nun verschlechtert. Seit September 2013 erhalte sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Hinzu komme, dass sie eine Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen G habe. Daher stehe ihr ein Unterhaltsanspruch nach § 1572 BGB bzw. § 1573 BGB zu. Dieser habe auch schon nach der Scheidung bestanden. Dessen aktuelle Höhe betrage seit Juli 2014 monatlich 1.136 €; wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf Bl. 6 d.A. verwiesen.
Der Antragsgegner bestreitet das Vorbringen und erachtet den Vortrag der Antragstellerin als unschlüssig. Selbst wenn ein Unterhaltsanspruch zum Zeitpunkt der Scheidung bestanden haben sollte, wäre dieser auf wenige Jahre zeitlich zu befristen gewesen.
Das Familiengericht hatte die Antragstellerin u.a. auf die Erforderlichkeit des Vorliegens sog. Anknüpfungspunkte (Einsatzzeitpunkte) hingewiesen.
II.
Die Versagung der beantragten Verfahrenskostenhilfe erfolgte zu Recht. Die Beschwerde führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Antragstellerin hat auch weiterhin die Wahrung der erforderlichen Einsatzzeitpunkte bzw. das Vorliegen einer lückenlosen Unterhaltskette nicht ausreichend dargetan.
1.
Nach § 1573 Abs. 2 BGB kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte als Aufstockungsunterhalt den Unterschiedsbetrag zwischen den anrechenbaren Eigeneinkünften und dem vollen Unterhalt gemäß § 1578 BGB verlangen, wenn die Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum vollen Unterhalt nicht ausreichen. Der Wortlaut des Gesetzes bezeichnet – anders als in den Fällen der §§ 1571, 1572, 1573 Abs. 1 BGB – keine konkreten Einsatzzeiten. Der Bundesgerichtshof hat indessen mehrfach betont, dass auch der Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB gesetzessystematisch an die Wahrung von Einsatzzeiten geknüpft sein muss, weil die in § 1573 Abs. 3 und Abs. 4 BGB enthaltenen Regelungen ansonsten nicht verständlich wären (vgl. BGH FamRZ 2016, 203). Ebenso gewährt § 1573 Abs. 4 BGB den vorgenannten Aufstockungsunterhalt, wenn der Unterhaltsgläubiger nach der Scheidung zwar eine auskömmliche Erwerbstätigkeit erlangt hat oder hätte erlangen könne, diese jedoch wieder wegfällt, bevor das Einkommen nachhaltig gesichert war bzw. gewesen wäre. Schließlich gibt § 1572 BGB einen nachehelichen Unterhaltsanspruch, wenn der Unterhaltsgläubiger im Zeitpunkt der Scheidung (Nr. 1 – die Fälle der Nrn. 2 bis 4 sind hier nicht ersichtlich) krankheitsbedingt nicht in der Lage war, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Die Antragstellerin stützt ihren Unterhaltsanspruch vorliegend darauf, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Scheidung erkrankt war und aus diesem Grund einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen habe können. Hilfsweise beruft sie sich auf § 1573 BGB.
Unschädlich ist in diesem Zusammenhang zwar, dass die Antragstellerin erst über zehn Jahre nach der rechtskräftigen Scheidung überhaupt nachehelichen Unterhalt begehrt (vgl. BGH FamRZ 2010, 1311 Rz. 36). Jedoch ist erforderlich, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Unterhalt wegen Krankheit oder auf Aufstockungsunterhalt bereits im Zeitpunkt der Scheidung sowie auch in der Folgezeit grundsätzlich ohne zeitliche Lücke vorgelegen haben. Lediglich vorübergehende Unterbrechungen der Unterhaltskette aufgrund fehlender Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten oder mangelnder Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen stehen Unterhaltsansprüchen in der Zeit nach der Wiederherstellung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit nicht zwingend entgegen (vgl. BGH FamRZ 2016, 203), wobei mit Finke (vgl. FamRZ 2016, 205, 206) für diese Abgrenzung der Begriff der Nachhaltigkeit besser geeignet erscheint.
2.
Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin auch weiterhin das Vorliegen der erforderlichen Einsatzzeiten weder für einen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit noch für einen Aufstockungsunterhaltsanspruch auch nur ansatzweise substantiiert aufgezeigt.
Die Antragstellerin behauptet zwar, bei und nach der Scheidung aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbstätig gewesen zu sein. Wie sich die von ihr geltend gemachten – antragsgegnerseits bestrittenen – Erkrankungen auf ihre Erwerbsfähigkeit konkret ausgewirkt haben, legt sie indes nicht ansatzweise dar. Dies war hier umso mehr erforderlich, als sie eine Erwerbsunfähigkeitsrente nach eigenem Vortrag erst seit September 2013, mithin mehr als zehn Jahre nach der Scheidung, bezieht. Somit stellt dieser Umstand gerade kein Indiz dafür dar, dass die Antragstellerin im Zeitpunkt der Scheidung krankheitsbedingt keine auskömmliche und nachhaltig gesicherte angemessene Erwerbstätigkeit hat ausüben können. Vielmehr ist gerade das Gegenteil der Fall. Auch allein der Bezug von Leistungen nach BSHG, SGB II und SGB XII besagt nichts, zumal die Antragstellerin insoweit auch lediglich auf ein knapp einhundertseitiges Anlagenkonvolut verweist, was wiederum keinen konkreten Vortrag ersetzt.
Nach alledem hat die Antragstellerin bereits nicht substantiiert aufgezeigt, dass sie im Zeitpunkt der rechtskräftigen Scheidung oder danach nicht (zumindest fiktiv) ein nachhaltig gesichertes Eigeneinkommen aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit hat erzielen können, bei dem für einen Unterhaltsanspruch kein Raum mehr verblieben wäre. Somit hat sei weder einen Einsatzzeitpunkt noch eine sog. lückenlose Unterhaltskette dargetan. Völlig zu Recht wendet der Antragsgegner ein, dass der nun geltend gemachte nacheheliche Unterhaltsanspruch nicht – und zwar auch trotz entsprechenden Hinweises des Familiengerichts – schlüssig dargetan ist.
3.
Folglich kann der Antragstellerin keine Verfahrenskostenhilfe gewährt werden.