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Notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag in Absicht einer Drittrechtsvereitelung

Streitfall um Wohnrecht: Gericht erklärt Überlassungsvertrag für nichtig

Im Streit um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung, zu der dem Beklagten lebenslanges Wohnrecht (Leibgeding) zugesprochen wurde, hat das Landgericht Landshut entschieden, dass weder die Klage noch die Widerklage erfolgreich sein können. Der notarielle Überlassungsvertrag, durch den das Eigentum am Wohnhaus auf den Kläger übertragen wurde, ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig, da er ausschließlich dazu diente, das Wohnrecht des Beklagten zu vereiteln. Somit bleibt der Beklagte berechtigt, in der Wohnung zu wohnen, und der Kläger erlangte durch den sittenwidrigen Vertrag nicht das Eigentum am Anwesen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 41 O 522/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Landgericht Landshut entschied, dass der notarielle Überlassungsvertrag vom 12.11.2013, der das Wohnhaus an den Kläger übertrug, sittenwidrig und daher nichtig ist.
  2. Die Nichtigkeit des Vertrags basiert auf der Absicht, das Wohnrecht (Leibgeding) des Beklagten gezielt zu vereiteln, was als sittenwidrige Schädigung eines Dritten angesehen wird.
  3. Der Kläger erlangte durch den sittenwidrigen Vertrag nicht das Eigentum am Wohnhaus, weshalb seine Räumungsforderung gegen den Beklagten unbegründet ist.
  4. Dem Beklagten bleibt das Wohnrecht erhalten, da sein Leibgeding durch den späteren Überlassungsvertrag nicht berührt wird.
  5. Das Gericht wies sowohl die Klage als auch die Widerklage ab und ordnete an, dass der Kläger 90% und der Beklagte 10% der Prozesskosten tragen müssen.
  6. Die Entscheidung betont die Bedeutung von Fairness und rechtlicher Korrektheit bei der Übertragung von Eigentum und der Anerkennung von Wohnrechten.
  7. Das Urteil unterstreicht, dass Verträge, die mit dem Ziel geschlossen werden, Dritten zu schaden, gegen die guten Sitten verstoßen und daher nichtig sind.
  8. Dieses Urteil dient als Warnung vor dem Versuch, mittels rechtlicher Manöver die Rechte anderer zu umgehen oder zu beschädigen.

Rechtliche Aspekte von Wohnungsüberlassungsverträgen

Die Wohnraumüberlassung ist ein wichtiges Rechtsverhältnis mit zahlreichen rechtlichen Implikationen. Die dabei abgeschlossenen Wohnungsüberlassungsverträge regeln die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Vermieter und Mieter. Besondere Beachtung finden dabei notarielle Verträge, die oft zur Absicherung bestimmter Interessen eingesetzt werden.

Kernpunkt bei der Betrachtung solcher Vereinbarungen ist die mögliche Gläubigerbenachteiligung. Überlassungsverträge können unter Umständen als Drittrechtsvereitelung gewertet werden, wenn dadurch Gläubigerrechte beeinträchtigt oder ausgehebelt werden. Hier geht es um den Schutz von Gläubigerinteressen bei vertragsrechtlichen Gestaltungen.

Sind Sie von einem Wohnungsüberlassungsvertrag betroffen, der Ihre Rechte gefährdet? Wir verstehen die Komplexität solcher Fälle und bieten Ihnen eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Anliegens. Mit unserer Erfahrung in Fällen der Drittrechtsvereitelung stehen wir Ihnen zur Seite, um Licht ins Dunkel zu bringen und Ihnen Klarheit über Ihre Situation zu verschaffen. Es ist einfach, schnell und unverbindlich, sich bei uns zu melden – Ihr erster Schritt zu rechtlicher Sicherheit und Frieden. Zögern Sie nicht, Kontakt aufzunehmen und gemeinsam finden wir einen Weg durch Ihr juristisches Anliegen.

➜ Der Fall im Detail


Der Streit um das Wohnungsrecht: Ein notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag im Fokus

Im Kern des Falles steht ein notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag, der zwischen T.F., der Eigentümerin eines Wohnhauses, und ihrer Tochter C.B. geschlossen wurde. T.F. sicherte sich und ihrem Lebensgefährten, dem Beklagten, ein lebenslanges Wohnrecht.

Notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag
(Symbolfoto: Gumbariya /Shutterstock.com)

Nach dem Tod von T.F. kam es zu Spannungen zwischen dem Beklagten und C.B. sowie deren Sohn, dem Kläger. Der Kläger, der später durch einen weiteren Vertrag zum Eigentümer des Anwesens wurde, forderte den Beklagten ohne Berücksichtigung seines Wohnrechts zur Räumung auf. Der Beklagte, der sein Wohnrecht durch den Tod von T.F. aktiviert sah, wehrte sich gegen die Aufforderung und beharrte auf seinem Recht, in der Wohnung zu bleiben.

Die Urteilsfindung des Landgerichts Landshut

Das Landgericht Landshut entschied, dass beide, Klage und Widerklage, keinen Erfolg haben können. Die Forderung nach Räumung und Herausgabe der Wohnung durch den Kläger wurde abgelehnt. Das Gericht begründete dies mit der Nichtigkeit des Überlassungsvertrags zwischen C.B. und dem Kläger aufgrund eines Sittenverstoßes. Der Vertrag wurde offensichtlich geschlossen, um die Rechte des Beklagten zu umgehen und ihn zu schädigen, was sittenwidrig ist. Die Entscheidung basierte auf dem Prinzip, dass Verträge, die mit der Absicht geschlossen werden, Dritte zu schädigen, nichtig sind.

Die Begründung der Entscheidung

Das Gericht erkannte, dass der Überlassungsvertrag von 2013 nichtig ist, da er ausschließlich dazu diente, die Rechte des Beklagten zu vereiteln. Die Streitverkündete und der Kläger waren sich der Situation bewusst und handelten mit dem Ziel, dem Beklagten zu schaden. Dies stellt einen klaren Sittenverstoß dar. Die Entscheidung verdeutlicht, dass das Rechtssystem Mechanismen bereitstellt, um sicherzustellen, dass Verträge, die zu Lasten Dritter geschlossen werden, nicht durchsetzbar sind.

Die Folgen der gerichtlichen Entscheidung

Die Konsequenz aus der Entscheidung ist, dass der Kläger keinen Anspruch auf Räumung hat, da der zugrunde liegende Überlassungsvertrag sittenwidrig und damit nichtig ist. Der Beklagte behält sein Wohnrecht an der umstrittenen Wohnung. Die Entscheidung zeigt die Bedeutung des Schutzes der Rechte von Individuen, die durch vertragliche Vereinbarungen betroffen sind, und unterstreicht, dass Versuche, diese Rechte durch sittenwidrige Verträge zu umgehen, vom Gericht nicht toleriert werden.

Kostenverteilung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Zu den Kosten des Rechtsstreits wurde entschieden, dass der Kläger 10% und der Beklagte 90% tragen müssen. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, wobei eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages gefordert wird. Diese Regelung zur Kostenverteilung und vorläufigen Vollstreckbarkeit reflektiert die übliche Praxis in zivilrechtlichen Streitigkeiten, die Kosten nach dem Grad des Obsiegens bzw. Unterliegens zu verteilen.

Die Entscheidung des Landgerichts Landshut illustriert den Schutz, den das deutsche Rechtssystem Individuen bietet, deren Rechte durch nachfolgende vertragliche Vereinbarungen gefährdet sind. Es verdeutlicht, dass sittenwidrige Verträge, die zum Ziel haben, die Rechte Dritter zu untergraben, nicht haltbar sind und die betroffenen Parteien Anspruch auf Schutz haben.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag?

Ein notarieller Wohnungsüberlassungsvertrag ist ein Vertrag, in dem der Eigentümer einer Immobilie einem anderen das Recht einräumt, die Wohnung oder das Haus unentgeltlich zu nutzen. Dieser Vertrag wird von einem Notar beurkundet, um ihm rechtliche Gültigkeit zu verleihen.

Typischerweise wird ein solcher Vertrag zwischen nahen Angehörigen geschlossen, zum Beispiel wenn Eltern ihren Kindern lebzeitig eine Immobilie überlassen möchten. Der Eigentümer behält dabei das Eigentum an der Immobilie, räumt dem Begünstigten aber ein lebenslanges Wohnrecht ein.

Die notarielle Beurkundung ist erforderlich, wenn der Überlassungsvertrag im Zusammenhang mit der Übertragung von Grundstückseigentum steht. Durch die Einschaltung des Notars wird sichergestellt, dass beide Parteien umfassend über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden und der Vertrag rechtssicher formuliert ist.

Im Vertrag können Details wie Dauer des Wohnrechts, Kostentragung für Instandhaltung und Nebenkosten sowie Rückforderungsrechte des Eigentümers geregelt werden. Auch steuerliche Aspekte wie die unentgeltliche Wohnraumüberlassung an unterhaltsberechtigte Angehörige spielen eine Rolle.

Der notarielle Wohnungsüberlassungsvertrag schafft somit Rechtssicherheit für die Vertragsparteien bei der Einräumung eines Wohnrechts und ermöglicht die vorzeitige Übertragung von Vermögen im Familienkreis.

Was bedeutet „Leibgeding“ in einem Wohnungsüberlassungsvertrag?

Ein Leibgeding (auch Altenteil genannt) ist eine vertraglich vereinbarte lebenslange Versorgungszusage, die häufig bei der Übertragung von Immobilien oder landwirtschaftlichen Betrieben zu Lebzeiten des Übergebers vereinbart wird.

Das Leibgeding umfasst typischerweise verschiedene Nutzungsrechte und Leistungen zugunsten des Übergebers, die dessen Versorgung im Alter sicherstellen sollen. Dazu gehören insbesondere:

  • Ein lebenslanges Wohnrecht in der übertragenen Immobilie
  • Wiederkehrende Natural- oder Geldleistungen wie Verpflegung, Betreuung oder Geldrenten
  • Sonstige Rechte wie z.B. ein Nießbrauch

Das Leibgeding wird in der Regel als Gegenleistung für die Eigentumsübertragung der Immobilie vereinbart und dient der Absicherung des Übergebers. Es kann als Reallast oder beschränkt persönliche Dienstbarkeit im Grundbuch abgesichert werden, um den Anspruch dinglich zu sichern.

In einem notariellen Wohnungsüberlassungsvertrag stellt das Leibgeding somit eine wichtige Regelung dar, mit der der Übergeber seine Versorgung im übertragenen Objekt dauerhaft absichert und sich lebenslange Nutzungsrechte vorbehält. Die genaue Ausgestaltung ist Verhandlungssache und sollte präzise im Vertrag geregelt werden.

Wann kann ein Vertrag als sittenwidrig eingestuft werden?

Ein Vertrag kann in folgenden Fällen als sittenwidrig eingestuft werden:

  1. Wenn der Vertragsinhalt selbst gegen die guten Sitten verstößt, z.B. bei Verträgen über strafbare Handlungen wie Diebstahl. Entscheidend ist, ob der Vertrag nach seinem Gesamtcharakter, der sich aus Inhalt, Beweggrund und Zweck ergibt, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.
  2. Bei krasser Übervorteilung einer Vertragspartei durch Ausnutzung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, Willensschwäche oder erheblichen Verstandesschwäche (sogenannter „Wucher“). Beispiel: Unverhältnismäßig hohe Zinsen bei einem Darlehensvertrag.
  3. Bei übermäßiger Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit durch einseitig belastende Klauseln („Knebelungsverträge“), z.B. ungerechtfertigt lange Vertragslaufzeiten, weitreichende Kontrollrechte oder krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung.
  4. Wenn Verträge kollusiv zum Nachteil Dritter geschlossen werden, z.B. um Gläubiger zu schädigen oder gesetzliche Verbote zu umgehen. Hier muss ein besonderes Maß an Rücksichtslosigkeit und Verwerflichkeit hinzutreten.
  5. Bei ursprünglicher Übersicherung von Krediten, wenn der Sicherungsvertrag dem Kreditnehmer die Möglichkeit nimmt, nach Rückführung des Kredits wieder über Eigentum zu verfügen.

Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist stets anhand der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beurteilen. Maßgeblich sind die Wertungen der Rechts- und Sozialmoral, insbesondere auch die Grundrechte. Die Schwelle darf dabei nicht zu niedrig angesetzt werden.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 985 BGB (Vindikationsanspruch) Der Vindikationsanspruch ermöglicht dem Eigentümer, die Herausgabe einer Sache von jemandem zu fordern, der kein Recht zum Besitz hat. Dies ist im Kontext relevant, da der Kläger die Räumung und Herausgabe einer Wohnung fordert, die unter einem Leibgeding stand.
  • § 138 Abs. 1 BGB (Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften) Ein Vertrag kann als nichtig angesehen werden, wenn er gegen die guten Sitten verstößt. Im vorliegenden Fall wurde der Überlassungsvertrag als sittenwidrig eingestuft, weil er mit der Absicht geschlossen wurde, die Rechte des Beklagten zu vereiteln.
  • § 826 BGB (Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) Dieser Paragraph bezieht sich auf die Haftung für Schäden, die durch eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung entstehen. Der Beklagte argumentiert, dass der Kläger und die Streitverkündete ihm gegenüber schadensersatzpflichtig seien, weil der Überlassungsvertrag sittenwidrig war.
  • § 275 Abs. 1 BGB (Unmöglichkeit der Leistung) Regelt die Unmöglichkeit der Erfüllung von Vertragspflichten. Im Text wurde argumentiert, dass der Überlassungsvertrag die rechtliche Unmöglichkeit geschaffen hat, das schuldrechtliche Leibgeding des Beklagten dinglich zu sichern.
  • § 139 BGB (Teilnichtigkeit) Besagt, dass bei Nichtigkeit eines Teils eines Rechtsgeschäfts grundsätzlich das ganze Geschäft nichtig ist, es sei denn, es ist anzunehmen, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre. Relevant für die Beurteilung der Gesamtnichtigkeit des Überlassungsvertrags.
  • § 894 BGB (Berichtigungsanspruch bei unrichtiger Eintragung im Grundbuch) Erlaubt die Berichtigung des Grundbuchs, wenn die wirkliche Rechtslage nicht mit der Eintragung übereinstimmt. Der Beklagte fordert die Löschung der Eintragung des Klägers als Eigentümer, basierend auf der Nichtigkeit des Überlassungsvertrags.

Diese Paragraphen und Rechtsbereiche sind essentiell für das Verständnis der rechtlichen Grundlage des Falles und der Entscheidung des Gerichts, den Überlassungsvertrag aufgrund von Sittenwidrigkeit für nichtig zu erklären und die damit verbundenen Ansprüche der Parteien zu beurteilen.


Das vorliegende Urteil

LG Landshut – Az.: 41 O 522/14 – Urteil vom 10.09.2015

1. Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 10% und der Beklagte 90%.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert beträgt

vom 24.01.2014 bis 10.07.2014:EUR 3.600,-

vom 11.07.2014 bis 26.11.2014:EUR 103.600,-

vom 27.11.2014 bis 11.01.2015:EUR 112.000,-

ab 12.01.2015: EUR 120.400,–.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe einer Wohnung, an der dem Beklagten ein Leibgeding eingeräumt worden war.

Der Beklagte und seine Lebensgefährtin T.F. bewohnten jahrzehntelang die Wohnung im ersten Obergeschoss des Wohnhauses – in D., das Frau F. gehörte. Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 29.01.2003 (URNr. … des Notars Dr. P., D.) übertrug Frau F. dieses Anwesen auf ihre Tochter C.B., die Streitverkündete. In Ziffer XIII. des Vertrages behielt sich Frau F. ein Leibgeding (Wohnungsrecht und Reallast) auf Lebenszeit vor, das auch im Grundbuch eingetragen wurde. Außerdem bestimmte Frau F., dass im Falle ihres Vorversterbens ihr Lebensgefährte – der Beklagte – ein Leibgeding gleichen Inhalts erhalten solle, das auf sein Verlangen ebenfalls im Grundbuch einzutragen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Urkunde B 1 Bezug genommen.

Am 22.06.2013 verstarb T.F. Der Beklagte wohnte auch weiterhin in der gemeinsamen Wohnung. In der Folgezeit kam es zunehmend zu Meinungsverschiedenheiten und Spannungen zwischen dem Beklagten einerseits und der Streitverkündeten und deren Sohn – dem Kläger – andererseits. Insbesondere lehnte der Beklagte das Ansinnen der Streitverkündeten ab, einen finanziellen Beitrag zu seinem Unterhalt (für den die Streitverkündete nach dem Tode ihrer Mutter aufgrund des nunmehrigen Leibgedings des Beklagten sorgte) zu leisten. Die Streitverkündete holte in der Folge anwaltlichen Rat ein und gab am 17.10.2013 im Notariat G., D. einen weiteren Überlassungsvertrag in Auftrag. Mit diesem Überlassungsvertrag (beurkundet am 12.11.2013 von Notar G., D.; URNr. …) übertrug die Streitverkündete das Anwesen – auf ihren Sohn, den Kläger. In dem Vertrag behielt sich die Streitverkündete ein lebenslanges Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht für sich bzw. ihren Ehemann an der Erdgeschosswohnung im Anwesen – vor, das auch im Grundbuch eingetragen wurde. Eine Regelung zu dem Leibgeding des Beklagten hinsichtlich der Wohnung im ersten Obergeschoss enthielt der Vertrag nicht.

Die Streitverkündete bezieht derzeit eine monatliche Rente von EUR 678,–.

Am 05.12.2013 wurde der Kläger als Eigentümer des Anwesens im Grundbuch eingetragen. Mit Anwaltsschreiben vom 09.12.2013 ließ er den Beklagten mit Fristsetzung zum 31.12.2013 zur Räumung und Herausgabe der Wohnung 1. OG, – auffordern. Dieser Aufforderung ist der Beklagte bislang nicht nachgekommen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, er sei nunmehr Eigentümer des Wohnhauses -, das ihm dem Wunsch seiner Großmutter entsprechend übertragen worden sei. Der Beklagte habe kein Recht mehr, in der Wohnung zu bleiben. Weder gebe es einen Mietvertrag, noch könne sich der Beklagte weiterhin auf sein Leibgeding berufen. Dieses sei schließlich nicht im Grundbuch eingetragen worden und gehe ihn – den Kläger – deshalb nichts an. Wenn der Beklagte der Meinung sei, er habe Ansprüche gegen die Streitverkündete, so möge er sich an diese halten. Außerdem habe er ohnehin angekündigt auszuziehen, wenn seine Lebensgefährtin einmal sterben würde.

Der Kläger hat zuletzt beantragt, zu erkennen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, die abgeschlossene Wohnung in D., …, 1. OG, bestehend aus Toilette, Bad, Kinderzimmer, Schlafzimmer, Abstellraum, Wohnzimmer, Küche mit Esszimmer zu räumen und geräumt an den Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständiges Nutzungsentgelt vom 01.01.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 700,00 € x 12 = 8.400,00 € zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte bis zur Räumung ein monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von 700,00 € zu zahlen hat.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage mit folgenden Anträgen erhoben:

1. Der Kläger wird verurteilt, die Eintragung des Wohnungsrechts des Beklagten gemäß Ziff. XIII. Nr. 3 i. V. m. Ziff. XIV. der notariellen Überlassungsurkunde R.Nr. … des Notars Dr. P. in D. vom 29.01.2003 zu bewilligen.

2. Der Kläger wird verurteilt, dem Beklagten den Besitz an den zur Wohnung -, D., 1. Stock gehörigen Räumen, Einrichtungen und Anlagen wieder einzuräumen, namentlich der (rechten) Garage, einem Kellerraum, der Waschküche, den Mülltonnen, dem Gartenanteil und dem Treppenlift. Darüber hinaus wird der Kläger verurteilt, die Namensschilder an Postkasten und Klingel wieder anzubringen.

Hilfsweise:

Der Kläger wird verurteilt, im Zuge der Rückabwicklung des Überlassungsvertrages des Notariats G. vom 12.11.2013, Urk.-Nr. …., der Löschung seiner Person als Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts L. für D., Bl. …, eingetragenen Grundbesitzes -, Flst.-Nr. …, zuzustimmen.

Höchst hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt ist, vom Beklagten zu dessen Lebzeiten Räumung der im 1. LG des Anwesens … in D. gelegenen abgeschlossenen Wohnung, bestehend aus Toilette, Bad, Kinderzimmer, Schlafzimmer, Abstellraum, Wohnzimmer, Küche mit Esszimmer, zu verlangen.

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragen lassen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, mit dem Tod seiner Lebensgefährtin T.F. sei sein bis dahin aufschiebend bedingtes Leibgeding aus dem Überlassungsvertrag von 2003 entstanden. Dieses Leibgeding sei auch keineswegs durch den Überlassungsvertrag vom 12.11.2013 erloschen. Er besitze daher weiterhin das Wohnrecht an der Wohnung im ersten Obergeschoss. Im Übrigen sei der Überlassungsvertrag vom 12.11.2013 wegen Kollusion sittenwidrig; sowohl der Kläger als auch die Streitverkündete seien ihm nach § 826 BGB schadensersatzpflichtig.

In der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2015 hat das Gericht Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Streitverkündeten C.B. als Zeugin. Außerdem wurde der Kläger zu der Angelegenheit informell angehört. Wegen des Ergebnisses der Zeugeneinvernahme und der Anhörung wird auf das Protokoll der Verhandlung verwiesen; zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Weder die Klage noch die Widerklage können aus Rechtsgründen Erfolg haben.

Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch bezüglich der streitgegenständlichen Wohnung in D., …, 1. OG steht dem Kläger gegen den Beklagten nicht zu. Nachdem vertragliche Beziehungen zwischen den Parteien nicht bestehen, kommt vorliegend nur ein Vindikationsanspruch aus § 985 BGB in Betracht. Dieser scheitert am fehlenden Eigentum des Klägers, denn der zwischen ihm und der Streitverkündeten C.B. am 12.11.2013 geschlossene notarielle Überlassungsvertrag ist ebenso wie die darin erklärte Auflassung wegen Sittenverstoßes nichtig.

1. Nach herrschender Auffassung kann ein Vertrag insbesondere dann als sittenwidrig (§ 138 Abs. 1 BGB) einzustufen sein, wenn die Vertragsschließenden bewusst zusammenwirken, um einen Dritten zu schädigen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11.12.1963, Az.: V ZR 41/62, Rn. 7 m. w. N.). Dabei ist vom Grundsatz privatautonomer Vertragsfreiheit auszugehen; die Teilnehmer am Rechtsverkehr dürfen grundsätzlich von den Möglichkeiten der Rechtsordnung Gebrauch machen, auch wenn dies für Dritte nachteilige Folgen haben mag. Anders liegt es aber dann, wenn ein Vertrag, mit dem ein Drittrecht vereitelt wird, mit verwerflichen Beweggründen oder ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wird, dem Dritten Schaden zuzufügen (BGH, a. a. O., Rn. 7 a.E.). Beides liegt hier vor.

a) Kennzeichnend für den hiesigen Fall ist die Tatsache, dass der Überlassungsvertrag vom 12.11.2013 als solcher unbedenklich erscheint und erst durch das Hinzutreten weiterer Umstände ein dezidiertes Unwerturteil verdient. Die vorgenommene Eigentumsübertragung an den Kläger ist für sich nicht zu beanstanden; sie entsprach auch dem Willen der ursprünglichen Eigentümerin T.F., der bereits in dem Überlassungsvertrag vom 29.01.2003 zum Ausdruck gekommen ist.

Die grobe Anstößigkeit des Überlassungsvertrag vom 12.11.2013 folgt erst daraus, dass er nach Überzeugung des Gerichts mit dem seinerzeitigen Inhalt und zum seinerzeitigen Zeitpunkt ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wurde, mit der Eigentumsübertragung auf den Kläger den Anspruch des Beklagten gegen die Streitverkündete auf dingliche Absicherung seines schuldrechtlichen Leibgedings zu vereiteln und zugleich die schuldrechtlichen Leibgedingsansprüche des Beklagten gegen die Streitverkündete zu zerstören (rechtliche Unmöglichkeit, § 275 Abs. 1 BGB). Denn der Beklagte hatte seinen dinglichen Absicherungsanspruch (vgl. Ziffer XIV., letzter Satz des Überlassungsvertrags vom 29.01.2003) nach dem Tod seiner Lebensgefährtin T.F. gegenüber der Streitverkündeten angemeldet und mit Anwaltsschreiben vom 22.11.2013 förmlich geltend gemacht. Die Streitverkündete und der Kläger kannten das schuldrechtliche Leibgeding des Beklagten und sein Sicherungsverlangen; sie waren zudem anwaltlich und notariell beraten. Der Umstand, dass sie vor diesem Hintergrund einerseits in den Überlassungsvertrag vom 12.11.2013 keine die Rechte des Beklagten wahrende Regelung aufnahmen, andererseits den umgehenden grundbuchlichen Vollzug der Urkunde vom 12.11.2013 betrieben, lässt nur den Schluss zu, dass es ihnen gerade um die ersatzlose Beseitigung der Rechtspositionen des Beklagten ging.

Ob für den Vertragsschluss am 12.11.2013 auch die vom Kläger und der Streitverkündeten betonten Motive (insbesondere persönliche Überlastung der Streitverkündeten) eine Rolle gespielt haben, ist nach Ansicht des Gerichts zu bezweifeln, da die Streitverkündete ohnehin nur im Rahmen des Zumutbaren aus dem Vertrag von 2003 verpflichtet war (vgl. dessen Ziffer XIV. i. V. m. XIII.4b). Außerdem erscheint die dahingehende Argumentation der Streitverkündeten – worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat – insofern unschlüssig, als die Streitverkündete bei Vereitelung des Leibgedings des Beklagten mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen hatte und auch gerechnet hat. Dass diese Folge einkalkuliert war, zeigt nicht zuletzt der wiederholte prozessuale Hinweis des Klägers, der Beklagte möge sich wegen seines Leibgedings doch an die Streitverkündete halten.

Die Frage weiterer Motive der Streitverkündeten oder des Klägers für die Grundstücksüberlassung kann im Ergebnis dahinstehen. Denn Gegenstand rechtlicher Beanstandung ist nicht die Überlassung als solche, sondern ihre Vornahme zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Beklagte um Sicherung seiner Rechte bemühte, sowie das bewusste Unterlassen von Vorkehrungen, die die Rechte des Beklagten gewahrt hätten.

Der Eindruck einer gemeinschaftlich begangenen vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zum Nachteil des Beklagten und seiner gezielten Entrechtung wird durch die Tatsache abgerundet, dass eventuelle Schadensersatzansprüche des Beklagten im Hinblick auf die (allen Beteiligten wohl bekannte) Vermögenssituation der Streitverkündeten kaum werthaltig wären.

Zusammengefasst folgt die Sittenwidrigkeit des Überlassungsvertrags vom 12.11.2013 daraus, dass dieser Vertrag eine Rechtswahrung des Beklagten im Sinne des Überlassungsvertrages vom 29.01.2003 bewusst nicht vorsah, sondern im Gegenteil die legitime dingliche Sicherung der Beklagtenrechte vereiteln sollte und mit seinem dinglichen Vollzug nicht nur die schuldrechtliche Position des Beklagten gezielt zerstörte, sondern auch eventuellen Sekundärrechten des Beklagten die wirtschaftliche Basis entziehen sollte.

b) Nach dem Ergebnis der Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2015 waren sich der Kläger und die Streitverkündete – anwaltlich, notariell und familiär beraten – vollständig darüber im Klaren, was sie taten und welche Folgen dies für den Beklagten haben würde. Dass sie genau den eingetretenen Erfolg wollten, bestätigt auch der Umstand, dass der Beklagte nur wenige Tage nach grundbuchlichem Vollzug zur Räumung aufgefordert wurde.

Dass der Kläger und die Streitverkündete kein Unrechtsbewusstsein zeigen, hindert die Verwerflichkeit ihres Vorgehens nicht.

c) Die Nichtigkeitsfolge des § 138 Abs. 1 BGB betrifft den schuldrechtlichen Überlassungsvertrag insgesamt (§ 139 BGB). Da vorliegend gerade der dingliche Vollzugserfolg und die damit verbundenen Wirkungen zu missbilligen sind (vgl. Bassenge in: Palandt, BGB, Einführung § 854 Rn. 11), muss auch die Auflassung (vgl. § 3 des Überlassungsvertrags vom 12.11.2013) der Nichtigkeit verfallen.

2. Nachdem der Kläger nicht Eigentümer des Anwesens – in D. geworden ist, ist eine Rechtsgrundlage für das von ihm verlangte Nutzungsentgelt und die erstrebte Feststellung nicht ersichtlich.

3. Ob der Beklagte eventuellen Klägeransprüchen auch Gegenrechte nach §§ 273 Abs. 1, 826 BGB entgegenhalten könnte, kann bei dieser Rechtslage dahinstehen.

II.

Zu den Widerklageanträgen ist Folgendes zu bemerken:

1. Ein eventueller Sicherungsanspruch des Beklagten aus Ziffer XIV. letzter Satz des Überlassungsvertrags vom 29.01.2003 würde sich zunächst gegen die Streitverkündete (als dortige Vertragspartei) richten. Ob eine entsprechende Mitwirkungspflicht des Klägers möglicherweise aus § 826 BGB abzuleiten wäre, kann offenbleiben, da der Kläger nicht Eigentümer des Grundstücks, sondern nur Buchberechtigter geworden ist (vgl. oben I.).

2. Ein Anspruch auf Besitzverschaffung an den Beklagten bestünde nur, soweit der Besitz des Beklagten an der streitgegenständlichen Wohnung nicht bestünde bzw. gestört wäre. Auch wenn und soweit dies der Fall wäre, würde sich ein solcher Anspruch nicht gegen den Kläger, sondern gegen die Streitverkündete richten, die nach wie vor Eigentümerin und Leibgedingsverpflichtete ist.

3. Der Hilfsantrag auf Zustimmung des Klägers zur Löschung seiner Grundbucheintragung als Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens ist gleichfalls unbegründet. Ein entsprechender Anspruch aus § 894 BGB steht dem Beklagten nicht zu, da dieser durch die Buchposition des Klägers nicht beeinträchtigt ist.

4. Soweit schließlich die Feststellung eines fehlenden Räumungsanspruchs des Klägers begehrt wird, handelt es sich um das kontradiktorische Gegenteil des Klageantrags auf Räumung und Herausgabe. Dieser hilfshilfsweise gestellte Antrag ist daher unzulässig (vgl. Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, § 261 Rn. 13).

III.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO und § 41 GKG.

IV.

Der Kostenausspruch ergibt sich aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

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