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Physiotherapeutenhaftung – fehlerhafte Behandlung und Aufklärungspflichtverletzung

Haftungsrisiken in der Physiotherapie: OLG Hamm bestätigt Praxisurteil

Das vorliegende Urteil des OLG Hamm (Az.: I-26 U 44/14 vom 19.12.2014) beschäftigt sich mit der Klage eines Patienten gegen eine Physiotherapiepraxis wegen behaupteter Fehlbehandlung und Aufklärungspflichtverletzung nach einer physiotherapeutischen Behandlung, die zu einem Hirninfarkt führte; das Gericht wies die Berufung des Klägers zurück, da weder eine Fehlbehandlung noch eine Aufklärungspflichtverletzung nachgewiesen werden konnte.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Hamm bestätigt das Urteil des Landgerichts Bielefeld und weist die Berufung des Klägers zurück, der Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen einer vermeintlichen Fehlbehandlung durch eine Physiotherapiepraxis und Aufklärungspflichtverletzung forderte.
  • Trotz des schweren Verlaufs mit einem Hirninfarkt nach der Behandlung konnte der Kläger weder eine Fehlbehandlung noch eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Physiotherapiepraxis nachweisen. Die Entscheidung beruht auf der Bewertung medizinischer Expertise und Zeugenaussagen.
  • Das Gericht folgte der Argumentation, dass die physiotherapeutische Behandlung fachgerecht erfolgte und keine unzulässigen Behandlungsmethoden angewandt wurden. Zudem wurde festgestellt, dass keine Aufklärungspflichtverletzung vorlag, da die Verantwortung für die Aufklärung beim verordnenden Arzt liegt und die Therapeuten auf die ärztliche Verordnung vertrauen durften.
  • Der Sachverständige bestätigte, dass aus seiner Sicht keine Behandlungsfehler vorlagen und auch die Beschreibung der Behandlung durch die Therapeutin am kritischen Tag keine unzulässige Manipulation erkennen ließ.
  • Aufgrund des fehlenden Nachweises einer direkten Kausalität zwischen der Behandlung und dem Hirninfarkt sowie der Bewertung, dass mögliche vorherige Beeinträchtigungen des Klägers bereits auf eine Schädigung hindeuten könnten, wurde die Klage abgewiesen.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer gründlichen medizinischen Untersuchung und Dokumentation sowie die Notwendigkeit, dass Patienten bei physiotherapeutischen Behandlungen aufgeklärt werden, auch wenn die primäre Aufklärungspflicht beim behandelnden Arzt liegt.
  • Die Kostenentscheidung und die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen den üblichen zivilprozessualen Vorschriften. Die Revision wurde nicht zugelassen, da das Urteil keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Haftungsrisiken im physiotherapeutischen Behandlungsalltag

Physiotherapeutische Behandlungen sind in der heutigen Zeit allgegenwärtig und unverzichtbar. Doch wie in vielen Bereichen der Medizin sind auch hier Behandlungsfehler und Aufklärungsmängel eine Realität, die für Patienten schwerwiegende Folgen haben können. Insbesondere bei manuellen Therapien wie Mobilisationen oder Manipulationen besteht ein erhöhtes Risiko, wenn nicht fachgerecht und sorgfältig vorgegangen wird.

Daher ist es wichtig, die rechtlichen Grundlagen sowie potenzielle Haftungsrisiken für Physiotherapeuten zu kennen. Nur so können Behandler angemessen und vorausschauend agieren, um sich bestmöglich abzusichern und Patienten vor Schäden zu bewahren. Gleichzeitig hilft Wissen in diesem sensiblen Bereich, betroffenen Patienten ihr Recht auf Schadensersatz einzufordern.

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➜ Der Fall im Detail


Physiotherapeutenhaftung bei fehlerhafter Behandlung und Verletzung der Aufklärungspflicht

Der Fall dreht sich um einen Kläger, der nach einer physiotherapeutischen Behandlung in der Praxis der Beklagten ernsthafte gesundheitliche Probleme erlitt.

Physiotherapeutenhaftung
(Symbolfoto: Lopolo /Shutterstock.com)

Der Kläger, der anfänglich unter Rücken- und Nackenverspannungen litt, erhielt auf Anweisung seines Arztes Krankengymnastik, die von den Mitarbeiterinnen der Beklagten durchgeführt wurde. Nach mehreren Behandlungssitzungen erlebte der Kläger ein Kribbeln in der linken Körperhälfte, gefolgt von Lähmungserscheinungen und schließlich einem Hirninfarkt, welcher auf eine Dissektion der Arteria vertebralis zurückgeführt wurde. Der Kläger machte eine fehlerhafte Behandlung, insbesondere ein unzulässiges Einrenkmanöver, und die Verletzung der Aufklärungspflicht für seine Erkrankung verantwortlich und forderte Schadensersatz sowie Schmerzensgeld.

Die gerichtliche Entscheidung und ihre Begründung

Das OLG Hamm wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz. Das Gericht fand keine Beweise für eine Fehlbehandlung oder eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Physiotherapiepraxis. Der Sachverständige konnte weder in den Behandlungsunterlagen noch in den Zeugenaussagen Hinweise auf eine unzulässige Behandlungsmethode erkennen. Auch die Durchführung eines Probezugs, der als Vorwurf im Raum stand, wurde nicht als fehlerhaft angesehen. Vielmehr wurde festgestellt, dass die Behandlung im Einklang mit den üblichen medizinischen Standards erfolgte.

Die Rolle der Aufklärungspflicht in der physiotherapeutischen Praxis

Interessant ist die Feststellung des Gerichts zur Aufklärungspflicht: Es wurde klargestellt, dass die primäre Aufklärungspflicht beim verordnenden Arzt liegt und nicht bei den durchführenden Physiotherapeuten. Diese müssen sich auf die ärztliche Verordnung verlassen können und sind nicht verpflichtet, eigene Anamnesen zu erstellen oder über Risiken aufzuklären, die mit der Behandlung verbunden sein könnten. Das Gericht unterstreicht damit die Verantwortungsteilung im medizinischen Behandlungsprozess zwischen Ärzten und weiteren medizinischen Fachkräften.

Die Bedeutung der fachlichen Qualifikation und der dokumentierten Behandlung

Das Urteil hebt hervor, wie wichtig eine adäquate Dokumentation und die Einhaltung von Behandlungsstandards in der medizinischen und therapeutischen Praxis sind. Die Qualifikation der behandelnden Physiotherapeuten und die korrekte Ausführung der Therapiemaßnahmen standen im Mittelpunkt der gerichtlichen Bewertung. Das Gericht ließ dabei auch die Berufserfahrung der behandelnden Personen und ihre fachliche Einschätzung in die Entscheidungsfindung einfließen.

Kostenentscheidung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Abschließend folgt die Entscheidung den üblichen zivilprozessualen Vorschriften hinsichtlich der Kostenverteilung und der vorläufigen Vollstreckbarkeit. Der Kläger wurde dazu verpflichtet, die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Eine Revision wurde nicht zugelassen, was die Endgültigkeit des Urteils unterstreicht und dessen Bedeutung als Einzelfallentscheidung ohne Präzedenzcharakter festigt.

Insgesamt verdeutlicht das Urteil die Komplexität medizinrechtlicher Fälle, insbesondere im Bereich der Haftung für medizinische Behandlungen. Es zeigt auf, dass die Beweislast beim Kläger liegt und wie entscheidend die fachliche Bewertung durch Sachverständige für den Ausgang eines Rechtsstreits sein kann.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was umfasst die Haftung von Physiotherapeuten?

Physiotherapeuten haften grundsätzlich für Behandlungsfehler, die dem Patienten einen Schaden zufügen. Die Haftung ergibt sich in der Regel aus dem Behandlungsvertrag zwischen Therapeut und Patient. Dabei muss der Physiotherapeut die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lassen. Er haftet, wenn er schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, einen Fehler begeht, der zu einer Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten führt.

Für Fehler angestellter Therapeuten haftet grundsätzlich der Praxisinhaber als Vertragspartner des Patienten. Der Praxisinhaber kann aber bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim Mitarbeiter nehmen. Die Haftung ist auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gerichtet. Sie setzt voraus, dass der Patient den Behandlungsfehler und den dadurch verursachten Schaden beweisen kann.

Neben Behandlungsfehlern im engeren Sinne können auch Aufklärungsfehler haftungsbegründend sein. Der Therapeut muss den Patienten verständlich über Risiken aufklären, insbesondere wenn mehrere Therapieformen zur Wahl stehen. Die Aufklärung muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient eine wohlüberlegte Entscheidung treffen kann.

Physiotherapeuten sind verpflichtet, sich ausreichend gegen Haftpflichtansprüche zu versichern. Für Praxisinhaber ist eine Berufshaftpflichtversicherung unerlässlich, für angestellte Therapeuten empfehlenswert. Die Versicherung übernimmt im Haftungsfall Schadenersatz und Abwehrkosten. Ohne Versicherungsschutz droht im schlimmsten Fall eine persönliche Haftung mit dem gesamten Vermögen des Therapeuten.

Wie wird eine fehlerhafte Behandlung juristisch bewertet?

Ob eine ärztliche Behandlung fehlerhaft war, bemisst sich danach, ob der Arzt unter Einsatz der von ihm zu fordernden medizinischen Kenntnisse und Erfahrungen im konkreten Fall vertretbare Entscheidungen über die diagnostischen sowie therapeutischen Maßnahmen getroffen und diese Maßnahmen sorgfältig durchgeführt hat. Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn der Arzt bei der Behandlung gegen die zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards verstoßen hat.

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Der Patient trägt die Beweislast dafür, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser zu einem Schaden geführt hat. Da die Beurteilung medizinischer Fragen spezielle Fachkenntnisse erfordert, ist regelmäßig ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen. Der Gutachter muss darlegen, welche medizinischen Standards im konkreten Fall galten, ob es zu Abweichungen davon kam und ob diese Abweichungen aus fachlicher Sicht vertretbar waren.

Beweiserleichterungen kommen dem Patienten bei Dokumentationsmängeln und groben Behandlungsfehlern zugute. Ist eine dokumentationspflichtige Maßnahme nicht aufgezeichnet, wird vermutet, dass sie auch nicht erfolgt ist. Der Arzt kann diese Vermutung aber durch andere Beweismittel widerlegen. Bei einem groben Behandlungsfehler, der eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt, wird vermutet, dass er für den Schaden ursächlich war. Der Arzt muss dann beweisen, dass der grobe Fehler ausnahmsweise nicht zu dem Schaden geführt hat.

Neben Behandlungsfehlern können auch Aufklärungsfehler eine Haftung begründen. Der Arzt muss den Patienten rechtzeitig und verständlich über die Risiken der Behandlung sowie Behandlungsalternativen aufklären. Geschieht dies nicht ordnungsgemäß, haftet der Arzt für Schäden, die sich aus der Verwirklichung eines nicht hinreichend aufgeklärten Risikos ergeben.

Welche Rolle spielt die Aufklärungspflicht in der physiotherapeutischen Praxis?

Physiotherapeuten trifft ebenso wie Ärzte eine umfassende Aufklärungspflicht gegenüber ihren Patienten. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Behandlungsvertrag und ist seit 2013 in § 630e BGB gesetzlich geregelt. Der Therapeut muss den Patienten demnach über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufklären. Dazu gehören insbesondere:

  • Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Behandlung
  • Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten der Maßnahme
  • Behandlungsalternativen, wenn mehrere Methoden in Betracht kommen, die zu unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können

Die Aufklärung muss mündlich erfolgen, in verständlicher Form und so rechtzeitig, dass der Patient eine wohlüberlegte Entscheidung treffen kann. Sie kann nur in Ausnahmefällen entbehrlich sein, etwa bei Unaufschiebbarkeit der Behandlung oder ausdrücklichem Verzicht des Patienten.

Versäumnisse bei der Aufklärung können haftungsrechtliche Konsequenzen haben. Willigt ein Patient auf Basis unzureichender Information in eine Behandlung ein und erleidet er infolge eines Risikos, über das er nicht aufgeklärt wurde, einen Schaden, kann der Therapeut dafür haften. Dies gilt selbst dann, wenn die Behandlung sorgfältig durchgeführt wurde und kein Behandlungsfehler vorliegt.

Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Physiotherapeuten die Aufklärung sorgfältig durchführen und dokumentieren. Empfehlenswert ist die Verwendung von Aufklärungsbögen, die der Patient nach dem Gespräch unterzeichnet. Bei Zweifeln über den Umfang der geschuldeten Aufklärung kann auch eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt sinnvoll sein.

Was sind die Konsequenzen einer Aufklärungspflichtverletzung für Physiotherapeuten?

Wenn Physiotherapeuten ihre Aufklärungspflicht gegenüber Patienten verletzen, kann dies weitreichende rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen:

Grundsätzlich kann eine unzureichende Aufklärung einen Behandlungsfehler darstellen, auch wenn die Behandlung selbst lege artis durchgeführt wurde. Der Patient ist dann so zu stellen, als hätte er in die Behandlung nicht eingewilligt. Er kann Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen, wenn er durch Verwirklichung eines Risikos, über das er nicht aufgeklärt wurde, einen Gesundheitsschaden erleidet.

Dabei trägt der Patient die Beweislast für das Vorliegen eines Aufklärungsfehlers. Allerdings wird vermutet, dass eine Maßnahme nicht erfolgt ist, wenn sie entgegen der Dokumentationspflicht nicht in der Patientenakte vermerkt wurde. Der Therapeut muss dann beweisen, dass er ordnungsgemäß aufgeklärt hat.

Neben der Haftung auf Schadensersatz drohen berufsrechtliche Sanktionen durch die zuständige Berufskammer. In gravierenden Fällen kann die Approbation oder Zulassung entzogen werden. Auch strafrechtliche Konsequenzen sind nicht ausgeschlossen, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung.

Um Haftungsrisiken zu minimieren, sollten Physiotherapeuten die Aufklärung sorgfältig durchführen und dokumentieren. Empfehlenswert sind Aufklärungsbögen, die der Patient nach dem Gespräch unterzeichnet. Bei Zweifeln über den geschuldeten Aufklärungsumfang kann eine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt sinnvoll sein.

Inwiefern beeinflusst die Qualifikation und Erfahrung von Physiotherapeuten die Haftungsfrage?

Die Qualifikation und Erfahrung von Physiotherapeuten hat einen erheblichen Einfluss auf die Haftungsfrage. Je besser ein Therapeut ausgebildet ist und je mehr Berufserfahrung er besitzt, desto geringer ist das Risiko von Behandlungsfehlern und Aufklärungsmängeln.

Physiotherapeuten müssen nach ihrer Ausbildung kontinuierlich Fortbildungen absolvieren, um mit den Entwicklungen in der Medizin Schritt zu halten und die Behandlungsqualität zu sichern. Inhaber einer Praxis oder fachliche Leiter sind sogar gesetzlich verpflichtet, innerhalb von 4 Jahren 60 Fortbildungspunkte nachzuweisen. Nur durch regelmäßige Weiterbildung können sie gewährleisten, dass sie die anerkannten fachlichen Standards einhalten, deren Verletzung haftungsrechtliche Folgen haben kann.

Neben formalen Qualifikationen spielt auch die praktische Erfahrung eine wichtige Rolle. Langjährig tätige Physiotherapeuten verfügen über ein größeres Erfahrungswissen, das es ihnen ermöglicht, Probleme systemisch anzugehen und Behandlungsmuster zu erkennen. Sie sind eher in der Lage, Kontraindikationen und Risiken richtig einzuschätzen und Patienten umfassend aufzuklären. Unerfahrene Berufsanfänger laufen hingegen Gefahr, die Grenzen ihrer Kompetenzen zu überschreiten und haftungsrelevante Fehler zu begehen.

Spezialisierungen durch Zusatzqualifikationen, etwa in manueller Therapie oder Lymphdrainage, befähigen Physiotherapeuten, anspruchsvolle Behandlungen fachgerecht durchzuführen. Wer hingegen Leistungen anbietet, für die ihm die nötige Qualifikation fehlt, setzt sich einem erhöhten Haftungsrisiko aus. Gleiches gilt, wenn veraltete oder wissenschaftlich überholte Methoden angewandt werden, weil versäumt wurde, sich fortzubilden.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Je qualifizierter und erfahrener ein Physiotherapeut ist, desto besser kann er eine fachgerechte, risikoarme Behandlung gewährleisten. Fachliche Kompetenz, gepaart mit gewissenhafter Aufklärung, ist der beste Schutz vor Haftungsansprüchen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 823 BGB (Schadensersatzpflicht): Dieser Paragraph ist zentral, da er die Grundlage für Schadensersatzansprüche bei Körperverletzungen oder Gesundheitsschäden durch fehlerhafte medizinische Behandlungen bildet. Im Kontext der Physiotherapeutenhaftung legt er fest, dass bei einer Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit durch eine fahrlässige oder vorsätzliche Handlung Schadensersatzansprüche entstehen können.
  • § 630a BGB (Vertragstypische Pflichten beim Behandlungsvertrag): Dieser Paragraph definiert die allgemeinen Pflichten im Rahmen eines Behandlungsvertrages, zu denen auch physiotherapeutische Behandlungen zählen. Er ist relevant für die Beurteilung, ob die erbrachte Behandlung den fachlichen Standards entsprach und somit den vertraglichen Verpflichtungen genügte.
  • § 630h BGB (Beweislast bei Haftung für Behandlungs- und Aufklärungsfehler): Spezifiziert die Beweislastregelungen bei Behandlungsfehlern. Für den vorliegenden Fall ist dieser Paragraph besonders wichtig, da er regelt, unter welchen Umständen der Behandelnde beweisen muss, dass kein Behandlungsfehler vorliegt, und umgekehrt, wann der Patient nachweisen muss, dass ein Fehler erfolgt ist.
  • Patientenrechtegesetz: Auch wenn es kein spezifischer Paragraph ist, bildet dieses Gesetz die rechtliche Grundlage für die Behandlung von Patienten im deutschen Gesundheitssystem und regelt unter anderem Aufklärungs- und Informationspflichten. Es ist relevant für die Bewertung, ob eine angemessene Aufklärung über die Risiken der physiotherapeutischen Behandlung erfolgte.
  • § 630c BGB (Mitwirkung der Vertragsparteien; Informationspflichten): Betont die Bedeutung der Kommunikation zwischen Patient und Behandelndem. Dieser Paragraph ist im Kontext der Aufklärungspflichtverletzung relevant, da er die Pflicht des Therapeuten zur umfassenden Information über die Behandlung hervorhebt.
  • § 253 BGB (Immaterieller Schaden): Dieser Paragraph erlaubt bei Verletzungen des Körpers oder der Gesundheit, Schmerzensgeldansprüche geltend zu machen. Er ist wichtig für den Teil des Urteils, der sich mit der Forderung nach Schmerzensgeld wegen der erlittenen gesundheitlichen Schäden durch die fehlerhafte Behandlung beschäftigt.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-26 U 44/14 – Urteil vom 19.12.2014

Die Berufung des Klägers gegen das am 11. Februar 2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers.

Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilig andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und Schadensersatz aufgrund einer behaupteten physiotherapeutischen Fehlbehandlung.

Der Kläger litt im April 2008 unter Verspannungen im Rücken- und Nackenbereich. Der Streithelfer verordnete ihm deswegen Krankengymnastik, die der Kläger in der Praxis der Beklagten von den Zeuginnen W und N durchführen ließ. Die ersten Behandlungen am 06.05. und 08.05.2008 führte die Zeugin W durch, eine weitere Behandlung erfolgte am 13.05.2008 durch die Zeugin N und am 19.05.2008 nochmals durch die Zeugin W.

Nach der letzten Behandlung verspürte der Kläger schließlich ein Kribbeln in der linken Körperhälfte, so dass er zum Streithelfer fuhr. Beim Aussteigen stürzte er zweimal zu Boden und musste auf allen Vieren zu dessen Tür krabbeln. Zu diesem Zeitpunkt waren auch bereits Lähmungserscheinungen auf der linken Gesichtshälfte eingetreten. Der Streithelfer alarmierte wegen des Verdachtes auf einen Schlaganfall den Rettungswagen, der den Kläger in das Klinikum nach O verbrachte. Dort wurde eine Dissektion der Arteria vertebralis festgestellt, die zu einem Hirninfarkt geführt hatte. Am 06.06.2008 konnte der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen werden. Es schloss sich sodann eine Reha-Behandlung in D bis zum 24.07.2008 an. Wegen eines Schwächeanfalls musste der Kläger nochmals stationär ins Klinikum O. Danach erfolgte vom 01.08. bis zum 19.12.2008 eine ambulante Reha-Behandlung.

Der Kläger begann sodann eine Umschulung vom Tischler zum Groß- und Außenhandelskaufmann, die er erfolgreich abschloss, so dass er mittlerweile bei der F-Gruppe tätig ist.

Mit der Begründung, dass am 13.05.2008 durch die Zeugin N ein unzulässiges Einrenkmanöver durchgeführt worden sei und auch die in der Ergänzungssitzung durchgeführten Maßnahmen nicht fachgerecht ausgeführt worden seien, hat der Kläger Ansprüche gegen die Beklagte erhoben. Die Beklagte habe die Zeuginnen nicht unbeaufsichtigt tätig werden lassen dürfen. Zudem sei er auch nicht auf die entsprechenden Risiken aufmerksam gemacht worden. Die fehlerhafte Behandlung habe dazu geführt, dass er seine linke Hand nicht mehr richtig einsetzen könne und der Einbeinstand links nur noch rudimentär möglich sei. Vor diesem Hintergrund hat der Kläger Schadensersatz u.a. wegen Einkommensverlust und Haushaltsführung sowie Fahrtkosten, Zuzahlungen für therapeutische und ärztliche Maßnahmen in Höhe von insgesamt 85.658,08 EUR, ein Schmerzensgeld von mindestens 110.000 EUR, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 100 EUR, Feststellung der Ersatzverpflichtung für zukünftige materielle und immaterielle Schäden sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten von 4.907,56 EUR verlangt.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der bei beiden behandelnden Physiotherapeutinnen sowie sachverständig beraten durch Dr. C die Klage abgewiesen, weil man keine unzulässigen Behandlungsmethoden feststellen könne und der erlittene Infarkt aufgrund der Dissektion der Arterie auch anlagebedingte Ursachen haben könne, die entweder aufgrund der Behandlungen oder auch durch eine normale Kopfbewegung ausgelöst worden sein könnten.

Aufklärungspflichtverletzungen lägen nicht vor. Zum einen bestehe keine Pflicht der Beklagten über Risiken aufzuklären, weil diese nur der behandelnde Arzt schulde. Zum anderen hätten die Physiotherapeuten auch keine eigene Anamnese durchführen müssen, sondern sich auf die Verordnung des Arztes verlassen können.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Er meint, dass der Zeugin N schon deswegen nicht zu folgen sei, weil sie Berufsanfängerin gewesen sei. Vor diesem Hintergrund könne sie auch gar nicht von einem Behandlungsschema sprechen, dem sie immer folge. Sie habe auch keine Zusatzbezeichnung für „manuelle Therapie“ und habe nach eigenen Angaben auch keinen Probezug durchgeführt, was der Sachverständige aber für erforderlich gehalten habe. Es sei auch offen geblieben, ob die Zeugin angesichts ihrer Ausbildung überhaupt diese Therapie hätte durchführen dürfen. Es habe sich dabei um einen besonders aufklärungspflichtigen Bereich gehandelt.

Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht die Angaben der Zeugin für brauchbar gehalten habe, obwohl diese erhebliche Erinnerungslücken gehabt hätten.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und nach seinen in der Schlussverhandlung gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Streithelfer beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes, insbesondere die gestellten Anträge, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Senat hat die Parteien sowie den Sachverständigen Dr. C nochmals angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Berichterstattervermerk vom 19.12.2014 verwiesen.

II.

Die Berufung ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Landgericht Ansprüche des Klägers verneint, weil er keine Fehlbehandlungen in der Praxis der Beklagten nachweisen kann und zudem keine Aufklärungspflichtverletzung vorliegt.

Auch nach nochmaliger Anhörung des Sachverständigen kann eine unzulässige und unfachmännische Behandlung in Form einer Manipulation nicht festgestellt werden.

Der Sachverständige hat nochmals bestätigt, dass er weder aus der Dokumentation, dem Entlassbrief des Krankenhauses O noch aus den beiden Zeugenaussagen eine fehlerhafte Behandlung entnehmen kann. Die Darstellung der Behandlungsweise durch die Zeugin N am 13.05.2008 kann sowohl eine unzulässige Manipulation als auch eine zulässige Mobilisation gewesen sein, weil es sich dabei lediglich um eine Änderung der technischen Ausführung handelt. Während beide Zeuginnen aufgrund ihrer Ausbildung die von ihnen dargestellten Mobilisationsmaßnahmen ausführen dürfen, ist eine Manipulation ausschließlich Ärzten vorbehalten. Auch aus der Angabe der Zeugin N für den 13.05.2008 hat er nicht auf eine Manipulation schließen können. Die Zeugin hat vielmehr in richtiger Weise den Probezug, den Release, vorgenommen, bevor sie mit ihrer Behandlung begonnen hat. Nach Angaben des Sachverständigen sind nämlich dabei geäußerte Schmerzangaben ein Warnsignal. Tatsächlich lassen sich bei diesem Probezug aber entsprechenden Schmerzäußerungen weder aus der Darstellung des Klägers selbst noch aus den Bekundungen der Zeugin N entnehmen. Mit Ausnahme des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Behandlung und Dissektion mit Hirninfarkt hat der Sachverständige keinerlei Anhaltspunkte dafür finden können, dass in der Praxis der Beklagten tatsächlich eine unzulässige Manipulation ausgeführt wurde. Insoweit hat der Sachverständige darauf verwiesen, dass die vom Kläger zuvor beklagten Beeinträchtigungen schon ein Hinweis auf eine stattgefundene Schädigung der Arterie gewesen sein können.

Soweit sich aus dem Entlassbrief des O Krankenhauses eine weitere Behandlung vom 16.05.2008 mit einem Einrenkmanöver ergibt, lässt sich aus der vorliegenden Karteikarte der Beklagten ein solches Behandlungsdatum für den Kläger nicht finden. Ein solches Datum ist ursprünglich vom Kläger auch nicht behauptet worden, der sich auch im Senatstermin diesbezüglich nicht sicher war.

Soweit der Kläger behauptet hat, dass er anlässlich der Behandlung am 19.05.2008 von Schmerzen anlässlich der vorhergehenden Behandlung berichtet hat, hat sich die Zeugin W daran nicht erinnern können, aber angegeben, dass sie bei besonderen Schmerzangaben Rücksprache mit der Zeugin N gehalten hätte. Der Sachverständige hat sich zudem dahingehend geäußert, dass er bei einer zwei- bis dreimaligen Behandlung und fortbestehenden Schmerzen noch keine Rücksprache mit dem verordnenden Arzt für erforderlich hält, solange es nicht zu einer Verschlechterung kommt. Eine solche Verschlechterung lässt sich aber weder aus der Dokumentation noch aus den Zeugenaussagen entnehmen.

Der Beklagten kann auch kein Vorwurf wegen einer fehlenden Aufklärung gemacht werden; denn der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass eine gesunde Arterie durch eine Mobilisation nicht geschädigt werden kann. Vor diesem Hintergrund hat er auch eine Aufklärung nicht für erforderlich gehalten. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung (OLG Jena, Urteil vom 18.05.2005, 4 U 641/04 mit Beschluss BGH vom 10.01.2006, VI ZR 110/05).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.

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