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Operationsrisiken – Aufklärung und Inkaufnahme

OLG München

Az: 1 U 2464/10

Beschluss vom 06.08.2010


1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 24.02.2010, Az. 3 O 3418/08, wird durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 40.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Auf den Beschluss des Senats vom 24.06.2010 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Auch das klägerische Vorbringen im Schriftsatz vom 27.07.2010 rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Zu 1) Inhaltlich ausreichendes Aufklärungsgespräch

Dass ein Arzt Jahre nach einer Behandlung keine konkrete Erinnerung mehr an einen bestimmten Patienten und das mit diesem geführte Aufklärungsgespräch hat, ist nach den Erfahrungen des Senats nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Wie im Beschluss vom 24.06.2010 ausführlich unter Hinweis auf Rechtsprechung und Kommentarliteratur dargelegt, kann sich das Gericht dennoch aufgrund der Angaben des Arztes eine Überzeugung bilden, dass ein Aufklärungsgespräch mit einem bestimmten Inhalt stattgefunden hat. Das unterzeichnete Aufklärungsformular ist in diesem Zusammenhang kein förmlicher Beweis für die Führung des Aufklärungsgesprächs, kann jedoch als Indiz in die Beweiswürdigung einbezogen werden und Anhaltspunkte dafür geben, dass und mit welchem Inhalt ein Gespräch durchgeführt wurde. Letztlich entscheidend ist jedoch die Gesamtwürdigung nach § 286 ZPO, die dem Gericht obliegt.

Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, dass sich das Landgericht vorliegend bei der Beweiswürdigung nicht mit den Angaben der Klägerin und deren Glaubwürdigkeit befasst hätte, mag das Landgericht auch nicht jedes Detail der Aussage der Klägerin der Schilderung des Zeugen gegenüber gestellt haben. Die Entscheidung des Landgerichts, den Angaben des Zeugen zu folgen, beurteilt der Senat als vertretbar. Fehler der Beweiswürdigung, die eine Wiederholung der Beweisaufnahme oder eine Anhörung der Partei erforderlich machen würden, zeigt die Klägerin in der Berufung nicht auf.

2) Kein plausibler Entscheidungskonflikt

Wendet die Beklagtenseite im Arzthaftungsprozess ein, dass der Patient auch bei vollständiger und zureichender Aufklärung der ärztlichen Maßnahme zugestimmt hätte, ist es Sache des Patienten, dem Gericht plausibel zu machen, dass er in einen Entscheidungskonflikt darüber geraten wäre, ob er in den vorgeschlagenen Eingriff eingewilligt hätte. Dabei muss im Auge behalten werden, dass an den Nachweis einer hypothetischen Einwilligung durch die Behandlungsseite grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind, damit das Aufklärungsrecht des Patienten nicht auf diesem Wege unterlaufen wird (BGH vom 14. Juni 1994 – VI ZR 260/93 – aaO), und die Darlegung eines Entscheidungskonflikts durch den Patienten gefordert wird, um einem Missbrauch des Aufklärungsrechts allein für Haftungszwecke vorzubeugen (BGH vom 17.04.2007, Az. VI ZR 108/06; BGHZ 90, 103, 112). Erforderlich, aber auch notwendig ist, dass der Patient einsichtig macht, dass ihn die vollständige Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er zustimmen soll oder nicht. Das ist mit dem Entscheidungskonflikt gemeint, der nach den persönlichen Verhältnissen des Patienten wenigstens plausibel (d.h. nachvollziehbar) erscheinen muss, soll nicht von einem Missbrauch des Einwandes der mangelnden Aufklärung ausgegangen werden (BGH vom 11.12.1990, Az. VI ZR 151/90).

Der Senat hält daran fest, dass die allgemeine Erklärung eines Patienten, er hätte im Falle der vollständigen Aufklärung noch einen anderen Arzt konsultiert und erst dann entschieden, ob er sich dem Eingriff unterzieht, noch keine plausible Darlegung eines Entscheidungskonflikts ist. Diese Überlegung kann ein Patient für jeden beliebigen Aufklärungsmangel vorbringen. Letztlich stellt die Erklärung nur eine andere Formulierung für die Behauptung des Patienten dar, er hätte bei vollständiger und richtiger Aufklärung nochmals überlegt, ohne dass anhand der persönlichen Aspekte und der individuellen damaligen Situation (Leidensdruck, sonstige aufgeklärte Risiken, frühere, gleichgelagerte Operationen) dargetan wird, dass gerade das nicht aufgeklärte Zusatzrisiko die Zustimmung zum Eingriff ernsthaft in Frage gestellt hätte. Würde eine solche Aussage genügen, hätte der Einwand der hypothetischen Einwilligung unter keinen Umständen mehr Aussicht auf Erfolg, zumal zu erwarten wäre, dass eine entsprechende anwaltliche Beratung des Patienten erfolgen würde. Dies entspricht nicht der Rechtsprechung des BGH, der mit seinen Vorgaben zur Rechtsfigur des „ernsthaften Entscheidungskonflikts“ einen angemessenen Ausgleich der berechtigten Interessen beider Seiten des Arzthaftungsprozesses sicherstellen will.

Vorliegend ist die Beurteilung des Landgerichts, dass die Klägerin einen Entscheidungskonflikt bei ihrer Anhörung nicht plausibel gemacht hat, rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landgericht hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin einen hohen Leidensdruck hatte, dass sie mehrfach voroperiert war und dass ihr schwerwiegende Risiken der Operation (u.a. Verletzung von Nerven, Gefäßen, Lunge, Querschnittsgefahr) bekannt waren. Sie hat nicht nachvollziehbar erläutert, weshalb für sie die Gefahr der Verletzung eines weiteren Organs (hier der Milz) die Einwilligung zur Operation ernsthaft in Frage gestellt hätte, nachdem sie die aufgeklärten Risiken, insbesondere die Verletzung der lebenswichtigen Lunge, nicht von der Operation abgehalten hat.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder ergibt sich vorliegend eine neue, über den Einzelfall hinausgehende Frage, die für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen Bedeutung haben könnte, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH, § 522 Abs. 2 ZPO. Die Grundsätze zum Nachweis und dem notwendigen Inhalt eines ärztlichen Aufklärungsgesprächs sind in ober- und höchstrichterlicher Rechtsprechung geklärt und gefestigt. Gleiches gilt für die Frage des Entscheidungskonflikts.

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