Bundesarbeitsgericht
Az: 2 AZR 400/08
Urteil vom 10.12.2009
In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20. August 2009 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juli 2007 – 10 Sa 140/07 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.
Die Beklagte betreibt ein Krankenhaus. Die im Jahr 1970 geborene Klägerin ist seit dem 13. Mai 1991 als Arbeiterin im „Zentralen Hausdienst“ beschäftigt. Die Beklagte übertrug diesen Bereich vor Jahren auf ein anderes Unternehmen. Aufgrund einer Vereinbarung mit der Klägerin vom 30. September/18. Oktober 1999 blieb das Arbeitsverhältnis der Parteien bestehen. Bei der Beklagten besteht ein Personalrat, im Erwerberunternehmen ein Betriebsrat.
Die Klägerin wies seit 2003 erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten auf; Ursache waren vor allem ein Schulter-Arm-Syndrom und ein physisches Erschöpfungssyndrom. Sie fehlte im Jahr 2003 in fünf Intervallen an 37 Arbeitstagen, im Jahr 2004 in sieben Intervallen an 53 Arbeitstagen, im Jahr 2005 in 17 Intervallen an 96 Arbeitstagen und bis zum 26. Mai 2006 in fünf Intervallen an 33 Arbeitstagen. Die Beklagte wandte in diesem Zeitraum insgesamt rund 21.400,00 Euro an Entgeltfortzahlungskosten auf.
In den Jahren 2004 und 2005 führte die Beklagte mit der Klägerin mehrere „Fehlzeitengespräche“. In einem ersten „Rückkehrergespräch“ am 27. Februar 2004 empfahl die Betriebsärztin eine Reduzierung der Arbeitszeit oder eine Versetzung der Klägerin in die Bettenzentrale. Beide Alternativen lehnte die Klägerin seinerzeit ab. Im November 2004 wurde sie in die Bettenzentrale versetzt. Am 8. Februar 2005 schlug der die Klägerin behandelnde Facharzt für Orthopädie eine stufenweise Wiedereingliederung in der Zeit vom 14. bis zum 20. Februar 2005 bei einer täglichen Beschäftigung von vier Stunden und anschließend eine Vollzeittätigkeit vor. Die Beklagte hielt diese Wiedereingliederungsmaßnahme für ungeeignet und führte sie nicht durch. Über ein Gespräch vom 17. Juni 2005 vermerkte die Beklagte, die Klägerin sei „körperlich den Anforderungen (der Arbeit) nicht gewachsen“. Der im Januar 2006 eingeschaltete betriebsärztliche Dienst teilte der Beklagten mit Schreiben vom 5. April 2006 ua. mit:
„zu Frage 1: Die Ursache der Fehlzeiten liegt nicht in erster Linie an der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes.
zu Frage 2: Meines Erachtens ist die Prognose auch bei Wechsel des Arbeitsplatzes unverändert. Maßnahmen zur Besserung des Krankheitsbildes wurden mit Frau B. mehrfach und umfangreich erörtert. Falls keine sorgfältige ärztliche Betreuung und eine disziplinierte Gesundheitsförderung zu erreichen ist, muss weiterhin mit Fehlzeiten gerechnet werden. Als weiteres Mittel zur Reduzierung der Fehlzeiten sollte eine stationäre Rehamaßnahme angestrebt werden.
zu Frage 3: Eine Teilzeittätigkeit kann die Beanspruchung von Frau B. zwar vermindern, ist aber nicht als einzige Lösung zu empfehlen.“
Die Klägerin lehnte gegenüber der Betriebsärztin eine stationäre Rehabilitation wegen der Betreuung ihrer Kinder ab.
Am 30. Mai 2006 fand ein Gespräch mit der Klägerin statt, an dem ein Betriebsratsmitglied des Erwerberunternehmens teilnahm.
Nach Beteiligung sowohl des Personalrats der Beklagten als auch des Betriebsrats des Erwerberunternehmens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 1. Juni 2006 zum 31. Dezember 2006 wegen erheblicher Fehlzeiten.
Dagegen hat die Klägerin die vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben. Danach beantragte sie eine stationäre medizinische Rehabilitation, die ihr mit Bescheid vom 24. August 2006 bewilligt wurde.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Ursächlich für ihre Erkrankungen sei ihre Tätigkeit bei der Beklagten. Diese habe ihr einen leidensgerechten Arbeitsplatz anbieten müssen. Es habe einen Schonarbeitsplatz in der Schwesternschule gegeben. Ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sei nicht durchgeführt worden. Die Beklagte habe weder von sich aus eine stationäre Reha-Maßnahme eingeleitet noch abgewartet, bis sie – die Klägerin – diese selbst organisiert und mit Erfolg durchgeführt haben würde. An den „Fehlzeitengesprächen“ seien weder die Mitarbeitervertretungen noch die Servicestellen der Sozialversicherungsträger ausreichend beteiligt worden. Ebenso wenig seien eine Veränderung ihres Arbeitsplatzes oder eine Versetzung in eine andere Abteilung oder die im Februar 2005 vorgeschlagene Wiedereingliederungsmaßnahme in Erwägung gezogen worden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 1. Juni 2006 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei aufgrund der umfangreichen Fehlzeiten der Klägerin und der durch sie verursachten erheblichen betrieblichen Störungen sozial gerechtfertigt. Die Gespräche mit der Klägerin genügten den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes BEM. Das Gesetz stelle an ein BEM keine besonderen inhaltlichen Anforderungen. Es sei Sache der Klägerin gewesen, die vom betriebsärztlichen Dienst empfohlene stationäre Reha-Maßnahme rechtzeitig einzuleiten. Die ärztlich vorgeschlagene Wiedereingliederungsmaßnahme sei nicht geeignet gewesen, die Arbeitsfähigkeit der Klägerin auf Dauer wiederherzustellen. Personal- und Betriebsrat seien hinreichend beteiligt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt diese ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Ob die Kündigung vom 1. Juni 2006 aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist, kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nicht abschließend beurteilt werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend die Grundsätze angewandt, die das Bundesarbeitsgericht zur Kündigung wegen häufiger Erkrankungen entwickelt hat. Aufgrund der bisherigen Feststellungen lässt sich jedoch nicht feststellen, ob die Kündigung unter Berücksichtigung des notwendig durchzuführenden BEM verhältnismäßig ist.
1. Für die soziale Rechtfertigung einer auf Krankheit gestützten Kündigung ist zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich (1. Stufe). Die prognostizierten, erheblichen Fehlzeiten müssen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (2. Stufe). Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen, etwa für Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr, zu einer derartigen Beeinträchtigung führen.
2. Nach dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist eine krankheitsbedingte Kündigung auch dann ungerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen und der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Sie ist nicht erforderlich, solange der Arbeitgeber nicht alle anderen geeigneten milderen Mittel zur Vermeidung künftiger Störungen ausgeschöpft hat. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb auch das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die einen zukünftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich erscheinen lassen. Dafür trägt der Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. Er kann zunächst pauschal behaupten, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Darin liegt regelmäßig zugleich die Behauptung, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Ausgestaltung des Arbeitsplatzes und der Arbeitsbedingungen. Daraufhin hat der Arbeitnehmer konkret darzulegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder seine weitere Beschäftigung – ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen – unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorstellt.
3. In diesem Rahmen gewinnt die Erforderlichkeit eines BEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX Bedeutung für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast.
a) Die Durchführung des BEM ist nach der Rechtsprechung des Senats keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber auch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das BEM ist nicht selbst ein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, zB eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen freizumachenden – Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Dabei wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht allein dadurch verletzt, dass kein BEM durchgeführt wurde. Es muss hinzukommen, dass überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten (Senat 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – Rn. 27, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – Rn. 41 f., BAGE 123, 234).
b) Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht überhaupt kein BEM durchgeführt, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können (Senat 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – Rn. 26, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 – 2 AZR 716/06 – Rn. 44, BAGE 123, 234). In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung noch einnehmen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Erst dann ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.
c) Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein BEM genügt. Zwar enthält § 84 Abs. 2 SGB IX keine nähere gesetzliche Ausgestaltung des BEM (vgl. dazu Düwell in LPK-SGB IX § 84 Rn. 5; Joussen DB 2009, 286, 287). Dieses ist ein rechtlich regulierter „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (Kohte DB 2008, 582, 583). Gleichwohl lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den gesetzlichen Zielen des BEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des BEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist und ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden.
Danach entspricht jedes Verfahren den gesetzlichen Anforderungen, das die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezieht, das keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausschließt und in dem die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge sachlich erörtert werden.
Wird das durchgeführte Verfahren nicht einmal diesen Mindestanforderungen gerecht, kann das zur Unbeachtlichkeit des Verfahrens insgesamt führen.
d) Ist ein BEM ordnungsgemäß durchgeführt worden, ist der Arbeitgeber seiner Verpflichtung aus § 84 Abs. 2 SGB IX nachgekommen. Das BEM hat seinen Zweck erfüllt und sein Ende gefunden. Dieser Umstand hat – je nach dem Ergebnis des BEM – weitere Folgen für die Darlegungslast.
aa) Hat das BEM zu einem negativen Ergebnis, also zur Erkenntnis geführt, es gebe keine Möglichkeiten, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden oder künftig zu vermeiden, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wenn er auf diesen Umstand hinweist und behauptet, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der nunmehr darlegungspflichtige Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast grundsätzlich nicht dadurch, dass er auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten verweist, die während des BEM behandelt und verworfen worden sind. Auch der Verweis auf nicht behandelte Alternativen wird grundsätzlich ausgeschlossen sein. Der Arbeitnehmer muss diese bereits in das BEM einbringen. Er kann allenfalls auf Möglichkeiten verweisen, die sich erst nach Abschluss des BEM bis zum Zeitpunkt der Kündigung ergeben haben.
bb) Hat das BEM zu einem positiven Ergebnis geführt, ist der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet, die empfohlene Maßnahme – soweit dies in seiner alleinigen Macht steht – vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung als milderes Mittel umzusetzen (vgl. JbArbR Bd. 43 S. 91, 104; Joussen DB 2009, 286, 290). Kündigt er, ohne sie umgesetzt zu haben, muss er im Einzelnen und konkret darlegen, warum die Maßnahme entweder trotz Empfehlung undurchführbar war oder selbst bei einer Umsetzung diese keinesfalls zu einer Vermeidung oder Reduzierung von Arbeitsunfähigkeitszeiten geführt hätte. Dem wird der Arbeitnehmer regelmäßig mit einem einfachen Bestreiten entgegentreten können.
4. Liegt eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem letzten Schritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (vgl. zum Ganzen: Senat 23. April 2008 – 2 AZR 1012/06 – Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 8. November 2007 – 2 AZR 292/06 – Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 29 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 54).
5. Unter Berücksichtigung dieses Rahmens ist die vom Landesarbeitsgericht übernommene Würdigung des Arbeitsgerichts, die Gesundheitsprognose der Klägerin sei bei einem unveränderten Einsatz als Arbeiterin in der Bettenzentrale oder im Bereich des „Zentralen Hausdienstes“ negativ, nicht zu beanstanden. Gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, die weiterhin zu erwartenden Erkrankungen führten zu erheblichen wirtschaftlichen Belastungen der Beklagten, hat die Klägerin Verfahrensrügen nicht erhoben.
6. Gleichwohl war das Berufungsurteil aufzuheben. Das Landesarbeitsgericht durfte nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Kündigung auch verhältnismäßig ist.
a) Die Beklagte hat die in den Gesprächen mit der Klägerin entwickelte und von der Betriebsärztin vorgeschlagene Maßnahme, eine Reha-Maßnahme durchzuführen, weder umgesetzt noch hat sie versucht, sie umzusetzen. Darin kann ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegen. Zwar muss ein Arbeitnehmer zu einer stationären Reha-Maßnahme seine Bereitschaft erklären und signalisieren, sie in Angriff nehmen zu wollen, was die Klägerin zunächst nicht getan hat. Der Arbeitgeber hat aber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung eine (durch ein BEM) empfohlene Rehabilitationsmaßnahme – wie ausgeführt – schon von sich aus in Erwägung zu ziehen und ihre Durchführung in die Wege zu leiten. Bedarf es dazu der Einwilligung oder der Initiative des Arbeitnehmers, muss der Arbeitgeber um diese nachsuchen oder den Arbeitnehmer hierzu auffordern. Dazu kann er dem Arbeitnehmer eine Frist setzen. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer dabei deutlich darauf hinweisen, dass er im Weigerungsfall mit einer Kündigung rechnen müsse. Lehnt der Arbeitnehmer die Maßnahme dennoch ab oder bleibt er trotz Aufforderung untätig, braucht der Arbeitgeber die Maßnahme vor Ausspruch der Kündigung nicht mehr als milderes Mittel berücksichtigen.
b) Ob solche Aufforderungen und Hinweise durch die Beklagte im Gespräch vom 30. Mai 2006 erfolgt sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Die spontane Ablehnung der Klägerin gegenüber der Betriebsärztin mit dem Hinweis, sie müsse ihre Kinder betreuen, reicht hierzu nicht aus. Ihr ging kein Hinweis auf die für diesen Fall drohende Kündigung voraus.
c) Darauf käme es allerdings nicht an, wenn feststünde, dass auch nach Durchführung der vorgeschlagenen Reha-Maßnahme keine Besserung der zugrunde liegenden Leiden eintreten und es weiterhin zu erheblichen Fehlzeiten kommen würde (vgl. JbArbR Bd. 43 S. 91, 103 f.; Joussen DB 2009, 286, 290). Dazu hat die Beklagte bisher nicht vorgetragen.
II. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zunächst aufklären müssen, ob die Klägerin trotz Hinweisen auf eine andernfalls beabsichtigte Kündigung eine stationäre Reha-Maßnahme gegenüber der Beklagten definitiv abgelehnt hat. Es wird sodann der Beklagten – ggf. – Gelegenheit geben müssen, dazu vorzutragen, ob auch bei Durchführung der vorgeschlagenen Reha-Maßnahme mit weiteren erheblichen Fehlzeiten zu rechnen war.
Sollte die Beklagte meinen, die vorgeschlagene Reha-Maßnahme sei nicht erfolgversprechend gewesen, hat sie näher darzulegen, warum auch eine leidensgerechte Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes und eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen leidensgerechten Arbeitsplatz, etwa in der Schwesternschule, nicht in Betracht gekommen sind oder ebenso wenig einen Erfolg versprachen.