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Persönlichkeitsrechts­verletzung – Videokamera­ausrichtung auf Nachbar­grundstück

AG München – Az.: 172 C 14702/17 – Urteil vom 14.11.2017

1. Der Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, mittels der an einem Baum (Birke) auf dem Grundstück … installierten Videokamera das von den Klägern gemietete Grundstück – des Klägers zu beobachten, insbesondere Bildnisse oder Filmaufnahmen vom Grundstück oder darauf befindlichen Personen anzufertigen, zu speichern, zu vervielfältigen, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu verwenden. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2017 zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar in Ziffer I gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 200 € in Ziffer II gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden.

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Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger bewohnen als Mieter das Grundstück …, der Beklagte bewohnt das Grundstück … .

Der Beklagte hat auf einer Birke auf der den Klägern zugewandten Seiten eine Kamera installiert, die zum Grundstück der Kläger hin ausgerichtet ist. Diese Kamera macht einzelne Fotos, wenn ein Bewegungsimpuls auf dem Grundstück des Beklagten erfolgt. Die Kamera kann grundsätzlich auch filmen.

Mit Schreiben vom 06.04.2017 hat der Kläger zu 2) den Beklagten aufgefordert, die Überwachung des von den Klägern gemieteten Grundstücks zu unterlassen.

Mit Schreiben vom 08.04.2017 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger den Beklagten auf, eine die Überwachung des Grundstücks der Kläger einzustellen und eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Der Blickwinkel der Kamera wurde geändert. Die aktuelle Kameraeinstellung ist auf Anlage B1 und der aktuelle Blickwinkel auf dem Lichtbild, Anlage B2, wiedergegeben. Der Bewegungserkennungsbereich befindet sich ausschließlich auf dem Grundstück des Beklagten. Der Auslösebereich ist so gewählt, dass eine Person die Einzelbildaufnahme auslöst, wenn sie die Umfriedung überwunden hat und sich auf dem Grundstück des Beklagten befindet. Eine Person vor dem Gartentor aktiviert die Kamera nicht.

Die Klägerin behauptet, die Kamera sei zunächst so eingestellt gewesen, dass Gartentor zum Grundstück der Kläger und die Auffahrt der Kläger überwacht wurde. Wie das Verhalten des Beklagten zeige, bestünde aufgrund des leicht veränderbaren Blickwinkels der Kamera erhöhte Missbrauchsgefahr. Bei Befestigung an der Garagenwand sei es dem Beklagten ohne weiteres möglich sein Grundstück ohne die Rechte der Kläger zu verletzen zu überwachen. Unabhängig davon, dass der Beklagte den Kamerawinkel nach Belieben ändere, liege aufgrund der vom Beklagten selbst eingeräumten Ausrichtung eine Rechtsverletzung der Kläger vor, da der Beklagte mit der Einstellung der Kamera die Bewegungen auf der Auffahrt der Kläger überwache.

Die Kläger beantragen:

1. Der Beklagte wird verurteilt, bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unterlassen, mittels der an einem Baum (Birke) auf dem Grundstück … installierten Videokamera das von den Klägern gemietete Grundstück – des Klägers zu beobachten, insbesondere Bildnisse oder Filmaufnahmen vom Grundstück oder darauf befindlichen Personen anzufertigen, zu speichern, zu vervielfältigen, aufzubewahren oder in sonstiger Weise zu verwenden.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 600,71 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.05.2017 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage wird abgewiesen.

Das Gericht hat die Kläger und den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 informatorisch angehört.

Zur Ergänzung wird verwiesen auf die Schriftsätze der Parteien, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 sowie die übrigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

Persönlichkeitsrechtsverletzung - Videokameraausrichtung auf Nachbargrundstück
(Symbolfoto: Von Photographicss/Shutterstock.com)

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Entgegen des ursprünglichen Hinweises des Gerichts ist die Klage auch ohne Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig. Die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens war gem. § 15 a Abs. 1 S. 1 EGZPO nicht erforderlich.

Die Voraussetzungen des Art. 1 Nr. 1 a BaySchlG, § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO liegen nicht vor, da es sich vorliegend nicht um eine Klage aus dem Nachbarrecht handelt. Diese ist nur gegeben, wenn sich die Klage auf die genannten spezifisch nachbarrechtlichen Regelungen stützt (Rn 31 zu § 15 a EGZPO, Münchner Kommentar, ZPO, 4. Auflage, 2013, beckonline).

Vorliegend ist kein Fall des Art. 1 Nr. 2 BaySchlG, § 15 a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EGZPO gegeben, da von diesem lediglich Ansprüche wegen einer Ehrverletzung, also insbesondere Ansprüche die auf unwahre Tatsachenbehauptungen und herabsetzende Werturteile, stützen, nicht generell sämtliche Ansprüche, mit denen die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend gemacht werden (Rn 34 zu § 15 a EGZPO, Münchner Kommentar, ZPO, 4. Auflage, 2013, beckonline).

2. Die Klage ist begründet, da die Kläger einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 BGB analog haben.

Durch die Installation der Kamera, die unstreitig jedenfalls auf auch auf die vom Kläger genutzte Auffahrt gerichtet ist, ist das Persönlichkeitsrecht der Kläger beeinträchtigt.

Die Herstellung von Bildnissen von Personen ohne Einwilligung des Betroffenen greifen auch ohne Verbreitungsabsicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen ein. Der einzelne soll grundsätzlich selbst entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen er persönliche Daten preisgibt oder verwendet (Urteil 25.04.1995, VI ZR 272/94). Dies gilt sowohl hinsichtlich der Fertigung von Lichtbildern, als auch bei Filmaufnahmen.

Von Klageseite nicht bestritten erfasst der derzeitige Aufnahmewinkel der Kamera, wie auf dem Lichtbild Anlage B2 wiedergegeben, den Boden der Auffahrt der Kläger zu ihrem Garagentor und den unteren Rand des Gartentors sowie der Hecke des Klägergrundstücks, da die Kamera gegenüber vom Gartentor des Beklagten angebracht ist, aber nach unten gerichtet ist. Ausweislich des auf Anlage B 2 zu sehenden Blickwinkels, können erwachsene Personen im Stehen -je nach Standpunkt auf der Auffahrt- maximal bis zum Hüftbereich, kleine Kinder in ganzer Größer erfasst werden. Beim Bücken zum Öffnen des Garagentors, dessen Hebel ausweislich der Anlage K 1 im unteren Bereich des Tores ist, wäre eine Ablichtung der Kläger auch in ganzer Größe möglich.

Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt auch unabhängig davon vor, ob die streitgegenständliche Kamera nur von außen wahrnehmbar geschwenkt werden kann, da sie vorliegend unstreitig auch auf den Auffahrtsbereich der Kläger ausgerichtet ist. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss bei der Installation von Anlagen der Überwachung auf einem Privatgrundstück sichergestellt sein, dass weder der angrenzende öffentliche Bereich noch benachbarte Privatgrundstücke oder der gemeinsame Zugang von den Kameras erfasst werden, sofern nicht ein das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage im Rahmen der Abwägung bejaht werden kann (BGH, Urteil vom 16.03.2010, Az: VI ZR 176/09).

Unabhängig davon, ob die streitgegenständliche Kamera tatsächlich ein Lichtbild der Kläger erstellt hat, besteht durch diese Platzierung mit Ausrichtung zu der gemeinsam genutzten Auffahrt jedenfalls für die Kläger eine Verdachtssituation, die sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt nicht nur vor tatsächlicher Bildaufzeichnung, es schützt bereits vor der berechtigten Befürchtung einer Bildaufzeichnung (BGH Urteil vom 16.03.2010, Az: VI ZR 176/09, MMR 2010, 502).

Die Kläger müssen sich, wenn sie aus ihrem Haus kommend oder zu ihrem Haus gehend, ihre Auffahrt benutzen, durch die Ausrichtung kontrolliert fühlen. Die Kläger können weder beeinflussen, wann sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen werden, noch können sie feststellen, ob solche Aufzeichnungen gefertigt wurden. Unter Berücksichtigung der -auch in der mündlichen Verhandlung vom 07.11.2017 dem Gericht erkennbaren- zwischen den Parteien bestehenden nachbarschaftlichen Streitsituation ist die Befürchtung der Kläger, überwacht zu werden, nachvollziehbar, zumal die die Aufzeichnung auslösenden Bereiche vom Beklagten äußerlich nicht wahrnehmbar über den Computer gesteuert werden können. Jedenfalls besteht vorliegend, da die Kamera unstreitig auf die Auffahrt der Kläger ausgerichtet ist, auch die konkrete -nicht nur hypothetische- Gefahr, dass die Kläger oder identifizierbare Teile ihrer Person bei Bewegungen auf dem Grundstück des Beklagten mit aufgezeichnet werden.

Ein den Eingriff in das Persönlichkeitsinteresse der Kläger überwiegendes Interesse des Beklagten ist vorliegend unter Berücksichtigung und Abwägung sämtlicher Umstände, insbesondere der Tatsache, dass der Beklagte es mit der Überwachung nach eigenen Angaben lediglich darauf anlegt, Bewegungen auf seinem Grundstück zu erfassen, wenn er berufsbedingt abwesend ist, nicht gegeben.

Dieser Zweck kann auch dadurch erreicht werden, dass die Kamera so nach unten ausgerichtet wird, dass der Auffahrtsbereich der Kläger gar nicht mehr zu sehen ist und der sichtbare Bildbereich am unteren Rand des Gartentores, der Garagenmauer und der Hecke des Beklagten beginnt. Als weiteres milderes Mittel, das ebenso den vom Beklagten erstrebten Zweck der Überwachung der Bewegungen in seinem Gartenbereich erfüllt, kann die Kamera auch an der auf Anlage K 1 zu sehenden Hausmauer so mit Ausrichtung nach unten in den Vorgarten befestigt werden, dass die Auffahrt der Kläger dadurch nicht erfasst wird, und eine leichte Entfernung der Kamera durch Eindringlinge durch die Anbringung in einer entsprechend nicht erreichbaren Höhe nicht ohne weiteres möglich ist.

3. Der Kläger hat Anspruch auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einer 1,6 Geschäftsgebühr aus der berechtigten Forderung zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer.

Der Streitwert ist gem. § 3 ZPO, 48 Abs. 2 GKG nach freiem Ermessen festzusetzen, wobei das maßgebliche Interesse der Kläger an der Unterbindung der beanstandenden Verhaltensweisen nach objektiven Kriterien zu bemessen ist. Die Wertangabe der Kläger zu Beginn des Verfahrens stellt ein gewichtiges Indiz dar und hält sich auch in Anbetracht der Tatsache, dass zwei Kläger geklagt haben, in objektiv vertretbaren Grenzen.

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II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Die Nachteile, die eine vorläufige Vollstreckung der Ziffer 1 dem Schuldner bringen würde und den Aufwand den die Wiederherstellung des früheren Zustand bedingen könnte, schätzt das Gericht auf 200 €.

III. Der Streitwert richtet sich nach §§ 3 ZPO, 48 Abs. 2 GKG.

 

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