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Personalengpass – Versetzung: Nichtantritt als Kündigungsgrund

Arbeitsgericht Frankfurt am Main

Az.: 9 Ca 5105/01

Verkündet am 10.10.2001


In dem Rechtsstreit hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kammer 9 auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.2001 durch für Recht erkannt:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 02.07.2001 nicht aufgelöst worden ist.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für dieses Teilurteil auf DM 59.821,10 festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der 33jährige, ledige Kläger ist italienischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz. Geschäftsgegenstand der Beklagten, einer AG, sind Börsengeschäfte im Internet. Der Kläger war seit 01.10.2000 Vorstandsmitglied der Beklagten; diesem Vertragsverhältnis lag ein Anstellungsvertrag vom 24. 11.2000 zu Grunde. Am 30.01.2001 erklärte der Kläger seinen Rücktritt und schied zum 31.01.2001 als Vorstandsmitglied aus.

Am 01.02.2001 trat der Kläger in ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Die Parteien schlossen am 15.02.2001 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:

„§ 2 Tätigkeit

1. Herr wird eingestellt als Kundenbetreuer im Internethandel für den Gesamtbereich Schweiz.

2. Nach Absprache mit dem vorstand ist Herr X zuständig für den Aufbau und Organisation des Schweizer Büros.

3. Herr verpflichtet sich, alle ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig auszuführen und gegebenenfalls bei entsprechender Weisung auch andere als die vorgesehenen Aufgaben zu übernehmen. …

§ 3 Vergütung

1. Das Bruttogrundgehalt beträgt EUR 122.710,00 jährlich. …

§ 9 Ergänzungen und Abänderungen des Vertrages

1. Ergänzungen und Änderungen des Arbeitsvertrages bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.. …“

Auf den sonstigen Wortlaut des Vertrages (BI. 13 – 17 d. A.) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15.05.2001 bat die Beklagte den Kläger, seine Handlungsaktivitäten ab dem 01.06.2001 von der Hauptstelle in Frankfurt am Main aus durchzuführen und kündigte an, ihm ein geeignetes Appartement zur Verfügung zu stellen. Für den Fall, dass der Kläger der Aufforderung nicht nachkomme, drohte sie den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung an (Bl. 18 d. A.).

Der Kläger reagierte mit Schreiben vom 28.05.2001, dessen Wortlaut in Bezug genommen wird (BI. 19 – 21 d.A.). Mit Schreiben vom 08.06.2001 forderte die Beklagte den Kläger auf, wegen eines Personalengpasses in Frankfurt in der Woche vom 11. bis 15.06.2001 in der Hauptstelle zu arbeiten. Für diese Zeit werde sie ihm ein Hotelzimmer zur Verfügung stellen. Innerhalb dieser Zeit könnten alle weiteren Schritte bezüglich des Arbeitsvertrages besprochen werden (BI. 22 d. A.). Der Kläger nahm seine Arbeit in Frankfurt auf. Die Beklagte wandte sich mit weiterem Schreiben vom 13.06.2001 (Wortlaut BI. 23 f. d. A.) an den Kläger und forderte ihn mit Fax-Schreiben vom 15.06.2001 auf, nach seinem Urlaub am 02.07.2001 seine Tätigkeit in Frankfurt aufzunehmen. Mit Schreiben vom 22.06.2001 (BI. 49 – 52 d. A.) widersprach der Kläger sowohl einer Tätigkeit am Arbeitsort in Frankfurt als auch deren inhaltlicher Ausgestaltung.

Zum 30.06.2001 wurde das Schweizer Büro der Beklagten geschlossen.

Der Kläger trat am 02.07.2001 seine Tätigkeit in Frankfurt nicht an. Mit Schreiben gleichen Tages sprach die Beklagte die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus (BI. 25 d. A.).

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 05.07.2001 bei Gericht eingegangenen Klage.

Nach seiner Auffassung entbehrt die Kündigung eines wichtigen Grundes. Er hält sich nicht für verpflichtet, seine Tätigkeit in Frankfurt auszuüben. Vertraglich vereinbarter Arbeitsort sei vielmehr die Schweiz. Dies ergebe sich daraus, dass dort sein Wohnsitz sei, dass er seine Tätigkeit für dieses Land entfalten solle, dass er das Schweizer Büro aufbauen solle und dass der Vertrag eine Versetzungsklausel nicht enthalte. Eine Rückrufmöglichkeit sei vertraglich nicht vereinbart. Vertragsänderungen bedürften der Schriftform.

Des Weiteren ist nach seiner Auffassung die Versetzung zu kurzfristig erfolgt, die Frage zu klären, wer Umzugskosten trägt und wie der Kaufkraftausgleich zu regeln ist; des Weiteren müsse die ausländerrechtliche Seite von Arbeit und Aufenthalt in Deutschland geregelt werden.

Er beantragt: Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der klägerischen Partei durch die fristlose schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 02.07.2001, zugegangen am selben Tage, nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Meinung ist der Vertrag auch in Frankfurt zu erfüllen. Bei dem Arbeitsvertrag handele es sich um einen Entsendevertrag. Der Arbeitsvertrag sei hinsichtlich des Arbeitsortes noch nicht abschließend gewesen. Sie beruft sich darauf, dass der Kläger nur vorübergehend bis zur Eröffnung des Schweizer Büros in Frankfurt habe arbeiten sollen und dass er verpflichtet sei, am Sitz der Beklagten zu erscheinen, um dort Besprechungen durchzuführen. Das Ausländerrecht werfe für den Kläger als Bürger der EG keine Probleme auf. Über die Frage, ob der Kläger auch in Frankfurt tätig zu werden habe, sei zwischen den Parteien ein offener Dissens entstanden.

Die Beklagte wertet das Schreiben des Klägers vom 28.05.2000 als Erklärung eines Einverständnisses; ein solches habe der Kläger auch am 12.06.2001 ausdrücklich geäußert.

Nach Auffassung der Beklagten ist der Ausspruch einer Abmahnung entbehrlich, weil der Abkehrwille des Klägers deutlich zu Tage getreten sei.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist, soweit mit diesem Teilurteil über sie entschieden wird, zulässig und begründet. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung ist unwirksam, denn sie entbehrt eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger war nämlich vertraglich nicht verpflichtet, seine Tätigkeit in Frankfurt zu verrichten.

Eine Auslegung der Bestimmungen des Arbeitsvertrages ergibt, dass der Kläger seine Tätigkeit in der Schweiz entfalten sollte. Dies ergibt sich daraus; dass der Kläger, der in der Schweiz ansässig war, als Kundenbetreuer für den Internethandel in der Schweiz eingestellt war und das Schweizer Büro aufbauen und organisieren sollte. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses existierte bereits ein Schweizer Büro, von dem aus der Kläger tätig werden konnte.

Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die Parteien einen Entsendevertrag geschlossen hätten, der den Kläger jedenfalls auch zur Tätigkeit in Frankfurt verpflichtete. Wenn die Versetzungsklausel auch den Arbeitsort betrifft, ist dies vertraglich ausdrücklich festzuhalten (Schaub; Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl., § 45 111 2 a m. N.). Die Vertragliche Versetzungsklausel verpflichtet den Kläger, lediglich andere als die vorgesehenen Aufgaben zu übernehmen; dass dies an einem anderen Ort zu geschehen habe, ist der vertraglichen Regelung nicht zu entnehmen.

Dass der Kläger, was er bestritten hat, und wofür jedenfalls sein Schreiben vom 28.05.2001 keine Anhaltspunkte bietet, sein Einverständnis mit einer Versetzung nach Frankfurt erklärt habe, ist angesichts des vertraglich vereinbarten Schriftformerfordernisses nicht geeignet, eine wirksame Abänderung des Vertrages herbeizuführen.

Die Beklagte kann die Kündigung auch nicht darauf stützen, dass der Kläger verpflichtet gewesen sei, in Frankfurt Besprechungen durchzuführen. Sie hatte den Kläger bereits für eine Woche – vom 11. bis 15.06.2001 – nach Frankfurt gebeten, damit er dort einen Personalengpass ausgleiche. Laut Schreiben vom 13.06.2001 sollte der Kläger nach dem 02.07.2001 nicht lediglich in Frankfurt Besprechungen durchführen, sondern „für die nächsten Monate“ in Frankfurt tätig werden; als einen Grund nennt die Beklagte die „weiterhin sehr angespannte personelle Situation im Büro Frankfurt“.

Die Auslegung ergibt nicht, dass der Kündigungserklärung hilfsweise eine ordentliche Kündigung zu entnehmen ist.

Es kann dahinstehen, ob die rechtsunwirksame außerordentliche Kündigung der Beklagten in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, § 140 BGB (hierzu Ascheid/Preis/Schmidt-Biebl, GK, RdN. 37, 40 zu § 13 KSchG). Eine durch Umdeutung gewonnene ordentliche Kündigung wäre unwirksam. Sie würde gegen § 612 a BGB verstoßen, weil sie, der Ankündigung vom 15.05.2001 (BI. 18 d. A.) folgend, den Kläger deswegen benachteiligt, weil sich der Kläger in zulässiger Weise auf die ihm arbeitsvertraglich zustehenden Rechte berufen hatte.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Der Wert des Streitgegenstandes, der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzen ist, beläuft sich auf drei Monatseinkommen, § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG.

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