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PKH/VKH – Mitteilungspflicht bei Einkommensverbesserung gemäß § 120a Abs. 2 ZPO

Prozesskostenhilfe und Einkommensveränderungen: Ein Dilemma zwischen Mitteilungspflicht und Bedürftigkeit

In einem jüngst ergangenen Beschluss hat das Amtsgericht Riesa die Verfahrenskostenhilfe für eine Antragstellerin im Rahmen eines Umgangsverfahrens aufgehoben. Die Antragstellerin hatte ursprünglich Verfahrenskostenhilfe erhalten, da sie nur über ein geringes Einkommen in Form von Elterngeld verfügte. Später nahm sie eine Beschäftigung auf, informierte das Gericht jedoch nicht unverzüglich über diese wesentliche Einkommensverbesserung. Das Gericht hob daraufhin die Verfahrenskostenhilfe auf, gegen welche Entscheidung die Antragstellerin sofortige Beschwerde einlegte. Der Kern des rechtlichen Dilemmas liegt in der Frage, ob die Antragstellerin ihre verbesserten wirtschaftlichen Verhältnisse hätte mitteilen müssen, obwohl sie trotz der Einkommenssteigerung weiterhin als bedürftig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts gilt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 18 WF 203/23 >>>

Die Bedeutung der Mitteilungspflicht

PKH/VKH - Mitteilungspflicht bei Einkommensverbesserung gemäß § 120a Abs. 2 ZPO
Prozesskostenhilfe und Einkommensveränderungen: Ein Balanceakt zwischen Mitteilungspflicht und anhaltender Bedürftigkeit im Fokus des Amtsgerichts Riesa. (Symbolfoto: RAY-BON /Shutterstock.com)

Gemäß § 120a Abs. 2 ZPO ist der Beteiligte verpflichtet, wesentliche Verbesserungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen. Das Amtsgericht Riesa ging davon aus, dass die Antragstellerin dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Sie hatte zwar eine Einkommensverbesserung erfahren, jedoch das Gericht nicht darüber informiert. Die Antragstellerin argumentierte jedoch, dass sie trotz der Einkommensverbesserung weiterhin nicht in der Lage sei, die Verfahrenskosten zu tragen.

Die Unklarheit der Rechtslage

Die Rechtslage in Bezug auf die Mitteilungspflicht bei Einkommensverbesserungen ist nicht eindeutig. Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur vertritt die Auffassung, dass eine Mitteilungspflicht nur dann besteht, wenn die Einkommensverbesserung zu einer Änderung der Bewilligungsentscheidung führen würde. In diesem Fall wäre die Antragstellerin trotz der Einkommensverbesserung weiterhin bedürftig, da sie mehreren Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist und über kein nennenswertes Vermögen verfügt.

Die Rolle der Sorgfaltspflicht

Das Amtsgericht hatte auch die Frage der Sorgfaltspflicht der Antragstellerin in Betracht gezogen. Es wurde argumentiert, dass die Antragstellerin grob nachlässig gehandelt haben könnte, indem sie die Belehrung über die Anzeigepflicht ignorierte. Allerdings bedarf es konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung, die das Amtsgericht nicht festgestellt hatte.

Das endgültige Ergebnis und seine Implikationen

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin war erfolgreich, und der Beschluss des Amtsgerichts Riesa wurde aufgehoben. Die Verfahrenskostenhilfe bleibt somit bestehen. Dieser Fall wirft jedoch wichtige Fragen zur Mitteilungspflicht bei Einkommensverbesserungen und zur Bedürftigkeit im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe auf. Es bleibt abzuwarten, wie zukünftige Entscheidungen diese komplexen Fragen klären werden.

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Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: 18 WF 203/23 – Beschluss vom 14.08.2023

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Riesa – Familiengericht – vom 24.01.2023 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Aufhebung der ihr mit Beschluss vom 28.05.2021 ohne die Festsetzung von Zahlungen bewilligten Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren, von dessen Kosten 3.276,22 € auf die Antragstellerin entfallen.

Grundlage der Bewilligung war die Erklärung der Antragstellerin vom 06.04.2021, wonach sie neben dem Kindergeld für ein Kind nur Elterngeld in Höhe von 377,49 € bezog.

Im Oktober 2022 ist die Antragstellerin aufgefordert worden zu erklären, ob sich ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich geändert haben. Die Antragstellerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist eine aktuelle Erklärung nebst Belegen zur Akte gereicht. Diesen Belegen sowie den nachgereichten Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin im Juni 2022 Arbeitslosengeld in Höhe von 825,59 € bezogen und im Juli 2022 eine Stelle als Gebäudereinigerin angetreten hat. Dabei hat sie zunächst rund 995 € netto monatlich verdient hat. Seit der Erhöhung der Wochenarbeitszeit zum Oktober 2022 beträgt der Nettoarbeitslohn rund 1.260 €. Der Arbeitsweg der Antragstellerin ist 15 km lang. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten betreut sie ein Kind, für welches sie das Kindergeld erhält, und leistet Unterhalt i.H.v. insgesamt 50 € für zwei weitere Kinder, wobei der Unterhaltsbetrag infolge des Beginns der Tätigkeit neu berechnet wird. Ihr Wohnkostenanteil beträgt 300 €.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht die Verfahrenskostenhilfe aufgehoben. Die Antragstellerin habe wesentliche Verbesserungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt. Ein Beteiligter, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei, sei während des Gerichtsverfahrens und innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren nach der rechtskräftigen Entscheidung bzw. sonstigen Beendigung des Verfahrens verpflichtet (§ 120a ZPO), dem Gericht wesentliche Verbesserungen der wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung der Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. Hinsichtlich laufender Einkünfte bestehe diese Verpflichtung dahingehend, jede nicht nur einmalige Verbesserung des Einkommens von mehr als 100 € (brutto) im Monat mitzuteilen. Die Antragstellerin habe die Aufnahme der Beschäftigung zum 01.07.2022 und damit den wesentlichen Einkommenszuwachs nicht unaufgefordert und unverzüglich dem Gericht mitgeteilt. Das Gericht habe erst durch die auf Anforderung eingereichten Unterlagen davon Kenntnis erlangt.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie verdiene nicht mehr als vor dem Bezug des Elterngeldes. Auch die jetzigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse hätten dazu geführt, dass Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden wäre.

Der Bezirksrevisor hält die sofortige Beschwerde für unbegründet. Das Amtsgericht hat ihr nicht abgeholfen und die Akte dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 567 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässig eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 24.01.2023, weshalb es bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe bleibt.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe aufgehoben.

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat. § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmt, dass der Beteiligte – in den zeitlichen Grenzen des § 120a Abs. 1 Satz 4 ZPO – wesentliche Verbesserungen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse unverzüglich mitzuteilen hat. Bezieht er ein laufendes monatliches Einkommen, ist gemäß Satz 2 dieser Vorschrift eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 € übersteigt. Dies gilt gemäß Satz 3 dieser Vorschrift entsprechend, wenn abzugsfähige Belastungen entfallen.

2. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls nicht vollumfänglich gegeben.

a) Inwiefern die Antragstellerin unrichtige Angaben über ihre Einkommensverhältnisse gemacht haben soll, ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Anhaltspunkte dafür sind auch sonst nicht ersichtlich.

b) Zwar hat sich das Bruttoeinkommen der Antragstellerin gegenüber dem Elterngeld nicht nur einmalig um mehr als 100 € erhöht und hat sie das Amtsgericht hierüber nicht unverzüglich informiert. Fraglich ist aber, ob sie dadurch § 120a Abs. 2 Satz 1 bis 3 ZPO zuwidergehandelt und wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommensverhältnisse nicht mitgeteilt hat. Denn unter Berücksichtigung der Abzüge und Freibeträge ist die Antragstellerin nach wie vor nicht in der Lage, Zahlungen auf die Kosten ihrer Verfahrensführung zu leisten.

Ob in einem solchen Fall eine Mitteilungspflicht besteht, ist umstritten.

aa) Die wohl herrschende Auffassung (vgl. BAG, Beschluss vom 19.10.2016 – 8 AZB 23/16 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 06.06.2019 – 7 WF 495/19 -, juris; Zöller/Schultzky, ZPO, 34. Aufl., § 124 Rn. 19, jeweils m.w.N.) bejaht dies unter Rückgriff auf § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO, der den Begriff der Wesentlichkeit im Hinblick auf eine Verbesserung der Einkommensverhältnisse bei Bezug eines laufenden monatlichen Einkommens näher bestimme.

Nach anderer Auffassung soll eine Einkommensverbesserung nur dann wesentlich sein, wenn sich das Bruttoeinkommen um mehr als 100 € erhöht hat und dies zu einer Abänderung der Bewilligung führt (vgl. LAG Stuttgart, Beschlüsse vom 29.10.2015 – 4 Ta 26/15 – und 21.01.2016 – 17 Ta 36/15 -, juris; Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 1/2016 Anm. 6 § 120 Abs. 4 ZPO).

bb) Es bestehen erhebliche Zweifel, § 120a Abs. 2 Satz 2 FamFG als Definition des Begriffs der Wesentlichkeit zu verstehen.

Schon der Wortlaut von § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO spricht gegen ein solches Normverständnis. Sollte eine Einkommensverbesserung immer dann wesentlich sein, wenn sich das Bruttoeinkommen nicht nur einmalig um mehr als 100 € monatlich erhöht hat, wäre das Adverb „nur“ (vor wesentlich) überflüssig. Es ergäbe allenfalls dann einen Sinn, wenn die Differenz von 100 € als eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Wesentlichkeit einer Einkommensverbesserung verstanden würde.

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Insbesondere aber Gründe der Gesetzessystematik sprechen gegen die Annahme einer Definition.

Es ist anerkannt, dass eine wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse im Sinne von § 120a Abs. 1 ZPO nur vorliegt, wenn ihretwegen eine Änderung der Bewilligungsentscheidung veranlasst ist (vgl. die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.08.2013, BT-Drs. 17/11472, S. 33 f., zu § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO a.F. BGH, Beschluss vom 21.09.2006 – IX ZB 305/05 – Rn. 6, juris, sowie zur Änderung der Vermögensverhältnisse OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.05.2020 – 13 WF 74/20 – Rn. 6, juris). Ob dies der Fall ist, beurteilt sich – von den Fällen des § 120a Abs. 1 Satz 2 ZPO abgesehen sowie unter Wahrung der Grundlagen der abzuändernden Entscheidung – nach Maßgabe des § 115 Abs. 1 ZPO. Es sind sämtliche dort aufgeführte Abzugsposten, insbesondere auch Steuern und Sozialabgaben, zu berücksichtigen.

Versteht man mit der herrschenden Meinung § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO dahin, dass jede Erhöhung des monatlichen Bruttoeinkommens um mehr als 100 € selbst dann wesentlich im Sinne von § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO (und demgemäß wohl auch von § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO) ist, wenn sie keine Abänderung gemäß § 120a Abs. 1 ZPO gebietet, hat dies zur Folge, dass sich der Sinngehalt der beiden Absätze unterscheidet, was mit dem Gebot der Widerspruchsfreiheit gesetzlicher Regelungen nicht zu vereinbaren wäre (vgl. auch LAG Stuttgart, a.a.O.).

Zudem war es Sinn und Zweck des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts, ungerechtfertigte Bewilligungen zu vermeiden (BT-Drs. 17/11472, S. 1). Eine Einkommensverbesserung, die nach Abs. 1 nicht zu einer Änderung der Bewilligung führen würde, kann nicht als ungerechtfertigte Bewilligung bewertet werden. Sieht man dies anders, so stellt man das Gebot der weitgehenden Rechtsschutzgleichheit gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Frage, das ausweislich der Begründung (BT-Drs. 17/11472, S. 1) gewahrt bleiben sollte. Die herrschende Meinung führt dazu, dass dem Gericht auch solche Sachverhalte unterbreitet werden müssen, die erkennbar zu keiner Änderung der Bewilligung führen können, was mit dem Gesetzesziel der effizienteren Gestaltung der Prozesskostenhilfe (BT-Drs. 17/11472, S. 1) nicht zu vereinbaren ist.

Im Übrigen sollte mit § 120a Abs. 2 ZPO eine § 60 Absatz 1 Nr. 2 SGB I entsprechende Mitteilungspflicht eingeführt werden (BT-Drs. 17/11472, S. 24), die indes nur Änderungen in den Verhältnissen betrifft, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, mithin Änderungen, die sich auf die Rechtsfolgen auswirken (vgl. Sichert in: Hauck/Noftz SGB I, § 60 Rn. 38; LAG Stuttgart, a.a.O.). Dies hat auch bezüglich der Mitteilungspflicht gemäß § 120a Abs. 2 ZPO zu gelten.

Der Hinweis auf die herrschende Rechtsprechung zu § 124 Nr. 2 Alt. 1 ZPO, wonach die Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachter falscher Angaben nicht voraussetzt, dass die falschen Angaben zu einer objektiv unrichtigen Bewilligung geführt haben, diese mithin nicht auf den Falschangaben beruhen muss (vgl. BGH, Beschluss vom 10.10.2012 – IV ZB 16/12 –, juris), trägt schon deshalb nicht, weil anders als § 124 Nr. 2 Alt. 1 ZPO die hier einschlägige Vorschrift des § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO nur das Unterlassen der Mitteilung wesentlicher Verbesserungen, mithin schon seinem Wortlaut nach eine Kausalität voraussetzt.

Der Schluss von der Ausgestaltung von § 124 ZPO als Soll-Regelung auf den Umfang der Mitteilungspflicht gemäß § 120a Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.) erscheint genauso fragwürdig wie die Auffassung des Bezirksrevisors, die Anzeigepflicht sei eingeführt worden, um die Möglichkeiten einer Aufhebung zu erweitern. Zumindest letzteres findet in der Gesetzesbegründung keine Stütze und ist mit rechts- und sozialstaatlichen Gründen nicht zu vereinbaren.

Begreift man der Mindermeinung folgend § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO als Mindestvoraussetzung einer wesentlichen Einkommensverbesserung, so wäre die Abänderung einer Bewilligung auch in den Fällen ausgeschlossen, in denen unter Zugrundelegung der Maßstäbe des § 115 Abs. 1 ZPO eine erstmalige Zahlungsanordnung oder eine Abänderung derselben geboten wäre. Im Übrigen hätte es näher gelegen, die Regelung in Abs. 1 zu integrieren, wo mit Satz 2 bereits inhaltliche Anforderungen an eine Abänderung gestellt werden. Eindeutig inhaltliche Mindestvorgaben für eine Abänderung waren in früheren Gesetzesentwürfen zur Vorgängervorschrift des § 120a Abs. 1 ZPO enthalten (s. BT-Drs. 16/1994 und 17/1216, jeweils S. 6); sie wurden insoweit von der aktuellen Regelung aber nicht aufgegriffen.

cc) Die Annahme, § 120a Abs. 2 Satz 2 FamFG begründe eine von Wesentlichkeitsaspekten unabhängige Mitteilungspflicht (so mglw. OLG Koblenz, a.a.O. sowie der Wortlaut der Belehrung gemäß der Anlage zur PKHFV), dürfte ebenfalls nicht zutreffen. Auch hier gilt, dass das Adverb “nur“ überflüssig wäre. Zudem spricht der Gesetzentwurf selbst allein von den Mitteilungspflichten gemäß § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO (BT-Drs. 11/11674, S. 35) und würde die Annahme einer derart weitgehenden Mitteilungspflicht sinnlose Anzeigen provozieren, die gerade nicht zu einer effizienteren Gestaltung der Prozesskostenhilfe führen. Im Gesetzentwurf wird – zur zeitlichen Geltung der Mitteilungspflicht – ausgeführt, dass eine Mitteilung nur Sinn mache, wenn eine Änderung der Bewilligungsentscheidung noch möglich sei (BT-Drs. 11/11472, S. 24). Dass dies hinsichtlich der inhaltlichen Geltung anders sein sollte, ist dem Entwurf dagegen nicht zu entnehmen. Im Übrigen könnte ein Verstoß gegen die Pflicht zur Mitteilung von unwesentlichen Einkommensverbesserungen nicht gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1 ZPO sanktioniert werden, da die Partei die Mitteilung wesentlicher Veränderungen unterlassen haben muss.

dd) Nach alledem sprechen die besseren Argumente gegen eine Auslegung von § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO als wie auch immer geartete Definition der Wesentlichkeit einer Einkommensverbesserung oder als Grundlage einer Pflicht zur Mitteilung auch unwesentlicher Einkommensänderungen.

Näher liegt, die Vorschrift als Einschränkung (“nur“) der Mitteilungspflicht gemäß § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO in dem Sinne zu verstehen, dass die Partei eine – nach Abs. 1 – wesentliche Einkommensverbesserung nur dann mitteilen muss, wenn die Differenz zwischen ihrem aktuellem und ihrem früheren Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 € übersteigt.

Dies kann indes dahinstehen.

c) Es erscheint zweifelhaft, ob die Antragstellerin absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gehandelt hat.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Bezirksrevisors lässt sich eine grobe Nachlässigkeit nicht ohne weiteres daraus ableiten, dass die Antragstellerin die Belehrung über die Anzeigeverpflichtung – deren Umfang, wie ausgeführt, über das gemäß § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO geschuldete hinausgeht – unbeachtet gelassen hat. Es bedarf vielmehr konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzung des Beteiligten (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 25.10.2016 – 20 WF 1201/16 -, juris).

Umstände, die dafür sprächen, dass die Antragstellerin die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hätte, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (vgl. zu diesem Maßstab BAG, a.a.O.) oder gar absichtlich gehandelt hätte, hat das Amtsgericht jedoch nicht festgestellt.

Auch dies bedarf aber keiner weiteren Aufklärung.

d) Die Aufhebung der Bewilligung kam aus einem anderen Grund nicht in Betracht.

Es ist anerkannt, dass die Aufhebung der Bewilligung in atypischen Fällen zu unterbleiben hat, wenn sie zu einem unangemessenen Ergebnis führen würde (vgl. dazu BT-Drs. 17/11472, S. 33; BAG, a.a.O.).

Dies ist vorliegend der Fall.

Der Gesetzentwurf hatte den Fall vor Augen, dass die Erhöhung des Bruttoeinkommens um über 100 € stets zu einer Änderung der Bewilligungsentscheidung führt (vgl. BT-Drs. 17/11472, S. 34: „inwieweit“). Die Antragstellerin ist aber trotz der Verbesserung ihres Bruttoeinkommens weiterhin bedürftig im Sinne des Verfahrenskostenhilferechts. Zudem ist sie mehreren Kindern zum Unterhalt verpflichtet und verfügt über kein nennenswertes Vermögen, weswegen sie durch die Verfahrenskosten erheblich belastet würde. Vor diesem Hintergrund hatte die Aufhebung zu unterbleiben.

III.

Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Gerichtskosten sind für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nicht angefallen. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

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