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Pkw-Streifschaden infolge einer Kollision mit Sattelzug – Haftungsquote

Haftungsaufteilung bei Pkw-Streifschaden: Amtsgericht Erding entscheidet über Schadensersatz

In einem Verkehrsunfall zwischen einem Pkw und einem Sattelzug hat das Amtsgericht Erding entschieden, dass die Schadensersatzansprüche teilweise gerechtfertigt sind. Der Kläger erhält einen Teilbetrag seiner Forderung, während die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Parteien aufgeteilt werden. Die Entscheidung berücksichtigt die beiderseitigen Verursachungsbeiträge und die Betriebsgefahren der Fahrzeuge, wobei eine Haftungsquote von 70 zu 30 Prozent zugunsten des Klägers festgelegt wurde.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Gericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Teils der Schadensersatzforderung verurteilt.
  2. Eine Haftungsquote von 70 zu 30 Prozent zu Gunsten des Klägers wurde festgelegt, basierend auf den Verursachungsbeiträgen und den Betriebsgefahren der Fahrzeuge.
  3. Der Kläger konnte nicht beweisen, dass ihn kein Verschulden am Unfall trifft.
  4. Die Beklagtenseite konnte ebenfalls nicht nachweisen, dass der Unfall für sie unvermeidbar war.
  5. Die Höhe des Schadensersatzes basiert auf einer detaillierten Bewertung der Reparaturkosten, Wertminderung und weiteren Schäden.
  6. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wurden teilweise erstattet.
  7. Die Kosten des Rechtsstreits werden anteilig zwischen den Parteien verteilt.
  8. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Beweisführung und die Auswirkungen der Betriebsgefahr bei der Haftungsverteilung.
Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, wo es um Verkehrsunfälle geht, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.
Haftungsfragen bei Pkw-Streifschaden mit Sattelzug geklärt
(Symbolfoto: Olivier Le Queinec /Shutterstock.com)

Am späten Nachmittag des 27. April 2021 ereignete sich auf der H.straße in D. ein Verkehrsunfall, der die rechtlichen Auseinandersetzungen bis zum Amtsgericht Erding nach sich zog. Im Mittelpunkt standen der Kläger, Eigentümer und Fahrer eines Opel Corsa, und der Beklagte zu 1, der einen Sattelzug führte, der bei der Beklagten zu 2 versichert war. Der Unfall ereignete sich, als der Kläger beabsichtigte, nach links abzubiegen und dazu auf der Linksabbiegerspur anhielt. Der Beklagte zu 1 setzte seine Fahrt in gerader Richtung fort und streifte dabei den Pkw des Klägers, was zu erheblichen Schäden führte.

Der Zusammenstoß: Ein Moment mit weitreichenden Folgen

Die Folge des Zusammenstoßes war ein Streifschaden an der gesamten rechten Seite des Pkw des Klägers. Um den Schaden zu beziffern, beauftragte der Kläger einen Sachverständigen, der Kosten in Höhe von 872,15 Euro in Rechnung stellte. Zusätzlich entstand eine Wertminderung am Fahrzeug des Klägers in Höhe von 500 Euro. Während der fünftägigen Reparaturzeit musste der Kläger auf ein Ersatzfahrzeug zurückgreifen, was weitere Kosten verursachte.

Die rechtliche Auseinandersetzung: Schadensersatzforderungen und Verteidigung

Der Kläger forderte von den Beklagten die Übernahme der gesamten Reparaturkosten, der Wertminderung, der Sachverständigenkosten, der Mietwagenkosten sowie eine Unkostenpauschale. Die Beklagte zu 2 hatte bereits einen Teilbetrag sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten an den Kläger gezahlt. Die Beklagten argumentierten, der Kläger habe den Unfall verursacht, indem er während des Vorbeifahrens des Sattelzuges ein Ausweichmanöver durchgeführt habe.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Erding

Das Gericht verurteilte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines weiteren Betrags von 1.768,28 Euro an den Kläger und legte die Kosten des Rechtsstreits zu 62 Prozent dem Kläger und zu 38 Prozent den Beklagten auf. Die Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass beide Parteien zu einem gewissen Grad zum Unfall beigetragen hatten, wobei eine Haftungsquote von 70 zu 30 Prozent zu Gunsten des Klägers angenommen wurde.

Beweisführung und Haftungsquote

Die Beweisführung erwies sich als komplex, da beide Seiten unterschiedliche Schilderungen des Unfallhergangs präsentierten. Das Gericht stützte sich auf Zeugenaussagen, ein Sachverständigengutachten und die informatorische Befragung des Beklagten zu 1. Letztendlich konnte kein eindeutiges Verschulden einer Partei festgestellt werden, was zu einer Aufteilung der Haftungsquote führte.

Das Urteil des Amtsgerichts Erding im Fall des Pkw-Streifschadens infolge einer Kollision mit einem Sattelzug verdeutlicht die Komplexität der Schadensregulierung bei Verkehrsunfällen. Die Entscheidung basierte auf einer sorgfältigen Abwägung der Beweise und der rechtlichen Grundsätze, wobei die Betriebsgefahren der Fahrzeuge und das Verhalten der Beteiligten berücksichtigt wurden.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was bestimmt die Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall?

Die Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall bestimmt, in welchem Umfang die beteiligten Parteien für den entstandenen Schaden verantwortlich sind und wie die Kosten zwischen ihnen aufgeteilt werden. Diese Quote wird in der Regel in Prozent angegeben und basiert auf dem Grad des Verschuldens der Unfallbeteiligten. Die Ermittlung der Haftungsquote ist eine Einzelfallentscheidung und kann komplex sein, da sie von vielen Faktoren abhängt.

Verschuldenshaftung und Betriebsgefahr

Die Haftungsquote setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen: der Verschuldenshaftung und der Betriebsgefahr.

  • Verschuldenshaftung: Hierbei geht es um das Prinzip, dass derjenige, der einen Fehler macht und dadurch einen Schaden verursacht, für diesen Schaden verantwortlich ist. Das bedeutet, dass das individuelle Fehlverhalten der Unfallbeteiligten bei der Ermittlung der Haftungsquote berücksichtigt wird.
  • Betriebsgefahr: Diese Komponente berücksichtigt das Risiko, das grundsätzlich von der Nutzung eines Fahrzeugs im Straßenverkehr ausgeht, unabhängig von einem Verschulden. Selbst wenn ein Fahrzeugführer keinen Fehler macht, kann ihm eine gewisse Haftung aufgrund der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zugeschrieben werden.

Ermittlung der Haftungsquote

Die Haftungsquote wird in der Regel durch eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt. Dabei spielen nicht nur die Umstände des Unfalls selbst eine Rolle, sondern auch die Frage, inwieweit die Beteiligten die ihnen obliegenden Verkehrssicherungspflichten erfüllt haben.

In manchen Fällen können auch vor Gericht festgelegte Standardquoten zur Anwendung kommen, die sich für bestimmte Unfallkonstellationen herausgebildet haben. Diese dienen jedoch lediglich als Orientierungshilfe und können je nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls angepasst werden.

Beispiele für Haftungsquoten

  • Bei einem Auffahrunfall wird oft davon ausgegangen, dass der Auffahrende die Hauptschuld trägt, da er den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat. Allerdings kann auch dem Vorausfahrenden eine Teilschuld zukommen, wenn er beispielsweise ohne triftigen Grund stark abbremst.
  • Bei Unfällen beim Abbiegen, Überholen oder Ein- und Ausfahren aus Grundstücken können die Haftungsquoten je nach den genauen Umständen des Unfalls variieren. Hierbei wird insbesondere geprüft, ob die Beteiligten ihre Sicht- und Wartepflichten verletzt haben.

Die Bestimmung der Haftungsquote bei einem Verkehrsunfall ist ein komplexer Prozess, der eine detaillierte Prüfung aller Umstände erfordert. Die Quote spiegelt das relative Verschulden der Unfallbeteiligten wider und bestimmt, wie die finanziellen Lasten des Unfalls zwischen ihnen aufgeteilt werden. In der Praxis ist die Ermittlung der Haftungsquote oft Gegenstand von Verhandlungen zwischen den Versicherungen der Beteiligten oder wird durch gerichtliche Entscheidungen festgelegt.

Wie wird der merkantile Minderwert eines Fahrzeugs nach einem Unfall ermittelt?

Der merkantile Minderwert eines Fahrzeugs nach einem Unfall ist der fiktive Wertverlust, der trotz einer fachgerechten Reparatur entsteht. Dieser Wertverlust entsteht, weil das Fahrzeug als Unfallwagen gilt und bei einem späteren Verkauf in der Regel einen geringeren Preis erzielt als ein vergleichbares unfallfreies Fahrzeug. Die Ermittlung des merkantilen Minderwerts ist komplex und wird von einem Kfz-Sachverständigen im Schadengutachten festgelegt.

Faktoren, die den merkantilen Minderwert beeinflussen:

Fahrzeugalter und Laufleistung: Je neuer ein Fahrzeug und je geringer die Laufleistung, desto höher kann der merkantile Minderwert ausfallen.

  • Höhe der Reparaturkosten: Höhere Reparaturkosten können auf einen größeren Schaden hinweisen, was den merkantilen Minderwert steigern kann.
  • Marktsituation: Die Marktsituation und die Nachfrage nach dem Fahrzeugmodell können ebenfalls eine Rolle spielen.

Berechnungsmethoden:

Es gibt keine einheitliche Formel zur Berechnung des merkantilen Minderwerts. Verschiedene Berechnungsmodelle und -methoden können zum Einsatz kommen, und die Ergebnisse können je nach Methode variieren. Einige der Faktoren, die in die Berechnung einfließen, sind:

  • Fahrzeugalter
  • Schadensumfang
  • Betriebsleistung
  • Neupreis
  • Wiederbeschaffungswert

Eine Faustformel besagt, dass im ersten Betriebsjahr etwa 25 % der minderwerterheblichen Reparaturkosten als merkantiler Minderwert angesetzt werden können. Allerdings ist diese Faustformel nicht verbindlich und kann je nach Einzelfall variieren.

Rechtlicher Hintergrund:

Der Anspruch auf Ersatz des merkantilen Minderwerts besteht nur bei einem Haftpflichtschaden, nicht aber bei einem Kaskoschaden. Der Geschädigte hat das Recht, so gestellt zu werden, als wäre der Unfall nicht passiert (§ 249 BGB).

Praktische Vorgehensweise:

Um den merkantilen Minderwert geltend zu machen, sollte ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger beauftragt werden, der den Wertverlust genau beziffert und im Schadengutachten ausweist. Die Kosten für den Gutachter und gegebenenfalls für einen Fachanwalt hat im Falle der eigenen Unschuld die gegnerische Versicherung zu tragen.

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Zusammenfassend ist der merkantile Minderwert ein wichtiger Aspekt der Schadensregulierung nach einem Unfall, der individuell und unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren von einem Fachmann ermittelt werden muss.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstehen. Im Kontext des Urteils bedeutet dies, dass der Halter des Sattelzugs für die durch die Kollision verursachten Schäden haftet.
  • § 17 StVG: Behandelt die Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen. Die Regelung sieht vor, dass bei einer Kollision zwischen zwei Fahrzeugen die Schadensverteilung nach den jeweiligen Verursachungsbeiträgen erfolgt. Im Urteil wurde eine Haftungsquote von 70 zu 30 zu Gunsten des Klägers festgelegt.
  • § 18 StVG: Spezifiziert die Haftung bei mehreren beteiligten Fahrzeugen und Gesamtschuldnerschaft. Dies ist relevant für die Feststellung, dass beide Beklagten gesamtschuldnerisch haften.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Regelt die Direktansprüche des Geschädigten gegen die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers. Dieser Paragraph ist relevant, da der Beklagte zu 2 bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung versichert ist.
  • § 249 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Bestimmt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Im Fall einer Sachbeschädigung kann der Geschädigte die hierfür erforderlichen Aufwendungen verlangen.
  • § 421 BGB: Betrifft die Gesamtschuldnerschaft und ist relevant für die Verurteilung der Beklagten als Gesamtschuldner, was bedeutet, dass jeder von ihnen für die gesamte Schuld haftet und der Kläger sich aussuchen kann, von wem er die Leistung fordert.
  • § 92 Abs. 1 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelt die Kostenverteilung im Zivilprozess nach dem Ausmaß des Obsiegens und Unterliegens. Dieser Paragraph wurde angewendet, um die Kosten des Rechtsstreits zwischen Kläger und Beklagten aufzuteilen.
  • §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO: Diese Paragraphen regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen und die Sicherheitsleistungen, die für die Abwendung der Vollstreckung zu erbringen sind. Im Urteil wird die vorläufige Vollstreckbarkeit unter der Bedingung der Sicherheitsleistung angeordnet.


Das vorliegende Urteil

AG Erding – Az.: 121 C 5430/21 – Urteil vom 04.05.2023

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.768,28 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.08.2020 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 62 Prozent und die Beklagten als Gesamtschuldner 38 Prozent zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 4.203,65 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Am 27.04.2021 gegen 16:00 Uhr fuhr der Kläger mit dem Pkw, Typ Opel Corsa, amtliches Kennzeichen …, dessen Halter und Eigentümer er ist, auf der H.straße in D.. Zur gleichen Zeit fuhr der Beklagte zu 1 mit dem bei der Beklagten zu 2 krafthaftpflichtversicherten Sattelzug, bestehend aus einem Baustellenkipper und einem Anhänger, amtliches Kennzeichen …, in gleicher Fahrtrichtung hinter dem klägerischen Fahrzeug. Der Kläger wollte sodann mit dem von ihm geführten Fahrzeug nach links in die B.straße abbiegen; hierzu fuhr er auf die Linksabbiegerspur und hielt dort an. Der Beklagte zu 2, der seine Fahrt in gerader Richtung fortsetzen wollte, fuhr daraufhin mit dem von ihm geführten Sattelzug an dem Pkw des Klägers vorbei. In der Folge kam es zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen, wodurch der Pkw des Klägers an der gesamten rechten Fahrzeugseite beschädigt wurde. Am Fahrzeug des Klägers verbleibt auch nach durchgeführter Reparatur eine Wertminderung in Höhe von 500 €. Der Kläger beauftragte ein Sachverständigengutachten zur Feststellung der Schadenshöhe und Dokumentation der vorhandenen Schäden an seinem Pkw. Hierfür ist ihm vom Sachverständigen ein Betrag in Höhe von 872,15 € in Rechnung gestellt worden. Die Behebung der Unfall kausal entstandenen Schäden erforderte eine Reparaturdauer von fünf Tagen (10.05.2021 bis 14.05.2021). In dieser Zeit stand dem Kläger sein Fahrzeug nicht zur Verfügung. Der Kläger hat seine Prozessbevollmächtigte mit seiner vorgerichtlichen Vertretung beauftragt. Im Rahmen dieses Auftrages haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Beklagten mit Schreiben vom 06.08.2021 unter Fristsetzung bis zum 16.08.2021 zur Regulierung der unfallkausalen Schäden in Höhe von insgesamt 8.127,73 € (abzüglich der zu diesem Zeitpunkt bereits beglichenen Summe in Höhe von 3.902,58 €) aufgefordert.

Die Beklagte zu 2 hat an den Kläger vorgerichtlich bereits 3.902,58 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 Euro bezahlt.

Der Kläger behauptet, dass der Beklagte zu 2 mit dem von ihm geführten Sattelzug seinen Pkw streifte, als er an seinem stehenden Fahrzeug rechts vorbeifuhr. Hierdurch sei sein Fahrzeug beschädigt worden und ihm sei ein Sachschaden in Form notwendiger Reparaturkosten in Höhe von 6.188,13 € brutto entstanden. Während der Reparaturzeit seines Fahrzeuges habe er für das von ihm angemietete Ersatzfahrzeug angemietet 537,45 € aufwenden müssen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall für ihn unvermeidbar gewesen sei, weil er innerhalb seiner Fahrspur bereits zum Stehen gekommen war, als der Sattelzug sein Fahrzeug streifte. Er begehrt daher von den Beklagten den Ersatz der gesamten Reparaturkosten (6.188,13 €), der Wertminderung (500 €), der Kosten für den Sachverständigen (872,15 €) der Mietwagenkosten in Höhe von 515,95 € zuzüglich einer Unkostenpauschale von 30 €.

Der Kläger beantragt daher:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 4.203,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2020 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, vorgerichtlich angefallene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von noch 433,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung an die …, zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen: Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagten tragen vor, dass der Beklagte zu 2 mit dem von ihm geführten Sattelzug mit ausreichendem Abstand an dem klägerischen Fahrzeug vorbeigefahren sei. Sodann habe der Kläger die Position seines Fahrzeugs verändern wollen, da ein Einsatzfahrzeug mit Sondersignalen in der Anfahrt gewesen sei. Der Kläger habe bei diesem Ausweichmanöver den Sattelzug touchiert.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass von einer Haftungsverteilung von 50 Prozent zu 50 Prozent auszugehen sei. Die Beklagten wenden sich außerdem gegen die Höhe der unfallbedingt entstandenen Reparaturkosten; diese wären nur in Höhe von 6.195,51 Euro erforderlich gewesen. Darüber hinaus seien Mietwagenkosten nur in Höhe von 207,50 Euro erstattungsfähig und die Unkostenpauschale mit 25 Euro anzusetzen.

Das Gericht hat in der öffentlichen Sitzung vom 18.05.2022 den Beklagten zu 1) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Einvernahme des Zeugen M. S.. Insoweit wird auf das Protokoll, aufgenommen in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Erding am 18.05.2022, Bezug genommen (Bl. 124 ff d.A.). Das Gericht hat ferner Beweis erhoben durch Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH)

Insoweit wird Bezug genommen auf den Beweisbeschluss vom 02.06.2022 (Bl. 131 f d.A.) und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 01.12.2022 (Bl. 139 ff d.A.). Das Gericht hat schließlich erneut mündlich zur Sache verhandelt. Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2023 (Bl. 191 d.A.) Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die genannten Sitzungsprotokolle sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

A.

Die Klage ist zulässig, da sie vor dem örtlich und sachlich zuständigen Amtsgericht Erding erhoben wurde (vgl. § 20 StVG, § 32 ZPO, § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) und sonstige Bedenken gegen die Zulässigkeit nicht bestehen.

B.

Die Klage ist nur teilweise begründet, weil der Kläger von den Beklagten als Gesamtschuldner lediglich einen Betrag in Höhe von (weiteren) 1.768,28 Euro nebst Zinsen als Schadensersatz beanspruchen kann.

I. Der Kläger hat einen Anspruch auf (weiteren) Schadensersatz in Höhe von 1.768,28 € gegen die Beklagten in gesamtschuldnerischer Haftung gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG, §§ 249 Abs. 2, 421 BGB. Nach durchgeführter Beweisaufnahme geht das Gericht aufgrund der beiderseitigen Verursachungsbeiträge bzw. der beiderseitigen Betriebsgefahren der unfallbeteiligten Fahrzeuge von einer Schadensquotelung von 70 Prozent zu 30 Prozent zu Gunsten des Klägers aus.

1. Der Pkw des Klägers wurde bei dem Betrieb des vom Beklagten zu 1 geführten und bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw beschädigt, § 7 Abs. 1 StVG. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es am 27.04.2021 gegen 16:00 Uhr auf der H.straße in D. zu einer Kollision der vom Kläger und dem Beklagten zu 1 geführten Fahrzeuge kam, durch welche der Pkw des Klägers beschädigt wurde.

2. Der Kläger muss sich einen eigenen Verursachungsbeitrag gemäß §§ 18 Abs. 3, 17 StVG anrechnen lassen, da durch ihn nicht bewiesen werden konnte, dass ihn kein Verschulden am Unfall trifft bzw. sich der Verkehrsunfall für ihn gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 StVG als unabwendbares Ereignis für ihn darstellte.

Ein unabwendbares Ereignis liegt immer nur dann vor, wenn auch ein gedachter Idealfahrer in der konkreten Situation nicht anders als der Kläger gehandelt hätte. Unter einem Idealfahrer ist ein Verkehrsteilnehmer zu verstehen, der sich im Straßenverkehr mit einer äußerst möglichen Sorgfalt bewegt. Zu fordern ist dabei ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus. Dazu gehören besonders sorgfältige Reaktionen sowie Berücksichtigung auf fremder Fehler. Die Sorgfalt eines „Idealfahrers“ geht erhebliche über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne des § 276 BGB hinaus (vgl. etwa BGH Urteil vom 23.09.1986, Az.: VI ZR 136/85; BGHZ 113, 164).

Der Kläger ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er diese Sorgfaltsanforderungen erfüllt hat. Dieser Nachweis ist ihm jedoch nicht gelungen, da die durchgeführte Beweisaufnahme nicht den Nachweis erbracht hat, dass die substantiiert bestrittene klägerische Darstellung des Unfalls der Wahrheit entspricht und dieser mithin im Kollisionszeitpunkt mit dem von ihm geführten Fahrzeug in seiner Fahrspur stand.

Der uneidlich einvernommene Zeuge S. hat angegeben, dass er zum Unfallzeitpunkt Beifahrer im Lkw des Klägers gewesen sei. Vom Unfall selbst habe er nichts mitbekommen. Er hat jedoch angegeben, dass der Beklagte zu 1 die Fahrspur eingehalten habe. Damit ist die Aussage kein Beleg für die Schilderung des Klägers.

Auch das Gutachten des technischen Sachverständigen Dipl.-Ing (FH) … bestätigt die Behauptung des Klägers nicht. Dieser führt in seinen schriftlichen Ausführungen aus, dass die Lage des Kollisionsortes nicht mehr anhand objektiver Umstände feststellbar sei. Auch mithilfe dieses Gutachtens vermag der Kläger daher nicht zu beweisen, dass er im Kollisionszeitpunkt seine Fahrspur einhielt. Das Gutachten widerlegt hingegen vielmehr seine Behauptung, sein Fahrzeug habe gestanden, als es zur Berührung gekommen sei; ohne, dass es auf diesen Punkt hier entscheidungserheblich ankäme.

Auch die informatorische Befragung des Beklagten zu 1 ist nicht geeignet den Klägervortrag zum Unfallhergang zu bestätigen. Zwar gab dieser an, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug (zunächst) in der Linksabbiegespur stand. Der Beklagte zu 1 habe den Platz auf der rechten Spur als ausreichend erachtet, um mit seinem Lkw an dem Pkw vorbeizufahren. Zum Unfallhergang vermutet der Beklagte zu 1, dass der Kläger infolge der wahrnehmbaren Sondersignale angefahren und nach rechts ausgewichen ist. Unabhängig von der ihm Folgenden zu erörternden Frage, ob diese Angaben genügen um die Beklagtenversion zu bestätigen, bilden sie jedenfalls keinen Beleg für die klägerische Schilderung. Der Beklagte zu 1 räumt gerade kein eigenes Fehlverhalten ein.

Eine Beweiserhebung durch erneute Befragung des Sachverständigen war nicht veranlasst. Zwar lagen dem Sachverständigen die von der Beklagtenpartei gefertigten Lichtbilder (vgl. Bl. 181, 182 d.A.) im Rahmen seiner Gutachtenserstellung nicht vor. Diese zeigen jedoch (unstreitig) nicht die Kollisionsstellung der Fahrzeuge, sondern deren Endstellung nach dem Unfall. Nachdem sich der jeweilige Fahrweg nach der Kollision nicht mehr aufklären lässt, bilden die Lichtbilder keine weiteren (objektiven) Anknüpfungstatsachen.

3. Auf der anderen Seite konnte jedoch auch die Beklagtenseite nicht nachweisen, dass der Unfall für den Beklagten zu 1 unvermeidbar im o.g. Sinne war.

Die Beklagtenpartei hat zwar vorgetragen, dass der Beklagte zu 1 den klägerischen Pkw mit ausreichendem Sicherheitsabstand passiert habe und der Kläger mit seinem Fahrzeug den Sattelzug touchiert habe, weil er Einsatzfahrzeugen Platz machen habe wollen. Jedoch konnte auch sie diese Version des Unfallhergangs nicht nachweisen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Angaben des Beklagten zu 1 in seiner informatorischen Befragung nicht geeignet sind, einen Beleg für die schriftsätzlichen Angaben zu liefern. Er hat zwar angegeben, dass er der Auffassung ist, die Spur gehalten zu haben und sich den Unfall durch ein Ausweichen des Klägers infolge des Rettungseinsatzes erkläre. Den protokollierten Angaben des Beklagten zu 1 ist jedoch unzweifelhaft zu entnehmen, dass er sich in diesen Darlegungen nicht sicher ist. Dies belegen relativierende Aussagen wie: „Meiner Meinung nach (…)“ oder „Deshalb gehe ich davon aus, dass (…)“ Der Beklagte zu 1 gibt auch an, dass weder die Kollision, noch den Fahrvorgang des Klägers selbst wahrgenommen hat. Dieses Aussageverhalten spricht zwar für die Glaubhaftigkeit des Beklagten, liefert aber letztlich keine Umstände aus denen das Gericht eine Gewissheit hinsichtlich des Unfallherganges gewinnen könnte. Eine erneute Anhörung des Beklagten zu 1 zur gesamtheitlichen Beurteilung der Aussage war daher nicht erforderlich.

Auch die Aussage des Zeugen … kann den Beklagtenvortrag nicht belegten. Dieser hat zwar bekundet, dass der Lkw in der Fahrspur gefahren sei. Dann hab ihn der Beklagte zu 1 über die Kollision unterrichtet. Diese habe er selbst nicht mitbekommen und auch den klägerischen Pkw habe er erst wahrgenommen, als er nach dem Unfall ausgestiegen sei. Nach alledem vermag sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass der Zeuge tatsächlich eigene Wahrnehmungen zur Fahrzeugstellung im Kollisionszeitpunkt hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass er den Unfall und das klägerische Fahrzeug nicht wahrgenommen hat. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Zeuge letztlich nur aufgrund des für ihn auf der Beifahrerseite wahrnehmbaren Abstands zum rechten Straßenrand auf die Lage des Lkws geschlossen hat. Nachdem der Zeuge aber auch insoweit keine exakten Angaben gemacht hat und im Übrigen den Abstand nicht im zeitlichen Verlauf bis zu der (von ihm nicht wahrgenommenen) Kollision beschreiben kann, ergeben sich hieraus keine objektiven Anknüpfungstatsachen.

Auch im Hinblick auf die Behauptungen der Beklagtenpartei ist das erholte Sachverständigengutachten unergiebig. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.

4. Die somit erforderliche Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG ergibt, eine Haftungsquote von 70 % zu 30 % zu Gunsten des Klägers.

Nachdem – wie dargelegt – keine der Parteien belegen konnte, dass sie ihr Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt zum Stillstand gebracht hatten sowie ihre jeweilige Fahrspur eingehalten haben, kann sich der Unfall dergestalt ereignet haben, dass das eine oder das andere Fahrzeug über die Fahrstreifenbegrenzung gelenkt wurde.

Beiden Fahrern ist daher – nicht ausschließbar – ein Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO anzulasten. Der jeweilige – nicht ausschließbare – Verkehrsverstoß ist damit gleichwertig. Die Betriebsgefahr der unfallbeteiligten Fahrzeuge ist hier jedoch unterschiedlich zu gewichten. Die auf Seiten des Klägers stehende Betriebsgefahr seines Personenkraftwagens ist als deutlich geringer anzusehen, als diejenige des Sattelzuges der Beklagten. Dieser ist dem klägerischen Fahrzeug in Größe, Breite und Gewicht erheblich überlegen. Aufgrund der relativen engen Verhältnisse der jeweiligen Fahrspuren am Unfallort wirkte sich die größere Breite des Beklagtenfahrzeugs im vorliegenden Fall auch besonders aus.

Vor diesem Hintergrund erscheint dem Gericht eine Haftungsverteilung von 70 Prozent zu 30 Prozent zu Gunsten des Klägers für geboten und sachgerecht.

5. Auf Grundlage der Haftungsquote von 70 Prozent zu 30 Prozent sind die geltend gemachten Schäden von der Beklagtenpartei zu erstatten.

Insgesamt erachtet das Gericht einen Schadensbetrag in Höhe von 8.101,23 Euro als erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne des § 249 Abs. 2 BGB für gegeben. Dieser setzt sich wie folgt zusammen:

Reparaturkosten brutto: 6.188,13 Euro

merkantiler Minderwert: 500,00 Euro

Sachverständigenkosten: 872,15 Euro

Mietwagenkosten: 515,95 Euro

Unkostenpauschale: 25,00 Euro

Aufgrund der Haftungsquote hat der Kläger damit einen Anspruch auf Ersatz von 70 Prozent dieses Schadensbetrages, mithin 5.670,86 Euro. Nachdem die Beklagtenpartei hiervon bereits 3.902,58 Euro beglichen hat, besteht der Anspruch noch in Höhe von 1.768,28 Euro.

Zu den einzelnen Schadenspositionen sind folgende Ausführungen veranlasst:

a) Nach Überzeugung des Gerichts sind durch den Verkehrsunfall notwendige Reparaturkosten am klägerischen Fahrzeug in Höhe von 6.188,13 Euro entstanden. Die Beklagtenpartei hat unter Berufung auf einen Prüfbericht geltend gemacht, dass die erforderlichen Reparaturkosten tatsächlich nur bei 6.180,75 Euro gelegen hätten und mithin 7,38 Euro geringer gewesen seien.

Die gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB vom Schädiger für die Wiederherstellung der beschädigten Sache zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass der Geschädigte durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis nicht reicher, aber auch nicht ärmer wird, als wenn der Schädiger den Schaden nach § 249 Abs. 1 BGB beseitigt. Dabei trägt das sogenannte Werkstattrisiko der Schädiger. Erforderlich i.S.d. § 249 BGB ist der Geldbetrag, den ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach Art und Umfang als angemessenes Mittel zur Schadensbehebung aufgewandt hätte. Die Schadensrestitution ist dabei nicht auf die kostengünstigste Maßnahme beschränkt. Der Geschädigte muss nicht zugunsten des Schädigers sparen (vgl. nur BGH, NJOZ 2014, 979, 981). Der Schädiger trägt das Prognoserisiko und auch Fehler der Werkstatt gehen nicht zu Lasten des Geschädigten. Die Werkstatt ist nicht Erfüllungsgehilfin des Geschädigten, da die Reparatur nach der Wertung des § 249 BGB Sache des Schädigers ist (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 28.02.2012 – 4 U 112/11 – 34).

Konkret angefallene Reparaturkosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn sie zur Beseitigung des Unfallschadens zwar objektiv nicht erforderlich waren, sich aber aus Sicht des Geschädigten subjektiv als erforderlich dargestellt haben. Dies ist Ausfluss der subjektbezogenen Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht worden sind, hat grundsätzlich der Schädiger zu tragen; ihn trifft das Prognose- und Werkstattrisiko.

Angesichts der sehr geringfügigen Diskrepanz zwischen dem vom Kläger für die Wiederherstellung seines Fahrzeugs aufgewandten Geldbetrags und den Vorstellungen der Beklagtenpartei zum objektiv erforderlichen Betrag, kann hier von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Kläger hier „sehenden Auges“ eine erkennbar unwirtschaftliche Reparatur beauftragt hat.

b) Durch den streitgegenständlichen Verkehrsunfall ist am klägerischen Fahrzeug in merkantiler Minderwert in Höhe von 500 Euro eingetreten. Dies ist zwischen den Parteien unstrittig. Der Minderwert ist im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands von der Beklagtenpartei (entsprechend ihrer Haftungsquote) zu ersetzen.

c) Der Kläger hat im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands zudem Anspruch auf Ersatz von 70 Prozent der ihm unstreitig entstandenen Sachverständigenkosten in Höhe von 872,15 Euro. Zweifel an der Erforderlichkeit der Begutachtung des unfallbeschädigten Fahrzeugs bestehen hier nicht. Die Beklagtenpartei hat insoweit und auch zur Höhe der Kosten keine Einwendungen erhoben.

d) Der Kläger hat zudem Anspruch auf Erstattung der ihm für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs während der Reparaturdauer seines Fahrzeuges entstandenen Mietwagenkosten. Das Gericht erachtet solche in Höhe von 515,95 Euro als erforderlichen Herstellungsaufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB als erstattungsfähig.

aa) Der Geschädigte kann vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand diejenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte (vergleiche BGH Urteil vom 09.05.2016, Aktenzeichen VI ZR 117/05). Dabei hat der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot, welches sich aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit ergibt, von mehreren gleichwertigen Möglichkeiten die günstigere zu wählen, es sei denn es treten besondere Umstände hinzu.

bb) In Bezug auf die Mietwagenkosten bedeutet dies, dass der Geschädigte von mehreren auf dem für ihn örtlich relevanten unzugänglichen Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen grundsätzlich nur den günstigsten Mietpreis ersetzt verlangen kann (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008, Az.: VU ZR 243/07). Nicht zumutbar ist es dem Geschädigten jedoch eine Marktforschung zu betreiben, um den absolut günstigsten Preis für ein Ersatzfahrzeug herauszufinden. Es kommt vielmehr darauf an, welche Mietwagenkosten er für erforderlich halten durfte.

cc) Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Beantwortung der Frage, welche Aufwendungen für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich sind, zunächst der Normaltarif heranzuziehen. Diesen Normaltarif ermittelt das Gericht in Ausübung seines tatrichterlichen Ermessens im Rahmen der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf der Grundlage der jeweils gültigen S.-L..

dd) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (BGH, NJW 1985, 2282; NJW 1988, 1835; NJW 2005, 277; NJW 2009, 1066; NJW 2009, 3022; NJW-RR 2011, 823). Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor, wobei gleichwohl in geeigneten Fällen Listen oder Tabellen bei der Schadensschätzung verwendet werden können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH MDR 2007, S. 722, BGH, NJW-RR 2011, 823), sind sowohl die S.-Liste als auch der F. Mietpreisspiegel grundsätzlich zur Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten geeignet. Da die Listen nur als Grundlage für eine Schätzung herangezogen werden, kann der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 287 ZPO von dem sich aus den Listen ergebenden Tarif – durch Zuschläge bzw. Abschläge – grundsätzlich abweichen. Konkrete Zweifel an der grundsätzlichen Geeignetheit der S.-Liste haben sich für das Gericht im konkreten Fall nicht aufgezeigt. Die generellen Einwände der beklagten Partei gegen die Eignung der S.-Liste hält das Gericht für unbegründet. Insbesondere wurden keine konkreten Tatsachen dahingehend aufgezeigt, dass die geltend gemachten Mängel der vom Gericht angewendeten S.-Liste sich auf den hier streitgegenständlichen Fall in erheblichem Umfang ausgeübt wirken würden (BGH, NJW 2008, 1519, NJW 2009, 58, NJW 2010, 1145, NJOZ 2010, 2652, NJW-RR 2011,823).

ee) Im vorliegenden Fall war zu sehen, dass unstreitig von einer notwendigen Reparatur in der Zeit vom 10.05. bis zum 14.05.2021 auszugehen war. Da das Mietfahrzeug in D. angemietet wurde und der Kläger auch dort wohnt, legt das Gericht im Rahmen der S.-Liste 2020 die Tarife des Postleitzahlengebiets 844 zugrunde. Das geschädigte Fahrzeug (Pkw Opel Corsa 1,4 Edition) war der war unstreitig der Fahrzeugklasse 4 der S. Einstufung zuzuordnen. Die Obergrenze berechnet sich im vorliegenden Fall damit wie folgt:

5 x kalendertägliche Mietpauschale á 87,74 Euro (errechnet aus der 3-Tagespauschale geteilt durch drei)

5 x Vollkaskoversicherung á 19,75 Euro

Zwischensumme: 537,45 Euro

Abzug für ersparte Eigenaufwendungen i.H.v. 4 % 21,50 Euro

Gesamt: 515,95 Euro

ff) Zu erstatten sind auch die Kosten für eine Vollkaskoversicherung. Die Aufwendungen für den Abschluss einer Vollkaskoversicherung gehören bei Zugrundelegung der S.-Liste zu den sogenannten Nebenkosten, die neben dem mit Normaltarif zusätzlich anfallen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.12.2011, 4 U 106/11, BeckRS 2013, 227). Dahinstehen kann, ob das beschädigte Fahrzeug der Klägerin Vollkaskoversicherung war. Es besteht nämlich jedenfalls grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse des Geschädigten für die Kosten eine eventuelle Beschädigung des Mietfahrzeugs nicht selbst aufkommen zu müssen, zumal die Wagen in der Regel neuer und damit höherwertiger sind als die beschädigten Fahrzeuge (vergleiche OLG Köln, 02.03.2007, Az.: 19 U181/06). Die Vollkaskoversicherung ist laut der von der Klägerin vorgelegten Mietwagenrechnung auch als Zusatzleistung vereinbart und abgerechnet worden. Die Kosten für die Fahrervollkaskoversicherung sind zur Überzeugung des Gerichts gemäß § 287 ZPO auch ortsüblich und angemessen.

gg) Unter Berücksichtigung der genannten Schadenspositionen ergibt sich zunächst ein Gesamtbetrag in Höhe von 537,45 Euro. Davon war jedoch ein Abzug in Höhe von 4 % für die ersparten Eigenaufwendungen des Geschädigten im Hinblick auf die zwischenzeitliche Nichtnutzung des eigenen Fahrzeugs anzurechnen. Damit reduziert sich der erstattungsfähigen Betrag auf 515,95 Euro. Der Geschädigte hat sich, was unstrittig ist, eigene Aufwendungen erspart. Dabei ist nach Auffassung des Gerichts ein Abzug in Höhe von 4 % jedoch auch ausreichend um die ersparten Aufwendungen auszugleichen. Das Gericht hat dabei die Höhe der ersparten Eigenaufwendungen gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Mietdauer und des konkreten Fahrzeugtyps geschätzt.

e) Als weiterer unfallkausaler Schaden ist eine Unkostenpauschale zu berücksichtigen. Diese ist im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands für alle mit dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall erforderlich werdenden Telefonate, Fahrtkosten, etc., welche später nicht im Einzelnen vorgetragen und belegt werden können, ersatzfähig und im Wege freier richterlicher Schätzung (§ 278 Abs. 2 ZPO) hier auf einen Betrag von 25 Euro anzusetzen.

II. Die Hauptforderung in Höhe von 1.768,28 Euro ist in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.08.2020 zu verzinsen, vgl. §§ 288 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 286 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Schadensersatzforderung ist sofort zur Zahlung fällig, somit wirkte die befristete Mahnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 06.08.2021 mit Ablauf der darin gesetzten Frist unmittelbar verzugsbegründend.

III. Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit seine Prozessbevollmächtigten. Diese Kosten sind als Kosten der Rechtsverfolgung gemäß § 249 Abs. 2 BGB ebenfalls zu erstatten. Unter Berücksichtigung des berechtigten Gegenstandswertes von 3.902,58 Euro errechnen sich die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten wie folgt:

1,3 Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) 361,40 Euro

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG): 20,00 Euro

19 % Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 72,47 Euro

Gesamt: 453,87 Euro

Da die Beklagte zu 2 diesen Betrag bereits beglichen hat, steht dem Kläger kein Anspruch mehr zu.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Kosten waren nach dem Maß des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu verteilen; ausgehend von einem fiktiven Gebührenstreitwert aus der Summe der Haupt- und Nebenforderung. § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO war hier nicht (entsprechend) anzuwenden, da die Nebenforderung zwar keine höheren Kosten verursacht hat, jedoch nicht mehr als geringfügig anzusehen ist.

D.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

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