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Auffahrunfall auf Fahrschulwagen – Verhältnismäßigkeit Ersatzfahrschulfahrzeuganmietung

Auffahrunfall mit Fahrschulwagen: Beklagte haften zu 100 %

Im Fall des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Az.: 20 O 4607/22) vom 04. Mai 2023 ging es um Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall mit einem Fahrschulwagen. Die Klägerin, Halterin des Fahrschulautos, wurde nach einem Auffahrunfall durch einen Lkw, der bei der Beklagten zu 2 versichert war, in ihren Ansprüchen weitgehend bestätigt. Das Gericht entschied, dass die Beklagten als Gesamtschuldner der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 5.813,38 € zuzüglich Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 286,00 € zu leisten haben. Das Gericht wies darauf hin, dass die Beklagten zu 100 % haften, da keine Gründe für einen Haftungsausschluss ersichtlich waren und der Unfall für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs auch bei äußerster Sorgfalt nicht abwendbar gewesen wäre.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 20 O 4607/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Landgericht Nürnberg-Fürth entschied zu Gunsten der Klägerin, die als Halterin eines Fahrschulfahrzeugs Schadensersatz nach einem Auffahrunfall forderte.
  2. Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.813,38 € sowie Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 286,00 € verurteilt.
  3. Der Unfall war für den Fahrer des Fahrschulautos unvermeidbar, und es wurde eine 100%ige Haftung der Beklagten festgestellt.
  4. Der Sachverständige ermittelte die Schadenssumme unter Berücksichtigung eines Vorschadens.
  5. Die Klägerin hatte Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten, eine Kostenpauschale und Mietwagenkosten für die Dauer der Reparatur.
  6. Die Anmietung eines Ersatzfahrschulfahrzeugs war erforderlich und wirtschaftlich nicht unverhältnismäßig.
  7. Die Höhe des Schadensersatzes wurde auf Grundlage der Reparaturkosten, Wertminderung, Sachverständigenkosten und Mietwagenkosten berechnet.
  8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, und der Streitwert wurde festgesetzt.

Ersatzfahrzeug nach Auffahrunfall: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Anmietung

Kommt es auf der Straße zu einem Auffahrunfall, kann ein Ersatzfahrzeug benötigt werden, wenn das eigene Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig ist. Das gilt insbesondere auch für Fahrschulen, die auf ihre Fahrzeuge angewiesen sind. Neben der Frage der Schuld und der Haftung stellt sich dabei auch die nach der Verhältnismäßigkeit der Anmietung. Zu klären ist, ob die Kosten gerechtfertigt sind und unter welchen Rahmenbedingungen dies gilt.

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Unverschuldeter Auffahrunfall: Anspruch auf Ersatzfahrschulwagen?
Nach Auffahrunfall: Kann ich ein Ersatzfahrschulfahrzeug mieten? (Symbolfoto: Southworks /Shutterstock.com)

Im Zentrum eines juristischen Disputs stand ein Auffahrunfall, der weitreichende Folgen für eine Fahrschule nach sich zog. Ein Fahrschulwagen wurde von einem Lkw, geführt von einem Mitarbeiter der beklagten Partei, von hinten gerammt. Dieser Zwischenfall ereignete sich an einer Auffahrt zur Bundesstraße B14, als ein Fahrschüler beim Anfahren den Motor abwürgte und infolgedessen der Lkw auf das stehende Fahrschulfahrzeug auffuhr.

Ein Auffahrunfall mit weitreichenden Konsequenzen

Nach dem Unfall sah sich die Fahrschule mit der Notwendigkeit konfrontiert, ein Ersatzfahrzeug zu mieten, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Die Kosten hierfür beliefen sich auf über 3.800 Euro. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wurde mit der Klärung beauftragt, inwiefern die Beklagten für die entstandenen Schäden und die daraus resultierenden finanziellen Belastungen aufzukommen hatten.

Die rechtliche Auseinandersetzung um Ersatzansprüche

Die Klägerseite argumentierte, dass der Unfall für den Fahrer des Fahrschulwagens unvermeidbar gewesen sei und somit die volle Haftung bei den Beklagten liege. Dabei wurde insbesondere auf die gesteigerte Sorgfaltspflicht des Lkw-Fahrers hingewiesen, die bei der Verfolgung eines Fahrschulfahrzeugs geboten sei. Die Beklagten hingegen sahen eine Überregulierung der Schadensansprüche und argumentierten, dass die Betriebsgefahr primär beim Fahrschulwagen zu verorten sei, da das Abwürgen des Motors eine wesentliche Ursache des Unfalls darstellte.

Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth

Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beklagten in voller Höhe für die entstandenen Kosten aufkommen müssen. In seiner Begründung stützte sich das Gericht auf den Grundsatz, dass beim Auffahren auf ein vorausfahrendes Fahrzeug in der Regel eine Verletzung der Sorgfaltspflicht des Auffahrenden vorliegt. Besonders hervorgehoben wurde die Erwartungshaltung gegenüber Fahrschulfahrzeugen, bei denen mit plötzlichen Bremsmanövern zu rechnen ist. Des Weiteren wurden die von der Klägerseite geltend gemachten Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs als angemessen und notwendig erachtet.

Schlüsselaspekte des Falles und deren Bedeutung

Dieses Urteil unterstreicht die besondere Verantwortung von Fahrern, die hinter Fahrschulfahrzeugen unterwegs sind. Es verdeutlicht, dass im Falle eines Auffahrunfalls auf ein Fahrschulfahrzeug der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Auffahrenden spricht. Zudem betont es die Relevanz, dass Fahrschulen bei der Inanspruchnahme von Ersatzfahrzeugen ihre Betriebskontinuität gewährleisten können, ohne unverhältnismäßige finanzielle Einbußen hinnehmen zu müssen.

Das Urteil bestätigt die volle Haftung der Beklagten für die durch den Auffahrunfall entstandenen Schäden und Kosten, die der Fahrschule durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entstanden sind.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind die Grundprinzipien der Haftung bei einem Auffahrunfall?

Bei einem Auffahrunfall ist die Frage der Haftung nicht immer eindeutig zu beantworten, obwohl oft angenommen wird, dass der Auffahrende automatisch die Schuld trägt. Diese Annahme beruht auf dem sogenannten Anscheinsbeweis, der in der Regel davon ausgeht, dass der Auffahrende entweder den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, zu schnell gefahren ist oder durch Unaufmerksamkeit den Unfall verursacht hat.

Haftungsgrundsätze

Der Anscheinsbeweis kann jedoch in bestimmten Situationen entkräftet werden, wenn der Auffahrende nachweisen kann, dass der Unfall auch bei Einhaltung aller Verkehrsregeln nicht vermeidbar war. Beispielsweise kann ein abruptes, grundloses Bremsen des Vorausfahrenden, ein plötzlicher Spurwechsel ohne Blinken oder das Einfahren in eine Grundstückseinfahrt ohne vorherige Ankündigung den Anscheinsbeweis zuungunsten des Vorausfahrenden verschieben.

Ausnahmen von der Regel

  • Grundloses Bremsen: Wenn der Vorausfahrende ohne triftigen Grund stark abbremst, kann ihm eine Teilschuld oder sogar die Hauptschuld zugesprochen werden.
  • Spurwechsel: Bei einem Spurwechsel des Vorausfahrenden kurz vor dem Unfall kann die Schuldfrage zugunsten des Auffahrenden beeinflusst werden, insbesondere wenn der Spurwechsel ohne ausreichende Ankündigung oder Sicherheitsüberprüfung erfolgte.
  • Kettenunfälle: Bei Kettenunfällen, insbesondere auf Autobahnen, kann die Schuldfrage komplex sein. Oft wird eine Haftungsteilung vorgenommen, wobei die genauen Umstände des Unfalls berücksichtigt werden müssen.

Beweislast und Gerichtsentscheidungen

Die Beweislast liegt grundsätzlich beim Auffahrenden, der den Anscheinsbeweis entkräften muss. In der Praxis bedeutet dies, dass der Auffahrende nachweisen muss, dass er trotz Einhaltung aller Verkehrsregeln den Unfall nicht vermeiden konnte. Gerichtsentscheidungen zeigen, dass jeder Fall individuell betrachtet wird und die Umstände des Unfalls, wie Zeugenaussagen und Sachverständigengutachten, eine entscheidende Rolle spielen.

Obwohl der Anscheinsbeweis oft zuungunsten des Auffahrenden spricht, gibt es zahlreiche Ausnahmen und Umstände, die zu einer anderen Haftungsverteilung führen können. Die Schuldfrage bei einem Auffahrunfall muss daher immer individuell und unter Berücksichtigung aller Fakten geklärt werden. In strittigen Fällen kann die Einschaltung eines Rechtsanwalts sinnvoll sein, um die eigenen Rechte und Ansprüche effektiv zu vertreten.

Wie wird die Verhältnismäßigkeit bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall bewertet?

Die Verhältnismäßigkeit bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall wird anhand verschiedener Kriterien bewertet. Es geht darum, ob die Kosten für das gemietete Fahrzeug im Rahmen dessen liegen, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Situation des Geschädigten ebenfalls aufwenden würde.

Besonderheiten bei Fahrschulwagen

Bei einem Fahrschulwagen ist die Situation speziell, da hier oft ein Fahrzeug mit doppelter Bedienung benötigt wird, was die Auswahl und die Kosten beeinflusst. Ein Gerichtsurteil bestätigt, dass eine Fahrschule nach einem Unfall einen Mietwagen mit Fahrschulausrüstung ersetzen darf und die Kosten hierfür vom Versicherer zu tragen sind.

Kriterien für die Verhältnismäßigkeit

  1. Erforderlichkeit: Die Anmietung muss erforderlich sein, um den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das Schadensereignis stünde. Dies beinhaltet, dass das Ersatzfahrzeug vergleichbar mit dem beschädigten Fahrzeug sein sollte.
  2. Vergleichbarkeit: Das Ersatzfahrzeug sollte in Größe und Ausstattung dem beschädigten Fahrzeug entsprechen. Bei Fahrschulwagen ist es wichtig, dass die Fahrschüler im gewohnten Fahrzeugmodell unterrichtet werden können.
  3. Marktübliche Preise: Die Kosten müssen sich im Rahmen des üblichen Marktpreises bewegen. Überhöhte Mietkosten werden oft nicht vollständig von der Versicherung übernommen.
  4. Aufklärungspflicht: Vermieter sind verpflichtet, den Geschädigten über günstigere Normaltarife aufzuklären, falls der Unfallersatztarif deutlich über dem Normaltarif liegt.
  5. Eigenersparnis: Bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeugs für ein gewerblich genutztes Fahrzeug, wie einen Fahrschulwagen, müssen sich Geschädigte eine Eigenersparnis anrechnen lassen, da während der Reparaturdauer Kosten wie für Öl oder Reifen eingespart werden.

Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs nach einem Unfall muss verhältnismäßig sein. Bei Fahrschulwagen ist die Anmietung eines typgleichen Fahrzeugs oft gerechtfertigt, um den Betrieb aufrechtzuerhalten und den Fahrschülern die gewohnte Lernumgebung zu bieten. Die Kosten müssen marktüblich sein und der Geschädigte sollte über günstigere Tarife aufgeklärt werden. Ersparnisse durch die Nichtnutzung des eigenen Fahrzeugs müssen berücksichtigt werden.

§ Wichtige Gesetze und Paragraphen in diesem Urteil

  • § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelung der Haftung des Fahrzeughalters bei einem Verkehrsunfall. Im Urteil relevant für die Begründung der grundsätzlichen Haftung der Beklagten.
  • § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz): Bestimmt die Direktanspruchsmöglichkeit gegen die Versicherung des Schädigers. Im Urteil erwähnt im Zusammenhang mit der Haftung der


Das vorliegende Urteil

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 20 O 4607/22 – Urteil vom 04.05.2023

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 5.813,38 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5.125,79 € in der Zeit vom 24.02.2022 bis 14.03.2023 zu bezahlen und aus einem Betrag in Höhe von 5.813,38 € ab 15.03.2023 zu bezahlen.

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2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 286,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.08.2022 zu bezahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 6 % und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 94 % auferlegt.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird bis 14.03.2023 auf 5.125,79 € und ab 15.03.2023 auf 6.171,99 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten zu Grund und Höhe um weitere Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Verkehrsunfall vom 16.06.2021 gegen 09:30 Uhr in ….

Die Klägerin ist Halterin des Fahrschulfahrzeugs VW Golf VII, amtliches Kennzeichen … Für die Beklagte zu 1) war der Zeuge … als Fahrer mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Lkw M. (Betonmischer), amtliches Kennzeichen …, unterwegs.

An der Auffahrt zur B14 musste der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs zunächst verkehrsbedingt an dem dortigen Stoppschild anhalten. Als das Fahrschulfahrzeug erneut anfuhr, „würgte“ der Fahrschüler den Motor ab. Daraufhin fuhr der Zeuge … mit dem Lkw auf das Fahrschulauto auf. Der Unfallhergang ist insoweit unstreitig.

Die Klägerin veranlasste zur Schadenbezifferung ein Sachverständigengutachten (Anlage K1). Dabei ermittelte der Sachverständige … mit Gutachten vom 18.06.2021 zunächst voraussichtliche Instandsetzungskosten in Höhe von 7.904,69 € netto und zudem eine Wertminderung in Höhe von 550,00 €. Der Sachverständige stellte für die Gutachtenerstellung einen Betrag in Höhe von 879,80 € netto in Rechnung (Anlage K2). Nachdem dem Sachverständigen seitens der Klägerin mitgeteilt wurde, dass ein Vorschaden aus dem Jahr 2020 unrepariert blieb, bezifferte der Sachverständige in einer Stellungnahme vom 02.08.2021 den Schaden mit 5.136,18 € netto und die Wertminderung mit 150 € (Anlage K9). Das Fahrzeug wurde im Anschluss vollumfänglich repariert. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs war erforderlich. Die Klägerin mietete für den Reparaturzeitraum in der Zeit vom 17.06.2021 bis zum 30.06.2021 einen Fahrschul-Mietwagen an. Die Firma … berechnete hierfür 3.932,40 € netto (Anlage K4). Abzüglich 3% Eigenersparnisabzugs betrugen die Mietkosten 3814,43 € netto.

Mit Schreiben vom 24.06.2021 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erstmals die Beklagte zu 2) zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum bis 09.07.2021 (Anlage K5) auf. In der Folge kam es zur Teilregulierung durch die Beklagte zu 2) (Anlagen K14 und K19). Im Hinblick auf einen in Höhe von 6.605,77 € anerkannten Schaden wurden bei einer Haftungsquote von 80 % Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.284,62 € geleistet. Mit Schreiben vom 09.02.2022 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den offenen Betrag unter Fristsetzung bis 23.02.2022 ein (Anlage K17). Mit Schreiben vom 11.02.2022 lehnte die Beklagte zu 2) eine Regulierung über eine Haftungsquote von 80 % hinaus ab (Anlage K19).

Die Klägerin meint, die Beklagten würden voll haften. Der Unfall sei für den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs nicht vermeidbar gewesen. Für die Klägerin spreche bereits der Beweis des ersten Anscheins. Zudem müssten andere Verkehrsteilnehmer immer mit dem „Abwürgen“ beim Anfahren durch einen Fahrschüler rechnen und es treffe daher den Fahrer des Beklagten-Fahrzeugs eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Für das Beklagten-Fahrzeug spreche auch bereits eine höhere Betriebsgefahr. Zudem seien die in Rechnung gestellten Kosten für COVID-Schutzmaßnahmen notwendig. Die kalkulierte Wertminderung sei korrekt ermittelt. Auch eine Kostenpauschale in Höhe von 30,00 € sei zu erstatten. Ebenso seien die abgerechneten Mietwagenkosten nicht zu beanstanden. Es bestehe auch keine Unverhältnismäßigkeit zwischen Mietwagenkosten einerseits und zu befürchtendem Gewinnentgang andererseits. Die Kosten seien nicht überhöht und der Tagessatz erforderlich. Hinsichtlich der Vermietung von Fahrschulautos handele es sich um einen absoluten Sondermarkt. Ein Eigenersparnisabzug sei maximal in Höhe von 3 % vorzunehmen. Die Dauer der Anmietung entspreche dem schadensangemessenen Reparaturzeitraum. Die Sachverständigengutachtenkosten seien auch in voller Höhe zu erstatten.

Die Klägerin beantragt zuletzt:

1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin 6.171,99 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 5.125,79 Euro in der Zeit vom 24.02.2022 bis 14.03.2023 zu bezahlen und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einer Summe von 6.171,99 Euro seit 15.03.2023 zu bezahlen.

2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 454,30 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Die Beklagten meinen, es sei bereits eine Überregulierung erfolgt. Es sei jedenfalls die Betriebsgefahr auf der Klägerseite anzusetzen. Die Kollision sei durch das „Abwürgen“ des Motors am klägerischen Fahrzeug von dem dortigen Fahrer mitverursacht worden. Die höhere Betriebsgefahr eines Betonmischers sei nur dann in die Haftungsabwägung einzustellen, wenn sich diese auch auf die Kollision ausgewirkt habe. Aufgrund anfänglich nicht angegebener Vorschäden bestehe insgesamt kein Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten sowie der Wertminderung. Im Übrigen seien die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten, insbesondere unter Berücksichtigung des Vorteilsausgleichs, nicht richtig. Desinfektionskosten seien abzuziehen, da die Pandemie-Maßnahmen vollständig aufgehoben seien. Es sei allenfalls eine Wertminderung in Höhe von 150 € angemessen. Die Gutachterkosten seien nicht zu erstatten, da das Gutachten zur Regulierung ungeeignet sei. Die Mietwagenkosten seien übersetzt, ebenso der Anmietzeitraum. Der Tagessatz sei übersetzt. Die Klägerin hätte sich nach Tarifen anderer Anbieter erkundigen und zwei Konkurrenzangebote einholen müssen. Es sei ein Eigenersparnisabzug von 15% angemessen. Die Unkostenpauschale sei mit 25 € anzusetzen. Es liege kein Verzug vor, weil dafür die einseitige Bestimmung einer Zahlungsfrist durch den Gläubiger nicht genüge.

Das Gericht hat am 15.03.2023 mündlich zur Sache verhandelt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Einvernahme des Zeugen D. sowie durch Einholung eines mündlichen Gutachtens der Sachverständigen …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Zeugenvernehmung sowie des mündlichen Gutachtens wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2023 samt Anlagen verwiesen (Bl. 59 ff. d.A.).

Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist weitestgehend begründet.

A.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das erkennende Gericht gem. § 1 ZPO iVm. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gem. §§ 12, 13 ZPO iVm. § 7 BGB bzw. § 32 ZPO / § 20 StVG örtlich zuständig.

B.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.813,38 € zuzüglich Zinsen (I.), sowie auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 286,00 € (II.). Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

I. Die Beklagten haften der Klägerin dem Grunde nach zu 100%.

1. Da das Kläger-Fahrzeug bei dem Zusammenstoß mit dem in Betrieb befindlichen Beklagten-Lkw beschädigt wurde, hat die Klägerin dem Grunde nach einen Anspruch gegen die Beklagten aus § 7 Abs. 1 StVG bzw. i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.

2. Gründe für einen Haftungsausschluss sind nicht ersichtlich. Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 2, Abs. 3 StVG bzw. § 8 StVG sind weder dargelegt, noch bewiesen. Zudem konnte sich auch die Klägerin nicht nach § 17 Abs. 3 StVG entlasten. Voraussetzung hierfür ist zwar nicht, dass der Unfall für den Fahrer absolut unvermeidbar war. Jedoch ist es erforderlich, dass der Unfall auch bei Anwendung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus, so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben muss (BGH, Urteil vom 10. März 1998 – VI ZR 30-97, NJW 1998, 2222). Dabei darf sich die Prüfung aber nicht auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein „Idealfahrer“ reagiert hat, vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein „Idealfahrer“ überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre, denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelnde Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer in der Gefahr nunmehr (zu spät) „ideal“ verhält. Damit verlangt § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2005 – VI ZR 68/04 –, VersR 2006, 369). Ein Idealfahrer hätte zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) in der vorliegenden Verkehrssituation nicht abrupt angehalten, sondern hätte das Fahrzeug entsprechend der Verkehrssituation beschleunigt und wäre auf die Bundesstraße eingefahren.

3. Da der Schaden somit vorliegend durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde (§ 17 Abs. 1, 2 StVG), hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung im Rahmen des § 17 Abs. 1 StVG ist aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, wenn sie sich auf den Unfall ausgewirkt haben. In erster Linie ist hierbei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung das Maß der Verursachung von Belang, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben; das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (BGH r+s 2017, 153; BGH r+s 2017, 93; BGH r+s 2016, 147; BGH r+s 2014, 364; BGH r+s 2012, 195; BGH VersR 2010, 642; BGH VersR 2007, 557). Dabei dürfen nur feststehende Umstände berücksichtigt werden, die sich erwiesenermaßen auf den Unfall ausgewirkt haben (BGH r+s 2017, 93; BGH VersR 1995, 357 m.w.N.).

Der Fahrer des Beklagten-Fahrzeugs ist aufgefahren. Bei einem solchen Auffahrunfall spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass entweder der erforderliche Sicherheitsabstand nicht eingehalten wurde (§ 4 Abs. 1 StVO), der Fahrer unaufmerksam war (§ 1 StVO) oder er mit einer den Straßen- und Sichtverhältnissen unangepassten Geschwindigkeit gefahren ist (§ 3 Abs. 1 StVO) (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2011 – VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84; BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/16 = SVR 2017, 215, beck-online).

Ein Beweis des ersten Anscheins ist dann möglich, wenn im Einzelfall ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache hinweist und so sehr das Gepräge des Gewöhnlichen und Üblichen trägt, dass die besonderen individuellen Umstände in ihrer Bedeutung zurücktreten (BGHZ 100, 214, 216; 160, 308, 313). Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGHZ 160, 308, 313).

Der Beweis des ersten Anscheins kann dann nur durch feststehende Tatsachen entkräftet werden, welche die Möglichkeit eines anderen Geschehensverlaufs ernsthaft in Betracht kommen lassen (BGH VersR 2006, 1653). Dies ist den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht zur Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) gelungen.

Zwar könnte grundsätzlich ein atypischer Verlauf in Betracht gezogen werden, wenn der Vorausfahrende sein Fahrzeug ohne zwingenden Grund stark abbremst (NK-GVR/Sebastian Gutt, 3. Aufl. 2021, StVO § 4 Rn. 8). Jedoch kann dies jedenfalls dann nicht gelten, wenn mit einem abrupten Abbremsen auch ohne zwingenden Grund gerade typischerweise zu rechnen ist. Dies ist hier der Fall. Jeder Verkehrsteilnehmer, der einem deutlich als solchen gekennzeichneten Fahrschulfahrzeug folgt, muss mit plötzlichen und sonst nicht üblichen Reaktionen, auch ohne, dass sie durch eine vor dem Fahrschulfahrzeug bestehende Verkehrssituation hervorgerufen werden, rechnen und seine Fahrweise darauf einstellen (LG Saarbrücken, Urteil v. 02.11.2018 – 13 S 104/18 Rn. 11, mwN). Der Zeuge …, Fahrer des Beklagten-Fahrzeugs, gab im Rahmen seiner Einvernahme in der mündlichen Verhandlung an, dass er erkannt habe, dass es sich um ein Fahrschulauto handelte. Es verbleibt daher bei einem der oben genannten Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, weil das „Abwürgen“ ein typischer Anfängerfehler eines Fahrschülers ist und nicht zur Erschütterung des Anscheinsbeweises herangezogen werden kann.

Ferner wiegt der Verursachungsbeitrag im vorliegenden Fall so schwer, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs, selbst wenn man einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2 StVO annehmen würde, zurücktritt. Der Zeuge …, Fahrer des Beklagten-Fahrzeugs, räumte selbst ein, dass er nach links geschaut habe, um den Verkehr zu beobachten, als er mit dem Lkw anrollte. Das Fahrzeug hatte er als Fahrschulfahrzeug erkannt. Deshalb hätte der Zeuge, zur Überzeugung des Gerichts, mit einem „Abwürgen“ als typisches Fahrmanöver eines Fahrschülers beim Anfahren an einem Stoppschild rechnen müssen und hätte den Blick nicht unter gleichzeitigem Anfahren abwenden dürfen. Zumal der Zeuge auch selbst an der Haltelinie nochmals hätte anhalten müssen.

Somit führt die nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 StVG gebotene Abwägung der Verursachungsbeiträge zu einer Haftung der Beklagten zu 100 %. Zumal in der Regel bei einem „normalen“ Auffahrunfall von einer Alleinhaftung des Auffahrenden zu 100 % auszugehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/16 –, juris). Der konkrete Streitfall bietet aus den vorgenannten Gründen keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen.

4. Der Höhe nach steht der Klägerin – gemessen am Maßstab des § 287 ZPO und nach Durchführung der nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich erachteten Beweisaufnahme – ein Anspruch in Höhe von 5.813,38 € zu. Dieser setzt sich aus den folgenden Beträgen zusammen:

Reparaturkosten 6.128,77 €

Wertminderung 250,00 €

Sachverständigenkosten 879,80 €

Kostenpauschale 25,00 €

Mietwagenkosten 3.814,43 €

Gesamt 11.098,00 €

abzüglich geleisteter Zahlungen – 5.284,62 €

5.813,38 €

Die weiterreichende Klage ist unbegründet und wird abgewiesen.

a) Der Klägerin stehen die von ihr mit der Klage beanspruchten weiteren Reparaturkosten abzüglich der Kosten für COVID-Schutzmaßnahmen in Höhe von 53,61 € zu.

Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts aus dem Ergebnis des erholten Sachverständigengutachtens der Sachverständigen …. Die dem Gericht aus einer Vielzahl von Verfahren als zuverlässig und sachkundig bekannte Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass bei der Berechnung der Schadenssumme unter Berücksichtigung der Vorschäden nur die tatsächlich sich wiederholenden beschädigten Bauteile inklusive der dabei anfallenden Zeiten aus der ursprünglichen, nicht zu beanstandenden, Kalkulation des Sachverständigen … zu streichen sind. Dies hat zur Folge, dass sämtliche Arbeiten an der Stoßfänger-Verkleidung hinten und auch das Bauteil der Stoßfänger-Verkleidung an sich aus der Kalkulation zu streichen seien. Ferner sei die Lackierung der Stoßfänger-Verkleidung nicht mehr zu berücksichtigen. Außerdem doppele sich in den beiden Schadengutachten auch der Austausch des Werbedekors, sodass der Tausch des Dekors zu streichen und das Material anteilig um 220,00 € zu kürzen sei. So errechne sich die Schadenshöhe von 6.182,38 Euro netto. Auch nach kritischer Sachprüfung lassen sich dem Gutachten keine Widersprüchlichkeiten entnehmen. Die Ausführungen waren nachvollziehbar, von Sachkunde getragen und daher überzeugend.

Die Kosten für die Schutzmaßnahmen hinsichtlich der COVID-19 Pandemie sind nicht i. S. d. § 249 Abs. 1 S. 2 BGB zur Wiederherstellung erforderlich. Auch insoweit hat die Sachverständige überzeugend dargelegt, dass solche Kosten von den meisten Werkstätten nicht mehr verrechnet werden bzw. gar nicht erst anfallen. Dem schließt sich das Gericht an. Angesichts der erfolgten Lockerungen im Hinblick auf die Corona-Pandemie erscheint fraglich, inwieweit in den Werkstätten überhaupt noch regelmäßig entsprechende Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt werden (vgl. LG München I Hinweisbeschluss v. 8.11.2022 – 17 S 9980/22, BeckRS 2022, 42049 Rn. 5).

b) Ebenso ist das Gericht nach den nicht zu beanstandenden Ausführungen der Sachverständigen der Überzeugung, dass die Wertminderung 250,00 € netto beträgt. Die Sachverständige hat überzeugend dargelegt, dass es durch den zweiten Unfall zu einer weiteren Wertminderung gekommen sei. Gemittelt aus der Marktrelevanz- und Faktorenmethode (MFM) und der Berechnung gemäß dem Bundesverband der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V. (BVSK) ergebe sich ein Wert in Höhe von 250,00 € netto. Auch diese Ausführungen waren nachvollziehbar, von Sachkunde getragen und daher überzeugend.

c) Zur Überzeugung des Gerichts sind auch die Sachverständigenkosten in voller Höhe erstattungsfähig. Zwar können die Kosten des Gutachtens zur Schadensfeststellung nicht erstattungsfähig sein, wenn das Gutachten objektiv ungeeignet ist und der Geschädigte dies zu vertreten hat, wenn er beispielsweise (zumindest fahrlässig) gegenüber seinem Privatsachverständigen erhebliche Vorschäden verschweigt und der Sachverständige deshalb zu einem fehlerhaften Ergebnis gelangt (Stiefel/Maier/Rogler, 19. Aufl. 2017, BGB § 249 Rn. 20). Dies war hier jedoch nicht der Fall. Es ist bereits zu berücksichtigen, dass seitens der Klagepartei zeitnah der Sachverständige darauf hingewiesen wurde, dass der Vorschaden unrepariert blieb. Die entsprechende zweite Stellungnahme des Sachverständigen … erfolgte bereits am 02.08.2021 und damit zeitlich deutlich sowohl vor der gerichtlichen Geltendmachung der nicht regulierten Schadensposten als auch vor der Teilregulierung durch die Beklagte zu 2). Unabhängig von der Frage, ob daher das Sachverständigengutachten aufgrund der zeitnahen Korrektur überhaupt objektiv ungeeignet ist, hat jedenfalls die Klagepartei zur Überzeugung des Gerichts die fehlerhafte Annahme des Sachverständigen Jahn nicht zu vertreten. Der Sachverständige … war – insoweit unstreitig – auch bereits mit der Begutachtung des Vorschadens betraut. Er hatte daher Kenntnis von dem Vorschaden. Nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen … waren der Vorschaden und der durch den streitgegenständlichen Unfall verursachte Schaden aus gutachterlicher Sicht voneinander zu unterscheiden. Die Klägerin musste daher zur Überzeugung des Gerichts nicht damit rechnen, dass der im Rahmen der Begutachtung von Kfz-Schäden berufstätige Sachverständige … in Kenntnis des existierenden Vorschadens bei der Begutachtung des streitgegenständlichen Unfallschadens die fehlerhafte Annahme trifft, der Vorschaden sei repariert worden. Sie hat daher zur Überzeugung des Gerichts nicht gegen eine Hinweispflicht verstoßen.

d) Die Unkostenpauschale für die Abwicklung eines durchschnittlichen Verkehrsunfalls, wie es der streitgegenständliche ist, setzt das Gericht mit 25 € an (§ 287 ZPO; so z.B. auch OLG Celle Urt. v. 16.6.2021 – 14 U 152/20, BeckRS 2021, 15005).

e) Der Klägerin stehen entgegen der Auffassung der Beklagten auch die ihr von der Fa. … in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 3.932,40 € für die Anmietung eines Fahrschulersatzwagens für die Zeit vom 17.06.2021 bis 30.06.2021 (14 Tage) abzüglich einer Eigenersparnis in Höhe von 3 % zu.

Aus § 249 Abs. 2 S. 1 BGB folgt das Recht eines Geschädigten, Naturalrestitution für die Beschädigung einer Sache in Gestalt von (Wieder-)Herstellung oder des dazu erforderlichen Geldbetrages zu verlangen. Die Kosten der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges sind bei gewerblichen Nutzfahrzeugen grundsätzlich in gleicher Weise zu ersetzen wie bei Privatfahrzeugen.

Unstreitig war die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs erforderlich. Auch die Dauer der Anmietung ist nicht zu beanstanden.

Der streitgegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich an einem Mittwoch, dem 16.06.2021. Ausweislich des vorgelegten Schadensgutachtens wurde dieses am darauffolgenden Tag, 17.06.2021, in Auftrag gegeben und am 18.06.2021 erstellt. Das Fahrzeug befand sich in der Zeit vom, 17.06. bis zum 30.06.2021 zur Reparatur bei der Firma … (Anlage K23). Insoweit unstreitig wurde das Fahrzeug in der Zeit vom 18.06.2021 bis zum 30.06.2021 vollumfänglich repariert. Unter Berücksichtigung einer angemessenen Überlegungsfrist und unter Berücksichtigung zweier Wochenenden, die in den Reparaturzeitraum fielen, wurde die im Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 18.06.2021 angegebene Reparaturdauer von acht bis neun Tagen nicht überschritten.

Soweit die Beklagten weiter die Höhe des Tagessatzes für die Anmietung des Ersatzfahrschulautos angegriffen haben, so existiert insoweit gerichtsbekannt ein Sondermarkt. Selbst wenn auf einem solchen Sondermarkt überhöhte Preise verlangt werden sollten, ändert dies nichts an dem Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution; das Preisrisiko hat grundsätzlich der Schädiger zu tragen, wenn keine günstigere Restitution möglich ist. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Es wurde nicht substantiiert vorgetragen, dass eine Möglichkeit bestanden hätte, ein Fahrschulmietfahrzeug zeitnah preisgünstiger anzumieten. Eine Verpflichtung zur Einholung von Konkurrenzangeboten bestand aus vorgenannten Gründen nicht. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch die Anmietung zu dem in der Rechnung der Firma … angegebenen Tarif ist mithin nicht gegeben.

Auch war die Anmietung nicht unverhältnismäßig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Inanspruchnahme eines Mietwagens für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgebenden Sicht ex ante gemäß § 251 Abs. 2 BGB nur dann und insoweit nicht zu ersetzen, als sie unternehmerisch geradezu unvertretbar war (BGH, Urteil vom 04.12.1984, Az.: VI ZR 225/82; Urteil vom 19.10.1993, Az.: VI ZR 20/93; OLG München, Urteil vom 22.05.1992, Az.: 10 U 1810/92; OLG Köln, Urteil vom 26.08.1996, Az.: 12 U 65/96; OLG Nürnberg, Urteil vom 21.12.1989, Az.: 2 U 2815/89 LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 29.10.2015, Az.: 8 O 6456/14; KG, Urteil vom 30.08.2004, Az.: 12 U 283/03). Bei der Beurteilung, ob die Entscheidung für die Inanspruchnahme eines Mietfahrschulfahrzeuges im Einzelfall unternehmerisch geradezu unvertretbar war, ist eine Gesamtbetrachtung des Interesses des Geschädigten an der ungestörten Fortführung seines Betriebes anzustellen. Auch dann, wenn die Mietwagenkosten um mehr als 100 % oder um eine andere feste Prozentzahl über einem prognostizierbaren Gewinnentgang liegen, bedeutet dies nicht, dass die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges unwirtschaftlich wäre. Vielmehr kommt einer Vielzahl von Gesichtspunkten Relevanz zu, namentlich dem Vergleich zwischen den Mietkosten für das Ersatzfahrzeug einerseits und dem bei Verzicht auf die Anmietung drohenden Verdienstausfall andererseits; dem schutzwürdigen Anliegen des Fahrschulunternehmens, den guten Ruf des Betriebes nicht zu gefährden; dem schutzwürdigen Anliegen, mit vollem Wagenpark disponieren zu können und die Kapazität der verbliebenen Fahrzeuge nicht übermäßig beanspruchen zu müssen. Folgende weitere Punkte können relevant und daher in die Gesamtbetrachtung mit einzubeziehen sein: Umsatzgröße und -entwicklung des Unternehmens; Zeitdauer seines bisherigen Bestehens und Intensität seiner Einführung am Markt; Personal- und Kostenstruktur des Unternehmens (etwa fest angestellte Fahrlehrer; Teilzeitkräfte; Filialen bzw. unterschiedliche Unterrichtsorte); Zusammensetzung der Fahrschüler z.B. nach dem Ausbildungsstand bzw. Prüfungsnähe, Ausbildung auf einem bestimmten Fahrzeugtyp, Zuordnung zu einem bestimmten Fahrlehrer; Struktur des Marktes (z. B. in einer Großstadt oder in ländlichem Raum); Wettbewerbssituation; Umfang und Dauer der Reparatur des Unfallfahrzeugs; Geschäftsaussichten während der Reparaturzeit (Hochsaison; Prüfungssaison). Pauschale Wertungen verbieten sich. Vielmehr sind alle Aspekte des konkreten Einzelfalls zu berücksichtigen. Ausdrücklich stellt der Bundesgerichtshof wiederholt fest, dass die Anmietung des betrieblich genutzten Sonderfahrzeuges für einen wirtschaftlich denkenden Geschädigten aus der maßgeblichen vorausschauenden Sicht nur ausnahmsweise unternehmerisch geradezu unvertretbar sein wird (BGH a. a. O.).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Klägerin mit der Anmietung eines Ersatzfahrschulfahrzeuges keine unverhältnismäßigen Aufwendungen getätigt hat.

Seitens der Klagepartei wurde zur Auslastung konkret vorgetragen (Bl. 33 d.A.) und auch als Anlage K22 eine Übersicht über die in den Reparaturzeitraum fallenden Fahrstunden eingereicht. Es seien im Reparaturzeitraum Einnahmen von ca. 3.729,00 € erzielt worden. Die für die von ihnen geltend gemachte Unwirtschaftlichkeit vortrags- und beweispflichtigen Beklagten haben weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass die Anmietung des Mietfahrzeuges im Vergleich zu den Verlusten, die der Klägerin bei Nichtanmietung entstanden wären, unverhältnismäßig war. Insoweit ist das Gericht unter Berücksichtigung der vorgelegten Tagesnachweise über das Mietfahrzeug davon überzeugt, dass die Anmietung des Ersatzfahrzeuges aus der maßgeblichen Ex-ante-Perspektive wirtschaftlich nicht unvertretbar war.

Das Gericht schätzt den Eigenersparnisabzug für einen Fahrschulwagen gem. § 287 ZPO auf 3 %. Durch die Nutzung eines Ersatzfahrzeugs an Stelle des eigenen, beschädigten Fahrzeugs erspart sich der Geschädigte Aufwendungen für sein eigenes Fahrzeug. Folglich sind die Mietwagenkosten entsprechend zu kürzen (BGH, NJW 1963, 1399; vgl. auch BGH, NJW 2013, 1870 = r + s 2013, 460; BGHZ 132, 373 = NJW 1996, 1958; OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 528 = VersR 2001, 208). Zwar unterliegen gewerblich genutzte Fahrzeuge gewöhnlich einer stärkeren Nutzung mit der Folge höherer Kosten, jedoch spiegelt sich dies bereits in den für gewerbliche Fahrzeuge deutlich höheren Mietpreisen wider, die nach einhelliger Ansicht als Berechnungsgrundlage für die abzusetzende Eigenersparnis herangezogen werden können (LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2015 – 8 S 7887/14 = NJW-RR 2015, 1373).

5. Zinsen stehen der Klägerin aus einem Betrag in Höhe von 5.125,79 € in der Zeit vom 24.02.2022 bis 14.03.2023 gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB zu. Die für einen Verzugsbeginn erforderliche Mahnung ist in dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.02.2022 gegenüber der Beklagten zu 2) mit Fristsetzung zur Regulierung bis zum 23.02.2022 zu sehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht an. Das Verschulden der Beklagten wird vermutet (§ 286 Abs. 4 BGB). Die Beklagten haben sich nicht exkulpiert.

Der Zinslauf beginnt in entsprechender Anwendung des § 187 BGB damit am 24.02.2022.

Ferner stehen der Klägerin Zinsen aus einem weiteren Betrag in Höhe von 5.813,38 € seit dem 15.03.2023 gemäß § 291 BGB iVm. § 288 BGB iVm. § 187 Abs. 1 BGB analog ab Rechtshängigkeit zu.

II. Der Klägerin stehen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 286,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.08.2022 zu. Ausgehend von einem berechtigten Gegenstandswert (§ 2 RVG iVm. §§ 22 ff. RVG) i.H.v. 11.098,00 € und einer 1,3-Gebühr ergeben sich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 885,80 € netto (Nr. 1,3 Gebühr aus 2300 VV RVG zuzüglich Pauschale gem. 7002 VV RVG). Abzüglich der im Rahmen der Teilregulierung bereits gezahlten 599,80 € (Anlage K14) ergibt sich damit ein Betrag in Höhe von 286,00 €.

C.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

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