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Privatgutachterkosten – Ersatzfähigkeit bei Ergänzungsgutachten

Ergänzungsgutachten-Kosten nach Verkehrsunfall erstattungsfähig

Im vorliegenden Fall geht es um die Ersatzfähigkeit von Kosten für ein Ergänzungsgutachten und damit verbundene Ansprüche des Klägers gegenüber der Beklagten, einschließlich der Verurteilung zu Zahlungen für Schadensersatz, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie Zinsen, während bestimmte Teile der Klage abgewiesen wurden.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 C 369/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Kläger hat einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 339,90 € plus Zinsen gegen die Beklagte, basierend auf §§ 115 VVG, 1, 3, 3a PflVG, für die Kosten eines Ergänzungsgutachtens und weitere Schäden, die aus einem Verkehrsunfall resultieren.
  • Kosten für ein vom Kläger eingeholtes Ergänzungsgutachten sind grundsätzlich ersatzfähig, wenn deren Einholung durch den Schädiger veranlasst ist.
  • Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig; die Beklagte muss auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen zahlen.
  • Die Klage wird teilweise abgewiesen, wobei der Kläger einige Mehrkosten zu tragen hat.
  • Ein Verschulden von Gutachtern oder Werkstätten kann dem Geschädigten nicht über § 278 BGB zugerechnet werden, da diese keine Erfüllungsgehilfen sind.
  • Der Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten und die Höhe der Fahrtkostenpauschale werden bestätigt.
  • Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits und die vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.

Ersatzfähigkeit von Privatgutachterkosten

Nach einem Verkehrsunfall entstehen häufig Kosten für Privatgutachten, um den Schaden und die erforderlichen Reparaturen zu bewerten. Dabei stellt sich oft die Frage, wer diese Kosten tragen muss. Eine wichtige Rolle spielen dabei Ergänzungsgutachten, die von Geschädigten in Auftrag gegeben werden.

Grundsätzlich hat der Geschädigte Anspruch auf Erstattung solcher Gutachterkosten im Rahmen der Schadensregulierung. Jedoch gibt es Fallkonstellationen, in denen die Erstattungsfähigkeit eingeschränkt sein kann. Entscheidend sind unter anderem die Gründe für das Ergänzungsgutachten und dessen Erforderlichkeit aus Sicht eines verständigen Dritten.

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➜ Der Fall im Detail


Der Streit um Ersatzfähigkeit von Privatgutachterkosten

Im Kern dreht sich der Fall um die Frage, ob und inwieweit die Kosten für ein Ergänzungsgutachten, das ein Kläger nach einem Verkehrsunfall in Auftrag gegeben hat, von der gegnerischen Versicherung zu erstatten sind.

Gutachterkosten nach Unfall
Ersatzfähigkeit von Privatgutachten: Gericht urteilt zugunsten des Klägers (Symbolfoto: Tiko Aramyan /Shutterstock.com)

Der Kläger hatte nach einem Unfall, für dessen Folgen die Beklagte versicherungsrechtlich aufkommen muss, ein Ergänzungsgutachten erstellen lassen, um die Höhe seines Schadens präziser beziffern zu können. Die Versicherung weigerte sich jedoch, die Kosten für das Ergänzungsgutachten zu übernehmen, woraufhin der Kläger rechtliche Schritte einleitete.

Juristische Grundlagen und Argumentation

Das Amtsgericht Amberg befasste sich mit der rechtlichen Einordnung der Ersatzfähigkeit von Kosten für ein Ergänzungsgutachten. Grundlage der Entscheidung waren verschiedene Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) sowie des Pflichtversicherungsgesetzes (PflVG). Im Mittelpunkt stand die Frage, ob der Kläger berechtigt war, ein Ergänzungsgutachten einzuholen und ob die dadurch entstandenen Kosten als Teil des ihm entstandenen Schadens zu betrachten sind.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht entschied zugunsten des Klägers und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der Kosten für das Ergänzungsgutachten in Höhe von 339,90 Euro zuzüglich Zinsen. Die Richter führten aus, dass der Geschädigte grundsätzlich das Recht habe, Maßnahmen zu ergreifen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig erachten würde, um seinen Schaden festzustellen und zu belegen. Das Gericht stellte fest, dass das Einholen eines Ergänzungsgutachtens in diesem Fall notwendig war, um die Höhe des Schadens präzise zu bestimmen und die Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen.

Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung unterstreicht die Rechte von Unfallgeschädigten im Umgang mit Versicherungen und betont die Bedeutung von Gutachten als Mittel der Beweissicherung und Schadensfeststellung. Die Anerkennung der Ersatzfähigkeit der Kosten für Ergänzungsgutachten stärkt die Position von Geschädigten, die zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf professionelle Unterstützung angewiesen sind.

Wirtschaftliche Betrachtung und Verfahrenskosten

Neben der Hauptforderung wurden auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Zinsen thematisiert. Das Gericht erkannte die Notwendigkeit an, dass der Kläger zur Durchsetzung seiner Rechte juristische Hilfe in Anspruch nehmen musste und verurteilte die Beklagte zusätzlich zur Übernahme dieser Kosten. Die Entscheidung zur Kostenverteilung des Rechtsstreits folgte den allgemeinen Grundsätzen, wonach die unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils ermöglicht dem Kläger eine zügige Realisierung seiner Ansprüche.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Voraussetzungen müssen für die Erstattung von Privatgutachterkosten vorliegen?

Die Erstattungsfähigkeit von Kosten für ein Privatgutachten hängt von mehreren Voraussetzungen ab. Zunächst muss das Gutachten unmittelbar prozessbezogen sein, d.h. es muss in direktem Zusammenhang mit dem späteren Gerichtsverfahren stehen. Darüber hinaus ist erforderlich, dass das Gutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.

Diese Notwendigkeit wird von der Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn die Partei aufgrund fehlender Sachkenntnisse ohne das Privatgutachten nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage gewesen wäre. Entscheidend ist dabei, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Einholung des Gutachtens ex ante als sachdienlich ansehen durfte.

Ferner muss die Höhe der Gutachterkosten angemessen sein. Die Gerichte orientieren sich hierbei oft an den Sätzen für gerichtlich bestellte Sachverständige nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Überhöhte Kosten werden nur anteilig erstattet.

Zusammengefasst sind die zentralen Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit von Privatgutachterkosten die unmittelbare Prozessrelevanz, die Notwendigkeit aufgrund fehlender Sachkunde der Partei sowie die Angemessenheit der Kosten.

Wann ist die Einholung eines Ergänzungsgutachtens gerechtfertigt?

Die Einholung eines Ergänzungsgutachtens ist in folgenden Fällen gerechtfertigt und erstattungsfähig:

Technische Einwendungen gegen das Ursprungsgutachten

Wenn der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung vorgerichtlich technische Einwendungen gegen das vom Geschädigten eingeholte Gutachten erhebt, die der Geschädigte aufgrund fehlender Sachkenntnis nicht abschließend beurteilen kann, ist die Einholung eines Ergänzungsgutachtens zur Auseinandersetzung mit diesen Einwänden grundsätzlich gerechtfertigt.

Notwendigkeit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Menschen

Die Notwendigkeit der Einholung eines Ergänzungsgutachtens wird aus Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei beurteilt. Entscheidend ist, ob eine solche Partei die Beauftragung des Sachverständigen ex ante als sachdienlich für die Geltendmachung des Anspruchs ansehen durfte.

Fehlende Möglichkeit des sachgerechten Vortrags

Wenn der Geschädigte aufgrund der Komplexität der Materie ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht zu einem sachgerechten Vortrag in der Lage wäre, ist ein Ergänzungsgutachten zur Vorbereitung des Vortrags erforderlich und erstattungsfähig.

Angemessenheit der Kosten

Die Kosten für das Ergänzungsgutachten müssen angemessen sein. Die Gerichte orientieren sich oft an den gesetzlichen Vergütungssätzen für gerichtlich bestellte Sachverständige. Überhöhte Kosten werden nur anteilig erstattet.

Zusammengefasst ist ein Ergänzungsgutachten gerechtfertigt, wenn es aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Menschen erforderlich ist, um technische Einwände zu entkräften, den eigenen Anspruch sachgerecht darzulegen und die Kosten im Rahmen bleiben.

Wer trägt die Kosten für ein Ergänzungsgutachten im Streitfall?

Die Frage, wer die Kosten für ein Ergänzungsgutachten im Streitfall zwischen Geschädigtem und Versicherung zu tragen hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab:

Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit

Entscheidend ist, ob die Einholung des Ergänzungsgutachtens aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und zweckmäßig war.

Der Geschädigte darf die Beauftragung eines Ergänzungsgutachtens für erforderlich halten, wenn der Schädiger bzw. die Versicherung technische Einwendungen gegen das Ursprungsgutachten erhebt, mit denen sich der Geschädigte mangels Sachkunde nicht auseinandersetzen kann.

Auseinandersetzung mit technischen vs. rechtlichen Einwänden

Dient das Ergänzungsgutachten dazu, technische Einwände der Gegenseite zu entkräften, mit denen der Geschädigte überfordert ist, sind die Kosten erstattungsfähig.

Geht es jedoch nur darum, rechtliche Argumente zu widerlegen, und ist der Geschädigte anwaltlich beraten, wird die Einholung eines weiteren Gutachtens als nicht notwendig erachtet. Die Kosten muss dann der Geschädigte selbst tragen.

Angemessenheit der Gutachterkosten

Die Kosten des Ergänzungsgutachtens müssen in einem angemessenen Verhältnis zur Schadenshöhe stehen. Überhöhte Kosten werden von den Gerichten nur anteilig zugesprochen.

Im Ergebnis kommt es auf den Einzelfall an. Musste der Geschädigte vernünftigerweise ein Ergänzungsgutachten einholen, um auf technische Einwände zu reagieren, sind die Kosten erstattungsfähig, sofern sie nicht unverhältnismäßig sind. Geht es nur um rechtliche Fragen, trägt der Geschädigte das Kostenrisiko selbst.

Inwiefern beeinflusst das Ergebnis des Ergänzungsgutachtens den Schadensersatzanspruch?

Das Ergebnis eines Ergänzungsgutachtens kann den Schadensersatzanspruch in mehrfacher Hinsicht beeinflussen:

Bestätigung oder Widerlegung des Anspruchs

Bestätigt das Ergänzungsgutachten die Feststellungen des Ursprungsgutachtens hinsichtlich Ursache und Umfang des Schadens, wird der Anspruch untermauert. Widerlegt es hingegen die bisherigen Ergebnisse ganz oder teilweise, kann dies zu einer Reduzierung oder gar vollständigen Ablehnung des Anspruchs führen.

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Konkretisierung der Schadenshöhe

Häufig dient ein Ergänzungsgutachten dazu, die genaue Schadenshöhe zu beziffern, wenn das Ursprungsgutachten hierzu noch keine abschließenden Aussagen enthielt. Die im Ergänzungsgutachten ermittelten Kosten bilden dann oft die Grundlage für den zugesprochenen Schadensersatz.

Klärung strittiger Fragen

Bestehen zwischen den Parteien unterschiedliche Auffassungen zu bestimmten Aspekten des Schadensfalls, kann ein Ergänzungsgutachten zur Klärung beitragen. Folgt das Gericht den Ausführungen des Gutachters, wirkt sich dies unmittelbar auf den Schadensersatzanspruch aus.

Bedeutung als Beweismittel

Als gerichtlich eingeholtes Gutachten hat ein Ergänzungsgutachten eine hohe Beweiskraft. Weicht es inhaltlich von einem Privatgutachten einer Partei ab, wird sich das Gericht in der Regel auf die Feststellungen des gerichtlichen Gutachtens stützen. Der Anspruch bemisst sich dann nach diesen Ergebnissen.

Zusammengefasst kann ein Ergänzungsgutachten sowohl eine Erhöhung als auch eine Reduzierung des Schadensersatzanspruchs bewirken, je nachdem ob es den Anspruch stützt oder ihm entgegensteht. Als wichtiges Beweismittel gibt es häufig den Ausschlag, wenn sich die Einschätzungen der Parteien und ihrer Privatgutachter widersprechen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 249 BGB – Schadensersatzpflicht und Umfang der Schadensersatzleistung: Dieser Paragraph ist zentral für den Fall, da er die Grundlage für die Ersatzpflicht von Schäden definiert. Er regelt, dass der Schädiger den Zustand wiederherstellen muss, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Dies schließt auch die Kosten für notwendige Gutachten ein, um den Schaden zu quantifizieren.
  • § 115 VVG i.V.m. §§ 1, 3, 3a PflVG – Haftung des Versicherers bei Verkehrsunfällen: Diese Gesetzesstellen sind relevant, weil sie die Haftung der Versicherung im Kontext von Verkehrsunfällen regeln. Sie begründen den Anspruch des Geschädigten gegen die Versicherung des Unfallverursachers, was in diesem Fall die Grundlage für die Forderung nach Übernahme der Gutachterkosten bildet.
  • § 635 BGB – Nacherfüllung: Dieser Paragraph spielt eine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob und inwiefern die Kosten eines Ergänzungsgutachtens als Teil der Nacherfüllung zu sehen sind. Er ist relevant, da er definiert, unter welchen Bedingungen eine Nachbesserung gefordert werden kann, was indirekt die Notwendigkeit eines Ergänzungsgutachtens beeinflussen könnte.
  • § 254 BGB – Mitverschulden: Dieser Paragraph ist wichtig, um zu klären, inwieweit das Verhalten des Geschädigten (z.B. bei der Auswahl der Reparaturwerkstatt oder bei der Beauftragung eines Gutachters) Einfluss auf den Umfang des Schadensersatzes hat. Er legt fest, dass der Schadensersatz reduziert werden kann, wenn der Geschädigte den Schaden mitverursacht oder vergrößert hat.
  • § 287 ZPO – Schätzung von Schadenshöhe und Umfang der Haftung: Im Kontext der Ersatzfähigkeit von Gutachterkosten ist dieser Paragraph relevant, da er dem Gericht erlaubt, die Höhe des Schadens zu schätzen. Dies ist insbesondere wichtig, wenn es um die Angemessenheit der Höhe von Gutachterkosten geht.
  • § 286 BGB – Verzugszinsen: Dieser Paragraph ist bedeutsam, weil er die Bedingungen festlegt, unter denen Verzugszinsen gefordert werden können. Im Kontext der Ersatzfähigkeit von Gutachterkosten zeigt er auf, unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte Anspruch auf Verzugszinsen hat, wenn die Zahlung der Gutachterkosten verzögert wird.


Das vorliegende Urteil

AG Amberg – Az.: 2 C 369/22 – Endurteil vom 04.10.2022

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 339,90 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.09.2021 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 86,63 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.01.2022 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Kläger hat die Mehrkosten der Verweisung zu tragen. Im Übrigen hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 339,90 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt. A.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 339,90 € aus § 115 VVG i. V. m. §§ 1, 3, 3a PflVG zu.

Die Haftung der Beklagten gegenüber der Klägerin ist dem Grunde nach unstreitig.

I. In Bezug auf die begehrte Nutzungsausfallentschädigung ist festzuhalten, der Schuldner nach § 249 BGB zur Naturalrestitution verpflichtet ist. Er hat den Zustand wiederherzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann der Geschädigte statt der Herstellung den zur Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen. Erforderlich i. S. d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB sind Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Nimmt der Geschädigte die Schadensbehebung selbst in die Hand, sind seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten zu berücksichtigen. Zwar muss sich der Geschädigte bei Auftragserteilung sowie bei weiteren Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße zügige Durchführung der Reparatur von wirtschaftlich vertretbaren, das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens mitberücksichtigenden Erwägungen leiten lassen (LG Coburg, Urt. v. 19.07.2018 – 33 S 40/18 = BeckRS 2018, 57291 Rn. 6). Erweist sich die Reparatur jedoch ohne Schuld des Geschädigten als teurer als gedacht, weil die Werkstatt überhöhte Sätze abrechnet, unwirtschaftlich arbeitet oder überflüssige Arbeiten durchführt, so hat der Schädiger auch diese Mehrkosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 zu ersetzen (vgl. BGH NJW 1965, 160, 161). Der Geschädigte ist schutzwürdig, da er bereits mit der Reparaturauftragserteilung und der Belassung des Fahrzeugs beim Unternehmer keinen Einfluss mehr darauf hat, welche Maßnahmen seitens der Werkstatt durchgeführt werden. Es ist ihm nicht zuzumuten, eigene Nachforschungen anzustellen, ob die Verbringung des Fahrzeugs durch die Werkstatt wirtschaftlicher und kostensparender hätte erfolgen können. Denn hierbei ist insbesondere zu berücksichtigten, dass der Geschädigte regelmäßig abhängig von Fachleuten bezüglich der zur Wiederherstellung des Pkws erforderlichen Reparaturen ist (BGH NJW 1975, 160, 161). Dementsprechend gehen Verzögerungen zu Lasten des Schädigers, wenn und soweit sie der Geschädigte nicht zu vertreten hat. Ein Verschulden eines Gutachters oder einer Werkstatt kann allerdings nicht nach § 278 BGB dem Geschädigten zugerechnet werden, da sie nicht Erfüllungsgehilfen sind.

Ein dem Kläger anzurechnendes Mitverschulden i. S. d. § 254 BGB aufgrund der zehntägigen Reparaturdauer bei der Firma K2. liegt nicht vor. Abzustellen ist zunächst auf die tatsächliche Reparaturzeit und nicht auf die im Gutachten geschätzte Zeit, denn die tatsächliche Ausfallzeit stellt die Zeit dar, in der Eigentümer eines privat genutzten Pkws die Möglichkeit zur Nutzung einbüßt und hierfür den Verlust der Gebrauchsmöglichkeit kompensiert. Insoweit sind ausweislich des Reparaturablaufplans (K3) sieben Tage für die Instandsetzung des Fahrzeugs erforderlich gewesen. Soweit die für das Mitverschulden darlegungs- und beweisbelastete Beklagte einwendet, dass es Sache des Klägers gewesen wäre, die notwendigen Ersatzteile vor Beauftragung der Reparatur zu bestellen, überzeugt dies nicht. Auch ein Mitverschulden nach § 254 BGB setzt voraus, dass der Geschädigte die ihm obliegende Sorgfalt vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat. Dies wiederum setzt die Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit aus. Diesbezüglich hat die Beklagte eine konkrete Handlungsalternative nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Es ist weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, inwiefern der Kläger bereits vor Zerlegung des Fahrzeugs hätte ersehen können, ob und welche konkreten Ersatzteile für eine Reparatur notwendig werden. Die Bedenken bestehen insbesondere auch deshalb, weil aus dem Ablaufplan (K3) entnommen werden kann, dass die Ersatzteilbestellung erst nach Zerlegung des Fahrzeugs erfolgte.

II. Auch die Kosten für das vom Kläger eingeholte Ergänzungsgutachten (107,10 €) sind vom Schadensersatzanspruch umfasst.

Der Geschädigte darf nach § 249 BGB solche Maßnahmen ergreifen, die aus Sicht eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Dritten zur Rechtsverfolgung erforderlich und zweckmäßig sind. Hierzu zählen auch die Kosten eines vorgerichtlich beauftragten Sachverständigen, da solche Aufwendungen der Durchsetzung und Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs dienen. Auch die Kosten eines Ergänzungsgutachtens sind demnach grundsätzlich erstattungsfähig, wenn die Einholung des Ergänzungsgutachtens durch den Schädiger veranlasst ist.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn sich das Ergänzungsgutachten als Nachbesserung des ursprünglichen Gutachtens darstellt (§ 635 BGB) oder wenn der Geschädigte die gerichtliche Verfolgung seiner Ansprüche absehen kann (Almeroth in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2017, § 249 Rn. 320). Dabei ist die Einholung eines Ergänzungsgutachtens erforderlich, wenn der Schädiger technische Einwendungen erhebt, die eine inhaltliche Auseinandersetzung durch einen technischen Sachverständigen erfordern (Vuia in NJW 2013, 1197, 1198). Aus Gründen der Waffengleichheit soll auch der Geschädigte, der keine Sachkenntnis bzgl. der Berechtigung der erhobenen Einwendungen hat, die Möglichkeit haben, sich mit den Einwendungen auseinanderzusetzen (LG Saarbrücken, Urt. v. 20.02.2015 – 12 S 197/14 = BeckRS 2015, 3504 Rn. 19). Nur so kann das Recht des Geschädigten, sich zur Feststellung der Schadenshöhe professioneller Hilfe zu bedienen, gewährleistet werden (Almeroth in Münchener Kommentar zum StVR, 1. Aufl. 2017, § 249 Rn. 320). Soweit die Beklagte vorträgt, dass der Kläger eine Stellungnahme der Reparaturwerkstätte hätte einholen müssen, teilt das Gericht diese Auffassung nicht. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug tatsächlich reparieren und erhebt der Schädiger anschließend Einwendungen gegen die Notwendigkeit der Reparaturmaßnahmen, so darf der Geschädigte sich professioneller Hilfe durch einen unabhängigen, mit der konkreten Reparatur nicht befassten Sachverständigen bedienen. Die weitere Beauftragung des Sachverständigen ist insbesondere auch aus einer ex-ante-Perspektive geeignet, den Sachverhalt außergerichtlich zu klären und damit gerichtlichen Streitigkeiten – einschließlich der Einholung eines gerichtlichen Gutachtens – im Sinne einer wirtschaftlichen Erledigung vorzubeugen (vgl. LG Saarbrücken, Urt. v. 20.02.2015 – 12 S 197/14 = BeckRS 2015, 3504 Rn. 19).

Die Höhe des abgerechneten Ergänzungsgutachtens (107,10 €) ist nicht zu beanstanden (§ 287 ZPO), zumal die Arbeitszeit vorliegend nicht mal eine volle Stunde bei Zugrundelegung eines Stundensatzes von 120 € beträgt.

III. Es besteht ein Anspruch auf Ersatz der Fahrtkosten in Höhe von 82,80 €.

1. Die Fahrtkosten sind dem Grunde nach ersatzfähig. Auch hierbei handelt es sich um eine Position, die kausal auf den Unfall zurückzuführen ist, denn der Unfall kann nicht hinweg gedacht werden kann, ohne die Fahrtkosten entfielen. Die Fahrtkosten beruhen auch adäquat kausal auf dem Verkehrsunfall, denn es liegt nicht fern jeder Wahrscheinlichkeit, dass ein geschädigtes, aber fahrbereites Fahrzeug vom Geschädigten zur Werkstatt verbracht wird.

Der Kläger ist durch die Erstattung der Fahrtkosten nicht bereichert. Das Schadensersatzrecht bezweckt, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Er soll nicht schlechter, aber auch nicht besser als vor dem Schadensereignis stehen. Soweit die Beklagte eingewendet hat, durch die Erstattung der Fahrtkosten erhalte der Geschädigte neben den Fahrtkosten für das geschädigte Fahrzeug auch die Fahrtkosten für den Zweitwagen, so wird der klägerische Vortrag verkürzt. Der Kläger begab sich nämlich mit seinem geschädigten, aber fahrbereiten Pkw zur Werkstatt. Er wurde von seiner Nachbarin mit ihrem Fahrzeug begleitet, um nach Belassung des Fahrzeugs in der Werkstatt die Rückfahrt anzutreten. Insofern fuhren der Kläger und die Nachbarin mit zwei Pkws zur Werkstatt hin und mit einem Pkw zurück. Dieselbe Vorgehensweise wählte der Kläger für die Abholung des Fahrzeugs.

Von der Beklagten ist im Hinblick auf ein dem Kläger anzulastendes Mitverschulden auch nicht dargelegt, welche konkrete und zumutbare Handlungsalternative dem Kläger zur Verfügung gestanden hätte.

2. Die angesetzte Kilometerpauschale in Höhe von 0,30 € begegnet keinen Bedenken (§ 287 ZPO), zumal § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG in seiner seit dem 01.01.2021 geltenden Fassung eine Pauschale von 0,35 € vorsieht und die Rechtsprechung sich bislang überwiegend an dieser Norm hieran orientiert hat (Balke in SVR 2019, 257, 259 m.w.N., LG Darmstadt, Urt. v. 06.11.2015 – 1 O 296/11 = SVR 2016, 62, 64; OLG München, Urt. V. 11.09.2015 – 10 U 1455/13 = NZV 2016, 270 Rn. 35). Die von der Beklagten bezahlte Unkostenpauschale in Höhe von 25 € sowie der weitere bereits regulierte Betrag in Höhe von 16,40 € ist von der Klagepartei bereits abgezogen worden, sodass ein noch offener Anspruch in Höhe von (6 x 0,30 € x 69 km) – 25 € – 16,40 € = 82,80 € besteht.

IV. Die noch offenen Rechtsverfolgungskosten des Klägers sind nach § 249 BGB ersatzfähig.

V. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Verzugszinsen folgt aus §§ 288, 286 Abs. 1 BGB. 1. Hinsichtlich der Hauptforderung befindet sich die Beklagte aufgrund ihrer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung gemäß Schreiben vom 29.09.2021 (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB seit dem 30.09.2021 auch ohne eine Mahnung der Klägerin in Verzug. Die Klageabweisung im Übrigen betrifft die begehrte Verzinsung zum 29.09.2021.

2. Die Verzinsung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt aus §§ 291, 288 BGB. Die Rechtshängigkeit wirkt vorliegend nicht gemäß § 696 Abs. 3 ZPO auf die Zustellung des Mahnbescheids (01.12.2021) zurück, denn es liegt keine „alsbaldige“ Abgabe der Streitsache an das Empfangsgericht vor. „Alsbald“ ist im Sinne des § 167 ZPO zu verstehen. Dadurch wird sichergestellt, dass vom Gericht oder vom Antragsgegner verursachte Verzögerungen nicht zu Lasten des Antragstellers gehen. Im vorliegenden Fall beruht die verzögerte Abgabe an das Empfangsgericht im Frühjahr 2022 darauf, dass der Gerichtskostenvorschuss erst mehrere Wochen nach Zustellung des Mahnbescheids vom Antragsteller vollständig eingezahlt wurde. Folglich traten die Wirkungen der Rechtshängigkeit mit dem Eingang der Verfahrensakten beim Prozessgericht ein (BGH NJW 2009, 1213, 1214 Rn. 17 f.). Da die Verfahrensakte am 21.01.2022 beim Amtsgericht Schwandorf als Empfangsgericht eingegangen ist, war die Klageforderung analog § 187 Abs. 1 BGB ab dem 22.01.2022 zu verzinsen.

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 696 Abs. 5, 281 Abs. 3 S. 2 ZPO, soweit die Mehrkosten der Verweisung betroffen sind. Im Übrigen ergeht die Kostenentscheidung aufgrund § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

 

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