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Reisevertrag – Haftung des Reiseveranstalters für Hundeangriff

OLG Koblenz – Az.: 5 U 1354/10 – Beschluss vom 08.04.2011

In dem Rechtsstreit … weist der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz die Beklagte darauf hin, dass beabsichtigt ist, ihre Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen ( § 522 Abs. 2 ZPO ).

Gründe

Die Berufung ist ohne Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage zu Recht weitgehend stattgegeben. Was die Berufung dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig.

1. Der 72 – jährige Kläger nahm vom 9. bis zum 23. Mai 2009 an einer Türkeireise teil. Reiseveranstalterin war die Beklagte. Eine Busfahrt am 15. Mai 2009 gehörte ebenfalls zu deren Reiseleistungen. Wie stets bei diesem Programmpunkt steuerte der Bus mit den Reisenden auch den Parkplatz vor einem Juweliergeschäft in …[X] an. Während einige Teilnehmer nach Verlassen des Busses wie geplant die Geschäftsräume des Juweliers aufsuchten, begab der Kläger sich in den durch Bäume beschatteten Randbereich des Parkplatzes, wo er Abstand von einem rechts in einer Hundehütte angeketteten Wachhund hielt. Plötzlich tauchte aus einem nicht einsehbaren flachen Schuppen links vom Kläger ein zweiter Wachhund auf, dessen Laufkette derart lang war, dass er den Kläger fast erreichte. Der Hund schnappte nach dem Fuß des Klägers, der vor dem Tier zurückweichend zu Fall kam und erhebliche Verletzungen erlitt.

Reisevertrag - Haftung des Reiseveranstalters für Hundeangriff
Symbolfoto: Von Volodymyr Plysiuk/Shutterstock.com

Neben einer aus anderen Gründen veranlassten Minderung des Reisepreises hat das Landgericht dem Kläger unter anderem 3.000 € Schmerzensgeld zuerkannt und die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden festgestellt.

2. Das bekämpft die Berufung ohne Aussicht auf Erfolg.

a. Aus welchem Grund die Beklagte die Minderung des Reisepreises als fehlerhaft ansieht, teilt die Berufung nicht mit. Insoweit scheitert das Rechtsmittel an § 520  Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO.

b. Der behauptete Verstoß gegen § 139 ZPO liegt nicht vor. Die Entscheidung des Landgerichts kann die Beklagte nicht überrascht haben. Das ergibt sich daraus, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen Vergleichsvorschlag unterbreitete, dessen Inhalt keinen Zweifel daran ließ, wie der Einzelrichter die Sach- und Rechtslage einschätzte.

c. Soweit das Landgericht dem Kläger, gestützt auf §§ 651 f, 253 Abs. 2, 249 BGB, einen Schmerzensgeldanspruch zuerkannt und die Ersatzpflicht für Zukunftsschäden festgestellt hat, hält die Entscheidung den Berufungsangriffen stand.

Dass eine besondere, dem Reisenden nicht ohne Weiteres erkennbare Gefahr, der durch einen Warnhinweis begegnet werden kann, einen Reisemangel darstellt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH NJW 1982, 1521 betr. Überfallgefahr in einer Luxusvilla auf Jamaica).

Hier bestand eine derartige Gefahrenlage. Die zu den Akten gereichten Lichtbilder und die vom Senat in Augenschein genommenen Videoaufzeichnungen einer Überwachungskamera (DVD in Hülle Bl. 63 GA) geben die Örtlichkeit und den konkreten Unfall hinreichend deutlich wieder. Danach begab der Kläger sich auf dem vom Reisebus angesteuerten Parkplatz zügig in dessen Randbereich. Er hatte anscheinend nicht wahrgenommen, wohl auch gar nicht wahrnehmen können, dass dort außer dem sichtbar in einer Hundehütte untergebrachten Hund noch ein zweiter Wachhund den Randstreifen unter den Bäumen am Rand des Parkplatzes kontrollierte und das Erscheinen des Klägers zum Anlass nahm, den Schuppen zu verlassen und auf den Kläger zuzulaufen. Der völlig  überraschte und erschreckte Anspruchsteller wich zurück und kam an der Steinkante zum begrünten Randstreifen  zu Fall.

Demgegenüber geht die Berufung von einem anderen Bild der Örtlichkeit am Unfalltag aus indem sie insbesondere behauptet, ein großes, mehrsprachiges Warnschild habe auch in deutscher Sprache auf die Gefahr hingewiesen. Damit kann die Beklagte angesichts der zweifelsfreien Feststellungen erster Instanz nicht gehört werden. Es gab keine zwei „Hundehütten“; das Warnschild wurde erst nach dem Unfall angebracht.

Die Berufungsrüge, der Kläger habe sich ohne Not in den Aktionsradius des zweiten Hundes begeben, geht daran vorbei, dass nur ein Hund auf den ersten Blick wahrnehmbar war. Dass dort auch noch ein zweiter Hund Wache hielt, lag ausgesprochen fern. Seine Behausung, der ca. 1,60 m hohe, von außen nicht einsehbare Schuppen links vom Kläger konnte nicht als „Hundehütte“ identifiziert werden.

Das Aufsuchen des Randbereichs des Parkplatzes lag nach Auffassung des Senats ausgesprochen nahe, weil der Schattenwurf der Bäume solchen Reisenden Schutz vor den Sonnenstrahlen bot, die der Besuch des Juweliergeschäftes nicht interessierte, denen andererseits aber daran gelegen war, sich während des Wartens auf die übrigen Reiseteilnehmer im Freien die Füße zu vertreten.

Das Naheliegende nicht bedacht und die Reisenden vor dem Verlassen des Busses nicht auf die Gefahr hingewiesen zu haben mit der Aufforderung, wegen der zwei  Hunde den gesamten Randbereich des Parkplatzes strikt zu meiden, gereicht der Beklagten zum Verschulden.

Der demgegenüber an den Kläger gerichtete Vorwurf, er zeige nicht auf, dass es bereits einen vergleichbaren Vorfall gegeben habe, liegt neben der Sache, weil die Beklagte sich nach der Beweisregel des § 651 f Abs. 1 BGB entlasten muss, diesen Entlastungsbeweis aber nicht geführt hat und ersichtlich auch nicht führen kann.

Gleichermaßen verfehlt ist die Berufungsrüge, man habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Reiseteilnehmer sich aus der Obhut des Reiseleiters entferne. Regeln, auf deren Beachtung selbst bei einem Ausflug Minderjähriger nicht vertraut werden kann, lassen sich nicht auf einen Busausflug Erwachsener übertragen, die nach aller Erfahrung völlig unterschiedliche Interessen haben und daher bestimmte Programmpunkte bewusst meiden und sich stattdessen anderweitig zerstreuen. Das ist gerade der Grund dafür, dass die jeweilige Reiseleitung vor solchen Gefahren warnen muss, die ihr bekannt sind oder bekannt sein müssen, sich dem Reisenden jedoch nicht auf den ersten Blick erschließen.

d. Auch der Einwand eines Mitverschuldens des Klägers verfängt nicht. Dass er ängstlich vor dem heranstürzenden zweiten Wachhund zurückwich, entspricht natürlichem Fluchtverhalten. Die Berufung meint, der Kläger habe ruhig stehen bleiben können, um abzuwarten, ob der durch die Laufkette in seinem Aktionsradius eingeschränkte Hund tatsächlich mit seinem Angriff den Kläger erreichte. Damit verlangt die Beklagte vom Kläger, in Sekundenbruchteilen die exakte Länge der Laufkette ebenso sachgemäß einzuschätzen wie das weitere Verhalten des Tiers. Der Senat hält das für lebensfremd. Dass der Kläger zurückweichend gestolpert ist und erst dadurch die erheblichen Verletzungen erlitt, unterbricht nicht den Zurechnungszusammenhang und begründet auch kein Mitverschulden.

e. Letztlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste und sonstigen Unterlagen die Überzeugung gewonnen hat, dass die Verletzungen auf dem Unfall beruhen. Richterliche Überzeugung erfordert keine mathematische Gewissheit. Es reicht ein Grad von Wahrscheinlichkeit, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet. So liegt es hier.

3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenso wenig erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Berufung sollte kostensparend zurückgenommen werden.

Frist zur Stellungnahme: 6. Mai 2011

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