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Reisevertrag – Vertragliche und deliktische Haftung des Reiseveranstalters im Falle eines Unfalls

OLG Koblenz – Az.: 2 U 1104/10 – Beschluss vom 06.10.2011

Der Senat erwägt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz – Einzelrichter – vom 17. August 2010 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Der Senat hat die Sache beraten. Er erwägt die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt. Dem Kläger wird eine Frist zur Stellungnahme gesetzt bis zum 31.10.2011. Es wird zur Vermeidung weiterer Kosten angeregt, die Berufung zurückzunehmen. Im Einzelnen:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Unfallereignis während seines Urlaubs in Kroatien in Anspruch.

Reisevertrag - Vertragliche und deliktische Haftung des Reiseveranstalters im Falle eines Unfalls
Symbolfoto: Von nito/Shutterstock.com

Der Kläger verbrachte  in der Zeit vom 21.06. bis 28.06.2008 gemeinsam mit seiner Ehefrau  einen Pauschalurlaub in Norddalmatien. Seine Ehefrau hatte bei der Beklagten (Reiseveranstalter) sieben Übernachtungen im Hotel …[A] in …[X] gebucht. Die Parteien streiten darüber, ob es während des Urlaubs zu einem Unfallgeschehen gekommen ist, das zu den Verletzungen des Klägers – Verletzungen am Hinterkopf, Bruch des siebten Halswirbels – geführt hat und ob eine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliegt, für die die Beklagte verantwortlich ist. Der Kläger meldete nach der Reise durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.08.2008 bei der Beklagten Ansprüche an.

Der Kläger hat zu dem Unfallereignis vorgetragen, er habe am 22.06.2008 gegen 14.30 Uhr auf dem Balkon des gemieteten Hotelzimmers auf einem Plastikstuhl gesessen und gelesen. Plötzlich sei das hintere rechte Bein des Plastikstuhls eingeknickt. Er sei mit seinem Hinterkopf an der sich hinter ihm befindlichen Betonwand und alsdann mit seinem Rücken auf den Boden des Balkons, der ebenfalls betoniert gewesen sei, aufgeschlagen. Er habe dadurch eine große Schürfwunde am Hinterkopf erlitten und sich den siebten Halswirbel gebrochen. Seine Ehefrau habe die zuständige Reiseleiterin am selben Tag gegen 18.00 Uhr telefonisch von dem Vorfall unterrichtet. Er habe selbst nach dem Vorfall mit dem Hoteldirektor und mit dem Geschäftsführer des beklagten Unternehmens in  Kroatien, der gerade wegen des Geschehens ins Hotel gekommen sei, über den Unfallhergang gesprochen.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, mindestens jedoch 10.000,00 EUR, nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.000,00 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm  sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aufgrund des Vorfalls vom 22.06.2008 noch entstehe, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen seien,

4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von der Erstattung der außergerichtlich entstandenen Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 899,40 EUR freizustellen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers unter Aufrechterhaltung seiner erstinstanzlichen Anträge.

II.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Mit dem Landgericht ist anzunehmen, dass reisevertragliche Schadens- und Schmerzensgeldansprüche gemäß §§ 651 a, c, f Abs. 1, 253 BGB  nicht bestehen. Der Anspruch scheitert bereits daran, dass der Kläger nicht gemäß § 651 g Abs. 1 BGB innerhalb der Monatsfrist nach Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter seine Ansprüche angemeldet hat. Die Reise endete am 28.06.2008. Ansprüche wurden erst mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 25.08.2008 geltend gemacht.

Allerdings können Ansprüche auch schon vor Beendigung der Reise geltend gemacht werden. Die Vorschrift des § 651 g Abs. 1 BGB bestimmt lediglich das Ende der Frist, schließt Anspruchsanmeldungen vor Reiseende aber nicht aus (Münchener Kommentar/Tonner, 5. Aufl.2009, § 651 g Rn. 17; BGHZ 102,80 = BGH, Urteil vom 22.10.1987 – VII ZR 5/87 – NJW 1988, 488; BGH Urteil vom 11.1.2005 – X ZR 163/02 – NJW 2005, 1420; Bamberger/Roth-Geib, 2 Aufl. 2007, § 651 g Rn. 10; § 651 d Rn. 4, 651 c Rn. 43 unter Bezug auf die gegenteilige Auffassung von Führich, Reiserecht, 5. Aufl. 2005, Rn. 449). Mängelanzeigen gegenüber dem Reiseveranstalter oder dessen Vertretung vor Ort können genügen. Allerdings muss der Reisende gegenüber der örtlichen Reiseleitung zum Ausdruck bringen, dass er beabsichtigt, jetzt schon vorbehaltlos Gewährleistungsansprüche geltend zu machen. Abzustellen ist auf den Empfängerhorizont. Es kommt darauf an, ob der Reiseveranstalter davon ausgehen musste, dass der Reisende über § 651 d Abs. 2 BGB hinausgehende Rechtsfolgen geltend machen will (Bamberger/Roth-Geib, aaO, §  651 g Rn. 10; Münchener Kommentar/Tonner, aaO, § 651 g  Rn. 17) Meldet der Reisende bei der Reiseleitung am Urlaubsort einen erheblichen Gesundheitsschaden an, so kann darin, auch wenn der Reiseteilnehmer nicht ausdrücklich Schadensersatz begehrt, eine Anspruchsmeldung und nicht nur eine Mängelanzeige liegen (BGH, Urteil vom 07.09.2004 – X ZR 25/03 – NJW 2004, 3777, Juris Rn. 11).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht den Nachweis erbracht hat, dass er Schadensersatzansprüche gegenüber der örtlichen Reiseleitung angemeldet hat. Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, dass seine  Ehefrau die zuständige Reiseleiterin telefonisch von dem Vorfall unterrichtet habe. Die Beklagte hat dies bestritten. Der Kläger hat den Inhalt des Telefongesprächs, insbesondere wie sich die Reiseleitung zu dem Vorfall geäußert habe, nicht näher konkretisiert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat sich der Kläger dahingehend geäußert, dass er mit dem Hoteldirektor und dem Geschäftsführer von …[B] Kroatien, der gerade wegen dieses Geschehens in das Hotel gekommen sei, gesprochen habe (GA 73). Die Beklagte hat diesen Vortrag mit Schriftsatz vom 15.7.2010 (GA 77) bestritten. Sie hat darauf hingewiesen, dass eine …[B] Kroatien nicht existiere und ihr kein Geschäftsführer eines solchen Unternehmens bekannt sei. Der Kläger hat seinen Vortrag nicht weiter dahingehend präzisiert, mit wem er konkret gesprochen habe. Soweit der Kläger jetzt im Berufungsverfahren für seine Behauptung, er habe bei der örtlichen Reiseleitung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen angekündigt, Beweis durch Vernehmung der Zeuginnen …[B] und …[C] anbietet, handelt es sich um neuen und verspäteten Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO.

Letztlich kann dahinstehen, ob dem Kläger reisevertragliche Ansprüche zustehen, da er nach seinem Vortrag im Berufungsverfahren deliktische Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen will (BB 3, GA 118).

Das Landgericht hat zu Recht auch deliktische Ansprüche gegenüber der Beklagten verneint.

Soweit dem örtlichen Hotelbetreiber eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten wäre, für die die Beklagte einstandspflichtig sein könnte, scheidet ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1, 831, 253 BGB aus. Der örtliche Hotelbetreiber ist mangels sozialen Abhängigkeitsverhältnisses und fehlender Weisungsgebundenheit nicht Verrichtungsgehilfe der Beklagten (BGHZ 103, 298 = Urteil vom 25.2.1988 – VII ZR 348/86 – NJW 1988, 1380 Juris Rn. 21/23).

Allerdings kommt grundsätzlich eine Haftung des Reiseveranstalters aus unerlaubter Handlung aufgrund einer eigenen Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Betracht.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass den Reiseveranstalter bei der Vorbereitung und Durchführung der von ihm veranstalteten Reisen eine eigene Verkehrssicherungspflicht trifft. Bei der Ausübung eines Gewerbes sind diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der jeweiligen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (BGH, Urteil vom 18.07.2006 – X ZR 142/05 – NJW 2006, 3268 = MDR 2007, 258, Juris Rn. 20; Urteil vom 12.06.2007 – X ZR 87/06 – NJW 2007, 2549 = MDR 2007, 1410; BGHZ 103, 298 = NJW 1988, 1380, Juris Rn. 23). Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich nicht nur auf die Auswahl und Kontrolle des eigenen Personals und eigener Transportmittel, sondern auch auf die Auswahl und Kontrolle der Leistungsträger, so der Vertragshotels (BGHZ 103, 298, Juris Rn. 23). Der Reiseveranstalter muss sich vergewissern, dass das Vertragshotel einen ausreichenden Sicherheitsstandard bietet.  Es besteht weiterhin die Pflicht, es regelmäßig durch einen sachkundigen und pflichtbewussten Beauftragten dahingehend überprüfen zu lassen, ob der ursprüngliche Zustand und Sicherheitsstandard noch gewahrt ist (BGH Urteil vom 19.7.2006 – X ZR 142/05 – NJW 2006, 206, Juris Rn. 21; BGHZ 103, 298, 305 f., Rn. 27).  Dabei können für Hotels im Ausland strengere Anforderungen gelten. Der Reiseveranstalter muss sich davon überzeugen, dass Treppen, Aufzüge, elektrische Anlagen, Wasserrutschen, Swimmingpools (z.B. Gefahren durch Ansaugrohre für Kleinkinder) keine Gefahren für die Hotelgäste darstellen.

Vorliegend hat die Beklagte vorgetragen, dass das Hotelzimmer täglich gesäubert und bei dem Reinigungsvorgang zwangsläufig die Funktionstüchtigkeit der Plastikstühle auf dem Balkon überprüft worden seien. Wäre ein Plastikstuhl angebrochen gewesen, wäre dies beim Säubern bemerkt worden. Darüber hinaus sei das Hotel vor Beginn der Sommerferien im April 2008 von der mit der Reiseleitung beauftragten Agentur der Beklagten, …[C] GmbH, auf den Sicherheitsstandard überprüft worden. Dabei seien auch stichprobenartig Balkon-Möbel kontrolliert worden. Beanstandungen hätten sich nicht ergeben. Sämtliche Plastikstühle für die Balkons seien vor Beginn der Sommersaison 2008 neu angeschafft worden. Diese seien mit dem EU Sicherheitszertifikat „CE“ ausgestattet gewesen. Das ist von dem Kläger nicht ausdrücklich bestritten worden. Er ist lediglich der Auffassung, dies habe die Beklagte nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht entbunden (BB 3, GA 118).

Aufgrund dieses unstreitigen Sachverhalts ist davon auszugehen, dass das Personal des Vertragshotels vor Beginn der Saison überprüft hat, ob von Einrichtungsgegenständen oder der Anlage eine Gefahr für die Gäste ausgeht. Selbst wenn man der Beklagten als Reiseveranstalter eine eigene Untersuchungs- und anschließende Überwachungspflicht auferlegt, bezieht diese sich nur auf allgemein als gefahrtragend anzusehenden Einrichtungsgegenstände bzw. Hotelanlagen (Treppen, Balkone mit ihren Brüstungen, Gitter, Swimmingpools, Wasserrutschen, Elektrik etc.) Die Untersuchungs- und Überwachungspflicht geht nicht so weit, jeden einzelnen Plastikstuhl auf etwaige Schäden – ggf. durch Probesitzen – zu überprüfen. Konnte der Kläger selbst den von ihm behaupteten Schaden an dem Plastikstuhl nicht erkennen, so musste dies auch nicht zwingend das Hotelpersonal oder die Beklagte im Rahmen ihrer eigenen Verkehrssicherungspflicht als Reiseveranstalter.

Die Berufung hat aus den dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg.

Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 13.500,00 € festzusetzen.

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