Skip to content

Richterliches Mitwirkungsverbot bei Befangenheitsantrag gilt nicht uneingeschränkt

Richterliche Mitwirkung trotz Befangenheitsanträgen: Grenzen und Klarstellungen

In einem aktuellen Fall, der vor dem VGH Baden-Württemberg verhandelt wurde, stand die Frage im Mittelpunkt, inwieweit Richter an einer Entscheidung mitwirken dürfen, wenn gegen sie ein Befangenheitsantrag gestellt wurde. Dieser Fall wirft Licht auf die Komplexität und Nuancen des deutschen Rechtssystems, insbesondere in Bezug auf die Unparteilichkeit der Justiz.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 13 S 1020/23 >>>

Hintergrund des Falles

Richterliches Mitwirkungsverbot bei Befangenheitsantrag gilt nicht uneingeschränkt
Richterliche Mitwirkung trotz Befangenheitsanträgen: Einblick in das Prinzip der Selbstkorrektur und die Unparteilichkeit des deutschen Rechtssystems. (Symbolfoto: Kzenon /Shutterstock.com)

Der Antragsteller hatte beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Prozesskostenhilfe für einen Antrag im Zusammenhang mit der Außerbetriebsetzung seines Fahrzeugs beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legte der Antragsteller Beschwerde ein, die ebenfalls zurückgewiesen wurde. In einem weiteren Verfahren behauptete der Antragsteller eine verzögerte Bearbeitung seiner Anhörungsrüge und stellte Ablehnungsgesuche gegen zwei Richter. Diese Gesuche wurden ohne Mitwirkung der betroffenen Richter abgelehnt.

Kernfrage: Darf ein Richter trotz Befangenheitsantrag mitwirken?

Die zentrale Frage, die sich aus diesem Fall ergibt, ist, ob Richter, gegen die ein Befangenheitsantrag gestellt wurde, an einer Entscheidung mitwirken dürfen. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die betroffenen Richter an der Entscheidung über die Anhörungsrüge mitwirken durften, obwohl gegen sie ein Ablehnungsgesuch vorlag. Dies basiert auf dem Prinzip der Selbstkorrektur des Gerichts bei unanfechtbaren Entscheidungen.

Die Rolle der Anhörungsrüge

Die Anhörungsrüge dient als Mittel zur Selbstkorrektur des Gerichts bei unanfechtbaren Entscheidungen, insbesondere im Fall der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dieses Instrument soll das Bundesverfassungsgericht entlasten. Es wurde festgestellt, dass Richter, die von Ablehnungsgesuchen betroffen sind, an der Entscheidung über eine Anhörungsrüge mitwirken können.

Zeitliche Aspekte und ihre Bedeutung

Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Fall war der zeitliche Ablauf. Der Antragsteller hatte die Anhörungsrüge gegen einen Beschluss erst nach einer Entscheidung in der Hauptsache erhoben. Dies hat Auswirkungen auf die Zulässigkeit und Behandlung der Anhörungsrüge.

Schlussbemerkungen zur Gegenvorstellung

Die Gegenvorstellung des Antragstellers blieb ebenfalls erfolglos. Sie war unzulässig, da das Gericht nach geltendem Recht nicht befugt war, seine vorherige Entscheidung zu ändern. Der Antragsteller konnte nicht nachweisen, dass das Gericht sein Vorbringen nicht berücksichtigt hatte.


Das vorliegende Urteil

VGH Baden-Württemberg – Az.: 13 S 1020/23 – Beschluss vom 20.07.2023

Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung des Antragstellers gegen den Beschluss des Senats vom 30. Mai 2023 – 13 S 607/23 – werden verworfen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

I.

Mit Beschluss vom 30.01.2023 (12 K 4508/22) lehnte das Verwaltungsgericht Karlsruhe den Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe für einen im Zusammenhang mit der Außerbetriebsetzung seines Kraftfahrzeugs stehenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und für eine beabsichtigte Feststellungsklage ab. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 21.03.2023 (13 S 241/23) zurück. In dem gegen diesen Beschluss gerichteten Anhörungsrügeverfahren 13 S 607/23 stellte der Antragsteller im Hinblick auf eine von ihm behauptete verzögerte Bearbeitung der Anhörungsrüge Ablehnungsgesuche gegen VRaVGH ### und RaVGH ###, die der Senat ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter mit Beschluss vom 30.05.2023 ablehnte. Mit Beschluss vom 01.06.2023 wies der Senat die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 21.03.2023 zurück.

Mit der am 16.06.2023 erhobenen Anhörungsrüge und einer Gegenvorstellung wendet sich der Antragsteller gegen den ihm am 02.06.2023 zugestellten Beschluss des Senats vom 30.05.2023. Zugleich lehnt er auch die drei Richter, die diesen Beschluss gefasst haben, wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

II.

1. Über die Anhörungsrüge des Antragstellers entscheidet der Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, die er im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anhörungsrüge hat. Insbesondere wirken VRaVGH ### und RaVGH ### an der Entscheidung über die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 30.05.2023 mit, auch wenn der Beschluss ein gegen diese beiden Richter gerichtetes Ablehnungsgesuch betraf und die beiden Richter nicht an der Beratung und Beschlussfassung über das Ablehnungsgesuch teilgenommen haben. Damit ist über die gegen RinaVGH ###, RaVGH ### und den dem Verwaltungsgerichtshof nach Beendigung seiner Abordnung ohnehin nicht mehr angehörigen RaVG ### gerichteten Ablehnungsgesuche nicht zu entscheiden.

a. § 152a VwGO sieht – anders als § 119 Abs. 2 Satz 3 VwGO – nicht vor, dass über die Anhörungsrüge nur diejenigen Richter entscheiden, die auch bei dem den Gegenstand der Anhörungsrüge bildenden Urteil oder Beschluss mitgewirkt haben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.11.2007 – 8 C 17.07 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.02.2017 – 2 A 10662/17 -; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 152a VwGO Rn. 28; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 152a Rn. 38). Auch wenn die Anhörungsrüge der Möglichkeit der Selbstkorrektur des Gerichts bei unanfechtbaren Entscheidungen im Fall der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und dadurch der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts dient (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2016 – 1 S 783/16 -; Guckelberger a. a. O. Rn. 4), verbleibt es in Ermangelung einer abweichenden Besetzungsregelung bei der sich aus der Geschäftsverteilung des Gerichts und des Senats ergebenden Senatsbesetzung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.02.2009 – 1 BvR 189/09 -; BGH, Beschluss vom 28.07.2005 – III ZR 443/04 -). Dies hat zur Folge, dass bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge, die sich gegen die Zurückverweisung von Ablehnungsgesuchen richtet, auch Richter mitwirken können, die von den Ablehnungsgesuchen betroffen waren (vgl. BFH, Beschluss vom 12.03.2009 – XI 17- 21/08 -; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13.02.2017 a. a. O.).

b. Die Mitwirkung dieser Richter ist im vorliegenden Fall auch nicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Danach darf ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten (sog. Wartepflicht, vgl. dazu Vollkommer in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 47 Rn. 1 f.). Die Erledigung des Ablehnungsgesuchs und damit das Ende der Wartepflicht tritt mit der formell rechtskräftigen Entscheidung über das Gesuch ein (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2007 – 1 BvR 1273/07 -; BGH, Beschluss vom 15.07.2004 – IX ZB 280/03 -; Meissner/Schenk in Schoch/Schneider a. a. O. § 54 VwGO Rn. 53; Kluckert in Sodan/Ziekow a. a. O. § 54 Rn. 116; Flint in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 60 Rn. 134). Da die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs mit Beschluss des Senats vom 30.05.2023 gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unanfechtbar ist, endet die Wartepflicht mit dessen Wirksamwerden, sodass die zuvor abgelehnten Richter an der Entscheidung über die Anhörungsrüge gegen den Ablehnungsbeschluss vom 30.05.2023 mitwirken können (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2007 a. a. O., vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 24.10.2011 – 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11 -: grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung der Frage, ob ein als befangen abgelehnter Richter nach der ohne seine Mitwirkung erfolgten Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs in einem hierauf bezogenen Anhörungsrügeverfahren mitwirken darf; BFH, Beschluss vom 12.03.2009 a. a. O.; BSG, Beschluss vom 07.11.2017 – B 10 ÜG 21/17 c -; Flint a. a. O. § 60 Rn. 134 und 182, § 178a Rn. 142). Die erhobene Anhörungsrüge ist kein Rechtsmittel, sondern ein außerordentlicher Rechtsbehelf, mit dem (lediglich) eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird. Die Anhörungsrüge berührt nicht die Rechtskraft der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch und hemmt sie nicht. Sie entfaltet keinen Suspensiveffekt (Meissner/Schenk a. a. O. Rn. 59). Nur die erfolgreiche Anhörungsrüge durchbricht die Rechtskraft der angegriffenen Entscheidung und führt dann zur Fortsetzung des Ablehnungsverfahrens nach § 152a Abs. 5 Satz 2 VwGO.

Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 15.06.2010 – IX ZB 33/09 -; ebenso etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.12.2014 – L 11 KA 40/14 B RG -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.03.2021 – L 9 SF 248/20 AB RG -; Vollkommer a. a. O. § 47 Rn. 3; Meinert, Befangenheit im Rechtsstreit, Rn. 134) das Ende der Wartepflicht gemäß § 47 Abs. 1 ZPO auch durch die Einlegung einer zulässigen Anhörungsrüge – nicht aber wegen der noch offenen Frist für eine Anhörungsrüge (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 07.03.2012 – AnwZ (B) 13/10 -; BFH, Beschluss vom 08.07.2013 – III B 149/12 -; Vossler in BeckOK ZPO, § 47 Rn. 3) – hinausgeschoben wird, ist fraglich, ob dem im Verwaltungsprozess die Regelung des § 152a Abs. 6 i. V. m. § 149 Abs. 1 Satz 2 VwGO entgegensteht. Aus ihr dürfte nochmals ausdrücklich der gesetzgeberische Wille hervorgehen, dass durch die Erhebung der Anhörungsrüge die angegriffene (rechtskräftige) Entscheidung, die hier im Fall des abschlägig beschiedenen Ablehnungsgesuchs zum Wegfall der Wartepflicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO führt, nur dann nicht vollzogen werden kann, wenn das Gericht – ggf. auf Anregung oder Antrag des Rügeführers (vgl. dazu Guckelberger a. a. O. § 152a Rn. 44 und § 149 Rn. 5 m. w. N.) – bestimmt, dass die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung einstweilen auszusetzen ist (für die Konstellation einer Anhörungsrüge gegen einen abschlägigen Ablehnungsbeschluss vgl. Meissner/Schenk a. a. O. Rn. 59).

Dies bedarf im hier gegebenen Fall aber keiner abschließenden Bewertung, da der Antragsteller die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 30.05.2023 erst am 16.06.2023 und damit nach der Entscheidung in der Sache (Zurückweisung der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 21.03.2023 – 13 S 241/23 -) am 01.06.2023 erhoben hat. Es liegt auf der Hand, dass nach (rechtskräftigem) Abschluss des Anhörungsrügeverfahrens, auf das sich das Ablehnungsgesuch des Antragstellers bezog, eine Wartepflicht nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO nicht wiederaufleben kann. Denn äußerste Zeitschranke für die Ablehnung eines Richters ist die abschließende Erledigung des gerichtlichen Verfahrens durch eine unanfechtbare Entscheidung in der Sache (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.05.2007 – 2 BvR 2655/06 m. w. N.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.06.2016 a. a. O. Rn. 4).

Zudem ist die Anhörungsrüge unzulässig (s. dazu sogleich unter 2.), sodass durch diese auch nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2010 (a. a. O.) das Ende der Wartepflicht nicht gemäß § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 47 Abs. 1 ZPO hinausgeschoben wird.

2. Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

a. Sie bis bereits unstatthaft. Zwar ist § 152a VwGO nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 23.10.2007 – 1 BvR 782/07 -, vom 12.01.2009 – 1 BvR 3113/08 -, und vom 06.05.2010 – 1 BvR 96/10 -) zu vergleichbaren Vorschriften in anderen Verfahrensordnungen verfassungskonform dahin auszulegen, dass es sich bei Verfahren über die Ablehnung eines Richters um ein selbständiges Zwischenverfahren mit Bindungswirkung für die nachfolgenden Entscheidungen mit der Folge handelt, dass der zurückweisende Beschluss über die Richterablehnung eine mit der Anhörungsrüge angreifbare Entscheidung ist und nicht § 152a Abs. 1 Satz 2 VwGO unterfällt, nach dem gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung die Anhörungsrüge nicht stattfindet. Ließe man bei solchen Entscheidungen die Anhörungsrüge nicht zu, kann nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die dadurch entstehende Rechtsschutzlücke (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02 -) nicht dadurch beseitigt werden, dass der Antragsteller auf die Möglichkeit einer Anhörungsrüge gegen die spätere abschließende Sachentscheidung verwiesen würde. Etwas anderes gilt aber dann, wenn – wie hier – zum Zeitpunkt der Erhebung der Anhörungsrüge gegen den zurückweisenden Ablehnungsbeschluss bereits die abschließende Sachentscheidung ergangen ist. In einem solchen Fall würde die Fortführung des Verfahrens über das Ablehnungsgesuch nach § 152a Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO ins Leere gehen, da sie keinen Einfluss mehr auf die bereits (rechtskräftig) getroffene Sachentscheidung (hier die Zurückweisung der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 21.03.2023 durch Beschluss vom 01.06.2023) haben kann. Dementsprechend wird in den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 23.10.2007 (a. a. O. Rn. 25), vom 12.01.2009 (a. a. O. Rn. 25) und vom 06.05.2010 (a. a. O. Rn. 23) postuliert, dass die behauptete Gehörsverletzung vor einer Fortsetzung des zur abschließenden Sachentscheidung führenden Verfahrens einer fachgerichtlichen Überprüfung zugeführt werden können muss.

Benötigen Sie Hilfe vom Anwalt? Schildern Sie uns Ihr Anliegen und fordern online unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

b. Der Anhörungsrüge fehlt aus den oben genannten Gründen auch das Rechtsschutzbedürfnis, da der Antragsteller seine Rechtsposition durch eine Fortführung des Verfahrens über das Ablehnungsgesuch gemäß § 152a Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO nicht verbessern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.07.2009 – 8 C 4.09 -; Beschluss vom 28.08.1987 – 4 N 3.86 -). Zu Unrecht beruft sich der Antragsteller in diesem Zusammenhang darauf, dass im Fall des Erfolgs der Anhörungsrüge der Beschluss vom 01.06.2023 „i. S. v. § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nichtig würde […] und durch die gesetzlichen Richter neu getroffen werden müsste“. Das folgt bereits daraus, dass ablehnende Beschlüsse über die Anhörungsrüge nicht der Wiederaufnahme unterliegen (vgl. BSG, Beschluss vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B -; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.11.2017 – 13 ME 367/17 -; BayVGH, Beschluss vom 08.03.2018 – 10 ZB 18.530 -; Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl., § 153 Rn. 4; Musielak in Musielak/Volt, ZPO, 20. Aufl., § 578 Rn. 13). Zwar ist anerkannt, dass über den Wortlaut von § 153 Abs. 1 VwGO, § 578 Abs. 1 ZPO (Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahrens) hinaus unter entsprechender Anwendung dieser Vorschriften auch Beschlüsse der Wiederaufnahme unterliegen, wenn es sich um rechtskraftfähige verfahrensbeendende (urteilsvertretende) Beschlüsse handelt (BVerwG, Beschluss vom 08.04.2015 – 1 A 7.15 m. w. N.). Ein solcher ist der die Anhörungsrüge zurückweisende Beschluss des Senats vom 01.06.2023 indes nicht. Denn ihm kommt keine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Wirkung zu. Das Verfahren ist vielmehr durch die der Anhörungsrüge vorausgehende Sachentscheidung beendet. Mit der Zurückweisung der Anhörungsrüge wird lediglich die Fortführung des beendeten Verfahrens abgelehnt. Darüber hinaus betrifft die mit Beschluss vom 01.06.2023 entschiedene Anhörungsrüge die Beschwerde des Antragstellers über dessen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag nach § 123 VwGO und für eine noch zu erhebende Feststellungsklage, über den mit Beschluss vom 21.03.2023 im Verfahren 13 S 241/23 entschieden wurde. Ein gegen die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gerichteter Wiederaufnahmeantrag ist ebenfalls unstatthaft, da eine derartige Entscheidung nicht der materiellen Rechtskraft fähig ist (BVerwG, Beschluss vom 17.03.2015 – 5 A 1715, 5 PKH 15/15 -; Beschluss des Senats vom 24.01.2023 – 13 S 107/23 – n. v.; BayVGH, Beschluss vom 27.03.2019 – 10 C 19.223 -). Entsprechendes muss dann auch für die hierauf bezogene Anhörungsrüge gelten.

c. Die Anhörungsrüge ist schließlich auch deshalb unzulässig, weil der Antragsteller dem Darlegungserfordernis des § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO nicht gerecht geworden ist. Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO kann die Anhörungsrüge nur darauf gestützt werden, dass das erkennende Gericht den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Dafür ist hier gemäß § 152a Abs. 2 Satz 6 VwGO substantiiert darzulegen, dass der Senat das Vorbringen des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidung einbezogen hat. Auch wenn bei nicht rechtskundig vertretenen Beteiligten die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen, enthält das Rügeschreiben des Antragstellers vom 16.06.2023 keine Anhaltspunkte für eine Verletzung rechtlichen Gehörs. Mit seinem Vortrag, die „nunmehr abgelehnten Richter“ seien „entweder geisteskrank oder entscheiden über Ablehnungsgesuche völlig gewillkürt“, sowie zur „Zeitumkehr“, die es nur „in der Quantenphysik, nicht aber im Makrokosmos, mithin nicht in der chronologisch-kausalitätsabhängigen Rechtsprechung“ gebe, beschränkt sich das Vorbringen des Antragstellers allenfalls auf pauschale Kritik an der Entscheidung über sein Ablehnungsgesuch, legt aber keine Gehörsverletzung dar.

3. Die Gegenvorstellung, über die der Senat entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen ebenfalls in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung entscheidet, bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unstatthaft. Denn der Gesetzgeber hat mit der Schaffung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zum Ausdruck gebracht, dass daneben die nicht geregelte Gegenvorstellung grundsätzlich nicht zuzulassen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 03.05.2011 – 6 KSt 1.11 -, und vom 05.07.2012 – 5 B 24.12 -). Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung kann nur dann in Betracht gezogen werden, wenn das Gericht nach der maßgebenden gesetzlichen Regelung zu einer Abänderung seiner vorangegangenen Entscheidung befugt ist und die Gegenvorstellung ihm Anlass zu einer dahingehenden Prüfung gibt (BVerwG, Beschluss vom 03.05.2011 a. a. O.; zu einer solchen Konstellation vgl. Beschluss des Senats vom 18.07.2023 – 13 S 569/23 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine derartige Änderungsmöglichkeit ist bei der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs nicht gegeben (zur Innenbindung gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 318 ZPO in diesen Fällen vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2018 – B 1 KR 12/18 C -; Feskom in Zöller a. a. O. § 318 Rn. 9).

4. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Anhörungsrüge folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es insoweit nicht, da bei Erfolglosigkeit der Anhörungsrüge eine vom Streitwert unabhängige Festgebühr nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) erhoben wird.

Das Verfahren der Gegenvorstellung ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 und § 152 Abs. 1 VwGO).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

1. Prozesskostenhilfe

  • Rechtsgebiet: Zivilprozessrecht
  • Rechtsnorm: Prozesskostenhilfe
  • Gesetz: Zivilprozessordnung (ZPO)

Erläuterung: Prozesskostenhilfe ist eine Unterstützung, die es einer Partei ermöglicht, trotz fehlender finanzieller Mittel einen Prozess zu führen. Sie wird gewährt, wenn die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Im vorliegenden Text wurde dem Antragsteller die Prozesskostenhilfe für einen bestimmten Antrag und eine Feststellungsklage verweigert.

2. Anhörungsrüge

  • Rechtsgebiet: Verwaltungsprozessrecht
  • Rechtsnorm: Anhörungsrüge
  • Gesetz: Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), insbesondere § 152a VwGO

Erläuterung: Die Anhörungsrüge ist ein Rechtsbehelf, der gegen Entscheidungen eingelegt werden kann, bei denen der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt wurde. Sie dient der Selbstkorrektur des Gerichts. Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller eine Anhörungsrüge gegen einen Beschluss eingelegt, wobei es um die Ablehnung von Richtern wegen Befangenheit ging.

3. Richterliches Mitwirkungsverbot und Befangenheitsantrag

  • Rechtsgebiet: Verfahrensrecht
  • Rechtsnorm: Mitwirkungsverbot bei Befangenheit
  • Gesetz: Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), insbesondere § 54 VwGO

Erläuterung: Ein Richter darf an einer Entscheidung nicht mitwirken, wenn er befangen ist. Ein Ablehnungsgesuch kann von einer Partei gestellt werden, wenn sie die Befangenheit eines Richters annimmt. Im vorliegenden Fall wurden Ablehnungsgesuche gegen bestimmte Richter gestellt, die jedoch vom Senat abgelehnt wurden.

4. Wiederaufnahme des Verfahrens

  • Rechtsgebiet: Verfahrensrecht
  • Rechtsnorm: Wiederaufnahme
  • Gesetz: Zivilprozessordnung (ZPO), insbesondere § 578 Abs. 1 ZPO

Erläuterung: Ein bereits abgeschlossenes Verfahren kann unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufgenommen werden. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn nachträglich neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die eine andere Entscheidung wahrscheinlich gemacht hätten. Im vorliegenden Fall wurde die Möglichkeit einer Wiederaufnahme in Bezug auf die Anhörungsrüge diskutiert.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos