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Sachverständigenablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit

LG Neuruppin – Az.: 2 T 109/18 – Beschluss vom 17.12.2018

Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.10.2018 – 7 K 125/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Vollstreckungsgericht hat den Sachverständigen Prof. Dr. … mit der Begutachtung der Schuldnerin beauftragt.

Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 31.08.2018 haben die Schuldner den Sachverständigen als befangen mit der Begründung abgelehnt.

Diesen Befangenheitsantrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.10.2018 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass allein die Behauptungen der Schuldner nicht auf ein unangemessenes Verhalten des Sachverständigen schließen ließen. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Sachverständige eine Vielzahl von Untersuchungen nicht vorgenommen habe. Die Beurteilung der Sachkunde des Sachverständigen könne nicht Gegenstand eines Befangenheitsvorwurfes sein.

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Schuldner am 08.10.2018 zugestellt worden. Gegen diesen Beschluss richten sich die Schuldner mit der am 22.10.2018 eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend machen, dass sich das Zusammentreffen mit dem Sachverständigen so dargestellt habe, wie dies in der eidesstattlichen Versicherung des Schuldners zum Ausdruck komme. Der Sachverständige könne die von ihm behaupteten Untersuchungen auch nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit durchgeführt haben. Zudem weise das Gutachten Mängel auf, die eine Voreingenommenheit des Sachverständigen belegen würden.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 406 Abs. 1 ZPO i.V. mit § 42 ZPO kann ein Sachverständiger abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dabei genügt jede Tatsache, die ein Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen kann. Subjektive oder unvernünftige Gedankengänge des Antragstellers scheiden hingegen aus (vgl. Musielak/Huber, ZPO, 15. Aufl., § 406 Rn. 4 m.w.N.).

Die von den Schuldnern aufgezeigten Gründe sind nicht geeignet, ein Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu begründen.

Soweit die Schuldner zum Verhalten des Sachverständigen im Vorfeld und während des Ablaufs des Explorationsgesprächs vortragen, ist der Befangenheitsantrag bereits verfristet. Ablehnungsgründe sind unverzüglich vorzutragen. Dem wird ein Verfahrensbeteiligter jedoch nicht gerecht, wenn er – wie hier die Schuldner – wegen des Verhaltens des Sachverständigen bei einer Untersuchung mit der Einreichung des Ablehnungsgesuchs zuwartet, bis er das Gutachtenergebnis kennt (OLG Köln, Beschluss vom 19.08.2008 – 5 W 39/08; Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 406 Rn. 13).

Das Befangenheitsgesuch ist insoweit aber auch unbegründet. Denn der Sachverständige hat zu dem Vorbringen der Schuldner unter dem 18.09.2018 Stellung genommen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen ist hier kein Verhalten ersichtlich, dass Anlass zu der Besorgnis gibt, der Sachverständige stehe den Schuldnern nicht unvoreingenommen gegenüber. Die eidesstattliche Versicherung des Schuldners stellt insoweit kein geeignetes Mittel zur Glaubhaftmachung der schuldnerischen Behauptungen dar. Denn gemäß § 406 Abs. 3 ZPO ist eine eidesstattliche Versicherung des Verfahrensbeteiligten selbst nicht zur Glaubhaftmachung zugelassen.

Es kommt hier auch keine Parteivernehmung des Schuldners in Betracht. Da eine Beweisaufnahme bei der Glaubhaftmachung nur bei präsenten Beweismitteln stattfindet (§ 294 Abs. 2 ZPO), genügt es nicht, dass sich die Schuldner hier auf eine Parteivernehmung des Schuldners bezogen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 14.03.1958 – IV ZB 12/58; BVerwG, Beschluss vom 03.06.1986 – 9 C 331/85; OLG Köln a.a.O.; OVG Lüneburg vom 14.01.1999 – 1 O 4417/98).

Auch im Übrigen kann hier die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen nicht angenommen werden.

Dass der Sachverständige keine Begleitperson bei der Begutachtung zugelassen hat, stellt keinen Grund für die Annahme einer Befangenheit des Sachverständigen dar. Auch hier gelten die bereits oben getätigten Ausführungen zur Verfristung des Gesuchs. Die Schuldner hätten diesen Umstand bereits kurz nach ihrer Untersuchung und nicht erst in ihrer Stellungnahme zum Gutachten geltend machen können.

Unabhängig davon erwächst aber aus der Nichtzulassung von Begleitpersonen kein Grund, der eine Sorge bezüglich der Befangenheit des Sachverständigen rechtfertigen würde.

Ob die Teilnahme einer Begleitperson bei einer gerichtlich angeordneten Untersuchung durch einen Sachverständigen zuzulassen ist, ist umstritten bzw. gegebenenfalls auch vom Einzelfall abhängig (bejahend: OLG Hamm NJW 2015, 1461 f.; LSG Rheinland-Pfalz NJW 2006, 1547 f.; OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 109; BeckOK FamFG, 25. Edition, Stand: 01.01.2018, § 30 Rn. 35a; Berchthold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl., Kap. 11 Rnn. 106, 107; verneinend: BGH NStZ 2003, 101; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.09.2016 – L 7 R 2329/15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 02.08.2016 – 5 ME 103/16; LSG Bayern, Beschluss vom 20.11.2013 – L 2 SF 155/12 B; OVG Koblenz NVwZ-RR 2013, 972; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2010 – L 31 R 1292/09 B; SG Mainz, Gerichtsbescheid vom 07.02.2017 – S 11 SB 204/15).

Selbst wenn man der Auffassung folgt, dass eine Begleitperson zuzulassen ist, folgt aber aus dem Umstand, dass der Sachverständige dies nicht getan hat, nicht die Annahme der Besorgnis der Befangenheit (vgl. OLG Hamm a.a.O.; LSG Bayern a.a.O.).

Soweit geltend gemacht wird, dass der Sachverständige nicht wie beschrieben untersucht habe und dies innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit auch nicht möglich gewesen wäre, ist der Sachverständige diesem Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 18.09.2018 ebenfalls entgegen getreten. Aus den bereits oben dargelegten Gründen besteht auch hier keine Veranlassung, den angebotenen nicht präsenten Beweismitteln nachzugehen.

Soweit die Schuldner ferner Mängel der Untersuchungsmethoden des Sachverständigen geltend machen und die inhaltlichen Feststellungen des Gutachtens angreifen, leitet sich auch hieraus kein Grund zur Besorgnis der Befangenheit ab. Denn grundsätzlich ist auch die fehlende Sachkunde des Sachverständigen kein Umstand, auf den die Besorgnis der Befangenheit gestützt werden kann (BGH NJW 2005, 1869, 1870).

Zwar können Mängel nach Art und Häufung ausnahmsweise die Annahme einer Voreingenommenheit des Sachverständigen begründen. Derartige Mängel sind hier jedoch nicht ersichtlich. Der Sachverständige hat insbesondere auch in seiner Stellungnahme vom 18.09.2018 zu der Problematik des erhöhten Blutdrucks sowie den Risiken eines Schlaganfalls Stellung genommen.

Auch Fragestellungen, die von den Schuldnern als provokant empfunden worden sein mögen, rechtfertigen nicht die Annahme der Befangenheit. Denn es ist nicht ersichtlich, dass es für die gutachterliche Beurteilung wertlos war, die diesbezügliche Reaktion der Schuldnerin gerade auf derartige Fragestellungen festzustellen. Vor diesem Hintergrund kann hieraus aber nicht die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Sachverständigen abgeleitet werden.

Dass der Sachverständige in Bezug auf den früheren Befangenheitsantrag der Schuldnerin von einer inhaltlichen Denkstörung spricht, begründet ebenfalls nicht die Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass das subjektive Empfinden der Schuldnerin nicht im Einklang mit dem Ergebnis steht, welches sich gemäß der aus der Akte ersichtlichen Beschlusslage bzw. der sonstigen Sachlage zeigt. Soweit der Sachverständige hierauf in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht eingegangen ist, mag dies eine Lückenhaftigkeit der ergänzenden Stellungnahme darstellen, die jedoch die Annahme der Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen vermag.

Gleichermaßen mag die Angabe des Sachverständigen, dass die Schuldnerin nicht insulinpflichtig sei, vor dem Hintergrund, dass sie als Medikament Abasaglar Insulin angegeben hat, zu hinterfragen sein. Ein etwaiger diesbezüglicher Mangel ist aber weder allein noch im Zusammenwirken mit den weiteren hier vorgebrachten Umständen geeignet, Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu begründen. Vielmehr stellt sich dies allenfalls als Ausdruck mangelnder Sorgfalt dar, der eine kritische Hinterfragung des Gutachtens gebieten, jedoch nicht die Ablehnung des Sachverständigen als befangen zu rechtfertigen vermag (vgl. auch BGH GRUR 2012, 92; NJW-RR 2011, 1555; NJW 2005, 1869, 1870).

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Das Amtsgericht wird aber in der weiteren Folge die gegen das Gutachten vorgebrachten Umstände dahingehend zu prüfen haben, ob sie die mündliche Anhörung des Sachverständigen gebieten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO).

Wert des Beschwerdeverfahrens: 72.666,67 €

Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache (der Verkehrswert wurde auf 218.000,00 € festgesetzt) zu bemessen (BGH, Beschluss vom 15.12.2003 – II ZB 32/03; Brandenburgisches Oberlandesgericht NZFam 2018, 1106).

 

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