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Schönheitsreparaturen – nach starrem mietvertraglichen Fristenplan ist unwirksam!

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VIII ZR 106/05

Versäumnisurteil vom 05.04.2006

Vorinstanzen:

AG Nürnberg, Az.: 25 C 8131/04, Urteil vom 03.12.2004

LG Nürnberg-Fürth, Az.: 7 S 12672/04, Urteil vom 22.04.2005


Leitsätze:

Die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene formularmäßige Klausel „Der Mieter ist verpflichtet, die während der Dauer des Mietverhältnisses notwendig werdenden Schönheitsreparaturen ordnungsgemäß auszuführen. Auf die üblichen Fristen wird insoweit Bezug genommen (z.B. Küchen/Bäder: 3 Jahre, Wohn- und Schlafräume: 4-5 Jahre, Fenster/Türen/Heizkörper: 6 Jahre).“enthält einen starren Fristenplan und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.


In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2006 für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, 7. Zivilkammer, vom 22. April 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist; das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 3. Dezember 2004 wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.150,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. April 2004 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Zwischen den Parteien bestand ein Mietverhältnis über eine Wohnung in N…. Für Schönheitsreparaturen enthielt der Mietvertrag vom 12. August 1996 folgende Formularklauseln:

„§ 8 Erhaltung der Mietsache

2. Der Mieter ist verpflichtet, die während der Dauer des Mietverhältnisses notwendig werdenden Schönheitsreparaturen ordnungsgemäß auszuführen. Auf die üblichen Fristen wird insoweit

Bezug genommen (z.B. Küchen/Bäder: 3 Jahre, Wohn- und Schlafräume: 4-5 Jahre, Fenster/Türen/Heizkörper: 6 Jahre).

§ 13 Beendigung des Mietverhältnisses

3. Endet das Mietverhältnis vor Eintritt der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen gemäß § 8 Nr. 2, so ist der Mieter verpflichtet, die anteiligen Kosten für die Schönheitsreparaturen auf Grund eines Kostenvoranschlages eines vom Vermieter auszuwählenden Maler-Fachbetriebes an den Vermieter nach folgender Maßgabe zu zahlen:

Die anteiligen Kosten für die Schönheitsreparaturen der Fenster, Türen und Heizkörper betragen bei einer Mietzeit von länger als einem Jahr 16% der Gesamtkosten, bei einer Mietzeit von länger als 2 Jahren 33%, bei einer Mietzeit von länger als 3 Jahren 50%, von länger als 4 Jahren 66% , von länger als 5 Jahren 83% und bei einer Mietzeit von länger als 6 Jahren 100%…“.

§ 18 des Mietvertrags („Sonstige Vereinbarungen“) ist maschinenschriftlich wie folgt ergänzt:

„Der Mieter bezieht eine renovierte Wohnung, d. h. Wände und Decken sind frisch geweißelt. Der Mieter verpflichtet sich, bei Auszug diese Schönheitsreparaturen, d. h. das Weißeln von Wänden und Decken fachmännisch auszuführen.“

Schönheitsreparaturen nahm der Kläger während der Mietzeit, die am 13. August 1996 begonnen hatte und am 31. Januar 2004 endete, nicht vor.

Der Beklagte beauftragte einen Malerbetrieb mit Renovierungsarbeiten und verrechnete die dadurch entstandenen Kosten mit dem Kautionsguthaben des Klägers in Höhe von insgesamt 1.281,43 € (1.150,41 € nebst 131,02 € Anlagezinsen).

Der Kläger hat Klage auf Rückzahlung der Mietkaution in Höhe von 1.150,41 € (ohne Anlagezinsen) erhoben. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr in Höhe von 473,07 € stattgegeben. Die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Renovierungskosten hat es zum Teil – in Höhe von 808,36 € – für begründet erachtet und diesen Betrag von der Gesamtkaution (1.281,43 €) abgesetzt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch hinsichtlich des Restbetrages von 677,34 € weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZMR 2005, 622 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Kaution sei teilweise durch Aufrechnung erloschen (§ 389 BGB). Der Beklagte könne gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen der vom Kläger nicht vorgenommenen Renovierung von Heizkörpern und Türen verlangen.

Er habe die Schönheitsreparaturen, die unstreitig notwendig gewesen seien, nicht ausgeführt, obwohl er dazu gemäß § 8 Nr. 2 des Mietvertrags verpflichtet gewesen sei. Die Formularklausel sei wirksam, denn so genannte starre Fristen seien nicht vereinbart worden; vielmehr werde auf die „üblichen Fristen“ Bezug genommen, die den gängigen Intervallen in Mustermietverträgen entsprächen.

Die Quoten- oder Abgeltungsklausel unter § 13 Nr. 3 des Mietvertrags sei zwar gemäß § 309 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie im Fall einer 100%-igen Haftung des Mieters die Voraussetzungen des § 281 BGB umgehe. Die Unwirksamkeit der Quotenregelung erstrecke sich jedoch nicht auf die Überbürdung der Schönheitsreparaturen durch § 8 Nr. 2 des Mietvertrags. § 13 Nr. 3 sei lediglich wegen eines formalen Aspekts unwirksam. Dies berühre die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen während der Mietzeit nicht.

Durch die unter § 18 des Mietvertrags vorgesehene Verpflichtung des Mieters zum Weißeln der Wände und Decken am Ende des Mietverhältnisses entstehe allerdings ein unzulässiger „Summierungseffekt“, weil der Mieter zur Vornahme dieser Renovierungsarbeiten auf Grund von § 8 Nr. 2 bereits während der Mietzeit verpflichtet sei. Wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters sei § 8 Nr. 2 deshalb insoweit unwirksam (§ 307 Abs. 1 BGB). Die Unwirksamkeit erstrecke sich jedoch nur auf die Verpflichtung zum Weißeln der Wände und Decken. Andere Gewerke seien davon nicht betroffen, auch nicht das Streichen der Türen und Heizkörper. Die Verpflichtung dazu könne sprachlich auch dann bestehen bleiben, wenn der unwirksame Teil der Klausel keine Anwendung fände.

Der Beklagte könne, wie das Berufungsgericht im Einzelnen ausgeführt hat, für die Renovierung der Türen und Heizkörper Schadensersatz in Höhe von 808,36 € verlangen. Wegen der weitergehenden Forderung des Beklagten hat es – insoweit für das Revisionsverfahren nicht von Bedeutung – die Aufrechnung als unbegründet erachtet.

II.

Die Revision hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf umfassender Würdigung des Sach- und Streitstands (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).

Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Kaution (§ 15 Nr. 2 des Mietvertrags) ist nicht, auch nicht teilweise, durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Schadensersatz wegen unterlassener laufender Schönheitsreparaturen gemäß §§ 280, 281 BGB, die auf das am 31. Januar 2004 beendete Mietverhältnis anzuwenden sind (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB), kann der Beklagte nicht verlangen. Die formularmäßige Klausel über die Verpflichtung des Mieters zur Durchführung der laufenden Schönheitsreparaturen (§ 8 Nr. 2) ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam, weil sie ihm ein Übermaß an Pflichten auferlegt (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

1.

Die Auslegung der in einem Formularvertrag des Grund- & Hausbesitzervereins N. u. Umgebung e.V. enthaltenen Klausel durch das Berufungsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung. Der Senat geht davon aus, dass Mietvertragsklauseln, die der hier zu beurteilenden Bestimmung unter § 8 Nr. 2 entsprechen, über den Bezirk des Berufungsgerichts

hinaus in Formularmietverträgen verwendet werden.

2.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 f.). Vorformulierte Fristenpläne für die Ausführung von Schönheitsreparaturen müssen, um der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB standzuhalten, nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats so abgefasst sein, dass der Fristenplan nur den Charakter einer Richtlinie hat, von der im Einzelfall bei gutem Erhaltungszustand der Mieträume auch nach oben abgewichen werden kann; dies muss für den durchschnittlichen, verständigen Mieter erkennbar sein (Urteil vom 28. April 2004 – VIII ZR 230/03, NJW 2004, 2087, unter III a; Urteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586, unter II 2; Urteil vom 13. Juli 2005 – VIII ZR 351/04, NJW 2005, 3416, unter II 2).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird § 8 Nr. 2 des Mietvertrags diesen Anforderungen nicht gerecht. Die Wendung, wonach der Mieter die „notwendig werdenden“ Schönheitsreparaturen vorzunehmen hat, kann aus der Sicht des verständigen Mieters nicht allein die Bedeutung haben, dass er Renovierungsarbeiten nur dann auszuführen hat, wenn tatsächlich Renovierungsbedarf besteht und es Ausnahmen von den üblichen Fristen geben kann.

Das folgt aus Satz 2 der Klausel, in dem bestimmte Fristen genannt werden.

Die Formulierung in § 8 Nr. 2 Satz 2 „Auf die üblichen Fristen wird insoweit Bezug genommen (z. B. Küchen/Bäder: 3 Jahre …)“ besagt für sich gesehen zwar nicht, dass die üblichen sowie die dort beispielhaft genannten Fristen verbindlich oder flexibel (im Sinne einer Richtlinie) sind. Die aufgeführten Zeiträume enthalten jedoch keine Einschränkung, wonach die vorgesehenen Fristen lediglich für den Regelfall oder für einen „im Allgemeinen“ entstehenden Renovierungsbedarf gelten sollen. Aus der Sicht des verständigen, durchschnittlichen Mieters soll die Bezugnahme auf die üblichen sowie die beispielhaft genannten Fristen verbindlich sein. Es handelt sich daher um einen starren Fristenplan, der die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge hat (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 8 Nr. 2 Satz 1 des Mietvertrags mit seiner nicht näher bestimmten Wendung, der Mieter sei verpflichtet, die während der Dauer des Mietverhältnisses „notwendig werdenden“ Schönheitsreparaturen ordnungsgemäß auszuführen. Der durchschnittliche Mieter ist gehalten und in der Lage, eine Vertragsklausel im Zusammenhang zu lesen und daraus ihren Sinn zu ermitteln (Senatsurteil vom 13. Juli 2005, aaO, m.w.Nachw.). Die Formulierung „notwendig werdend“ kann sich zwar – im Sinne einer Richtlinie – auf den tatsächlichen Bedarf beziehen. Im Zusammenhang gelesen ist die Bezugnahme auf die üblichen Fristen einschließlich der konkreten Zeitangaben in Satz 2 aber als Definition der „notwendig werdenden“ Schönheitsreparaturen in Satz 1 zu verstehen. Dass dieser Begriff den in Satz 2 genannten Fristen lediglich den Charakter einer unverbindlichen Orientierungshilfe verleihen soll, ist einem durchschnittlichen Mieter nicht erkennbar.

3.

Die daraus folgende Unwirksamkeit der Fristenbestimmung führt zur Unwirksamkeit der gesamten Schönheitsreparaturverpflichtung. § 8 Nr. 2 Satz 1 des Mietvertrags ließe sich allein nur dann aufrechterhalten, wenn die Formularklausel aus sich heraus verständlich und sinnvoll in einen zulässigen und in einen unzulässigen Regelungsteil trennbar wäre (Senatsurteil vom 25. Juni 2003 – VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899, unter II 2; Senatsurteil vom 23. Juni 2004, aaO, unter II 3, jew. m.w.Nachw.). Hieran fehlt es. Aus der Sicht eines unbefangenen Lesers bestimmt sich der Umfang der in Satz 1 geregelten Schönheitsreparaturverpflichtung nach dem in Satz 2 enthaltenen (starren) Fristenplan, so dass die beiden Klauseln inhaltlich miteinander verknüpft sind. Bliebe die dem Mieter in § 8 Nr. 2 Satz 1 auferlegte Schönheitsreparaturverpflichtung ohne den Fristenplan bestehen, würde sie mithin aus der Sicht des Mieters inhaltlich umgestaltet und mit einem anderen Inhalt aufrechterhalten. Dies wäre jedoch eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Formularklausel (vgl. Senatsurteil vom 22. September 2004 – VIII ZR 360/03, NJW 2004, 3775, unter II 1 c).

4.

Da die Renovierungsklausel des § 8 Nr. 2 bereits aus sich heraus der Inhaltskontrolle nicht standhält, kann dahingestellt bleiben, ob die formularmäßige Bestimmung des § 13 Nr. 3, die den Mieter im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses vor Ablauf der Fristen zur Ausführung von Schönheitsreparaturen zu einer zeitanteiligen Kostenbeteiligung verpflichtet und dabei ihrerseits unwirksam ist, weil sie auf den starren Fristenplan Bezug nimmt, noch zusätzlich gegen § 309 Nr. 4 BGB verstößt und § 8 Nr. 2 davon berührt wird. Auch auf das vom Berufungsgericht erwähnte Zusammenwirken des § 8 Nr. 2 mit der auf das Weißeln der Wände und Decken beschränkten Endrenovierungsvereinbarung in § 18 des Mietvertrags kommt es nicht mehr an.

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben; es ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind und die Sache damit zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist der Klage – einschließlich des Zinsanspruchs aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB – in vollem Umfang stattzugeben und das amtsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern.

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