Oberlandesgericht Frankfurt/Main
Az: 23 U 221/07
Urteil vom 18.06.2008
Gründe:
I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Ergänzend ist festzuhalten, dass die Kündigung der Geschäftsbeziehung durch die Beklagte vom 19.5.2005 datiert und auf Nr. 19 Abs. 2 und 3 der AGB der Beklagten gestützt wurde (Bl. 14 f d.A.). Die Klägerin hat seitdem keine Zahlungen auf die Debetsalden erbracht. Mit Beschluss vom 22.5.2006 hat das Amtsgericht Biedenkopf die Zwangsversteigerung des Grundeigentums der Klägerin und ihres Ehemanns in O1 angeordnet (Bl. 28 d.A.).
Das Landgericht hat der auf Widerruf bestimmter, von der Beklagten an die SCHUFA übermittelter Daten gerichteten Klage stattgegeben mit der Begründung, dass es an einem substantiierten Vortrag der Beklagten für ein vertragswidriges Verhalten der Klägerin fehle, insbesondere am Nachweis der Berechtigung der Beklagten zur Verbuchung von Mastercard-Belastungen auf dem Girokonto Nr. … sowie der Überziehung des Kreditlimits allein durch Zahlungen mit der Geldkarte und der Berechtigung zur Kündigung der Geschäftsbeziehung.
Gegen das ihr am 26.11.2007 zugestellte Urteil des Landgerichts hat die Beklagte am 20.12.2007 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 28.1.2008, einem Montag, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die die Ansicht vertritt, bereits aus den unstreitigen Umständen der Kartenausgabe, den ihnen zugrunde liegenden Kartenbedingungen und der Kartenbenutzung über den eingeräumten Dispositionskredit von 1.600.- EUR hinaus ergebe sich die Berechtigung zur Belastung des Girokontos Nr. …. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte sei nicht das Kreditkartenunternehmen und deshalb nicht zur Belastung befugt, sei falsch, wie sich aus den Kreditkartenbedingungen ergebe. Es handele sich um ein bankgestütztes Kartensystem, bei der die Beklagte in Lizenz der Kreditkartengesellschaft selbst die Karte ausgebe, sich dieser gegenüber zur Bezahlung der Kreditkartenumsätze verpflichtet und einen dementsprechenden Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kunden habe. Das Landgericht hätte die Vorlage des Kreditkartenvertrags bzw. der Kontoauszüge über die jahrelange Belastung mit den Kartenabrechnungen als Bestätigung für das Zustandekommen des Kreditkartenvertrags zulassen müssen. Die Kündigung sei nach ihren auch in der Literatur abgedruckten AGB rechtmäßig. Die SCHUFA-Meldung sei nach sachgerechter Interessenabwägung zutreffend erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 28.1.2008 (Bl. 144-150 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.11.2007 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Die Beklagte habe keine Rechtsgrundlage für die Belastung des Girokontos über das vereinbarte Kreditlimit hinaus gehabt. Die beklagte Bank sei auch kein Kreditkartenunternehmen, ungeachtet einer möglichen Lizenz. Die Beklagte könne die Vereinbarung der Kreditkarten-AGB nicht nachweisen, vor allem dem Kreditkartenvertrag nicht vorlegen. Die Zurückweisung des Vorbringens der Beklagten als verspätet sei zu Recht erfolgt. Ein Kreditkartenmissbrauch werde bestritten, zumal eine Buchung von Kreditkartenumsätzen „über das vereinbarte Limit hinaus nur zu einer geduldeten Überziehung führe“. Die Beklagte habe auch nicht fristgemäß ihre Berechtigung zur Kündigung nach den AGB nachgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom 25.2.2008 (Bl. 153-157 d.A.) verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Es liegt ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht im Ergebnis auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO bzw. nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung.
Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Widerruf der von dieser im Zusammenhang mit den Konten Nr. … und … an die SCHUFA übermittelten Daten bejaht.
Gegen die Übermittlung unzutreffender Daten bzw. deren Speicherung bei der SCHUFA ist der Betroffene durch § 824 BGB sowie auch nach §§ 27, 35 BDSG und § 823 Abs. 1 BGB iVm dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt (vgl. OLG Frankfurt am Main WM 1988, 154; OLG Hamburg NJW 1987, 659; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner, Bankrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2007, Bd. 1 § 41 Rn 11). Die Übermittlung von Negativdaten bedarf grundsätzlich einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung nach § 28 BDSG, wobei zwischen sog. „harten“ und „weichen“ Negativmerkmalen zu unterscheiden ist. Bei weichen Negativmerkmalen wie einer Kreditkündigung ist im Zuge einer Interessenabwägung im Einzelfall zu entscheiden, ob die Datenübermittlung zulässig ist, was in der Regel der Fall ist, wenn das Verhalten des Kunden auf Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung bzw. Zahlungsunwilligkeit beruht (vgl. OLG Frankfurt am Main ZIP 2005, 654; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner § 41 Rn 15; ebenso Weber WM 1986, 845). Der Umstand, dass eine Forderung bestritten ist, führt nicht „automatisch“ dazu, dass ein Speichern unzulässig wäre, denn dies wäre ein zu einfaches Mittel, um die Speicherung von Daten mit negativen wirtschaftlichen Folgen für den Betroffenen zu verhindern (OLG Frankfurt am Main aaO; zust. Anm. Placzek EwiR 2005, 559). Dies gilt auch dann, wenn nur ein Teilbetrag der Forderung (Zinsen) bestritten ist, und der Darlehensnehmer diesen entgegen seiner Zusage aus Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit nicht gezahlt hat (OLG Frankfurt am Main aaO; zust. Anm. Placzek EwiR 2005, 559).
Die Darlegungs- und Beweislast für ein berechtigtes Interesse an der Übermittlung trägt das übermittelnde Kreditinstitut (Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner § 41 Rn 15). Hat eine Bank eine unrichtige Information an die SCHUFA weitergegeben, so ist diese zu widerrufen (BGH WM 1983, 1188; Schimansky/Bunte/Lwowski-Bruchner § 41 Rn 20).
Die Rechtslage ist also anhand des § 28 Abs. 1 Ziff. 2 BDSG zu beurteilen, wonach die Übermittlung personenbezogener Daten an private Speicherstellen zulässig ist, „soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der speichernden Stelle erforderlich ist und kein Grund zur Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen … überwiegt“. Diese Norm kommt – wie andere Vorschriften des BDSG (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 823 Rn 62) – auch als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Zweifel an der Zulässigkeit der Datenspeicherung im Sinne dieser Vorschrift bestehen jedoch im vorliegenden Fall im Ergebnis nicht, da das Interesse der Vertragspartner der SCHUFA, von der Zahlungsunwilligkeit bzw. -unfähigkeit der Klägerin im Falle einer Geschäftsbeziehung mit ihr Kenntnis zu nehmen, das Interesse der Klägerin an der Geheimhaltung der Negativdaten überwiegt.
Unrichtig ist die streitgegenständliche Information an die SCHUFA über die Fälligstellung der genannten Kontosalden nicht, denn die Fakten und Daten sind an sich zutreffend.
Die Berechtigung der Beklagten zur Kündigung des Kreditkontos wird zudem von der Klägerin nur in pauschaler Weise und ohne Angabe von Gründen bestritten. Dem von der Beklagten im Kündigungsschreiben vom 19.5.2005 (Bl. 14f d.A.) angeführten Kündigungsgrund des bestehenden Verzugs mit der Ratenzahlung für das Baufinanzierungsdarlehen ist die Klägerin weder in diesem Verfahren noch außergerichtlich entgegen getreten, weshalb das pauschale Bestreiten nicht ausreicht. Insofern bestehen auch angesichts der inzwischen jahrelangen Zahlungsverweigerung keine Bedenken gegen die Weitergabe der Information.
Auch der Einwand der Klägerin gegen die Belastung der Konten mit den Kartenumsätzen greift nicht durch.
Unwidersprochen hat die Beklagte vorgetragen, dass es sich bei der von ihr an die Klägerin ausgegebenen Mastercard um ein bankgestütztes Kartensystem handelt, bei der die Beklagte in Lizenz der Kreditkartengesellschaft selbst die Karte ausgibt. Die Marktführer Mastercard und VISA betreiben dabei ihr Kartensystem dergestalt, dass sie Lizenzen an Finanzinstitute vergeben, die im wesentlichen das Emissionsgeschäft gegenüber ihren Kunden übernehmen, während die Kreditkartenunternehmen weltweit die Akquisitionsgeschaft gegenüber den Vertragsunternehmen betreiben, wobei der Zahlungsaustausch als sog. Interchange durch interne Buchungsvorgänge organisiert ist (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler § 67 Rn 5; Palandt-Sprau § 676h Rn 4). Aus der geschäftsbesorgungsvertraglichen Rechtsnatur des Emissionsvertrags im Deckungsverhältnis folgt, dass dem Kreditkartenunternehmen gegen den Karteninhaber ein Anspruch auf Ersatz seiner für die Erfüllungsübernahme aufgrund verbindlicher Weisung gemäß § 665 BGB erforderlichen Aufwendungen nach §§ 675 Abs. 1, 670 BGB zusteht (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler § 67 Rn 11; Palandt-Sprau § 676h Rn 3 u. 5a). Vorliegend ist aufgrund der von der Beklagten in Lizenz an die Klägerin ausgegebenen Mastercard die Beklagte im Emissionsverhältnis als Kreditkartenunternehmen im vorgenannten Sinn anzusehen, dem der Aufwendungsersatzanspruch, der bereits aus §§ 675 Abs. 1, 670 BGB folgt und keiner AGB-Vereinbarung bedarf (wobei das Landgericht im unstreitigen, nicht angefochtenen und nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO für das Berufungsgericht maßgeblichen Tatbestand die Vereinbarung der Kreditkartenbedingungen der Beklagten festgestellt hat), aufgrund jeweils unstreitiger Weisung der Klägerin unmittelbar gegen diese als Kartenkunde zusteht. Damit ist die erforderliche materielle Belastungsgrundlage für das Konto der Klägerin mit den Kreditkartenumsätzen gegeben, das als sog. Deckungskonto fungiert und nach konkludenter Billigung des vom Kreditkartenunternehmen festgestellten und mitgeteilten Saldos durch den Karteninhaber entsprechend belastet werden darf. Mit der Saldomitteilung will das Kreditkartenunternehmen Grund und Höhe seines Aufwendungsersatzanspruches außer Streit stellen und es hat ein Sachinteresse daran, dass der Karteninhaber diesem nicht später Einreden aus den ursprünglichen, verschiedenen Vertragsunternehmen gegenüber bestehenden Schuldgründen entgegen halten kann (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler § 67 Rn 12). Saldomitteilung und -billigung können als abstraktes Schuldanerkenntnis gemäß § 781 BGB ausgelegt werden (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski-Martinek/Oechsler aaO). Dass die Klägerin die Saldomitteilung im maßgeblichen Kontoauszug für März bzw. April 2005 nicht gebilligt habe, hat sie nicht vorgetragen, sondern lediglich eingewandt, die Beklagte habe keine Rechtsgrundlage für die Belastung des Girokontos über das vereinbarte Kreditlimit hinaus gehabt. Insoweit ist es aber grundsätzlich Sache der Klägerin, ein Dispolimit auf dem Girokonto nicht zu überziehen, und sie kann dieses Limit vor allem nicht der berechtigten Belastung mit dem in der Sache und Höhe selbst unstreitigen Aufwendungsersatzanspruch der Beklagten als funktionalem Kreditkartenunternehmen entgegen halten. Es handelt sich dabei vielmehr um eine von der Klägerin selbst verursachte und von der Beklagten nach § 493 Abs. 2 BGB geduldete Überziehung des Girokontos, wobei diese Krediteinräumung über das Limit hinaus von der Klägerin auf die erfolgte Aufforderung der Beklagten hin zurückzuführen war, was jedoch bis heute nicht erfolgt ist. Ein Kartenmissbrauch durch Dritte, der nach § 676h BGB den Aufwendungsersatzanspruch des Kreditinstituts ausschließen könnte, liegt hier gerade nicht vor.
Auf dieser Grundlage ist auch die Kündigung vom 19.5.2005 sowohl hinsichtlich der Dispositionskredite nach Nr. 19 Abs. 2 der gerichtsbekannten Banken-AGB der Beklagten als auch des Immobiliendarlehens nach Nr. 19 Abs. 3 Banken-AGB rechtmäßig.
Für die Verwendung der Deutsche Bank-Card gelten die vorstehenden Ausführungen insbesondere zum Aufwendungsersatzanspruch entsprechend (vgl. auch Palandt-Sprau § 676h Rn 7-9ff), ohne dass es der Lizenz eines Kreditkartenunternehmens bedarf.
Die Mitteilung dieser streitgegenständlichen Daten an die SCHUFA war von einem berechtigten Interesse im Sinne des § 28 BDSG gedeckt. Der fällig gestellte Betrag, den die Klägerin nach wie vor schuldig ist, ist nicht so geringfügig, dass deswegen eine Speicherung der Daten bei der SCHUFA zu unterbleiben hätte. Der Geschäftsverkehr hat ein weit verbreitetes und berechtigtes Interesse an Informationen über zahlungsunfähige bzw. -unwillige Kreditnehmer. Auf der anderen Seite ist zwar nicht zu verkennen, dass die Meldung an die SCHUFA für die Klägerin unbestritten erhebliche wirtschaftliche Nachteile mit sich brachte, z.B. in Form der Ablehnung der Anschlussfinanzierung. Aus Sicht des Senats überwiegen jedoch in Anbetracht des Umstandes, dass die Klägerin die Rückführung der Debetsalden jahrelang aus wohl eher vorgeschobenen (wie aus der zuvor gepflegten und unbeanstandeten Praxis der Abrechnung der verwendeten Karten folgt), jedenfalls aber substanzlosen Gründen verweigert, die Interessen der Beklagtenseite.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).