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Selbstständiges Beweisverfahren – mündliche Anhörung des Sachverständigen

Motorschaden: Gericht muss Sachverständigengutachten ergänzen

Das OLG Frankfurt hat auf Beschwerde hin entschieden, dass ein selbstständiges Beweisverfahren zur Klärung eines Motorschadens an einem Motorrad fortgesetzt werden muss, da der Antragsteller rechtzeitig substantiierte Einwendungen gegen das erstellte Gutachten erhoben hat, die eine weitere Anhörung des Sachverständigen erforderlich machen.

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✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das OLG Frankfurt hob den Beschluss des Landgerichts Wiesbaden auf, das eine Fortsetzung des Beweisverfahrens abgelehnt hatte, weil der Antrag auf eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen nach Fristablauf gestellt wurde.
  • Das Gericht entschied, dass das selbstständige Beweisverfahren fortzusetzen ist, da der Antragsteller fristgerecht Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht hatte, die eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen notwendig machen.
  • Das Landgericht muss nun den Sachverständigen erneut laden, um das Gutachten zu ergänzen bzw. zu erläutern.
  • Die Entscheidung unterstreicht, dass Einwendungen, Anträge und Ergänzungsfragen gleichwertig sind, wenn es darum geht, die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme zu begründen.
  • Die sofortige Beschwerde des Antragstellers war sowohl form- als auch fristgerecht, wodurch die Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht wurde.
  • Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
  • Das Gericht betont die Pflicht zur Überprüfung des Gutachtens auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit, auch im Verhältnis zu privat eingeholten Gutachten.
  • Die Entscheidung dient der Prozessökonomie, indem sie verhindert, dass unvollständige Gutachten zu unnötigen Verzögerungen oder Wiederholungen im Hauptprozess führen.

Ein selbstständiges Beweisverfahren

Im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung kann es sinnvoll sein, bereits Beweise zu sichern. Hierfür gibt es das selbstständige Beweisverfahren. Dabei werden Zeugen vernommen oder Sachverständigengutachten eingeholt, um Beweise für den späteren Prozess zu schaffen.

Diese Möglichkeit besteht bei Gefahr im Verzug, wenn Beweismittel verloren gehen könnten. Oft geht es um Augenscheinnahmen an Örtlichkeiten oder an Gegenständen, die verändert oder beiseite geschafft werden könnten. Eine wichtige Rolle spielen auch Sachverständige, deren fundierte Einschätzungen frühzeitig eingeholt werden müssen. Deren mündliche Anhörung kann im Beweisverfahren angeordnet werden, um Unklarheiten auszuräumen.

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➜ Der Fall im Detail


Selbstständiges Beweisverfahren: Fortsetzung und Ergänzung des Sachverständigengutachtens

Motorrad Motorschaden
(Symbolfoto: Jaynothing /Shutterstock.com)

In diesem Fall geht es um die Frage, ob ein selbstständiges Beweisverfahren fortgesetzt werden muss, um ein Sachverständigengutachten zu ergänzen und zu erläutern. Der Antragsteller hatte das selbstständige Beweisverfahren initiiert, um einen Motorschaden an seinem Motorrad zu klären. Das Landgericht hatte zunächst ein Sachverständigengutachten eingeholt, gegen das der Antragsteller Einwendungen erhob und ergänzende Fragen stellte.

Die rechtliche Auseinandersetzung und ihre Hintergründe

Das Landgericht Wiesbaden hatte den Antrag des Antragstellers auf eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zurückgewiesen, da dieser Antrag erst nach Ablauf der dafür gesetzten Frist gestellt wurde. Der Antragsteller legte sofortige Beschwerde ein und argumentierte, dass seine Einwendungen gegen das Gutachten gemäß § 411 Abs. 4 ZPO rechtzeitig erhoben wurden und einer Anhörung des Sachverständigen gleichkommen sollten. Er machte geltend, dass das Gericht das eingeholte Gutachten auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit prüfen müsse, insbesondere im Hinblick auf das von ihm vorgelegte Privatgutachten. Der Antragsgegner verteidigte den Beschluss des Landgerichts und verwies darauf, dass der Antragsteller keinen förmlichen Antrag stellen wollte, wie aus der Beschwerdebegründung hervorgehe.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein selbstständiges Beweisverfahren und wann wird es angewandt?

Ein selbstständiges Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren im Zivilprozess, das der Sicherung von Beweisen dient, bevor ein Hauptsacheverfahren eingeleitet wurde. Es wird auf Antrag einer Partei durchgeführt, wenn die Gefahr besteht, dass Beweismittel verloren gehen könnten oder ihre Benutzung erschwert wird.

Das selbstständige Beweisverfahren kommt vor allem in bau- und werkvertraglichen Streitigkeiten zur Anwendung, um beispielsweise Baumängel, deren Ursachen und Beseitigungskosten festzustellen. Es dient dazu, mit Hilfe eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eine Tatsachenfeststellung vorzunehmen, bevor ein Hauptprozess eingeleitet wird.

Die Voraussetzungen für ein selbstständiges Beweisverfahren sind in § 485 ZPO geregelt. Demnach kann der Beweis durch Augenschein, Zeugen oder Sachverständige erhoben werden, wenn der Gegner zustimmt oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder seine Benutzung erschwert wird (§ 485 Abs. 1 ZPO). Ist noch kein Rechtsstreit anhängig, ist das selbstständige Beweisverfahren auf ein schriftliches Sachverständigengutachten beschränkt und nur zulässig zur Feststellung des Zustands von Personen oder Sachen, der Ursache von Personen-, Sach- oder Vermögensschäden sowie zur Ermittlung der dafür erforderlichen Beseitigungskosten (§ 485 Abs. 2 ZPO).

Das selbstständige Beweisverfahren kann streitschlichtend wirken, wenn die Parteien über ungeklärte Tatsachen streiten, die nur ein Sachverständiger zuverlässig feststellen kann. Es dient auch der Prozessvorbereitung, um mit dem Gutachten Tatsachen in Erfahrung zu bringen, von denen die Erfolgsaussichten einer Klage abhängen. Zudem hat es eine verjährungshemmende Funktion.

Wie kann gegen ein Sachverständigengutachten im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens vorgegangen werden?

Gegen ein Sachverständigengutachten im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens kann wie folgt vorgegangen werden:

Die Parteien haben nach § 411 Abs. 4 ZPO das Recht, innerhalb einer vom Gericht gesetzten angemessenen Frist ihre Einwendungen gegen das Gutachten, die Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen. Dabei müssen die Einwendungen konkret und detailliert formuliert werden. Es genügt aber, wenn die Parteien die Themenblöcke benennen, über die sie eine weitere Aufklärung durch den Sachverständigen wünschen.

Werden die Einwendungen fristgerecht erhoben, hat das Gericht diese zu berücksichtigen und sich damit auseinanderzusetzen. Es kann dann entweder ein schriftliches Ergänzungsgutachten einholen oder den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung und Befragung laden. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Gerichts, wobei es aber alle Möglichkeiten zur Aufklärung ausschöpfen muss. Die Parteien haben einen Anspruch darauf, dem Sachverständigen Fragen stellen zu können.

Können Unklarheiten oder Widersprüche auch durch ein Ergänzungsgutachten oder die Anhörung des Sachverständigen nicht ausgeräumt werden, kann auf Antrag einer Partei ein weiteres Gutachten durch einen anderen Sachverständigen eingeholt werden (§ 412 ZPO). Hierfür müssen aber strenge Voraussetzungen erfüllt sein.

Wichtig ist, dass die Einwendungen gegen das Gutachten bereits im selbstständigen Beweisverfahren und nicht erst im späteren Hauptsacheverfahren erhoben werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sie gemäß § 296 Abs. 1, 4 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden. Eine Ausschlusswirkung tritt aber nur ein, wenn das Gericht die Parteien ausdrücklich auf die Folgen der Fristversäumung hingewiesen hat.

Die Kosten für ein Ergänzungsgutachten oder die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Anhörung hat grundsätzlich die Partei als Auslagenvorschuss zu tragen, die den entsprechenden Antrag gestellt hat, unabhängig von der Beweislast.

Welche Rolle spielt die Fristsetzung im selbstständigen Beweisverfahren?

Die Fristsetzung spielt eine wichtige Rolle im selbstständigen Beweisverfahren, um den Verfahrensablauf zu strukturieren und zu beschleunigen:

Das Gericht setzt den Parteien nach Übersendung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens in der Regel eine Frist, innerhalb derer sie Gelegenheit haben, zum Gutachten Stellung zu nehmen, Einwendungen zu erheben, das Gutachten betreffende Anträge zu stellen oder Ergänzungsfragen an den Sachverständigen zu richten. Durch die Fristsetzung wird der Zeitraum begrenzt, in dem die Parteien auf das Gutachten reagieren können.

Machen die Parteien von der Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch und lassen sie die gesetzte Frist verstreichen, ist das selbstständige Beweisverfahren mit Fristablauf beendet. Die gerichtliche Fristsetzung dient somit dazu, einen klaren Endpunkt des Verfahrens zu definieren, wenn keine weiteren Anträge gestellt werden.

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Wurde keine Frist gesetzt, ist die Rechtslage weniger eindeutig. Dann kommt es darauf an, ob die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Erhalt des Gutachtens noch Einwendungen erheben. Als angemessen wird üblicherweise ein Monat angesehen. Ohne Fristsetzung besteht eine größere Unsicherheit über das Ende des Verfahrens.

Der Zeitpunkt der Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens ist wiederum entscheidend für den Beginn der Sechs-Monats-Frist, nach deren Ablauf die Hemmung der Verjährung von Ansprüchen endet, die Gegenstand des Verfahrens waren (§ 204 Abs. 2 BGB). Die Fristsetzung wirkt sich somit auch auf den Verjährungseintritt aus.

Stellt eine Partei nach Beendigung des selbstständigen Beweisverfahrens einen Antrag nach § 494a ZPO, setzt das Gericht dem Antragsteller eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage. Versäumt er diese Frist, kann der Antragsgegner die Kostenerstattung für das selbstständige Beweisverfahren verlangen. Auch diese Frist dient der Verfahrensbeschleunigung.

Zusammenfassend erleichtert die Fristsetzung durch das Gericht die Bestimmung des Verfahrensendes, fördert die zügige Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens und hat Auswirkungen auf den Verjährungsbeginn und mögliche Kostenerstattungsansprüche. Sie schafft Rechtssicherheit für die Beteiligten.

Wie wird über die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens entschieden?

Über die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens wird in der Regel wie folgt entschieden:

Grundsätzlich ergeht im selbstständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung. Die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens bilden vielmehr einen Teil der Kosten des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens, über die dann in diesem Verfahren entschieden wird. Sie sind bei der Kostenfestsetzung im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.

Es gibt jedoch Ausnahmen, in denen bereits im selbstständigen Beweisverfahren eine Kostenentscheidung getroffen wird:

  1. Wenn der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ganz zurücknimmt und kein Hauptsacheverfahren anhängig ist, hat er grundsätzlich die Kosten zu tragen. Das Gericht entscheidet dann auf Antrag über die Kosten im selbstständigen Beweisverfahren.
  2. Gleiches gilt, wenn der Antragsteller den vom Gericht angeforderten Auslagenvorschuss trotz Aufforderung nicht einzahlt und deshalb keine Beweiserhebung stattfindet.
  3. Auch bei einer unzulässigen einseitigen Erledigungserklärung des Antragstellers, die als Antragsrücknahme auszulegen ist, ergeht eine Kostenentscheidung zu seinen Lasten.
  4. Wird der Antrag als unzulässig zurückgewiesen, kann ebenfalls eine Kostenentscheidung gegen den Antragsteller ergehen.
  5. Stellt der Antragsgegner nach Abschluss der Beweisaufnahme einen Antrag nach § 494a ZPO und erhebt der Antragsteller nicht fristgerecht Klage, muss der Antragsteller die Kosten tragen.

Haben die Parteien über die Kostentragung keine Einigung erzielt, entscheidet das Gericht auf Antrag einer Partei nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes.

Zusammengefasst werden die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens also grundsätzlich erst im Hauptsacheverfahren behandelt. Nur in Ausnahmefällen, insbesondere wenn das Verfahren vorzeitig beendet wird, ergeht eine separate Kostenentscheidung durch das Gericht, meist zu Lasten des Antragstellers.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 411 Abs. 4 ZPO (Zivilprozessordnung): Regelung der Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten im selbstständigen Beweisverfahren. Dieser Paragraph ist zentral für den Fall, da der Antragsteller hierauf seine Beschwerde stützt, indem er behauptet, rechtzeitig Einwendungen gegen das Gutachten erhoben zu haben.
  • § 492 ZPO: Grundlage für die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens. Dieser Paragraph legt fest, wie und unter welchen Voraussetzungen ein solches Verfahren initiiert werden kann, was im vorliegenden Fall für die Einholung des Ergänzungsgutachtens relevant war.
  • § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO: Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde. Dieser Paragraph ist relevant, weil er die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts bestimmt.
  • § 569 ZPO: Regelt Form und Frist für die Einlegung einer sofortigen Beschwerde. Dies ist wesentlich für das Verständnis, warum die Beschwerde des Antragstellers als zulässig erachtet wurde.
  • § 91 ZPO: Grundlage für die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren. Dieser Paragraph ist wichtig, um zu verstehen, warum der Antragsgegner die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen hat.
  • § 296 Abs. 1 und 4 ZPO: Betreffen das Verspätungsverbot und dessen Folgen. Diese Vorschriften sind im Kontext des Falles relevant, da sie den Umgang mit verspätet vorgebrachten Beweisanträgen und deren Auswirkungen auf das Verfahren regeln.
  • § 411 Abs. 3 ZPO: Regelung zur Ergänzung eines Gutachtens. Dieser Paragraph ist von Bedeutung, da er die Möglichkeit einer ergänzenden Anhörung des Sachverständigen im Falle von Unklarheiten oder Unvollständigkeiten im Gutachten vorsieht.
  • BGH-Rechtsprechung zu Gutachten: Die Erläuterungen des Bundesgerichtshofs zur Überprüfung von Gutachten auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit sind für das Verständnis des Falles zentral, da sie die Grundlage für die Entscheidung des OLG Frankfurt bilden, das selbstständige Beweisverfahren fortzusetzen.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 3 W 50/14 – Beschluss vom 15.12.2014

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 8.10.2014 wird der Beschluss des Landgerichts Wiesbaden vom 29.9.2014 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Einholung eines Ergänzungsgutachtens im selbstständigen Beweisverfahren.

Mit Beschluss vom 11.02.2014 ordnete das Landgericht antragsgemäß die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Motorschaden an einem Motorrad an. Nach Eingang des Gutachtens bei Gericht wurde es dem Antragsteller am 10.7.2014 zugestellt. Gleichzeitig wurde ihm zur Stellungnahme sowie zur Mitteilung etwaiger Einwendungen, Anträgen und Ergänzungsfragen eine Frist von drei Wochen gesetzt. Auf die Folgen verspäteten Vorbringens nach §§ 411 Abs. 4, 296 Abs. 1 und 4 ZPO wurde hingewiesen. Die Frist wurde auf Antrag bis zum 21.8.2014 verlängert.

Mit am 18.8.2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 15.8.2014 führte der Antragsteller unter Bezugnahme auf ein privat eingeholtes Gutachten aus, warum die Schlussfolgerungen des gerichtlichen Gutachtens „nicht haltbar“ seien.

Mit am 18.9.2014 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag begehrte der Antragsteller eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen zu zwei konkret formulierten Fragen. Das Landgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29.9.2014 zurückgewiesen, da er erst nach Ablauf der hierfür gesetzten Frist gestellt worden ist.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Er ist der Ansicht, mit Schriftsatz vom 15.8.2014 Einwendungen gegen das Gutachten i.S.d. § 411 Abs. 4 ZPO erhoben zu haben. Dies habe für eine Anhörung des Sachverständigen ausreichen müssen. Ansonsten liefe die genannte Norm leer. Die Mitteilung von Einwendungen und Ergänzungsfragen stehe der Stellung eines förmlichen Antrags gleich.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Aus der Beschwerdebegründung ergebe sich, dass der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.8.2014 einen förmlichen Antrag bewusst nicht habe stellen wollen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere an sich statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Das selbstständige Beweisverfahren ist nicht beendet, weil der Antragsteller innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hat, auf die hin das schriftliche Gutachten zu ergänzen bzw. zu erläutern ist (§§ 492, 411 Abs. 3, 4 ZPO).

Eine dahingehende weitere Aufklärung kann von Amts wegen erforderlich sein (§ 411 Abs. 3 ZPO). Dies ergibt sich aus der allgemeinen Pflicht des Gerichts, das Gutachten auf Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit in sich und im Verhältnis zu anderen vorliegenden Gutachten zu prüfen (BGH NJW 1996, 1597). Dies gilt auch für vorliegendes Privatgutachten (BGH VersR 2009, 499 und 975). Nachdem innerhalb der verlängerten Frist das vom Antragsteller privat eingeholte Gutachten des Ingenieurbüros A vom 14.8.2014 vorlag, oblag es dem Gericht, daraufhin das im gerichtlichen Auftrag erstellte schriftliche Gutachten des Sachverständigen B darauf zu überprüfen, ob es den gerichtlichen Auftrag erfüllte. Wäre das Gericht unter Berücksichtigung des Privatgutachtens zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Antragsteller bezeichneten Tatsachen durch das gerichtliche Gutachten nicht hinreichend geklärt sind, hätte es ihm oblegen, auch ohne weitere, auf die Fortsetzung des selbstständigen Beweisverfahrens gerichtete konkrete Eingaben des Antragstellers das Erscheinen des Sachverständigen anordnen und ihn sein schriftliches Gutachten erläutern lassen müssen.

Einer Fortsetzung des Beweisverfahrens durch Ladung des Sachverständigen bedarf es auch, wenn eine der Parteien die Geeignetheit des vorliegenden schriftlichen Gutachtens zur Klärung der Beweisfragen für unzureichend hält. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ladung des Sachverständigen ausdrücklich beantragt, ihm zu stellende Ergänzungsfragen vorformuliert oder lediglich die Eignung des schriftlichen Gutachtens durch Einwendungen hiergegen bestritten wird. Das Gesetz erfordert für die Verfahrensfortsetzung keinen Antrag, keine ausdrückliche Erklärung, stellt die genannten Möglichkeiten in kein Rangverhältnis zueinander und knüpft hieran keine unterschiedlichen Rechtsfolgen. Einwendungen, Anträge und Ergänzungsfragen stehen sich damit in ihren Wirkungen gleich. Erforderlich und ausreichend ist der erkennbare Wille, sich mit dem vorliegenden schriftlichen Gutachten nicht zufrieden zu geben, sondern die Beweisaufnahme fortzusetzen. Nicht genügen kann hierfür eine bloße Beweiswürdigung, die dem Prozessgericht vorbehalten bleibt und deswegen auch den Parteien erst im Verfahren vor diesem obliegt (§§ 279 Abs. 3, 285 ZPO).

Im vorliegenden Fall hätte das Gericht von einer Ladung des Sachverständigen also nur absehen dürfen, wenn es selbst die Beweisfragen durch das eingeholte schriftliche Gutachten des Sachverständigen B auch unter Berücksichtigung des vom Antragsteller vorgelegten Privatgutachtens A als vollständig und widerspruchsfrei beantwortet und zudem den Schriftsatz des Antragstellers vom als bloße vorweggenommene Beweiswürdigung angesehen hätte. Beides ergibt sich aus der Verfahrensakte nicht.

Zumindest die Annahme, der Schriftsatz des Antragstellers vom 15.8.2014 stelle eine bloße Beweiswürdigung dar, ist nicht haltbar. Aus ihm ergibt sich vielmehr die eindeutige Absicht, sich mit dem vorliegenden Gutachten nicht abzufinden, sondern zur Sachklärung weitere Umstände einzubeziehen. Das gerichtliche Gutachten wird – substantiiert durch das eingeholte Privatgutachten – in zwei konkret benannten Punkten als falsch gerügt. Ob das vom Sachverständigen B gefundene Ergebnis auf nur zwei beschädigte Gleitlagerschalenpaare gestützt werden kann, oder ob hierfür nicht vielmehr alle zehn Gleitlager hätten beschädigt sein müssen, ist eine Frage, die nur durch ergänzende Anhörung des Sachverständigen beantwortet werden kann. Dies gilt auch für die Frage, ob sich bei Einbeziehung des Motorsteuergeräts in die Untersuchung nicht weitergehende Erkenntnisse ergeben hätten. Indem er das gerichtlich eingeholte schriftliche Gutachten abschließend als „nicht haltbar“ bezeichnet, macht der Antragsteller deutlich, dass aus seiner Sicht die Beweisaufnahme nicht beendet sein kann, sondern es weiterer Sachaufklärung bedarf.

Für eine solche Fortsetzung des Beweisverfahrens durch Ladung und Anhörung des Sachverständigen spricht auch der Grundsatz der Prozessökonomie. In der vorliegenden Form könnte das eingeholte schriftliche Gutachten einer Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme im Prozess nicht ersetzen (§ 493 ZPO).

Die damit erforderliche Ladung des Sachverständigen muss dem Landgericht vorbehalten bleiben (§ 572 Abs. 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus § 91 ZPO.

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