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Sittenwidrige Schädigung durch Verheimlichung der Identität eines Schädigers

OLG München – Az.: 8 U 4675/11 – Beschluss vom 28.02.2012

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

II. Der Beklagte erhält Gelegenheit, sich hierzu bis zum 26.03.2012 zu äußern.

III. Binnen derselben Frist können sich alle Beteiligten auch zum Streitwert des Berufungsverfahrens äußern.

Gründe

Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO erscheinen als gegeben.

Insbesondere hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg, da 1., 2. und 3. des Tenors des angegriffenen Urteils entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung (BB) der Sach-und Rechtslage entsprechen; im Einzelnen in der Reihenfolge des Tenors:

Zu 1.

Dass die Zwangsvollstreckung aus dem den jetzigen Beklagten begünstigenden Kostenfestsetzungsbeschluss (KfB) des Vorverfahrens für unzulässig zu erklären ist, ergibt sich (zwar nicht aus einer Aufrechnung oä gegen die titulierte Kostenerstattungsforderung -eine solche hat die Klägerin nicht erklärt -, sondern) aus §§ 826, 249 Abs. 1 BGB.

a) Zwar ist auch insoweit die „klassische“ (etwa aus Palandt, 71. Auflage, § 826, Rdnr. 52 ersichtliche) Fallgruppe des sittenwidrigen Erschleichens eines Urteils nicht erfüllt, da das im Vorverfahren ergangene Urteil (auf dessen Kostenausspruch dann der strittige KfB beruht) nicht unrichtig ist: auch nach jetziger Auffassung der Klägerin war im Vorverfahren ihre Klage abzuweisen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Beklagte nicht passivlegitimiert war (da nicht ein vom Beklagten gehaltenes Pferd, sondern das Pferd eines der Klägerin noch unbekannten Dritten den von der Klägerin ausgeglichenen Schaden verursacht hat).

b) Der Beklagte hat im Vorverfahren 22 O 212/09 des Landgerichts Deggendorf/im Vorstadium des Vorverfahrens den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB aber dadurch erfüllt, dass er in sittenwidriger Weise eine ihm von Anfang an bekannte Einlassung nicht gebracht hat, die die damalige und jetzige Klägerin von einem Prozess gerade gegen ihn abgehalten hätte.

aa) Gemäß Blatt 112 unten/113 oben der Akten des vorliegenden Berufungsverfahrens (Blatt 1/2 des Beklagten-Schriftsatzes vom 09.02.2012) kannte der Beklagte von Anfang an den tatsächlichen Unfall-/Schadenshergang; er wusste daher, dass nicht eines seiner Pferde, sondern das eines Dritten den bei der Klägerin versicherten Dritten G. abgeworfen und dadurch geschädigt hatte.

bb) Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO ist jede Partei verpflichtet, „ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben“.

Die Erklärungen, die der Beklagte über den Schadenshergang abgab, entsprachen diesen Anforderungen nicht, da sich aus ihnen -insbesondere auch aus den auf Blatt 2 des Protokolls vom 16.02.2011 (Blatt 33 d. A. des vorliegenden Berufungsverfahrens) vom Beklagtenvertreter genannten Schriftsätzen -gerade nicht ergibt, dass das Pferd eines Dritten das bei der Klägerin versicherte Mitglied abgeworfen hatte. Ohne diese Angabe aber ist die Erklärung nicht vollständig.

cc) Zwar besteht/entsteht zwischen vorprozessual korrespondierenden Parteien bzw. zwischen Prozessparteien grundsätzlich kein Rechtsverhältnis mit der Pflicht, den anderen vor vermeidbaren Vermögensschäden zu schützen (insbesondere etwa nicht mit der Pflicht, Einlassungen vorzubringen, die den anderen von einem Prozess abhalten würden); doch besteht vorliegend folgende Besonderheit: das Verteidigungsverhalten des Beklagten war von vornherein darauf angelegt, nicht nur den objektiv zu Unrecht erhobenen Anspruch von sich abzuwehren, sondern einen Dritten (den tatsächlichen Schädiger/Schuldner) zu decken und die Verwirklichung des Ersatzanspruches der Klägerin gegen diesen Dritten zu vereiteln/zu erschweren bzw. relevant zu verzögern. Die Schwierigkeiten der Klägerin, den Halter des schädigenden Pferdes zu ermitteln, steigern sich zunehmend/der vom Beklagten zugefügte Schaden perpetuiert sich zunehmend, da der Unfall bereits 2007 geschehen ist und die Erinnerungsfähigkeit des Beteiligten G. hinsichtlich des Ortes des Unfalles, der Ansatzpunkt für die Ermittlung des Halters aufgrund der Angaben dieses Zeugen sein kann, aufgrund Zeitablaufs erfahrungsgemäß eher schlechter werden wird; es kommt hinzu, dass die Wahrnehmungsfähigkeit des Zeugen vielleicht bereits 2007 nicht gut war, weil er „damals psychisch krank oder angeschlagen war“ (Blatt 36 d. A., d. h. Blatt 5 des Protokolls vom 16.02.2011).

Dieses Verhalten, das die Verwirklichung des Ersatzanspruchs der Klägerin gegen den schädigenden Dritten vereiteln/erschweren/verzögern soll, ist sittenwidrig (zumal der Beklagte nach wie vor nicht darlegt, aufgrund welcher konkreter -ggfs. auch schützenswerter -Überlegungen er einen Dritten decken will); dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte von vornherein verpflichtet war, der Klägerin (mit der ihn nichts verband) bei der Durchsetzung deren Ersatzanspruches zu helfen (und den Namen des Dritten zu nennen); ausreichend und entscheidend ist vielmehr, dass er sich zwar einließ, dabei aber jahrelang nicht ausreichend klarstellte, dass nicht sein Pferd den Schaden verursacht hatte.

Zu 2.

Die soeben bei 1. festgehaltenen Argumente führen auch dazu, dass der Beklagte über §§ 826, 249 BGB die Klägerin -wie vom Landgericht tenoriert -von den außergerichtlichen Kosten freizustellen hat, die dieser selbst im Vorprozess entstanden sind.

Zu 3.

a) Der Senat muss nicht entscheiden, ob die vom Landgericht gegebene Begründung die Verurteilung des Beklagten zur Auskunft über den Halter des schädigenden Pferdes trägt.

b) Denn eine solche Auskunftspflicht des Beklagten ergibt sich jedenfalls aus Folgendem: wie oben bei 1. b) cc) dargestellt, hat der Beklagte jedenfalls zwischenzeitlich eine unerlaubte Handlung zum Nachteil der Klägerin begangen und ihr dadurch einen Schaden zugefügt. Wie z. B. bei Palandt, 71. Auflage, § 260 Rdnr. 6 am Ende, 13 kommentiert, ist auch der Schuldner eines Schadensersatzanspruches zur Auskunft verpflichtet (Unterfall der Auskunftspflicht aus Treu und Glauben aufgrund einer Sonderverbindung).

c) Der Beklagte kann diesem Auskunftsanspruch auch nicht entgegenhalten, dass sich die Klägerin insoweit doch genau so gut an ihr Mitglied halten könne; denn:

aa) Es ist schon zweifelhaft, ob das Mitglied der Klägerin (Herr G.) und der Beklagte Gesamtschuldner sind -und zwar deshalb, weil jeder etwas anderes wissen kann/zusätzliche Informationen haben kann, die der jeweils andere nicht hat.

Selbst wenn beide Gesamtschuldner wären, stünde es gemäß § 421 Satz 1 BGB dem Gläubiger eines solchen Anspruches frei, gegen welchen Gesamtschuldner er vorgehen will.

bb) Schließlich ist auch folgendes zu berücksichtigen: der Beklagte kann als Ortskundiger das Grundstück, auf dem das schädigende Pferd stand, besser beschreiben und identifizieren als das ortsfremde Mitglied der Klägerin (gegen dessen Wahrnehmungsund Erinnerungsfähigkeit auch die oben bei 1. b) cc) dargestellten Umstände sprechen); nach Sachlage kann der Beklagte den Halter des schädigenden Pferdes sogar namentlich benennen.

Das Landgericht hat den Streitwert (gemäß Blatt 8 unten des Urteils: 5.141,30 Euro) wohl zu niedrig beziffert; denn:

a) Gemäß Blatt 44 d. A. des vorliegenden Berufungsverfahrens (Kläger-Schriftsatz vom 02.03.2011) in Verbindung mit Blatt 66 des Vorverfahrens lautet der KfB vom 24.02.2011 (1. des Tenors des strittigen Urteils) auf 1.624,69 Euro.

b) 2. des Tenors nennt einen Freistellungsbetrag in Höhe von 2.295,39 Euro.

c) Der Auskunftsanspruch ist mit 1/10 bis 1/4 des Hauptanspruches (Schadensersatzanspruch gegen den bisher unbekannten schädigenden Dritten) zu bewerten; letzterer dürfte gemäß Blatt 2 der Klageschrift des Vorverfahrens mit 15.500,00 Euro zu bewerten sein. Setzt man -wozu der Senat neigt -1/5 an, so ergibt sich ein Betrag in Höhe von 3.100,00 Euro.

d) Die Addition dieser Beträge ergibt 7.020,08 Euro.

Abschließend regt der Senat an, die Frage der Berufungsrücknahme zu prüfen, zumal sich im Fall der Rechtsmittelrücknahme die zweitinstanziellen Gerichtsgebühren um die Hälfte ermäßigen.

 

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