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Dienstunfall – Ausheilung von Dienstunfallfolgen

Geltendmachung weiterer Gesundheitsschäden

VG Ansbach – Az.: AN 1 K 11.00032 – Urteil vom 28.02.2012

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die am … geborene Klägerin steht als Beamtin (Regierungshauptsekretärin am Landesamt für Finanzen – Dienststelle …) im Dienste des Beklagten.

Am …, etwa gegen … Uhr, befand sich die Klägerin mit ihrem Kraftfahrzeug (VW Golf III) auf dem Weg von der Dienststelle zu ihrer Familienwohnung. Als sie an der Kreuzung …/…straße in … verkehrsbedingt anhalten musste, fuhr ein nachfolgender Fahrer eines Leichtkraftrads auf ihr stehendes Kraftfahrzeug auf.

Die Polizeiinspektion … nahm den Verkehrsunfall als sogenannten „Kleinunfall“ auf.

Laut dem geltend gemachten Sachschadenersatz wurden am Kraftfahrzeug der Klägerin die Stoßstange und der Stoßfänger beschädigt. Die die Klägerin am … untersuchende Ärztin (Dr. med. …, …) diagnostizierte eine Halswirbelsäulendistorsion (Schmerzen HWS, Pelzigkeitsgefühl der Finger der linken Hand).

Ein am … gefertigtes Kernspintomogramm der Halswirbelsäule der Klägerin beurteilte der Arzt wie folgt (vgl. Schreiben des MVZ Radiologie und Nuklearmedizin, …, …, Dipl.-Med. … an …, Orthopädin/Chirotherapie/Physik. Medizin, …, vom …):

Bei Halswirbelsäulenkörper 5/6 links mediolateraler Prolaps mit Wurzelbedrängung C6 links und Hinweisen auf eine lokalisierte Myelopathie bei derzeit nur leichter Impression des Halsmarks, deutliche rechtsbetonte Spondylarthrose bei Halswirbelsäulenkörper 3/4 und linksseitige bei Halswirbelsäulenkörper 4/5 sowie Disc Bulging bei Halswirbelsäulenkörper 4/5 und 6/7; geringe linkskonvexe Torsionsfehlhaltung; kein Nachweis einer Spinalkanal- oder foraminären Stenose, kein Anhalt für ein Frakturgeschehen, für eine Gefügestörung, für einen entzündlichen oder tumurösen/metastasischen Prozess im Bereich der Halswirbelsäule; alle vorbeschriebenen degenerativen Veränderungen und Vorbereitungen lägen neu im Vergleich zu einem deskriptiven Vorbefund vom … vor, jedoch wäre zur besseren Verlaufsbeurteilung ein direkter Vergleich mit den leider nicht vorliegenden Voraufnahmen zu empfehlen.

Aufgrund einer Untersuchung der Klägerin am … diagnostizierte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Chefarzt der Klinik für Neurologie a.D., …, Praxis …, Ltd. Medizinaldirektor i.R. Dr. med. … mit Schreiben vom … an Frau Dr. med …, Orthopädin/Chirotherapie/Physik. Medizin, … keinen pathologischen Befund der Hirnnerven, keine Paresen, keine Reflexstörungen, keine Sensibilitätsstörungen und keine Koordinationsstörungen; sämtliche Eigenreflexe seien lebhaft seitengleich; neuroorthopädisch sei die Kopfwendung allenfalls geringgradig eingeschränkt, nicht schmerzhaft, die Neigung sei ebenfalls ausreichend, die Kopfgelenke seien nicht druckschmerzhaft, ein deutlicher Druckschmerz bestünde rechts occipital am Muskelansatz, links weniger; die übrige Muskulatur sei nicht nennenswert druckschmerzhaft. Nach Meinung des Arztes besteht ein Zervikalsyndrom nach Distorsion der Halswirbelsäule.

Mit Schreiben vom … an das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Dienstunfall – gab die Diakonie … – Chirurgie – Assistenzärztin … an, die Klägerin habe zunächst überhaupt keine Beschwerden gehabt; zum Untersuchungszeitpunkt (…) habe die Klägerin Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und ein Pelzigkeitsgefühl in den Fingern der linken Hand geäußert. Der untersuchende Arzt habe eine freie Beweglichkeit der Halswirbelsäule befundet, keinen Druckschmerz und paravertebral keinen wesentlichen Muskel-Hartspann, ein peripherer Druckschmerz an beiden oberen Extremitäten sei unauffällig; das Pelzigkeitsgefühl im Bereich der linken Hand sei nicht nachzuvollziehen, die Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule in zwei Ebenen zeige keinen Hinweis für eine frische knöcherne Verletzung.

Dienstunfall - Ausheilung von Dienstunfallfolgen
Symbolfoto: Von Freer/Shutterstock.com

Mit Schreiben vom … diagnostizierte der Facharzt für Neurologie Dr. med. …, …, …, eine chronifizierte multifaktoriell bedingte Zephalgie mit vasomotorischen und vertebragenen Anteilen und sekundärer psychovegetativer Verstärkung und ein chronifiziertes sekundäres Wirbelsäulensyndrom. Eine manifeste spirale Schädigung sowie eine Gefäßdissektion schloss er aus.

Ein am … gefertigtes Magnetresonanztomogramm des Schädels der Klägerin beurteilte der Arzt wie folgt (vgl. Schreiben des MVZ Radiologie und Nuklearmedizin, …, …, Dr. med. …, an Frau Dr. med …, Orthopädin/Chirotherapie/Physik. Medizin, … vom …):

„Altersentsprechend unauffällige Darstellung des Neurocraniums, kein Anhalt für stattgehabte Traumafolgen, kein Anhalt für entzündlichen Fokus oder Tumorbefund. Die intracranielle TOF-Angiographie stellt sich regelrecht dar. Keine Gefäßstenosen, keine Aneurysmata.“

Ein vom Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – mit Schreiben vom … eingeholtes unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten des Dr. med. …, Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin, Chefarzt …, …,…,…, vom … kommt aufgrund der Unterlagen in der Dienstunfallakte, weiterer medizinische Unterlagen sowie einer am … durchgeführten Untersuchung der Klägerin zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:

Durch den Verkehrsunfall am … habe die Klägerin eine geringe bis mäßige Distorsion der Halswirbelsäule mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen erlitten; der unfallbedingte Heilbehandlungszeitraum habe bis … gedauert, die von der Klägerin ab dem … angegebenen Beschwerden seien durch unfallunabhängige Veränderungen verursacht.

Am 7. Oktober 2010 erließ das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Dienstunfall – gegenüber der Klägerin folgenden Bescheid:

1. Ihr Unfall vom … wird als Dienstunfall im Sinne des § 31 BeamtVG anerkannt. Sie haben daher grundsätzlich Anspruch auf Unfallfürsorgeleistungen (§ 30 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG).

2. Als Dienstunfallfolge wird festgestellt:

Geringe bis mäßige HWS-Distorsion mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen (dienstunfallbedingter Heilbehandlungszeitraum: …).

3. Es wird festgestellt, dass die bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (u.a. Bandscheibenvorfall HWK 5/6) sowie die daraus herrührenden Beschwerden nicht als Folge des erlittenen Dienstunfalls vom … anzusehen sind.

4. Der Antrag vom … auf Erstattung von Heilbehandlungskosten wird teilweise abgelehnt, die Anträge vom 2.2.2010, 15.2.2010, 2.3.2010, 13.4.2010, 14.4.2010, 22.4.2010, 26.4.2010, 30.4.2010, 3.5.2010, 12.5.2010, 15.6.2010, 16.6.2010, 2.7.2010, 25.8.2010 und 18.9.2010 gänzlich.

5. Die mit Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – vom 1.2.2010 geleistete vorläufige Zahlung in Höhe von insgesamt 163,09 EUR wird in Höhe von 109,50 EUR zurückgefordert, die mit Bescheiden vom 8.2.2010, 22.2.2010, 5.3.2010, 13.4.2010, 19.4.2010, 29.4.2010, 30.4.2010, 5.5.2010, 12.5.2010, 19.5.2010, 22.6.2010, 28.6.2010 und 8.7.2010 geleisteten vorläufigen Zahlungen in Höhe von insgesamt 5.587,00 EUR werden in voller Höhe zurückgefordert. In der Summe ergibt sich somit ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 5.696,50 EUR.

Mit Schreiben vom 2. November 2010 legte die Klägerin Widerspruch ein, den sie mit weiterem Schreiben vom 29. November 2010 im Wesentlichen wie folgt begründete:

Vor dem Unfall habe sie keine Beschwerden mit der Halswirbelsäule gehabt, weder rasende Kopfschmerzen noch rasende Rückenschmerzen noch Einschlafen der Hände. Obwohl sie unfallbedingt monatelang massive Kopf- und Nackenschmerzen gehabt und zum Teil jetzt noch habe, jede Nacht aufgewacht sei, weil ihr die Hände eingeschlafen seien und zum Teil heute noch einschliefen, würden nur die Kosten für die Unfallaufwendungen bis 16. Dezember 2009 anerkannt. Das sei leider für sie völlig unverständlich. Offensichtlich könne man sich die Folgen eines Auffahrunfalls nicht vorstellen, sofern man selbst noch keinen Auffahrunfall gehabt habe, sonst wüsste man von den über Monate andauernden massiven Schmerzen und dass man auch später noch unter den Folgen eines Auffahrunfalls zu leiden habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2010 wies das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Dienstunfall – den Widerspruch zurück.

Nach den gutachterlichen Ausführungen des Herrn Dr. med. … sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei dem Unfall vom … eine geringe bis mäßige HWS-Distorsion mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen erlitten habe. Der dienstunfallbedingte Heilbehandlungszeitraum (…) sei – bei den anerkannten Körperschäden – insoweit zutreffend festgelegt worden. Die darüber hinaus geltend gemachten Körperschäden/Beschwerden (z.B. Bandscheibenvorfall HWK 5/6) könnten nicht dem Dienstunfallgeschehen zugeordnet werden. Es handle sich bei diesen Beschwerden um unfallunabhängige degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, welche nicht aus dem Unfallereignis vom … resultierten.

Mit einem am 7. Januar 2011 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 7. Oktober 2010 in Form des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2011 aufzuheben, soweit

a) die bestehenden Veränderungen der Wirbelsäule sowie daraus herrührende Beschwerden nicht als Folge des erlittenen Dienstunfalls vom … anerkannt sind (Ziffer 3 des Ausgangsbescheids vom 7.10.2010)

b) der Antrag vom 26. Januar 2010 auf Erstattung von Heilbehandlungskosten teilweise abgelehnt wurde und die Anträge vom 2. Februar 2010, 15. Februar 2010, 2. März 2010, 13. April 2010, 14. April 2010, 22.April 2010, 26. April 2010, 30. April 2010, 3. Mai 2010, 12. Mai 2010, 15. Juni 2010, 16. Juni 2010, 2. Juli 2010, 25. August 2010 und 18. September 2010 gänzlich abgelehnt wurden (Ziffer 4 des Ausgangsbescheids vom 7.10.2010)

c) Rückzahlungen in Höhe von 109,50 EUR sowie weitere Rückzahlungen in Höhe von 5.587,00 EUR, insgesamt 5.696,50 Euro zurückgefordert werden (Ziffer 5 des Ausgangsbescheids vom 7.10.2010).

Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen folgendes vorgetragen:

Es sei ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung sämtlicher Verletzungen als Folge des Dienstunfalls sowie auf Erstattung der Heilbehandlungskosten gegeben.

Hinsichtlich der HWS-Distorsion sei bezüglich der Heilbehandlungsdauer eine völlig willkürliche Grenzziehung am … erfolgt. Auch das Gutachten der … ergebe keinen Aufschluss darüber, weswegen die Heilbehandlung aufgrund der HWS-Distorsion am 16. Dezember 2009 beendet sein solle. Vielmehr habe die Klägerin noch über den 16. Dezember 2009 hinaus an den Folgen der HWS-Distorsion gelitten.

Hinsichtlich der weiteren Veränderungen der Halswirbelsäule sei keine degenerative, sondern eine unfallbedingte Schädigung gegeben. Insbesondere seien die Schmerzen der Klägerin erst nach dem Unfall aufgetreten. Wäre etwa der Bandscheibenvorfall bereits vor dem Unfall passiert, so hätte die Klägerin insoweit unter Schmerzen leiden müssen. Schmerzen habe die Klägerin bis zum Unfallzeitpunkt jedoch nicht gehabt. Aus diesem Grund sei von einer unfallbedingten Schädigung auszugehen. Im Übrigen sei zwischenzeitlich anerkannt, dass ungewöhnliche und überraschende Kraftanstrengungen, wie dies etwa bei einem Auffahrunfall der Fall sei, sehr wohl Ursache für einen Bandscheibenvorfall sein könnten.

Selbst wenn man von einer Vorschädigung ausgehen sollte, so wäre der Unfall dennoch maßgebend für den Erfolgseintritt gewesen. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht der Beamten könne auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöse und beschleunige, wenn diesem Ereignis nicht eine völlig untergeordnete Bedeutung zukomme. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Im Hinblick darauf, dass die Schmerzen der Klägerin erst nach dem Unfallereignis aufgetreten seien, sei das Unfallereignis maßgeblich insbesondere für den Bandscheibenvorfall.

Das Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – beantragte mit Schreiben vom 22. März 2011, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde zusammengefasst Folgendes vorgetragen:

Zum Klageantrag 1 a:

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin blieben jede nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, wie degenerative Veränderungen durch ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmt Ereignis (siehe die Definition des Dienstunfalls in § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG a.F., Art 46 Abs. 1 Satz1 BayBeamtVG) verursacht werden könnten. Sämtliche ärztlichen Aussagen über den Körperzustand der Klägerin nach dem Dienstunfall am … sprächen davon, dass sich kein Hinweis auf eine knöcherne Verletzung finden ließe, dass kein Hinweis auf eine Frakturgeschehen, auf eine Gefügestörung im Halswirbelsäulenbereich bestanden habe. Die die Klägerin untersuchende Ärztin Dr. med. … sage in ihrem beim Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – am 5. Februar 2010 eingegangenen Schreiben ausdrücklich, der Bandscheibenvorfall sei keine Unfallfolge.

Dr. med. … werte in seinem Schreiben vom 5. Februar 2010 den festgestellten Bandscheibenvorfall als Zufallsbefund. Dr. med. … sehe laut seinem Schreiben vom 12. März 2010 die Zephalgie der Klägerin als multifaktoriell bedingt an.

Das vom Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – eingeholte unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom … diskutiere mögliche Ursachen für die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden und für den Bandscheibenvorfall. Aufgrund des Fehlens entsprechender Zusatzbefunde durch die Ärzte verneine es dann nachvollziehbar eine Verursachung durch den Dienstunfall am …. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte, 8. Auflage Berlin 2010, Seite 466, verlangten für unfallbedingte Bandscheibenvorfälle ebenfalls begleitende Bandverletzungen und/oder begleitende (zumindest minimale) knöcherne Verletzungen, unfallbedingte Bandscheibenvorfälle träten nicht isoliert auf. Die erforderlichen Begleitverletzungen verneinten sämtliche ärztliche Aussagen. Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, es sei anerkannt, dass ungewöhnliche und überraschende Kraftanstrengungen, etwa bei einem Auffahrunfall, Ursache für eine Bandscheibenvorfall sein könnten, sei eine durch keine Tatsachen belegte Behauptung. Von wem sei anerkannt, wieso sei es bei dem Verkehrsunfall am … zu einer ungewöhnlichen und überraschenden Kraftanstrengung gekommen (die Klägerin sei angeschnallt gewesen, es sei lediglich die hintere rechte Stoßstange ihres Kraftfahrzeugs beschädigt worden); gelte die Aussage für den Insassen des auffahrenden Kraftfahrzeug oder/und für den Insassen des Kraftfahrzeugs auf das aufgefahren werde, auf welche Körperteile müsse die Kraft einwirken?

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin legten nicht dar, dem vom Landesamt für Finanzen – Dienststelle … – beauftragten Gutachter (Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie) fehle die erforderliche Sachkunde, das Gutachten gehe von einem falschen Sachverhalt aus, oder weise Widersprüche oder andere Ungereimtheiten auf. Daher bestehe keine Veranlassung, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Zum Klageantrag 1 b:

Dieses Verpflichtungsbegehren sei gleichfalls unbegründet.

Ausgangspunkt der Überlegungen sei:

Nr. 2 des Bescheids vom 7. Oktober 2010 greife die Klägerin mit der Klage nicht an. Folglich sei die Entscheidung über den dienstunfallbedingten Heilbehandlungszeitraum vom … bis …, d.h. den Zeitraum, in dem Heilbehandlungen der geringen bis mäßigen Halswirbelsäulendistorsion mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen im Rahmen der Dienstunfallfürsorge erstattet würden, für die Beteiligten bindend. Daher seien sämtliche Aufwendungen der Klägerin für Heilbehandlungen, die nach dem 16. Dezember 2009 stattgefunden hätten, von vornherein nicht erstattungsfähig. Die Ablehnung der entsprechenden Erstattungsanträge der Klägerin sei rechtmäßig.

Obwohl von diesem Ausgangspunkt aus nicht mehr entscheidungserheblich, sei angemerkt:

Der vom Gutachter angenommene Heilbehandlungszeitraum bis 16. Dezember 2009 stimme mit den Auffassungen in der medizinischen Literatur überein. Eine geringe oder mäßige Halswirbelsäulendistorsion sei gekennzeichnet unter dem Gesichtspunkt der Symptomatik durch Schmerzen der Halsmuskulatur und/oder der Halswirbelsäule, die bewegungseingeschränkt sein könne, und durch ein häufiges, meist weniger als eine Stunde dauerndes symptomfreies Intervall, unter dem Gesichtspunkt der Morphologie durch eine Distorsion, Dehnung oder Zerrung des Halswirbelsäulen-Weichteilmantels sowie durch einen unauffälligen Neurostatus; sämtliche genannten Kriterien erfülle die Klägerin. Bei einer solchen Halswirbelsäulendistorsion gehe man von einer Beschwerdedauer von Tagen oder Wochen, aber unter einem Monat sowie von einer Dauer der Arbeitsunfähigkeit von bis zu vier Wochen aus. Die von der Klägerin vorgebrachten Beschwerden über den 16. Dezember 2009 hinaus, also nach einem Zeitraum von etwa vier bis fünf Wochen nach dem Dienstunfall am …, ordne der Gutachter folglich zu Recht den vor dem Dienstunfall bereits bestehenden degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule der Klägerin zu.

Soweit die geltend gemachten Aufwendungen Heilbehandlungen für die bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (unter anderem den Bandscheibenvorfall HWK 5/6)

sowie die daraus herrührenden Beschwerden beträfen, scheide eine Erstattungsfähigkeit aus, weil sie nach dem nicht mit substantiierten Einwendungen angegriffenen Gutachten nicht dienstunfallbedingt seien.

Zum Klageantrag 1 c:

Soweit die zurückgeforderten vorläufigen Zahlungen Heilbehandlungen der geringen bis mäßigen Halswirbelsäulendistorsion mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen nach dem 16. Dezember 2009 beträfen, seien sie aufgrund der bestandskräftigen Entscheidung in Nr. 2 des Bescheids vom 7. Oktober 2010 nicht dienstunfallbedingt. Soweit die zurückgeforderten vorläufigen Zahlungen Heilbehandlungen für die bestehenden degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule (u.a. den Bandscheibenvorfall HWK 5/6) sowie die daraus herrührenden Beschwerden beträfen, seien sie nach dem nicht mit substantiierten Einwendungen angegriffenen Gutachten ebenfalls nicht dienstunfallbedingt. Die Leistungen habe die Klägerin also zuviel erhalten, d.h. ohne rechtlichen Grund.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zum Verfahren beigezogenen Dienstunfallakten des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Dienstunfall – und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist sachlich nicht begründet.

Der Bescheid des Landesamts für Finanzen, Dienststelle … – Bezügestelle Dienstunfall – vom 7. Oktober 2010 und der, den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin zurückweisende Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 9. Dezember 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).

Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch darauf, dass der Beklagte über die mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 anerkannten Dienstunfallfolgen (geringe bis mäßige HWS-Distorsion mit Zerrung der paravertebralen Weichteilstrukturen – dienstunfallbedingter Heilbehandlungszeitraum: …) hinaus Veränderungen der Wirbelsäule sowie daraus herrührende Beschwerden der Klägerin als Folge des Unfallereignisses vom … anerkennt (§ 31 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BeamtVG).

Dies steht zur Überzeugung der Kammer auf Grund des vom Landesamt für Finanzen hierzu eingeholten unfallchirurgisch-orthopädischen Gutachtens des Dr. med. …, Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin, …, …, …, …, vom … fest.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässige Beweismittel sind, sofern sie inhaltlich und nach der Person des Sachverständigen den Anforderungen entsprechen, die an ein gerichtliches Gutachten zu stellen sind (BVerwG, Beschluss vom 20.2.1998 – 2 B 81/97, Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, ES/C II 3.4 Nr. 7). Die von einer Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind grundsätzlich als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen (BVerwG, Urteil vom 15.4.1964 – VI C 45.61, DÖD 1965, 58).

Das angeführte unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom … ist geeignet, der Kammer die notwendige Sachkunde zur Beurteilung der strittigen medizinischen Fragen zu verschaffen. Es weist weder offen erkennbare Mängel auf noch geht es von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus noch enthält es unlösbare Widersprüche (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15.4.1964, V C 45.63, BVerwGE 18, 216 ff. = DÖV 1964, 492; Urteil vom 19.12.1968, VIII C 29.67, BVerwGE 31, 149 ff. = DVBl 1969, 404 f.; Beschluss vom 10.3.1977, 6 B 38.76, Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 21; Urteil vom 8.6.1979, 4 C 1.79, NJW 1980, 900 f.; Beschluss vom 26.6.1992, 4 B 1/92, NVwZ 1993, 572 ff.).

Auch bestehen für die Kammer keine Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit (vgl. zu diesen Anforderungen BVerwG, Urteil vom 21.6.2007 – 2 A 6/06, Buchholz 11 Art 33 Abs. 2 GG Nr. 35) des vom Beklagten beauftragten Gutachters Dr. med. …. Dessen unfallchirurgisch-orthopädisches Gutachten vom … bezieht auch die nach dem Unfallereignis vom … im Rahmen fachärztlicher Untersuchungen der Klägerin erhobenen Befunde (Kernspintomographie vom …, Untersuchung durch Dr. med. … vom …, neurologische Untersuchung durch Dr. med. … vom …) mit ein.

Auch vermochte die Klägerin nicht dezidiert darzutun, dass andere Sachverständige über bessere Forschungsmethoden verfügten, oder, dass es sich um besonders schwierige (in der Wissenschaft) umstrittene medizinische Fragen handele (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 23.6.1975, VII B 54/75, Buchholz 442.10, § 4 StVG Nr. 42).

Die Klägerin, der die volle Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Unfallfürsorge obliegt (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.5.1962, VI C 39.60, BVerwGE 14, 181 ff.; Urteil vom 15.9.1994, 2 C 24/92, BayVBl 1995, 185; Beschluss vom 11.3.1997, 2 B 127.96; BayVGH, Beschluss vom 9.3.2001, 3 ZB 01.76; Beschluss vom 8.9.2000, 3 B 96.1472; Schütz / Maiwald, a. a. O., § 31 BeamtVG, RdNr. 215 f.; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, § 45, Erl. 5 – 1.3), war nicht in der Lage, das genannte unfallchirurgisch-orthopädische Gutachten vom … des durch den Beklagten hinzugezogenen Sachverständigen substantiiert in Frage zu stellen, so dass sich der Kammer die Notwendigkeit einer weiteren fachorthopädischen (Ober-)Begutachtung der Klägerin (vgl. BVerwG, B. v. 23.6.1975, VII B 54.75, Buchholz 442.10 § 4 StVG Nr. 42) nicht aufdrängte.

Rechtsgrundlage der in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheids vom 7. Oktober 2010 verfügten Rückforderung der bereits geleisteten Zahlungen ist § 52 Abs. 2 BeamtVG i. V. m. §§ 812 ff. BGB.

Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich die Klägerin gemäß § 820 Abs. 1 BGB nicht berufen, da die Zahlungen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung erfolgten.

Angesichts dessen sind auch Billigkeitsgründe, die eine Rückforderung ausschließen könnten, nicht ersichtlich, zumal die Klägerin Leistungen der Beihilfe und ihrer privaten Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann.

Nach alledem war die Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO sowie § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO abzuweisen.

Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 10.696,50,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 2, Abs. 3 GKG).

 

 

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